erlassvom08-04-2020_geschwaerzt
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Richtlinien zur Personenstandsgesetz 45b“
Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen -Anhalt Postfach 3563 • 39010 Magdeburg Landesverwaltungsamt Ernst-Kamieth-Straße 2 06112 Halle (Saale) 8. April 2020 Personenstandswesen; Anwendungsbereich von § 45 b des Personenstandsgesetzes Zeichen: Bezug: Erlass vom 15.04.2019, 34.31 -11150 -1 34.31-11150-1 Bearbeitet von: ████████▎ Zum 31. März 2020 ist die Verpflichtung der Standesämter, Vorgänge vor Be- ▎ Durchwahl: urkundung von Erklärungen nach § 45 b Personenstandsgesetz (PStG) (0391) dem 567-5466 Landesverwaltungsamt vorzulegen, ausgelaufen. Aus diesem Grunde möchte E-Mail: ich in Ergänzung zum Bezugserlass auf Folgendes hinweisen: ████████ ▎ █████▎████▎ Mit dem am 22. Dezember 2018 in Kraft getretenen „Gesetz zur Änderung derIhre Nachricht: in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ wird die Möglichkeit eröff- vom net, bei der Geburt von Kindern, die weder dem männlichen noch dem weibli- chen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können (intersexuelle Men- schen), auch die Geschlechtsangabe „divers“ zu wählen (§ 22 Abs. 3 PStG). Personen mit einer solchen Variante der Geschlechtsentwicklung können ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen darüber hinaus später auch selbst durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern lassen (§ 45b PStG). Bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen sind vermehrt Fragen in Be- zug auf die Anwendung dieser Regelung aufgetr eten. Insbesondere bereitet Halberstädter Str. 2/ am „Platz des 17. Juni“ die Abgrenzung von intersexuellen und transsexuellen Personen Probleme in 39112 Magdeburg Telefon (0391) 567-01 Telefax (0391) 567-5290 poststelle@mi.sachsen-anhalt.de www.mi.sachsen-anhalt.de Landeshauptkasse Sachsen-Anhalt Deutsche Bundesbank BIC MARKDEF1810 IBAN DE21 8100 0000 0081 0015 00
Seite 2/4 der Praxis, da sich immer wieder transsexuelle Personen auf die gesetzliche Regelung in § 45 b PStG berufen und dies damit begründen, dass auch bei ihnen eine Variante der Geschlechtsent- wicklung vorliegen würde. In diesem Zusammenhang wird von den Antragstellern vorgebracht, dass auch transsexuelle Personen vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung umfasst werden wür- den. Dabei wird sich auf das Rechtsgutachten zum Verständnis von „Varianten der Geschlechts- entwicklung in § 45b Personenstandsgesetz“ von Prof. Dr. Anna Katharina Mangold, LL.M. (Cambridge), Flensburg Maya Markwald, Berlin Dr. Cara Röhner, Frankfurt am Main, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vom 2. Dezember 2019 beru- fen. Es soll damit das gerichtliche Verfahren nach dem Transsexuellengesetz umgangen werden. Nach der aktuellen medizinischen Terminologie, die auf der bei der Konsensuskonferenz 2005 in Chicago vorgeschlagenen Klassifikation beruht und auf deren Grundlage die gesetzlichen Rege- lungen in den §§ 22 Abs. 3 PStG und 45b PStG basieren, werden unter Varianten der Ge- schlechtsentwicklung Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind (Lee PA, Houk CP, Ahmed SF, Hughes IA; Con- sensus Statement on Management of Intersex Dis-orders. International Consensus Conference of Intersex. Pediatrics 2006; 118:E488-E500). Im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragen- den Angaben gab es Anträge der Fraktion DIE LINKE als auch von der Fraktion BÜNDNIDS 90/DIE GRÜNEN, Transsexuelle in diese Regelung mit einzubeziehen und das Transsexuellen- gesetz aufzuheben. Dabei wurde ausgeführt, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Zugangsbeschränkung zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht führe, da mit dem „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonde- ren Fällen (Transsexuellengesetz - TSG) ein anderer Weg inklusive eines Gerichtsverfahrens und weiteren, dann psychologischen oder psychiatrischen Untersuchungen und Begutachtungen für die Änderung des Personenstands beim Geschlechtseintrag von „männlich zu „weiblich“ und um- gekehrt sowie dem/den Vornamen bestehen bliebe. Darum ist - zumal auch keine materiell-recht- lichen Unterschiede aufgrund von Einträgen, die „männlich“ oder „weiblich“ lauten, (mehr) entste- hen - die Korrektur hin zu einer anderen als den beiden bisherigen Optionen auf dieselbe Weise zu ermöglichen, wie sie im Zuge des jetzigen Gesetzgebungsverfahrens rund um die anderen Eintragungsoptionen eingeführt wird.
