2002-protokoll-nr-433
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
west_beirat_0702.doc Es wird ausdriicklich— insbesondereim Hinblick auf die Diskussion mit Gasten und die Verteilung von Unterlagen — auf den Vertraulich-Vermerk hingewiesen.
B. Tagesordnung Mitteilungen der Vorsitzenden Feststellung der Tagesordnung i. Bemerkungen zum Protokoil der letzten Sitzung IV. Unterrichtung Uber aktuelle Themen Stellungnahme zu ausgewahiten Themen der Koalitionsvereinbarung Vi. Vorbereitung der Wahi! des Vorsitzes Vil. Fortsetzung der Diskussion zur Zuwahi neuer Mitglieder Vib Fortsetzung der Diskussion zum Umfang des neuen Themas: Finanzordnung in Europa IX. Tagesordnung der nachsten Sitzung Verschiedenes *
il.__Festste der Tagesordnun llung g
-4- ie Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung Das Protokoll wird ohne Anderungen angenommen. IV. Unterrichtung ber aktuelle Themen Vortraq erldutert, dass es aufgrund des Organisationserlasses des Bundeskanzlers zu einer Umorganisation im BMF komme. Die Zustandigkeiten fir den Sachverstandigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, fur die wirtschaftswissenschaftli- chen Forschungsinstitute und flr die Gemeinschaftsdiagnose wurden auf das BMWA uber- gehen. Die AuBenvertretung der Finanz- und Makropolitik verbleibe beim BMF. Auch in Zukunft werde BMF Auftraggeber fir die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute sein. Zum Gutachten des Sachverstandigenrates zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwick- lung fahrt aus, dass dieses der Finanzpolitik Ruckenwind gebe. habe die Mitglieder des Rates ausdrticklich um eine kritische Aus- einandersetzung mit der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik gebeten. Die Politik sei auf Beratung aus dem wissenschaftlichen Raum angewiesen, k6nne allerdings nicht alles 1: 1 umsetzen. Im Anschluss gibt ! einen Uberblick ber die wirtschaftliche Lage und die 6f- fentlichen Finanzen: Die jungsten Abweichungen in den finanzpolitischen Positionen der Eurozone-Lander seien im wesentlichen auf konjunkturelle Faktoren zurdickzufihren. Gleichzeitig werde durch die Entwicklung aber auch die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen unterstrichen. Hier habe man in Deutschland mit der Unternehmenssteuerreform und der Liberalisierung in den Be- reichen Post und Telekommunikation bereits Fortschritte erzielt. Die Umsetzung des Hartz- Konzepts sei wesentlicher Bestandteil der notwendigen Strukturreformen. Eine groBe Her- ausforderung stelle die Reform des Gesundheitswesens dar. Auch nach der Rentenreform werde es in Zukunft Handlungsbedarf geben (RUrup-Kommission). Die weltweiten Konjunkturrisiken, auch in Folge der Spannungen im Nahen Osten, seien ge- stiegen. Am deutschen Arbeitsmarkt sei die Lage weiterhin durch die gedampfte Konjunktur
-5- gepragt; die noch im Sommer allgemein erwartete kraftige Zunahm e der wirtschaftlichen Dy- namik habe sich weiter verzégert. Mit einer Verbesserung der Situation am Arbeitsmarkt sei erst im Verlauf des nachsten Jahres zu rechnen, wenn der Aufschwung wieder an Fahrt gewonnen habe. Von fast allen nationalen und internationalen Prognostikern seien die Ansatze fir das Wachstum in Deutschland in letzter Zeit nach unten korrigiert worden. Die Bundesregierung selbst rechne in ihrer Herbstprojektion nunmehr mit Wachstumsraten des Bruttoiniandspro- dukts von real +% % fiir 2002 und +1 14% fir 2003. Risiken fur die konjunkturelle Entwick- lung lagen vor allem in der unterstellten Erholung des Welthandels. So sei die erwartete Er- holung in den USA durchaus nicht sicher. Auch kénnten von den politischen Entwicklungen in Nahost nachhaltige negative Effekte ausgehen. Vor diesem Hintergr und gelte es, das Vertrauen von Konsumenten und Investoren durch eine verlassliche wirtschafts- und finanz- politische Strategie zu starken. Aufgrund der konjunkturellen Lage hatten die Ansatze fiir die Steuere innahmen gegenuber der letzten Steuerschadtzung vom Mai dieses Jahres deutlich nach unten korrigiert werden mussen. Fir das laufende Jahr rechne man nun mit Mindereinnahme n von rd. 15,4 Mrd. € (Bund: 5,7 Mrd. €). Im Vergleich zum Jahr 2002 erwarte man fiir das Jahr 2003 zwar eine Zunahme der Steuereinnahmen in Héhe von rd. 19 Mrd. €. Dies seien aber 16 Mrd. € weni- ger als im Mai 2002 geschdaitzt. Griinde fir die hinter den Erwartun gen zurtickbleibenden Steuereinnahmen seien die unbefriedigende Entwicklung der Besch€aftigung, die Konsumzu- ruckhaitung der Verbraucher und die deutlich schwacheren Einnahmen aus der Kérper- schaftsteuer infolge der schlechten Gewinnentwicklung in den Jahren 2000 und 2001. Ange- sichts der angesammeiten Verlustvortrage in MilliardenhGhe, die gleich einem Damokles- schwert Uber den kiinftigen Einnahmen aus der K6rperschaftsteu er h4ngen, werde mehr als deutlich, dass die Umsetzung der von der Bundesregierun g geplanten Begrenzung der Ver- rechnung von Verlusten mit aktuellen Gewinnen zwingend erforderl ich sei. Wegen der geringeren Steuereinnahmen und der gleichzeitig gestiege nen arbeitsmarktbe- dingten Ausgaben werde das Bundeskabinett am 20. Novemb er 2002 einen Nachtragshaus- halt fur das Jahr 2002 beschlieBen. Aus Sicht der Bundesregierung sei das gesamtwirt- schaftliche Gleichgewicht gestdrt, so dass die Bundesregierun g mit ihrem Nachtragshaushalt nicht gegen Art. 115 GG verstoBe. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten sich die Koalitionspartei en ausdriicklich zur weiteren Haushaltskonsolidierung bekannt. Zum schrittweisen Abbau der Neuverschuldung habe der
-6- Bund ein Sparpaket auf den Weg gebracht, das sowohl Ausgabenkirzungen als auch den Abbau von Steuervergtinstigungen und eine Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlia- gen vorsehe. Im laufenden Jahr werde das Staatsdefizit die 3 %-Grenze deutlich Gberschreiten. Die EU- Kommission gehe davon aus, dass das deutsche Defizit 3,8 % des BIP erreichen werde. Der genaue Wert werde gegenwartig auf Basis der aktuellen Steuerschatzung ermittelt. Wenn das vereinbarte Sparpaket umgesetzt werde, rechne die Bundesregierung damit, dass die 3 v.H.-Maastricht-Grenze flr das Defizit in 2003 wieder unterschritten werde. Ungeachtet der gegenwarlig schwierigen Lage halte die Bundesregierung am europaischen Stabilitats- und Wachstumspakt fest. Entsprechend sei die mittelfristige finanzpolitische Strategie darauf ausgerichtet, im Jahr 2006 ~ bei Vorliegen der konjunkturellen Vorausset- zungen — sowohl einen ausgeglichenen Bundeshaushalt als auch einen Staatshaushalt ohne Defizit vorzulegen. Im Dezember werde die Bundesregierung im aktualisierten Stabilitatsprogramm ihre mittelfristige Strategie mit einem realistischen Anpassungspfad un- terlegen. Zur Debatte um den europaischen Stabilitats- und Wachstumspakt fahrt er- ganzend aus, dass es aus