2002-protokoll-nr-428
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
£ At Vox . Ot 1A2/ meye_Beirat_428 Vertraulich’ Niederschrif t 2/02 . der 428. Tagun s Wissenschaftlichen Beira beim Bundesministerium der Finanzen am 15./16. Februar 2002 in Berlin ,.Hotel Maritim pro Arte“ Es wird ausdrucklich - insbesondere im Hinblick auf die Diskussion mit Gasten und die Verteilung von Unterlagen - auf den Vertraulich-Vermerk hingewiesen.
B. Tagesordnung Mitteilungen der Vorsitzenden Feststellung der Tagesordnung Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung Diskussion Gber aktuelle Probleme der Finanzpolitik + vorrag!TTS Uberarbeiteter Entwurf einer Stellungnahme zur Beriicksichtigung von Kinder in der umlagefinanzierten Sozialversicherung Vi. Expertenanhdrung zum Thema ,Koordinierung der Stabilitatspolitik in Europa?" e Vortrag von oreo. ee ae Europaische Kommission ~ VIL Erérterung mdglicher Schlussfolgerungen aus den Expertenanhérungen zur ,Koordinierung der Stabilitatspolitik in Europa?“ VIL Tagesordnung der nachsten Sitzung IX. Verschiedenes
i__ Feststellung der Tagesordnung Der Tagungsordnungspunkt Vil. entfalit. Die Tagesordnung wird ohne weitere Anderungen angenommen. il. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung Das Protokoll wird ohne Anderungen angenommen. Vv. Diskussion dber aktuelle Probleme der Finanzpolitik; Vortrag gibt einen Uberblick dber die wirtschaftliche Entwicklung und die Lage der offentlichen Finanzen. im Jahr 2001 sei die Wirtschaftslage wesentlich ungunstiger verlau- fen als zu Jahresbeginn erwartet. Das BIP stieg real nur um 0,6 % anstatt der in der Jahres- projektion erwarteten 2 % %. Ursachlich hierfir waren: Der weltweit synchrone Konjunktur- einbruch, der Kaufkraftentzug aufgrund der Energieverteuerung und der tierseuchen- bedingte Anstieg der Nahrungsmittelpreise sowie die beschleunigte Kontraktion in der Bau- wirtschaft. SchlieBlich hatten die Terroranschiage vom 11. September 2001 die im Jahres- verlauf eingetriibte Stimmungslage in der Wirtschaft nochmals deutlich verschiechtert. Fur das laufende Jahr erwarte die Bundesregierung einen realen Anstieg des BIP fur den Jahresdurchschnitt 2002 von rund % %. Dafiir sprachen die insgesamt gUnstigen wirtschaftlichen Fundamentalfaktoren, insbesondere die niedrigen kurz- und langfristigen Nominaizinsen, die riickiaufigen Inflationsraten sowie die niedrigen Olpreise. Auch wurden die Anzeichen, dass sich das Vertrauen der Investoren und Verbraucher bessere, zunehmend deutlicher. Der ifo-index fiir das Geschaftsklima bessere sich spUrbar. Zudem sei der Auftragseingang in der Industrie im November und Dezember deutlich angestiegen. Als Reflex auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sei das Staatsdefizit in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im vergangenen Jahr mit 2,6 % des BIP um rd. 1 %-Punkt héher als erwartet ausgefallen. Flr dieses Jahr erwarte die Bundesregierung mit 2 % % des BIP ein Staatsdefizit in etwa der gleichen GréRenordnung wie im letzten Jahr. Ein ausreichender Sicherheitsabstand zur 3 %-Defizitgrenze des Stabilitats- und
-5- Wachstumspakts der EU sei damit gegeben. im Vordergrund der anschlieBenden Diskussion steht die Erklarung des Europdischen Rates (Wirtschaft und Finanzen) vom 12. Februar 2002 zur Haushaltslage in Deutschiand (wird als Tischvoriage verteilt). Politisch habe sich die Bundesregierung in dieser Erklarung insbesondere verpflichtet, bis zum Jahr 2004 in Einklang mit friiheren Zusagen eine nahezu ausgeglichene Haushaltsposition zu erreichen sowie im Wege von Vereinbarungen mit den regionalen Regierungsebenen alle Anstrengungen zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Zusagen eingehalten werden. Erganzend eriautert die Hintergriinde, die zur Entstehung dieser Erklarung fUhrten. Der Stabilitats- und Wachstumspakt der EU sei durch das Zustandekommen der Erkiarung nicht beschadigt worden. Die Kommission habe ihr ,Wachteramt* ausgeUbt und der Rat habe das Vorgehen der Kommission bestatigt. Nach Anhdrung aller Argumente habe der Rat einvemehmiich