2005-protokoll-nr-455
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen“
ich: inan:
B. Tagesordnung L Mitteilungen des Vorsitzenden Il. _ Feststellung der Tagesordnung Hil. Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung TV. Diskussion iiber ein neues Gutachtenthema Vv. -Vortrag vole Mts arg steuerlichen und abgabenrechtlichen Fragen der Gemeinniitzigkeit VI. _Gesprich mit NYzu ckructen Fragen der Finanz- und Steuerpolitik VIL Interne Sitzung (Effizienz der Beiratsarbeit, Status ruhender Mitgliedschaften) VIL. Fortfthrung der Diskussion des Gutachtenentwurfs ,,Staatliche Privilegien gemeinniitziger K6rperschaften* vom 13. April 2004 IX. Tagesordnung der nachsten Sitzung rs Verschiedenes. L Mitteilungen der Vorsitzenden
H. Feststellung der Tagesordnung Die versandte Tagesordnung wird gebilligt. TIL. Bemerkungen zum Pratokoll Das Protokol] wird ohne Anderungen angenommen. IV. _ Diskussion iiber ein neues Gutachtenthema __ jtellt zur Diskussion, wie der Beirat vor und unmittelbar nach einer méglichen Bun- destagswahl seine Beratungskompetenz gewinnbringend einbringen konne. Er stellt zur Diskussion, nach der Wahl eine Kurzstellungnahme zum aktuellen wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf in Deutschland zm verdffentlichen. Als Basis hierfiir konnten die aktuellen Gutachten sowie kurze Prob- lemskizzen dienen. In der Offentlichkeit herrsche sicherlich die Erwartung, dass der Beirat zu den ak- tuell drangenden Themen - gerade in einer Zeit mit groBem Verdnderungspotenzial - Stellung beziehe. Zu relevanten Themen za4hlten der Féderalismus, Haushaltskrisen, der Stabi litdtspakt oder auch die Gemeindefinanzen. Die im Tragfahigkeitsbericht des Bundesfinanzministeriums vorpenommene Ana- lyse der demografischen Herausforderungen bilde hierzu einen guten analytischen Hintergrund. Fir die weitere Beiratsarbeit sei auf die Anregungen des Bundesfinanzministeriums hinzuweisen, das Fra- gen der Finanzierung und Besteuerung von Humankapital sowie der Entwicklung des Steuersystems vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung fiir vordringlich erachte. Einige Beiratsmitglieder sehen in einem Positionspapier durchaus die Méglichkeit, einzeine Themen wie ,,Flat Tax‘ oder ,,Gesundheitsreform* nochmals politikorientiert, insb. unter starkerer Berticksich- tigung der Finanzierungsfrage, zu diskutieren. Nur so kénne der Politik ein Ausweg aus dem beste- henden Dilemma zwischen grundlegender Anreizproblematik und kurzfristiger Finanzierungsproble- matik aufgezeigt werden. Einige Beiratsmitglieder favorisieren das Konzept, ein Papier zu den Her- ausforderungen und den politischen Essentials auf Basis bestehender Arbeiten des Beirats zu entwer- fen und sprechen sich gegen die kurzfristige Diskussion never Ideen aus. Jedenfalls miisse ein syste- matisches Politikkonzept vorgelegt werden, dass vor allem das ungeordnete Nebeneinander im Sozial- staat beseitige. Einige Beiratsmitglieder halten die Vorlage eines Thesenpapiers zur Beschreibung des Handlungsbe- darfs in der kurzen Frist nicht flr realistisch. AuGerdem diirfe der Beirat nicht Gefahr laufen, sich von einzelnen politischen Gruppicrungen instrumentalisieren zu lassen, seine Unabhangigkeit miisse ge- wahrt bleiben. Daher kénne allenfalls ein Grundsatzpapier zu einigen zentralen Problembereichen er- arbeitet werden. Zu vielen Problembereichen gebe es im Beirat keinen hinreichenden Konsens, oder die Details der Losungen seien (vor allem mit Blick auf die Verteilungseffekte) unklar.
