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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Richtlinien zur Anonymisierung von richterlicher Entscheidung

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Präsidentin des
                                                                                                Schleswig-Holsteinischen
                                                                                                Landessozialgerichts




                                                                                                Stand: 12.05.2021

  Richtlinien zur Herstellung einer herausgabe- und veröffentlichungsfähigen Fas-
                          sung von Gerichtsentscheidungen

Entscheidungstexte des Landessozialgerichts sowie der Sozialgerichte sind von der Ge-
schäftsstelle vor der Abgabe an Dritte (am Verfahren Nichtbeteiligte) sowie für Archivie-
rungszwecke so zu neutralisieren, dass sie möglichst wenige personenbezogene Daten
(Art 4 Nr 1 DS-GVO) enthalten. Ziel ist eine weitestgehend anonymisierte oder zumindest
pseudonymisierte Fassung. Ist dies nicht möglich, weil für das Verständnis der in der zu
veröffentlichenden Gerichtsentscheidung enthaltenen Rechtsausführungen die Angabe
personenbezogener Daten oder solcher, die mithilfe von allgemein bekannten Zusatzinfor-
mationen zu solchen werden können, zwingend erforderlich ist, ist unter Abwägung des
Öffentlichkeitsinteresses mit dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen erneut
abzuwägen, ob die Herausgabe/Veröffentlichung erfolgt. Im Zweifel trifft die Entscheidung
der/die jeweilige Senatsvorsitzende.
Bei der Herstellung von herausgabefähigen Gerichtsentscheidungen ist nach folgenden
Richtlinien zu verfahren:

1. Grundsatz

Grundsätzlich gilt, dass alle Angaben, die sich auf eine identifizierte oder dadurch identifi-
zierbare natürliche Person beziehen, im Rubrum, Tenor, Tatbestand und den Gründen zu
anonymisieren/pseudonymisieren sind.
Hierbei ist darauf zu achten, dass der Informationsgehalt der Entscheidung möglichst
nicht negativ beeinflusst wird.
Die anonymisierte Fassung ist in Zweifelsfällen dem/der Senatsvorsitzenden vorzule-
gen, bei dem/der das Letztentscheidungsrecht über den Umfang der Anonymisierung liegt.
Es gilt bei dieser Entscheidung der Grundsatz, dass eine Weitergabe bzw. Veröffentli-
chung personenbezogener Daten in den Entscheidungsgründen nur insoweit zulässig ist,
als die entsprechenden Informationen für das Verständnis der Entscheidung Relevanz ha-
ben.

Die erforderliche Abwägung hat sowohl das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen als
auch das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Information über die ge-
troffene Entscheidung hinreichend zu berücksichtigen. Wenn auch z. B. Geburtsdaten
grundsätzlich zu anonymisieren sind, ist darauf zu verzichten, wenn es auf das konkrete

Dienstgebäude Gottorfstraße 2, 24837 Schleswig | Telefon 04621 86-0 | Telefax 04621 86-1025 |
verwaltung@lsg.landsh.de | www.lsg.schleswig-holstein.de |
E-Mail-Adressen: Kein Zugang für elektronisch signierte oder verschlüsselte Dokumente.
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Datum z. B. in Rechtsstreitigkeiten, die das Elterngeld betreffen, z. B. wegen der Anwend-
barkeit einer bestimmten Fassung der Norm, ankommt. Gleiches gilt für Ortsangaben,
wenn ohne deren Kenntnis der Inhalt der Entscheidung nicht verständlich wäre.
Letztlich ist eine Einzelfallabwägung unter Heranziehung des Grundsatzes der Verhält-
nismäßigkeit und unter Berücksichtigung des Verwendungszusammenhangs der Daten
erforderlich. Je näher die Daten zum unantastbaren Persönlichkeitskern stehen und je ge-
ringer daher ihr Sozialbezug ist, desto intensiver ist ihr Schutz gegenüber staatlichen
Eingriffen. Weder das Geheimhaltungsinteresse des Einzelnen noch das Informationsbe-
dürfnis der Allgemeinheit genießt generellen Vorrang. Vielmehr ist regelmäßig ein prakti-
scher Ausgleich herbeizuführen, der unzumutbare Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des
Einzelnen vermeidet, zugleich aber sicherstellt, dass eine ausreichende Informierung der
Öffentlichkeit über eine getroffene Entscheidung erfolgen kann (VG Leipzig Urteil vom
18.5.2016 - 1 K 1720/14 - juris RdNr 51 f).