Seite 3/4 Der Anwendungsbereich der Regelung beschränkt sich auf Menschen mit Varianten der Ge- schlechtsentwicklung. Nach der aktuellen medizinischen Terminologie, die auf der bei der Kon- sensuskonferenz 2005 in Chicago vorgeschlagenen Klassifikation beruht, werden unter Varianten der Geschlechtsentwicklung Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Geschlechtschromoso- men, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind“ (Allgemeiner Teil der Begründung, Ab- schnitt II, Seite 4). Mit dieser engen Definition schließt der Gesetzentwurf einen Teil der interse- xuellen Menschen sowie alle weiteren Menschen, die sich nicht der binären Geschlechterkonstel- lation zuordnen (zum Beispiel transsexuelle Menschen), von der Möglichkeit des neuen Ge- schlechtseintrags „divers“ aus. Der Ausschuss für Inneres und Heimat hat diese Anträge mehrheitlich abgelehnt. Der Gesetzge- ber hat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eine mögliche Einbeziehung von Transsexuel- len unter die gesetzliche Regelung betrachtet, eine solche jedoch ausdrücklich verworfen. Transsexuelle unterfallen daher weiterhin den Regelungen des Transsexuellengesetzes. Eine Än- derung der Geschlechtsangabe ist ohne ein gerichtliches Verfahren nicht möglich. Dieser Auffas- sung schlossen sich insbesondere das OLG Nürnberg mit Beschluss vom 3. September 2019, Az. 11 W 1880/19, „§ 45b PStG findet nur Anwendung auf intersexuelle, nicht aber auf transsexuelle Menschen“ und das AG Wuppertal, Beschluss vom 18. Juli 2018, Az. 110 III 35/19, an. Eine etwas andere Auffassung vertritt das AG Münster mit Beschluss vom 16. Dezember 2019, Az. 22 III 130/18. Da obergerichtliche Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt noch nicht vorliegt, haben sich die Stan- desämter in Sachsen-Anhalt an dem Beschluss des OLG Nürnberg vom 3. September 2019 11 W 1880/19 (StAZ 12/2019 S. 374) auszurichten. Zwar sind die Standesbeamten in ihrer Funktion als Urkundsbeamte bei personenstandsrechtli- chen Beurkundungen weisungsfrei. Jedoch ist auch der Standesbeamte an Recht und Gesetz gebunden. Beurkundungen nach § 22 Abs. 3 PStG i.V.m. § 45b PStG sind nur für intersexuelle nicht jedoch für transsexuelle Personen möglich. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrück- lich auf die Regelung in § 2 Abs. 3 PStVO-LSA aufmerksam machen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes begründet Zweifel an der fachlichen Eignung des Stan- desbeamten. Soweit dem Standesbeamten/der Standesbeamtin eine eindeutige Zuordnung des Antragstellers zum Personenkreis des § 22 Abs. 3 PStG i.V.m. § 45b PStG nicht möglich ist oder soweit bekannt geworden ist, dass es sich bei der antragstellenden Person um eine transsexuelle Person handelt, empfehle ich entweder den Antrag abzulehnen oder aber gemäß § 49 Abs. 1 PStG von der Möglichkeit der Zweifelsvorlage Gebrauch zu machen.
Seite 4/4 Ich bitte um Kenntnisnahme und um Unterrichtung der Landkreise, kreisfreien Städte und der Standesämter. Im Auftrag ████ ▎