eine ékonomisch und politisch ausgewogene Entscheidung getroffen. Kommission und Rat haben mit der Erklarung ihr urspriingliches Ziel, den deutschen Finanzminister in seinen Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung zu bestarken, erreicht. Die Bundesregierung werde noch in diesem Frahjahr beginnen, die eingegangenen politi- schen Verpflichtungen einzulésen. Im Marz werde ein Sonder-Finanzplanungsrat statt- finden. Dabei sollen Maglichkeiten zur innerstaatlichen Umsetzung der sich aus dem Stabi- litats- und Wachstumspakt der EU ergebenden Defizitvorgaben diskutiert werden. Hinsicht- lich der Auslegung des Defizitziels in der Rats-Erklarung stimmten Kommission und Bundesregierung iiberein. Konkret bedeute ein nahezu ausgeglichener Haushalt ein Defizit des Staatssektors in der GréRenordnung von % % des BIP. Vv. _Uberarbeiteter Entwurf einer Stellungnahme zur Berucksichtigung von Kindern in der umlagefinanzierten Sozialversicherung Die Kommission hat eine Gberarbeitete Fassung einer Stellungnahme/Guiachten zum Thema ,Beriicksichtigung von Kindern in der umlagefinanzierten Sozialversicherung” vor- gelegt. Nach einer kurzen alilgemeinen Aussprache nimmt der Beirat die Erérterung des vor- liegenden Textentwurfs auf
-6- in der allgemeinen Aussprache problematisieren einige Beiratsmitglieder, dass der vor- liegende Text noch nicht ausgewogen sei. Die in der Novernber-Sitzung vorgetragenen Bedenken seien noch nicht hinreichend berdcksichtigt. Dariiber hinaus wird angemerkt, dass die dargelegte Argumentation noch zu wenig politikbezogen sei. Die bittet, dass weitere Anmerkungen méglichst wahrend der Diskussion des Textentwurfs vorgetragen werden. informiert den Beirat, dass im Bundeskanzleramt eine AG gegriindet wurde, die sich mit dem Thema beschaftigt. Die Erérterung des Textentwurfs beginnt mit der Einleitung. Im ersten Absatz sei - anstatt auf die dffentlichen Haushalte - auf die umlagefinanzierte Sozialversicherung abzustelien. Im zweiten Absatz wird der verwendete Gieichgewichtsbegriff problematisiert (S. 2, Zeilen 23 - 26). In demselben Absatz sei dartiber hinaus als Instrument zur Korrektur von Finanzierungslticken in der gesetzlichen Rentenversicherung die Erhéhung des Renten- zugangsalters zu erganzen. SchlieBlich sei der gedankliche Ubergang zum dritten Absatz zu glatten. Zu Absatzen, die das Urteil des BVerfG referieren, wird generell angemerkt, dass der Wort- laut des Urteils genau wiederzugeben sei. Das Gericht sehe in der Pflegeversicherung Personen mit Kindern gegenUber Personen ohne Kinder benachteiligt. Die Leistungen fur beide Personengruppen seien zwar gleich, aber die Gruppen leisteten unterschiedliche Beitrage. Wahrend Personen ohne Kinder nur einen finanziellen Beitrag leisteten, wurden Personen mit Kinder zusdtzlich einen Sachbeitrag leisten. Dies verstoRe gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz. Zu S. 4 wird kontrovers diskutiert, ob bereits in der Einleitung die Ergebnisse cer Stellungnahme vorweg genommen werden sollten. Ein endgtltiger Beschluss hierUber solle zu einem spateren Zeitpunkt herbeigefhrt werden. im Grundtenor Uberwiegt allerdings die Auffassung, dass die Ergebnisse nicht in der Einleitung dargestellt werden sollten. Die - noch zu erstellende - Zusammenfassung sowie eine evil. voranzustellende Kurzfassung wurden den Zweck erfilllen, den Leser schnell Uber die Ergebnisse der Stellungnahme zu informieren. S. 6, Zeiien 26 - 33 (,Ob bestimmte ... um deren Gestaltung.“) werden gestrichen. Die Aus- fuhrungen seien verzichtbar fur den Gedankenaufbau der Stellungnahme. Sie kénnten