-4. stellt nach der Diskussion drei Optionen zur Abstimmung: Prioritétenpapier auf Basis bestehender Gutachten, ein Papier, das neue Themen aufgreift, sowie die Méglichkeit, kein Papier kurz nach der Wahl vorzulegen. Der Beirat beschlieSt im Ergebnis, aufgrund der zeitlichen Restriktio- nen keine Kurzstellungnahme zu prioritéren Politikthemen auf der Basis der Beiratsgutachten zu erar- beiten. ¥. Vortrag von zu steuerlichen und abgabenrechtlichen Fragen der Gemeinnutzigkeit dankt fur die Einladung und referiert zu steuerlichen und abga- benrechtlichen Fragen der Gemeinntitzigkeit aus der Sicht eines Geistes- und Sozialwissenschaftlers sowie Praktikers. Die Ausfilhrungen basieren auf dem Entwurf von Leitsitzen, die im Maecenata In- stitut flir Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin, erarbeitet worden seien. Zunichst sei ein Reformbedarf zu diagnostizieren, weil das Gemeinniitzigkeitsrecht vor 100 Jahren nach der damaligen Philosophie des Wohlfahrtsstaates und einer alleinigen Definitionsmacht des Staa- tes konzipiert sei. Die heutigen Demokratien seien dringend darauf angewiesen, dass neue Formen éf- fentlicher bzw. gemeinniitziger Aufgabenwahmehmung eingcfohrt werden. Dariiber hinaus hatten die Eingriffe des Europaischen Gemeinschaftsrechts seit 1956 die Rahmenbedingungen vielfach veran- dert. Im Ubrigen sei zu beklagen, dass die Diskussion an einem Mangel an empirischer Erkenntnis kranke. Leitbild einer Reform des Gemeinniitzigkeitsrechts sei vor diesem Hintergrund eine innovative und zukunfisorientierte Gestaltung der Gesellschaft, basierend auf der Vorstellung, dass Staat, Markt und Zivilgesellschaft gleichrangig Zwecke des Allgemeinwohls verfolgten. In diesem Kontext sei die Zi- _ vilgesellschaft als eigenstandig und nicht bloB als Erginzung des Staates zu sehen. Konkrete Funktio- nen lagen in der Wahrnehmung einer Themenanwaltschaft, der Funktion als Intermediar, einer Wach- terfunktion sowie darin, konkrete Dienstleistungen zu erfillen. Die Zivilgesellschaft wiirde damit die Bildung von Sozialkapital (Putnam) fordern und gleichzeitig die Steuerungsanforderungen an den Staat vermindern. Das gesellschaftspolitische Leitbild kénne sich so zu dem eines ,erméglichenden Staates* wandeln. Konkrete Reformen sollten darauf abzielen, das geltende Steuerrecht zu vereinfachen und zu systema- tisieren und generell zu mehr Einheitlichkeit, Klarheit und Transparenz zu gelangen. Gleichzeitig miisse das Recht flexibilisiert werden, auch um die Legitimitat von Gemeinniitzigkeit permanent in Frage stellen zu kénnen. Wenngleich mit Blick auf die finanzielle Férderung von Gemeinniitzigkeit ein einseitiger Blick auf die Situation der dffentlichen Haushalte zu eng sei. so sei doch der Anteil der selbst erwirtschafteten Mittel zu stairken.