Sicht des Bundesfinanzministeriums nicht darum gehe, den Pakt zu verandern oder gar aufzuweichen. Bei der Analyse der Finanzpolitik soile aber nicht allein das Defizit betrachtet werden. Auch die anderen Maastricht-Kriterien zum Eintritt in die Wah- rungsunion sollten nicht vergessen werden, wie z.B. die Inflationsrate, die in einigen Landern deutlich Gber der Zielmarke von 2 % liege. Daneben gebe es noch weitere Faktoren — wie z.B. die Héhe der Lohnabschitsse -, die bei der Beurteilung relevant seien, ob die Wirt- schafts- und Haushaltspolitik eines Landes der Stabilitat des Euro diene und das Wachs- tumspotenzial der Eurozone insgesamt férdere. In der anschlieBenden Diskussion macht: _deutlich, dass es nicht darum gehe, die EZB bzw. die EU mit zusatzlichen Kompetenzen z.B. in der Lohnpolitik auszustat- ten. Vielmehr solle die EU die Wirtschafts- und Finanzpolitik ihrer Mitgliedstaaten kritisch analysieren. Diese Analysen seien dem ECOFIN vorzulegen. Es musse um ein benchmar- king zwischen den Mitgliedstaaten gehen. Hinsichtlich der Kritik, der europaische Stabilitats- und Wachstumspakt wirke mit der Defizit- grenze von 3 % prozyklisch, entgegnet dass man erst dann Uber den Pakt
- Fis diskutieren sollte, wenn sich eine europaische Stabilitétskultur entwickelt habe. Dazu sei die Zeit jetzt noch nicht reif. Zu Diskussion Uber die Rentenversicherung (Beitrags- und Steuerfinanzierung) fulhrt| Loe ee 7 aus, dass die Umsetzung von Anderungen politisch schwierig sei. Zucdem gebe = 6s den politischen Konsens, dass bestimmte Leistungen ber Steuern — d.h. grundsdaizlich von allen — finanziert werden soliten. Ein Mitglied des Beirats wirft der Bundesregierung vor, es fehle ihr an Ermsthaftigkeit grund- legende Reformen auf den Weg zu bringen und Besitzstande anzutasten (Stichwort e Kohle- subventionen, Subventionen fir die Landwirtschaft). Ein anderes Mitglied fahrt an, dass die Probleme in Deutschland weniger konjunktureller, sondern vielmehr struktureller Natur seien. Die Konsolidierung kénne nur dann ihr Ziel erreichen, wenn sie von Schritten begleitet werde, die einen Aufbruch signalisieren.| i iP Tweist darauf hin, dass beim Sub- ventionsabbau bereits viel erreicht worden ssei. So warden beispielsweise die Hilfen fur den Bergbau auch zukiinftig degressiv veranschlagt. Die meisten Subventionen fir die Landwirt- schaft kamen im Ubrigen von der EU: hier sei ein Subventionsabbau wegen des Einstimmig- keitsprinzips schwer durchsetzbar. Die Umsetzung des Hartz-Konzepts sei ein wesentliche r Schritt zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Eine buchstabengetreue Umsetzung sei sicherlich nicht uberall mdéglich. Man miisse flexibel reagieren, wenn man feststelle, das etwas nicht praktikabel sei. Er teile im Ubrigen die Ansicht, dass weitere strukturelle Reformen notwendig seien. Die Bundesregierung sei sich dessen bewusst und werde entsprechend handein. Zut Kritik der Wirkungen des geplanten Steuervergiinstigungsabbaugesetzes auf die deut- sche Bauwirtschaft ee ceonetare zur familienfreundlichen Gestaltun g der Eigenheimzulage) fart, afl: _ aus, dass der Wohnungsmarkt bereits jetzt durch Leerstand gekenn- zeichnet sei. Dies rechifertige eine Verringerung der Hilfen fur den Wohnungsbau. Zukiinftig werde der Neubau nicht mehr héher als der Erwerb von Wohnung en aus dem Bestand ge- fordert. Zudem gehe es nicht um eine Stitzung der Bauwirtschaft, sondern vielmehr darum, Familien mit Kindern den Erwerb von Wohneigentum weiter zu ermdglichen. Auf die Feststellung, der nationale SIabintetspakt lasse klare Regelungen zur Defizitauftei- lung auf Bund und Lander vermissen, raumt Fate! - _ &in, dass der Féderalismus Deutschland auf europaischer Ebene grundsatzlich Probleme mache. Bereitsin diesem Jahr hielten aber die meisten Lander die Vorgabe ein, ihre Ausgabe n maximal 1% steigen zu las- sen, obwohi dies erst far 2003 verabredet sei,