-7- auch als Kritik an der Vorgehensweise des BVerfG missverstanden werden. S. 7, Zeile 26 , erst im Alter", wird gestrichen. Die fur die GRV gefundene Form der Gleich- stellung von Natural- und finanziellen Beitragsleistungen sorge bereits in der Gegenwart fur einen materiellen Ausgleich zwischen erziehenden und nicht erziehenden Pflichtversicherten. Daran anschlieGend sei fortzufahren mit dem folgenden Gedanken: In der Pflegeversicherung gibt es einen solchen Ausgleich nicht. Daher fordert das BVerfG einen Ausgleich Uber die finanziellen Beitragssatze. S. 8, Zeilen 16 - 25. An die Kommission ergeht die Bitte, sich direkt mit den vorgetragenen Argumenten des SVR und des Sozialbeirats zur Frage, welche Bedeutung das Pflegeurteil fir GRV und GKV hat, auseinander zu setzen. S. 9, Zeilen 18 - 24. Die Kommission wird die Passage Uberarbeiten. Offen bleibt, ob eine Darstellung der Parameter, mit denen das Umlageverfahren an sich andernde Rahmen- bedingungen angepasst werden kénne, an dieser Stelle erfolgen solle. Generell salle im Text der Begriff ,generativer Beitrag’ verwendet werden, um die ,Natural- leistungen* der Familien zur umlagefinanzierten Sozialversicherung zu beschreiben. Vortrag von : _Europaische Kommission Der Vortrag von’ -gliedert sich in die zwei Abschnitte: Koordinierung der Wirt- schaftpolitik und Koordinierung der Finanzpolitik in der EU. Der EU-Vertrag sehe die Wirtschaftspolitik als Angelegenheit gemeinsamen interesses (Art. 4 EG-Vertrag). Die Mitgliedstaaten sind Gbereingekommen, ihre Wirtschaftspolitiken zu koordinieren. Das Verfahren zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist in Art. 99 EG-Vertrag kodifiziert. Okonomisch sei die Koordinierung begriindet in sog. Spill-Over-Effekten und der Tatsache, dass in der Europdischen WAhrungsunion die Inflationsrate und der Au@enwert des Euros Kiubgiiter seien. Damit wurden auch die BestimmungsgréRen des Wechselkurses wie das Produktivitéts- bzw. das Potenzialwachstum innerhalb der Union zu einer Angelegenheit
-8- gemeinsamen Interesses. Der Lissabon-Prozess sei Ausdruck dieser Erkenntnis. Dieser Prozess verfolge das Ziel, die Union zum wettbewerbsfahigsten und dynamischsten wissensbasierten Raum der Welt zu machen. Die Wechselwirkungen zwischen Strukturreformen und Makropolitiken seien noch nicht gentigend erforscht. Es sei wiinschenswert, dass auf diesem Gebiet zukunftig intensiver geforscht werde. Auf der anderen Seite sei das Problem der asymmetrischen Schocks in der Wissenschaft Uberbewertet. Als Begrlindung fur eine starkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik messe die Europaische Kommission diesem Problem nur eine geringe Rolle bei. Nachfrageschwachen widen eher regional wirken als auf nationalstaatlicher Ebene. Ein aktuelles Beispiel hierfuir sei die Entwicklung im Bereich der informationstechnologien. Von den aktuellen Einbriichen in diese Branche seien in erster Linie Regionen und nicht Nationalstaaten betroffen. Asymmetrische Schocks zwischen den Mitgliedstaaten der Wahrungsunion sind hingegen singuldre Ereignisse, die sehr selten seien (Deutsche Wiedervereinigung, Energiepreisschocks). Die Instrumente der Koordinierung der Wirtschaftpolitik in Europa k6nnen anhand eines Kontinuums, das zwischen harter und weicher Koordinierung unterscheidet, aufgezeigt werden (hierzu wird ein Schaubild verteilt). Zu den weichen Koordinierungsprozessen zahlen der Luxemburg- und der Cardiff-Prozess. Den Ubergang zu den harten Koordinierungsinstrumenten ebnen die Grundztige der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft nach Art. 99 EG-Vertrag. Dartiber hinaus hatten die Grundztige die Funktion einer Kiammer fur die verschiedenen Verfahren der wirtschaftpolitischen Koordinierung in Europa. Die Koordinierung der Finanzpolitik falle in den Bereich der harten bzw. engen Koordinie- rung. Sie ist kodifiziert in Art. 104 EG-Vertrag und den Rechtsverordnungen zur Umsetzung des Stabilitats- und Wachstumspakts (1466/97, 1467/97, einschl. Entschlief&ung des Rates vom 17. Juni 1997). Der Pakt sei Ergebnis der Lehren aus der Vergangenheit. In den 60er, 70er und 80er Jahren hatten ibermaRige Haushaltspolitiken zu einer hohen Staatsverschul- dung gefuihrt und die Tragfahigkeit der dffentlichen Haushalte, insbesondere vor dem Hin- tergrund des gesellschaftlichen Alterungsprozesses, gefahrdet. Daruber hinaus habe die Finanzpolitik haufig asymmetrisch agiert und die in den konjunkturellen Abschwungphasen aufgebaute Staatsverschuldung in den nachfolgenden Konjunkturaufschwingen nicht wieder korrigiert.