-5- Die Grundziige einer Neuregelung im steuerlichen Bereich miissten im Kern eine Abgrenzung von Gemeinniitzigkeit auf Basis einer ,,nonprofit constraint“ (keine Gewinnerzielungsabsicht) und eines Ausschiittungsverbots (bei K6rperschaften) beinhalten, wohingegen die inhaltliche Definitionsmacht sekundér sei. Zu Einzelheiten miissten sicherlich weitere definitorische Aussagen getroffen werden, etwa zur Frage der Subsidiaritat und der Gleichbehandlung; die bestehende Kategorisierung gemein- niltziger Ziele sei allerdings im Grunde ausreichend. Operativ solle es Fachbehérden bzw. einer aus- gewiesenen Registrierungsbehérde tiberlassen werden, die Gemeinniitzigkeit zu priifen und den Krite- rienkatalog fortzuschreiben. In steuerlicher Hinsicht konne man vereinfachend eine Umsatzgrenze ein- fiihren und eine Prifung durch das Finanzamt. Demgegeniiber hange die erforderliche Reform des Spendenrechts mit Uberlegungen zu einer allgemeinen Steuerreform zusammen; erst dann lieSen sich die Vor- und Nachteile verschiedener Modalitaten der Steuerbefreiung von Spenden sachgerecht be- werten. Beurteilungskriterien seien Gleichbehandlung, leichte Administrierbarkeit, aber auch steuer- systematische Erwagungen. Dabei sei anzumerken, dass die international verwendeten Modelle fiir Deutschland in verschiedener Hinsicht nur wenig praktikabe] seien. Im Ergebnis sei eine Starkung der Biirgergesellschaft gegenitber Markt und Staat vonnéten. Man miis- se dabei Abstand nehmen von einer staatlichen Gemeinwohldefinition und gleichzeitig die Fachkom- petenz zur grundsatzlichen Bewertung von Gemeinniitzigkeit von der steuerlichen Priifung trennen. Weitere Reformschritte gingen in Richtung Systematisierung und Verwaltungsvereinfachung, Schaf- fung von Rechtssicherheit und Transparenz, Herstellung der Kompatibilitat mit dem EU-Recht, und nicht zuletzt auch Verminderung der Abhangigkeit von 6ffentlichen Mitten. In der Diskussion wird festgestellt, dass der diagnostizierte Wandel des sog. Dritten Sektors zwar er- freulich sei, aber auch Probleme aufwerfe, gerade bei Fragen einer geordneten Besteuerung. Es wird kritisch diskutiert, ob die skizzierten Eingrenzungen in der Praxis nicht zusitzliche Probleme auslés- ten, was vom Referenten mit dem institutionellen Modell einer ,,Charity Commission“ beantwortet wird. Auf der Steuerseite sei eine Befreiung vom Kontakt mit dem Finanzamt sinnvoll, da die Einzel- falipriifung dort nicht leistbar sei. Kritisch diskutiert wird der Begriff des Sozialkapitals und die hierfiir relevanten Abgrenzungskrite- rien, die in jedem Fall genauer zu operationalisieren seien. So wird von einigen Beiratsmitgliedern moniert, dass dieses Konzept nicht zur Schaffung eines ,,Biotops“ fiihren diirfe. Andererseits weise der Sozialkapitalbegriff auf die implizite Voraussetzungen von Markt und Staat und insb. auf die Integra- tionsfunktion von Gemeinwohlaktivitdten hin. Diese Funktion dirfe nicht unbedingt ergebnisorientiert bewertet werden, sondern bereits das Engagement als Solches erftille diese Funktion. Der Beirat dis- kutiert die Frage, ob nicht in jedem Fall eine (Positiv-)Definition erforderlich sei, Es gebe hier vielfa- che Abgrenzungsentscheidungen zu fallen, die sich nur fiber eine klare Definition leisten lieBen. Dar- iiber hinaus wird problematisiert, an welchem Ort diese Priifung erfolge miisse - in der Finanzverwal- tung oder auBerhalb durch eine Kommission.
-6- Einige Beiratsmitglieder stellen die vielfach unterstellten Anreizeffekte in Frage und vermuten, dass das Engagement bei staatlicher Forderung sogar geringer sein konnte. entgegnet, dass es zwar empirisch klare positive Anreize gebe, dass aber dennoch eine zeitliche Befristung sinnvoll sei und lingerfristig die Abhangigkeit von Spenden verringert werden miisse. dankt dem Referenten fiir den Vortrag und die anregende Diskussion. VL Gespriich mit dem’ zu aktuellen Fra- gen der Finanz- und Steuerpolitik dankt fiir die Einladung und fiir die Gelegenheit zu ei- nem Meinungsaustausch mit dem Beirat. Die