2000-protokoll-nr-412
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
1B 2/gerh-Beirat-412 Vertraulich*) A. Teiinehmer *) Es wird ausdricklich - insbesondere im Hinblic k auf die Diskussion mit Gasten und die Verteil Unterlagen - auf den Vertraulich-Vermer ung von k hingewiesen.
|. Mitteilungen der Vorsitzenden ll. Feststellung der Tagesordnung ill. Bemerkungen zu den Protokollen Nr. 409 - Sitzung 12./13.11.1999 in Mainz Nr. 414 - Sitzung 10./41.12.1999 in Berlin IV. Diskussion Gber aktuelle Probleme V. Gutachten: ’Freizigigkeit und Soziale Sicherung in Europa” « Diskussion Kommissionsvorlage, Abschnitt Ill. C. “Politikkoordinierung in der Sozi- alen Sicherung" Oktober 1999/Januar 2000 « Entwurf Abschnitt IV: “Die Reform der Koordinierung der Sozialen Sicherung” Vi. Stellungnahme zum Landerfinanzausgleich Vil. Tagesordnung der nachsten Sitzung VII Verschiedenes
-3- |. Mitteilungen der Vorsitzenden / Il. Feststellung der Tagesordnung z ili, Bemerkungen zu den Protokollen der letzten Sitzuna Das Protokoil Nr. 409 (Sitzung 12./13. November 1999 in Mainz) wird mit folgender An- derung auf Seite 5 (erster Satz des fiinften Absatzes) verabschiedet: "Aufgrund der vom Beirat gemachten Anregungen zur...Uber die Ergebnisse der eingesetzten Beratungs- nuar vorgeleat wurde). Das Protokoll Nr. 411 (Sitzung 14./15. Januar 2000 in Berlin) wird ohne Anderungen verabschiedet. iV. Diskussion Uber aktuelle Probleme tlautert den wahrend der Sitzung verteilten Zeitplan fur die Beratung des Ge- setzes zur Senkung der Steuersatze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Wie aus einem ebenfalls wahrend der Sitzung verteilten Informationspapier hervorgeht, wurde der Referentenentwurf aufgrund der Anhérung der Verbande, der Lander und der Ressorts technisch fortentwickelt und in drei wesentlichen Punkten gedndert (Besteuerung von in- vestmentfonds, Konzernklausel in der Ubergangsregelung, Anderung Gewerbesteuerge- setz).
-4- V. Gutachten: "Freiziigiqkeit und Soziale Sicherung in Europa” (1) Diskussion Kommissionsvorlage, Abschnitt Ill_C. "Politikkoordinierung in der Sozialen Sicherung” (Oktober 1999/Januar 2000) Der Beirat diskutiert die Neufassung des Abschnitts Ill. C. Aus der Diskussion sind die fol- genden wesentlichen Punkte festzuhaiten: * Ein Kommissionsmitglied erlautert das Prinzip der verzégerten Integration. Im Gutachten soll - ausgehend von der gegenwartigen Koordinierung der sozialen Sicherung in Eu- ropa - zunachst nach marginalen Anderungen bzw. Verbesserungsmdglichkeiten im be- stehenden System gesucht werden. Allerdings stellt sich auch die Frage nach den Leit- vorstellungen fur den Entwurf eines ktinftigen europaischen Ordnungsrahmens fur die soziale Sicherung. Eine zentrale Uberlegung ist in diesem Zusammenhang der "Ver- zégerungsgedanke" und nicht das Beschaftigungsland- bzw. Wohnsitzprinzip. Unter Ef- fizienzgesichtspunkten ware beim Export von Sozialleistungen ein “reines” Herkunfts- prinzip am konsequentesten. Das verzégerte Integrationsprinzip stellt unter rechtlichen und 6konomischen Gesichtspunkten eine Kompromisslésung dar. Gleichzeitig ermdg- licht es die Gleichbehandlung von erwerbstatigen und nichterwerbstatigen Unionsbur- gem. Es gilt daher zu tberlegen, welche Einwande gegen dieses Prinzip vorgebracht werden kénnen. Die Frage der Bemessungsgrundlage fiir die Beitrage