-8- die sich mit fur den Beirat relevanten Themen beschaftigen, von der Bundesregierung bis- lang eingesetzt wurden. V. Stellunqnahme zu ausgewahlten Themen der Koalitionsvereinbarung Als Diskussionsgrundlage dient die Vorlage von: _ die mit Schreiben vom 20. Oktober 2002 Ubersandt wurde. Die Mehrheit der Beiratsmitglieder spricht sich dafUr aus, eine Stellungnahme zu aktuellen steuerpolitischen Themen (Steuerverginstigungsabbaugesetz) abzugeben. werden den Entwur einer Stellungnahme erarbeiten, der dann in der Dezember-Sitzung des Beirats erdrtert werden wird. Die Stellungnahme soll auf folgende Aspekte eingehen: Die von der Bundesregierung geplante SchlieBung von Steverschiupfléchern, der Abbau von Steuerverginstigungen und die Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundiage sind im Grundsatz zu begrifien; sie wirkt aber wie eine Steuererhéhung, da sie nicht von Tarifsen- kungen begleitet wird. Viele der beabsichtigten EinzelmaBmaBnahmen sind zu begriBen, z.B. Vereinfachungen von Abschreibungsregelungen, Streichung der Jubildumsrtickstellungen, Abschaffung der Tonnagesteuer usw. Mégliche Unsicherheiten tiber die ktnftige Steuerpolitik destabilisieren das Vertrauen von Konsumenten und Investoren; sie hatten damit negative Wirkungen auf Wachstum und Be- schaftigung. Die im Referentenentwurf zum SteuervergUnstigungsabbaugesetz (Stand: 15. November 2002) vorgesehene Einschrankung der Uberperiodischen Verlustverrechnung ist investiti- onsfeindlich. Sie schrankt insbesondere die Bereitschaft zu riskanten Investitionen ein. Das gleiche gilt fur den Ausschluss der Verlustverrechnungen von Unternehmen mit Spartentren- nung.
-9- Vi.__ Vorbereitung der Wahi des Vorsitzes Der Beirat berat intern Uber die in der Dezembersitzung vorzunehmende Wahl des Vorsit- zenden und des stellvertretenden Vorsitzenden. Vil. Fortsetzung der Diskussion zur Zuwah! never Mitalieder Der Beirat ber&t intern uber die vorliegenden Unterlagen méglicher Zuwahikandidaten. Eine Beschlussfassung wird erst Anfang 2003 erfolgen. Vul,___Fortsetzung der Diskussion zum Umfang des neuen Themas: Finanzordnung in Europa Vertagt auf die Dezember-Sitzung. IX. __Tagesordnung der nachsten Sitzung Die nachste Beiratsitzung wird am 13./14. Dezember 2002 in Berlin stattfinden. Voraussichtliche Tagesordnung: I. Mitteilungen der Vorsitzenden I. Feststellung der Tagesordnung Hl. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung Iv. Unterrichtung Uber aktuelle Themen, | V. Stellungnahme zum Koalitionsvertrag/Entwurf eines Steuersubventionsabbaugeset- zes Vi. Wahi des Vorsitzes und des stellvertretenden Vorsitzes Vil. Stellungnahme/Gutachten zur Beriicksichtigung von Kindern in der umlagefinanzier- ten Sozialversicherung Vill. Fortsetzung der Diskussion zum Umfang des neuen Themas: Finanzordnung in Eu- ropa IX, Tagesordnung der nachsten Sitzung x. Verschiedenes
-10- Entfallt. Berlin/Géttingen, den 5. Dezember 2002 sical ~“ poy