Ausfiihrungen konzentrieren sich zum einen auf die wirt- schaftliche Lage und zum anderen auf aktuelle Fragen der Finanzpolitik. Zur konjunkturellen Lage fart! aus, dass die wirtschaftliche Erho- lung in Deutschland noch verhalten sei. Zwar sei das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal deutlich um 1,0 % gegentiber dem Vorquartal angestiegen; die Beschleunigung der wirtschaftlichen Aktivitaten sei allerdings Reflex der vorangegangenen Schwache. Wenngleich sich das Geschaftsklima im Juni leicht verbessert habe, wiirden aktuell verftigbare Indikatoren eine leichte wirtschaftliche Abschwachung andeuten, Da die Rahmenbedingungen fiir den weiteren Konjunkturverlauf insgesamt aber giinstig sei- en, gehe die Bundesregierung in Ubereinstimmung mit den Instituten und internationalen Organisatio- nen fiir 2005 von einem Wachstum von 1,0% und 2006 von 1'4-2% aus. Konjunkturelle Risiken fiir Deutschland und den Euroraum ldgen in der Verteverung der Rohstoffe, einer wiedereinsetzenden Eu- ro-Aufwertung sowie einer unverandert schwachen Binnennachfrage. Die schwache wirtschaftliche Entwicklung, cine daraus resultierende hohe Arbeitslosigkeit sowie die Folgen der umfangreichen staatlichen Transfers ftir die neuen Lander blieben nicht ohne Auswirkung auf die offentlichen Finanzen, insb. auf der Einnahmeseite. So sei 2004 ein Jahr mit einem Wirt- schaftswachstum ohne entsprechende Eimnahmesteigerungen gewesen. Es zeige sich aber auch, dass die Bundesregierung die Ausgabenseite nachhaltig und konsequent konsolidiert habe. So seien die Fi- nanzhilfen und konsumtiven Leistungen des Bundes kontinuierlich zurickgefiihrt, die Finanzhilfen des Bundes in 2005 gegeniiber 1998 anndhernd halbiert worden. Durch Leistungsanpassungen und konsequenten Personalriickbau habe der Personalausgabenanteil pegeniiber 1998 um 1% verringert werden kénnen; weitere Einsparungen in diesem Bereich seien allerdings nur noch bei massivem Auf- gabenriickbau méglich. Zu der angespannten Haushaltslage des Bundes trage zudem bei, dass mit der’ Hartz IV-Reform die konjunkturellen Risiken insb. aus dem Arbeitsmarkt starker als bisher im Bun- deshaushalt konzentriert seien. Hier hatten die strukturellen Reformen noch nicht ihre budgetére Wirk- samkeit entfaltet. Auf der anderen Seite habe nicht zuletzt die im Bundesrat verfolgte Blockadepolitik grofie Licken in die Offentlichen Haushalte aller staatlichen Ebenen gerissen.
=7- Die Staatsquote erreiche mit knapp 47 % im Jahre 2004 den niedrigsten Stand seit 1991, gleichzeitig liege die Steuerquote auf historisch niedrigem Niveau und die Abgabenquote erstmals seit Jahren wie- der unter 40 %. Dies werde auch vom Sachverstindigenrat und der Dt. Bundesbank positiv gewurdigt. Die Daten belegten aber nachdriicklich, dass das gréBte Problem auf der Einnahmenseite liege. So betrage der Ausgabenanstieg iiber den gesamten Finanzplanungszeitraum hinweg nur jahresdurch- schnittlich 0,9 %. Perspektivisch seien daher beim Bund vor allem die Sozialausgaben einzudémmen und die Qualitat der dffentlichen Ausgaben in Richtung Zukunftsorientierung zu verbessern. Auf der Einnahmenseite gehe es darum, die Steuerstruktur zu verbessern und Steuersubventionen systematisch abzubauen. Angesichts der Blockade beim Subventionsabbau durch den Bundesrat sei die Bundesre- gietung zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben fir den Haushalt 2006 aktuell gezwun- gen, auf EinmalmaSnahmen wie Einnahmen aus Forderungsverkauf sowie Privatisierungserlése zu- riickzugreifen, die im Gegenzug auch die Zukunftsfahigkeit des Sffentlichen Haushalts verschlechtern wirden. Es sei auch absehbar, dass einige Bundeslinder Probleme hatten, die verfassungsmaBige Kre- ditgrenze einzuhalten. Mit Blick auf die Maastricht-Kriterien, sei festzustellen, dass im Jahr 2005 eine Defizitquote von -3 4% des BIP, in 2006 von 3,4 % méglich sei. Bei vollstindiger Umsetzung der ReformmaBnahmen auch durch den Bundesrat ware ein Defizit unter 3 % in 2006 und 2007 erreichbar gewesen. Zur Re- form