sollte von den Uberlegungen zum verzégerten Integrationsprinzip getrennt werden, da es sich um zwei voneinander unabhangige Problemkreise handelt. « Nach Auffassung eines Beiratsmitglieds sollte im Hinblick auf die Ausfuhrungen auf Sei- te 56f. das Beschaftigungslandprinzip nicht grundsatzlich aufgegeben werden, da es sich bei lohn- und einkommensbezogenen Sozialleistungen insgesamt bewahrt hat. Der Tenor des Gutachtens kénnte als eine Kritik an der lohnbezogenen Finanzierung von Sozialleistungen interpretiert werden. Das Prinzip der verz6gerten Integration sei aller- dings bei steuerfinanzierten Sozialleistungen von Bedeutung. Im Gutachten soilten da- her beitragsbezogene und steuerfinanzierte Leistungen getrennt untersucht werden. « Ein Beiratsmitglied regt an, die Formulierung auf Seite 57 (Zeile 17f.) zu Uberdenken. In Zeile 20 solite "ausgelegt" durch "festgesetzt" ersetzt werden. * Die Uberlegungen auf Seite 58 (Zeile 13ff.) zu den gesamtwirtschaftlichen Auswirkun- gen von Wanderungen bzw. zur Frage der Verzerrung von Wanderungsentscheidungen
-5§- werden im Beirat intensiv erdrtert. U.a. wird angeregt, im theoretischen Teil des Gut- achtens auf die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Haushaltsmobilitat hinzuweisen, da an dieser Textstelle das Pendier-Problem behandelt werden soll. Zu Gberlegen sei auch, ob nicht wieder der in einer friheren Fassung des Gutachtens (Voriage fr die Sitzung am 16./17. April 1999) enthaltene Anhang Uber effiziente Wonhnsitzentschei- dungen von Haushaiten beigefiigt werden sollte, um das Problem zusatzlich externali- sierter Kosten ("Grenzballungskosten”) zu behandein. veist darauf hin, dass die bei Inanspruchnahme von Sozialleistungen im verzégerten Integrationsprinzip vorgesehene Karenzzeit von fiinf Jahren nicht mit dem geltenden EG-Recht vereinbar ist. Zur Umsetzung ware eine Erganzung bzw. grundiegende Anderung des EG-Vertrages insbesondere im Hinblick auf den Diskrimi- chen, dass es sich um weitergehende Uberiegungen des Beirats handelt, die auf einem theoretischen Modell basieren und in die Zukunft gerichtet sind. Berticksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass Grundlage fur die Verhandiungen mit den EU-Beitrittskandidaten der in diesem Jahr mit Abschluss der “Regierungskonferenz 2000" erreichte sogenannte “gemeinsame Besitzstand" der Union ist ("aquis com- munautaire”), Eine Veranderung des gemeinsamen Besitzstandes dirfte erst nach Ab- schluss der Beitrittsverhandiungen - im Rahmen einer weiteren Regierungskonferenz aller, auch der neuen EU-Mitgliedstaaten - mdéglich sein. Nach Auffassung eines Beiratsmitglieds ist die Aussage auf Seite 59 in Zeile 7f. unklar formutiert. Ein Beiratsmitglied regt an, die praktischen Beziige der theoretischen Uberlegungen deutlicher zu machen. Auf Seite 60 sollte die Formulierung in Zeile 22 ("Missbrauch sozialer Einrichtungen’) neutraler formuliert werden, da in diesem Zusammenhang zwischen einer unerwiinsch- ten Inanspruchnahme von Sozialleistungen und einer unzulassigen inanspruchnahme unterschieden werden muss. Der Begriff “Administrierung” (Zeile 33) ist missverstand- lich, da nicht allein verwaltungstechnische Aspekte Ursache fur die genannten sozialen Probleme sind. Fur das 2.8. auf Seite 62 erwahnte “Bismarck-System" sollte im Gutachten eine andere Terminologie gesucht werden.