Die Anonymisierung/Pseudonymisierung ist unter Berücksichtigung der vorgenannten
Grundsätze nach den folgenden Regelungen durch Löschung bzw. durch Ersetzung vor-
zunehmen. Die Ersetzung findet grundsätzlich mit einer Initiale statt. Kommt es zu einer
Dopplung der Initiale und ist sonst keine Unterscheidung möglich, ist diese zur Differenzie-
rung um eine (fortlaufende) arabische Zahl, beginnend mit "1", zu ergänzen, wobei die
Nummerierung in jeder Rubrik (z. B. natürliche Person, juristische Person, Ort, Straße)
von vorn beginnt.

2. Rubrum

Zu löschen sind:
- Name der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sowie diese Funkti-
onsbezeichnung im Verkündungsvermerk
- Vor- und Zunamen sowie Anschriften von natürlichen Personen
- Namen und Anschriften von juristischen Personen des Privatrechts, Vereinen sowie
sonstigen Personenvereinigungen
- Namen und Anschriften von Prozessbevollmächtigten,

nicht zu löschen sind:

- Namen der Richterinnen und Richter des Spruchkörpers
- Namen und Anschriften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
- Aktenzeichen der Gerichte
- Name bzw. Sitz der Gerichte


3. Tenor, Tatbestand und Gründe:

Zu löschen sind:
- Namen von natürlichen Personen
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Sie werden - mit Ausnahme von zitierten Autoren - ersetzt durch den Anfangsbuchstaben
des Nachnamens. Sofern der gleiche Anfangsbuchstabe in einem Entscheidungstext
mehrfach zu verwenden und sonst keine Unterscheidung möglich wäre, ist er entspre-
chend der Grundsätze um eine (fortlaufende) arabische Zahl, beginnend mit "1", zu ergän-
zen. Dabei ist für die jeweilige Person in einer Entscheidung der immer gleiche Stand:
Buchstabe bzw. die immer gleiche Kombination zu verwenden; - akademische Titel, Be-
rufs- und Amtsbezeichnungen sind zu löschen.
Natürliche Personen sind auch Sachverständige sowie Richterinnen und Richter, die dem
Spruchkörper nicht angehören.

Beispiele:
aus Luise Müller wird z. B. M1 aus Dr. Meier wird z. B. M2 aus Klara Weber wird z. B. W
aus Müller-Wohlfahrt wird z. B. M3 aus Bergingenieur Schlau wird z. B. S
- Namen von juristischen Personen des privaten Rechts sowie sonstigen Personen-
vereinigungen und Vereinen

Sie werden unter Erhaltung der Bezeichnung der Rechtsform mit dem Anfangsbuchstaben
entsprechend der obigen Grundsätze ersetzt. Sofern der gleiche Anfangsbuchstabe in ei-
nem Entscheidungstext mehrfach zu verwenden und sonst keine Unterscheidung möglich
wäre, ist er um eine (fortlaufende) arabische Zahl, beginnend mit "1", zu ergänzen. Dabei
ist für die jeweilige Person oder Vereinigung in einer Entscheidung der immer gleiche
Buchstabe oder die immer gleiche Kombination zu verwenden. Sofern diese im Namen
eine Ortsbezeichnung führen, wird (auch) diese durch den Anfangsbuchstaben ggf. unter
Ergänzung um eine (fortlaufende) arabische Zahl, beginnend mit "1" nach den obigen
Grundsätzen ersetzt, sofern keine anderweitige Unterscheidung möglich ist. Die Numme-
rierung beginnt dabei in jeder Rubrik von vorn. Dabei ist für den jeweiligen Ort in einer Ent-
scheidung der immer gleiche Buchstabe oder die immer gleiche Kombination zu benutzen,
unabhängig davon in welchem Zusammenhang der Ort verwandt wird.
Dies gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, sofern diese nicht Be-
teiligte am Verfahren sind (§ 69 SGG).
Beispiele: aus Henschel-Werke in Kassel wird z. B. H-Werke in K aus Volkswagen AG
Baunatal wird z. B. V AG B aus Bretthauer GmbH wird z. B. B GmbH aus Milke AG wird z.
B. M AG
aus Deutsche Bank wird z. B. D Bank
aus Berufsgenossenschaftlicher Verein für Heilbehandlung e. V. wird z. B. Berufsgenos-
senschaftlicher Verein für H e. V.