des Europiischen Stabilitétspaktes fuhrt — aus, dass der Pakt insofern deutlich ver- bessert worden sei als in der Handhabung durch die KOM nunmehr starker darauf geachtet werde, ein Sparen im Abschwung zu vermeiden, dh. es herrsche mehr Flexibilitat am unteren Ende bei gleichzei- tiger Hartung in Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs. Dariiber hinaus erméglichten individuali- sierte Mittelfristziele die Berticksichtigung struktureller Gegebenheiten und sonstiger relevanter Fak- toren, wie sie sich etwa aus der Tragfahigkeit der Gffentlichen Finanzen ableiten. Insofern werde der Pakt nunmehr ékonomisch korrekt ausgelegt und der Abbaupfad, der zunehmend an Bedeutung ge- winnen wiirde, 6konomisch sinnvoll gestaltet. _ erlutert, dass das Bundesfinanzministerium Mitte Juni den Tragfahigkeitsbe- richt vorgelegt habe, der nicht zuletzt auf wertvolle Anregung des Beirats hin entstanden sei. In die- sem Bericht errechne das ifo-Institut dank der Reformen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversi- cherung eine um 20 %-Punkte niedrigere Schuldenstandsquote bis zum Jahr 2050 und eine deutliche Reduzierung der sog. Tragfihigkeitsliicke. Deutschland sei also auf dem richtigen Weg, aber selbst- verstindlich noch nicht am Ziel. Nach den Berechnungen kénnte die verbleibende Tragfahigkeitsiticke durch eine gezielte Zusammenarbeit aller Politikbereiche komplett geschlossen werden. Die Bundes- regierung habe mit den von ihr durchgesetzten Reformen dafir gesorgt, dass das ,,Zeitfenster“ flr die Politik langer offen bleibe, um Schritt fiir Schritt in Richtung auf mehr Beschaftigung, nachhaltiges Wachstum und lanefristig tragfahige éffentliche Finanzen umzusteuern. Mit Blick auf die kommenden Monate sei hierzu jedoch erforderlich, dass die Blockade der Reformen der Bundesregierung durch
-8. den Bundesrat aufhéren bzw. mit Blick auf die Féderalismusreform die Entscheidungsstrukturen effi- zienter gestaltet wirden. Zur Frage der Verbesserung der Effizienz der Beiratsarbeit merkt an, dass die Zahi der Gutachten mit hoher Politikrelevanz erfreulicherweise zugenommen habe. Die Beitrage seien aus fi- nanzpolitischer Sicht iiberaus hilfreich. Dabei konne der direkte Meinungsaustausch mit der politi- schen Leitung zu aktuellen politischen Themen weiter intensiviert werden. Erfreulich sei auch, dass Ministerium und Beirat offensichtlich cine konstruktive offene Diskussion iiber mdgliche Reformen der Beiratsarbeit in freundlicher und wohlwollender Atmosphare fUhrten. Klar sei in diesem Zusam- menhang, dass die Unabhangigkeit des Beirats eine grundlegende Voraussetzung dafir sei, dass der Beirat selbst seine Strukturen iiberdenke und Modelle zur Effizienzverbesserung entwickle. In der Diskussion stellen einige Beiratsmitglieder die Frage nach dem richtigen Haushaltskonsolidie- rungskonzept, insb. auch mit Blick auf den im Konjunkturverlauf Skonomisch rationalen Zeitpunkt zum Sparen. verdeutlicht, dass es bei dieser Frage nicht so sehr um die Hohe des zugrunde liegenden Wirtschaftswachstums gehe, sondern vielmehr darum, dass sich Wachstum in zu- satzlichen Einnahmen niederschlage. Wenn man bei verlasslich wachsender Einnahmebasis eine strik- te mittelfristig orientierte Ausgabenlinie verfolge, so resultiere daraus eine 6konomisch rationale Kon- solidierungsstrategie. Mit Blick auf die Diskussion um angebots- vs. nachfrageorientierte Makropolitik komme es auf die richtige Mischung an und hier seien auch die Erfahrungen aus dem Ausland, z.B. aus dem Vereinigten K6nigreich, durchaus zwiespaltig. In diesem Zusammenhang miisse man auch sehen, dass die Steuer- und Abgabenquote in Deutschland trotz der Wiedervereinigungslasten historisch niedrig sei. Die Bundesregierung habe daher wiederholt Vorschlage zum Abbau von Steuervergiinstigungen eingebracht, sei aber immer am Widerstand des Bundesrates gescheitert. Man stehe weitergehend auch vor der Frage der strukturellen Verbesserung der Qualitét der éffentlichen Haushalte sowohl auf der Ausgaben- wie auch auf der