-6- Auf Seite 64 (Zeile 6f.) ist der “Art. 12 (ex-Art. 6) EGV" durch "Art. 39 (ex-Art 48) EGV" zu ersetzen. Auf Seite 65 sind die in der Fu@note 11 gemachten statistischen Angaben zu Uiberpri- fen. veist darauf hin, dass EG-rechtlich bei Nichterwerbstatigkeit der Diskriminierungsbegriff (Zeile 25f.) nicht passt. Es handelt sich vielmehr um eine Diffe- renzierung aufgrund unterschiedlicher Sachverhaite. im Rahmen der weiteren Diskussion des verzdégerten integrationsprinzips (Seite 66-68) wird das fur die Festlegung der sozialstaatlichen Zustandigkeit genannte Anforderungs- kriterium “Mittelpunkt der Lebensinteressen" unter dem Gesichtspunkt der verwaltungs- technischen Umsetzbarkeit skeptisch beurteilt. Ein Beiratsmitglied meint, dass es analog zu den Problemen bei der Bestimmung des Konsumortes nicht méglich sei, den Mittel- punkt der Lebensinteressen zu bestimmen. Infolgedessen werden Ansatzpunkte fur Manipulationen gesehen. Einige Beiratsmitglieder regen an, den Begriff Mittelpunkt der Lebensinteressen in Ubereinstimmung mit dem Steuerrecht zu definieren. Mehrere Beiratsmitglieder vertreten Ubereinstimmend die Auffassung, dass im Gutach- ten eine getrennte Analyse von Sozialleistungen mit bzw. ohne Aquivalenzcharakter erfolgen solite. Bei Aquivalenzorientiertheit sei keine Integrationsverzégerung erforder- lich, wohl aber bei Sozialleistungen mit starken Umverteilungselementen. Ein Beirats- mitglied vertritt die Auffassung, dass der Ansatz falsch sei, schon aufgrund der Unions- burgerschaft musse die Koordinierung von Sozialleistungen in der EU nach einem ein- heitlichen Prinzip erfolgen. Vielmehr bedarf es getrennter Regelungen fir steuerfinan- zierte bzw. beitragsfinanzierte Leistungen. (2) Entwurf Abschnitt lV: “Die Reform der Koordinierung der Sozialen Sicherung" Der Beirat diskutiert den Abschnitt IV. Aus der Diskussion sind die folgenden wesentlichen Punkte festzuhalten: Die "Schiussbemerkungen” des Abschnitts IV. fallen unter den "Gliederungspunkt G.". Auf Seite 79 solite in Zeile 7f. “(Art. 12/ex-Art. 6 EGV)" gestrichen werden und in Zeile 8f. die Klammer wie folgt neugefasst werden: “(Art. 39 und 42/ ex-Art. 48 und 51 EGV)"
-7- Ein Beiratsmitglied regt an, bei den Ausfihrungen auf Seite 81 (Zeile 3ff.) einen Hinweis zu den Ausfihrungen im Gutachten auf Seite 12-14 zu machen. weist darauf hin, dass die auf Seite 83f. wiedergegebene Stellung- nahme des Bundesrates zum Kommissionsvorschlag zur Neufassung der VO 1408/71 einer Erganzung durch den Standpunkt der Bundesregierung und des Bundestages be- durfe und daher ihre politische Bedeutung zu relativieren sei. Die entsprechende Stel- lungnahme des Bundestages wird der Kommission zu gegebener Zeit von zugeleitet. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die durch die Kommission vorgesehene Erstreckung der VO 1408/71 auf Drittstaater nicht die Zuwanderung regein soll und keine zusatzlichen Freiziigigkeitsrechte schafft, da sie nur far Drittstaater innerhalb der Gemeinschaft gelten soll. Ein Beiratsmitglied weist darauf hin, dass die EU-Osterweiterung auch gro&e Chancen bietet. Dieses hangeyi aber wesentlich davon ab, inwieweit es gelingt, dringende Finanz- reformen (z.B. im Agrarbereich) voranzutreiben. Aufgrund mangeinder Sprachkennt- nisse bzw. kultureller Hemmnisse werden Wanderungen unter Umstanden nicht in dem befurchteten Ausma® stattfinden. Mehrere Beiratsmitglieder glauben, dass durch das Prinzip der verzGgerten Integration die "Wucht" der Entwickilungen deutlich abgemildert werden kann. Ein Beiratsmitglied fragt unter Hinweis auf den Absatz auf Seite 86 (Zeile 13ff.) nach der Position des Beirats. regt an, nach Zeile 30 eine Zwischeniber- schrift einzufigen, da in den Zeilen 37ff. mit den Urteilen des EuGH in den Sachen Kohil/Decker das Problem der Waren- und Dienstleistungsfreiheit (Import von Sachieis- tungen) im Mittelpunkt steht und nicht die Frage der Portabilitat von versicherungsbe- die EuGH-Rechisprechung besetzt. Mit Hinweis auf die auf Seite 87 in Zeile 6ff. gegebene Empfehlung regt ein Beiratsmit- glied an, die Empfehlungen generell im hinteren Teil des Gutachtens zusammenzufas- sen. Auf Seite 88 sollten die AusfGhrungen zu “vollarbeitsiosen Wanderarbeitnehmern” (Zeile 14) bzw. die Uberlegungen zu “echten” und “unechten” Pendlern Gberprift und angepasst werden.