- Orts- und Straßennamen

Orts- und Straßennamen - mit Ausnahme der Ortsangaben von Gerichten - werden mit
dem Anfangsbuchstaben entsprechend der obigen Grundsätze - ggf. ergänzt um eine
(fortlaufende) arabische Zahl - ersetzt. Dabei ist für den jeweiligen Ort oder die jeweilige
Straße in einer Entscheidung der immer gleiche Buchstabe oder die immer gleiche Kombi-
nation zu benutzen. Dies gilt unabhängig davon in welchem Zusammenhang sie verwandt
werden. Hausnummern werden grundsätzlich gelöscht.
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Beispiele: aus Witzenhausen wird z. B. W
aus Detmolder Straße 5 wird z. B. D Straße aus Königsplatz wird z. B. K Platz aus Wil-
helmshöher Allee wird z. B. W Allee aus Willy-Brandt-Platz wird z. B. W-Platz aus Hinter
der Kirche wird z. B. H
aus Reinhäuser Landstraße wird z. B. R Straße

- Krankenhäuser, Kliniken, Heilanstalten etc.

Sofern diese mit einem Eigennamen bezeichnet werden, wird dieser Namensbestandteil
durch den Anfangsbuchstaben des ersten Namensbestandteils ersetzt. Sofern der gleiche
Anfangsbuchstabe in einem Entscheidungstext mehrfach zu verwenden und sonst keine
Unterscheidung möglich wäre, ist er entsprechend der Grundsätze um eine (fortlaufende)
arabische Zahl, beginnend mit "1", zu ergänzen, wobei die Nummerierung von vorn be-
ginnt.
Beispiele:
aus Franziskushospital wird z. B. F Hospital
aus Orthopädische Klinik des Oskar-Helene-Heims wird
z. B. Orthopädische Klinik O
Sofern diese im Namen eine Ortsbezeichnung führen, wird diese durch den Anfangs-
buchstaben in Weiterführung der arabischen Zahlenreihenfolge nach den obigen Grunds-
ätzen ersetzt. Dabei ist für den jeweiligen Ort in einer Entscheidung der immer gleiche
Buchstabe oder die immer gleiche Kombination zu benutzen, unabhängig davon in wel-
chem Zusammenhang er verwandt wird.
Beispiel:
aus Städtische Klinik Kassel wird z. B. Städtische Klinik K1
Bei Kombination von Eigenname und Ortsbezeichnung ist entsprechend zu verfahren.
Beispiel:
aus Psychosomatischer Klinik Seelenruh in Bad Kreuznach wird z. B. Psychosomatische
Klinik S in K2
Dabei ist für die jeweilige Einrichtung in einer Entscheidung der/die immer gleiche/n Buch-
stabe/n oder die immer gleiche Kombination zu verwenden.


- Geburtsdaten mit Ausnahme des Geburtsjahres

Beispiele:
aus 3.6.1936 wird 1936 aus …der am 3.6.1936 geborene wird der 1936 geborene…
Auch dies gilt nur dann, wenn der Urteilsinhalt ohne die Angabe des genauen Geburtsta-
ges verständlich ist.
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Gerichtsaktenzeichen und Aktenzeichen von Verwaltungsbehörden sind weder im
Rubrum noch im Text zu bearbeiten.

4. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse bei PKH
Auch Daten über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines PKH-Antragstel-
lers lassen Rückschlüsse auf die konkrete Person trotz Anonymisierung/Pseudonymisie-
rung seines Namens zu. Bereits das erkennende Gericht hat § 73a SGG iVm § 127 Abs 1
Satz 3 ZPO zu beachten.
In den Fällen der Bewilligung von Ratenzahlung bzw. bei Ablehnung aus wirtschaftlichen
Gründen ist der PKH-Beschluss der Gegenseite ohne Gründe (unter Kennzeichnung als
Auszug) zuzustellen. Die Anonymisierung/Pseudonymisierung findet in diesen Fällen u. a.
durch die Löschung der Gründe und Kennzeichnung als Auszug statt. Bei einer Ablehnung
wegen fehlender Erfolgsaussichten bleiben die Gründe erhalten.
Sofern der Senat hiervon abweichend die Zustellung eines vollständigen PKH-Beschlus-
ses, in dessen Gründen Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
eines PKH-Antragstellers enthalten sind, anordnet, ist vor der Zustellung an die Gegen-
seite zwingend die Zustimmung des Antragstellers einzuholen (§ 73a SGG iVm § 127 Abs
1 Satz 3 ZPO). Unabhängig davon, dass der Gegenseite ein vollständiger Beschluss zu-
gestellt wird, ist für Archivierungszwecke und den Versand an Dritte eine anonymi-
sierte/pseudonymisierte Fassung zu fertigen, in der u. a. die Betragsangaben durch Platz-
halter "XXXX" zu ersetzen sind.

In allen Fällen gelten überdies die allgemeinen Grundsätze dieser Richtlinie.
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