Einnahmenseite. Mit Blick auf die Situation der Linderhaushalte erklart aufNachfrage eines Beirats- mitglieds, dass beide staatlichen Ebenen hinsichtlich der Konsolidierungsengpasse vergleichbar seien und die Lander insb. iiber den Bundesrat auch handlungsfahig seien, um den Konsolidierungskurs der Bundesregierung im eigenen Interesse mitzutragen. Zur Frage einiger Beiratsmitglieder, welches Steuersystem - Flat Tax oder Duale Einkommenssteuer (DIT) - vorzuziehen sei, entgegnet dass er zundchst die in der Flat Tax angelegten Freibetrage fir grundsdtzlich problematisch halte. Wenngleich man nicht a priori auf die DIT festge- legt sei, so mlisse doch erkannt werden, dass diese eher auf die Herausforderungen globalisierter Kapi- talmarkte reagiere. Anzustreben sei in jedem Fall eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage als rationale Grundlage der Besteuerung in Europa. Langfristiges Ziel sei eine rechtsformneutrale Besteu- erung und eine Starkung der Einkommensbasis. Soweit man die Einkommsteuer diskutiere, konne
=Gke man davon sprechen, dass diese im internationalen Vergleich konkurrenzfahig sei. Auf Nachfrage zum Bereich der indirekten Besteuerung flihrte: ° ; __"_aus, dass man sehen misse, dass eine Erhé- hung der Mehrwertsteuer insbesondere die unteren Einkommensschichten belaste. Einige Beiratsmitglieder werfen die Frage auf, aus welchen institutionellen Griinden strukturelle Re- formen und insb. cine Strategie der konsequenten Haushaltskonsolidierung scheitere. bemerkt hierzu, dass man vor allem vor dem gesellschaftlichen Dilemma stiinde, dass zwar allgemein Sparen und Strukturreformen begriiBt wiirden, dass aber im Einzelfall und individuell ein Verzicht auf Anspriiche nicht akzeptiert werde; es gebe schlicht keine Lobby flir gesunde Staatsfinanzen. Dies habe die Diskussion um das Steuervergtinstigungsabbaugesetz deutlich gemacht. Institutionelle Reformen, wie sie etwa im Bereich des Féderalismus diskutiert wiirden (Kompetenzverflechtung, Steuerverbund, Mischfinanzierungen), kénnten hier nur begrenzt korrektiv wirken. Allerdings seien zumindest gewis- se Fortschritte im Bereich der nationalen Umsetzung des Europaischen Stabilitatspaktes erkennbar. Auf die positive Aufnahme des Tragfihigkeitsberichts im Beirat fiihrt __.aus, dass im Be- richt grundlegende Strukturreformen, insb. fiir den Bereich des Gesundheitswesen, skizziert wiirden. dankt fiir den interessanten Vortrag und die anregende Diskussion. Vill. _Fortfihrung der Diskussion des Gutachtenentwurfs ..Die aboabenrechtliche Privilegie- rung gemeinniitziger Zwecke auf dem Priifstand“ Eingeleitet durch eine kurze Einfihrung. att _herrscht nach kurzer Diskussi- on des Textentwurfs Einvernehmen, den Aspekt der umsatzsteuerlichen Behandlung von gemeinnit- zigen Leistungen in das Gutachten aufzunehmen und die von einem Kommissionsmitglied verfasste Passage leicht geldirzt und an geeigneter Stelle (Abschnitt IV) zu integrieren. . regt dartiber hinaus an, die Problematik ,,abgabenrechtliche Férderung vs. direkte Subvention“ unmittelbar in der Einfiihrung anzusprechen. Mit Blick auf die Abgrenzungsfrage wird der Textentwurf zu Kapitel 3 positiv gewtirdigt. Die Grundsatzdiskussion zum Gutachtenentwurf dreht sich im Wesentlichen um die Frage, wie abga- benrechtlich férderungswirdige Bereiche bzw. prinzipiell gemeinnlitzige Bereiche gecignet abge- grenzt werden kénnen. Einige Beiratsmitglieder befiirworten die Idee eines allgemeinen Qualitatssie- gels, ohne daraus gleichzeitig die Berechtigung fur cine steuerliche Férderung abzuleiten. Ein Gilte- siegel diirfe nicht als ,,Persilschein“ fiir Anspriiche dienen, denn aus finanzpolitischer Sicht wiirden diese letztlich immer von den haushalterischen Spielrfumen begrenzt. Die Einschrankung gelte insb. mit Blick auf die Bereiche einiger sog. ,.Luxusstiftungen“. Gleichzeitig sei vor einer Uberregulierung zu warnen, und es miisse zur Kenntnis genommen werden, dass die praktischen Bewertungs- und Ab- grenzungsprobleme sich in jedem Fall stellen widen.