2 Auf Seite 89 sollte in Zeile 24 "grenztiberschreitende" gestrichen werden und "Wande- rungen" durch "Wanderarbeitnehmer" ersetzt werden. Ein Beiratsmitglied regt an, die Ausfihrungen auf Seite 90 (Zeile 23ff.) zu Gberprifen. (3) Beschlisse: » Der Beirat beschlie&t - auf Grundlage des vorgelegten Gliederungsentwurfs - das Gut- achten in zwei Hauptteile zu gliedern: In einem ersten Teil A. sollen die bisherigen Ab- schnitte I], und IV. behandelt werden. Dieser Teil dient der Darstellung des gegenwarti- gen Koordinierungssystems der sozialen Sicherung in der EU und aktueller Reforman- satze innerhalb dieses Systems. In einem zweiten Teil B. sollen die bisherigen Ab- schnitte Il]. und V. zusammengefasst werden, um unter Ruckgriff auf die ékonomischen Uberlegungen die aktuelle Praxis zu Uberprtifen und umfassendere Reformziele formu- lieren zu kénnen. = Der Beirat beschlie®t, dass bei der Erérterung des Prinzips der verzdgerten Integration die Vor- und Nachteile einer allgemeinen Anwendung einerseits, einer Differenzierung nach beitrags- und steuerfinanzierten Sozialleistungen andererseits, deutlich dargesteilt werden sollen. » fine Uberarbeitete Fassung des gesamten Gutachtenentwurfs soll zur nachsten Sitzung in Glottertal vorgelegt werden. VI. Vorbereitung einerStellungnahme zum Landerfinanzausgleich Ein Kommissionsmitglied erlautert den Stand der Arbeiten zu einer Stellungnahme zum Fi- nanzausgleichsurteil. Nach den derzeitigen Uberlegungen zur Gliederung der Stellung- nahme sollen zundchst die in den bisherigen Gutachten gemachten Uberlegungen des Bei- rats zum horizontalen Landerfinanzausgleich behandelt werden. Im Mittelpunkt des zweiten Teils soll das Problem des vertikalen Finanzausgleichs stehen. Eine zentrale Frage ist, in- wieweit der Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber umgesetzt werden kann "notwendige Ausgaben" zu definieren. Es sollen auch mégliche Reformansatze dargestellt werden, die eine Verfassungsanderung voraussetzen. Bis zur nachsten Sitzung in Glottertal wird die Kommission den Entwurf einer Stellungnahme vorlegen.
-9- Vil. Tagesordnung der nachsten Sitzung / Verschiedenes Die nachste Beiratssitzung findet am 28./29. April 2000 in Glottertal im Hotel “Hirschen” stait. Voraussichtliche Tagesordnung ist: IL. Mitteilungen der Vorsitzenden Hh. Feststellung der Tagesordnung Ul. Bemerkungen zu dem Protokoll der letzten Sitzung IV. Diskussion Uber aktuelle Probleme Vv. Stellungnahme zum Finanzausgleichsurteil Vi. Gutachten: "Freiziigigkeit und Soziale Sicherung in Europa’ Vil. Tagesordnung der nachsten Sitzung VIL. Verschiédenes Vill. Verschiedenes Enifallt. Berlin/Géttingen, den 22. Februar 2000 gez. gez.