-9- Der Pakt kombiniere Disziplin (Stabilitat) und Flexibilitat miteinander. Die 3 %-Defizitgrenze diszipliniere die Finanzpolitik. Sie sei ein transparenter und verlasslicher Schwellenwert far die Finanzpolitik. Diese Grenze gebe auf der anderen Seite der Finanzpolitik genugend Flexibilitat, um in Abschwungphasen die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Dies setze allerdings voraus, dass in konjunkturellen Normaliagen nahezu ausgeglichene Budgets oder Uberschisse erreicht wurden. Dazu hatten sich die Mitgliedstaaten im Pakt verpflichtet. Der Pakt kombiniere drei Verfahren miteinander. Die multilaterale Uberwachung der Stabili- tits- und Konvergenzprogramme sowie der Friuhwarnmechanismus fr das Verfahren bei einem Uberma@igen Defizit basierten auf Art. 99 EG-Vertrag bzw. der EG-Verordnung 4466/97. Dieses Verfahren sei in Art. 104 EG-Vertrag bzw. in der EG-Verordnung 1467/97 kodifiziert. Es werde erst ausgelést, wenn die 3 %-Defizitgrenze erreicht bzw. Uberschritten werde (,3 vor dem Komma’*). Die aktuelle Erkidrung des Rates zur deutschen Haushaltslage beziehe sich auf den Frih- bei diesem Mechanismus geben. Die Kommission aktiviere das Verfahren entsprechend den Bestimmungen. Darauf aufbauend gehe das Verfahren den in der Verordnung aufgezeigten Weg oder alternativ werde vorgegangen wie aktuell im Faille Deutschlands bzw. Portugals. Die Verfahren seien gleichwertig, da am Ende beider Vorgehensweisen die politische Verpflichtung des betroffenen Staates stehe, das Entstehen eines bermaBigen Defizits durch entsprechende Mafnahmen zu verhindern. in der anschlieBenden Diskussion geht. erganzend auf die sog. offene Koordinierung ein. In der offenen Koordinierung sehe er die Chance, dass die Mitgliedstaaten voneinander lernen. Der gegenseitige Austausch von Erfahrungen helfe den Mitgliedstaaten, gleichartige Herausforderungen zu bewaitigen und ihre Volkswirtschaften zu verbessern. Ein so verstandenes Benchmarking unter ,Nachbarn" sei ein wichtiges Instrument, um die Wirtschaftsleistung Europas im Sinne der Schlussfolgerungen des ER Lissabon zu starken.
-10- Vill. Tagesordnung der nachsten Sitzung Die nachste Beiratssitzung findet am 19./20. April 2002 in Baden-Baden statt. Voraussicht- licne Tagesordnung ist: i. Mitteilungen der Vorsitzenden Hi. Feststellung der Tagesordnung HH. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung IV. Diskussion liber aktuelle Probleme der Finanzpolitik V. Koordinierung der Stabilitatspolitik in Europa? (Uberarbeiteter Textentwurf) Vi. Stellungnahme/Gutachten zur Beriicksichtigung von Kindern in der umlagefinanzierten Sozialversicherung Vil. Tagesordnung der nachsten Sitzung VL Verschiedenes Vill Verschiedenes Entfallt Berlin / Gottingen, den 26. Februar 2002 gez. gez.