-10- Die Beiratsmitglieder stellen iibereinstimmend fest, dass man das fundamentale Abgrenzungsproblem fiir den Gemeinniitzigkeitsbegriff nicht durch formale Kriterien und Hilfskonstruktionen umgehen kann. Das Coase-Theorem gebe zumindest klare Hinweise, die im Grundsatz fiir eine dezentrale Lé- sung sprachen; eine klare und enge ékonomische Fundierung miisse auf Basis der Theorie der offentli- chen Giter erfolgen. Das Definitionsmerkmal als dffentliches Gut allein sei aber nicht ausreichend, so miissten zusatzliche Gesichtspunkte wie der der Wesentlichkeit hinzutreten. Erst ein Kriterienraste r wiirde einen geeigneten Filter bilden, ggf. unter Einbeziehung von praktikablen Verfahrensvorschla- gen, der im Ergebnis eine pragmatische Abgrenzung erlaube. Aus Sicht einiger Beiratmitglieder stellt die Definitionsmacht der Initiatoren ein wichtiges positives Attribut fiir die Bewertung von Gemeinniitzigkeit dar. Demokratietheoretisch sei zu klaren, ob aus- schlieBlich der Staat die Definitionsmacht tiber die Bereitstellung Sffentlicher Giiter habe oder ob die- se auch Gruppen zukommen kénne. Als eine wichtige gemeinniitzige Funktion wird auch die Entwick- lung gesellschaftlicher Institutionen gesehen, wobei sowohl die F orderung von wirtschaftlicher als auch die von geselischaftlicher Dynamik wichtige Kriterien darstellten. Kritisch beleuchtet wird dage- gen der Begriff des Sozialkapitals, dessen Bedeutung im Beirat umstritten ist. Nach Auffassung der Beiratsmitglieder darf die Begriffsbestimmung nicht zu einer véllig grenzenlosen Offnung des Ge- meinniitzigkeitssektors fur staatliche Férderung fihren. Kritisch sei zu sehen, dass sich der Staat durch die Férderaktivitaten zunehmend selbst binde und hierbei Partikularinteressen dominierten. Dies gehe aus den Positionspapieren verschiedener Dachverbande, aber auch aus den Vortrégen hervor. Ein be- sonderes Problemfeld machten hierbei sog. GroBorganisationen aus, die gewissermafen ,,vermintes Gelande“ darstellten. Die Diskussion dreht sich im Weiteren um die Motivation und mdgliche Anreize im Bereich individu- eller Spenden und im Stiftungssektor. Aspekte wie soziale Anerkennung oder andere egoistische Mo- tive werden kritisch diskutiert. Aufgrund der Anreizproblematik seien differenzierte Formen der Fér- derung (Frage des Wie) und klare Abgrenzungen (Frage des Was) notwendig. Auch prominente Bei- spiele gemeinniitziger Institutionen miissten in diesem Zusammenhang kritisch reflektiert werden. Ein Beiratsmitglied wirft die Frage auf, ob die besondere Qualitat einer gemeinniitzigen Einrichtung darin bestehe, die Bereitstellung éffentlicher Giiter in reiner Form zu verfolgen, wahrend etwa der Staat immer politische Kompromisse eingehen miisse. Dies weise auf den Aspekt der Organisatio n der Willensbildung bei éffentlichen Giitern hin. Der Staat konne bei der Willensbildung durchaus entlastet werden, ohne im Gegenzug in ein Glaubwiirdigkeitsproblem zu geraten. Andererseits miisse der de- mokratische Entscheidungsprozess im Zentrum bleiben und diirfe nicht durch dffentliche Forderung gemeinniitziger Einrichtungen ausgehdéhlt werden.