2016-protokoll-nr-523

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen

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Yertraulich




Teilnchmer
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B.      Tagesordnung:

 1.      Mitteilungen des Vorsitzenden
 If.     Feststellung der Tagesordnung

 Ill.   | Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung

 IV.     ‘Thema ,.Kapitalmarktunion“

 V.      Neues Thema .,Steuervergtinstigungen und EU-Beilhilfeaufsicht“
 VI.     Thema ,.Ungleichheit"

 VIL = ggf. Thema ,,Niedrigzins“

 VILL     Diskussion neuer Themen

 IX.    | Tagesordnung der nachsten Sitzung

 Xx.      Verschiedencs.
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IL.       Feststellung der Tagesordnung

 Die Tagesordnung wurde wie vorgeschlagen verabschiedet.



 Il.       Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung

 Das Protokoll wurde mit folgenden Anderungen angenommen:

 Unter Punkt I. im vierten Absatz muss es heiBen ,,..haben einige Mitglieder des Beirats

 yorzeschlagen, cine ergainzende Stellungnahme zu verfassen.*

 Unter Punkt VI. im letzten Satz des dritten Absatzes wird das Wort oder“ durch ,.bzw.”

ersetzt.


Unter den Punkten IX a) und IX b) wird im letzten Satz jeweils das Wort .,der“* durch einer“

ersetzt.




IV.        _Thema _,.Kapitalmarktunion*

                      erlauterte ausfiihrlich     die    Struktur     des vorgelegten      Entwurfs flir cine

Stellungnahme.           Diese    beinhalte     eine      wohlfahrtsékonomische            Einordnung — einer

Finanzmarktreform, um den Anlass und die Notwendigkeit ftir politisches Handeln zu

untersuchen. Weiter werde auf die Bestimmungsfaktoren fiir Finanzarchitektur eingegangen.

Es zeige      sich,   dass   diese    sich    zumeist endogen         im   Zeitablauf aus     den    nationalen

Rechtssystemen heraus entwickelt haben. Im Folgenden werden die Vorschlége der EU-

Kommission        ftir     eine      Kapitalmarktunion         vor     dem      Hintergrund       unveranderter

Rahmenbedingungen einerseits und gednderter Rahmenbedingungen andererseits diskuticrt.

                                              erganzten zu einzelnen Aspekten der Stellungnahme.

Der    Beirat     diskutierte     im       Anschluss      zunidchst     die     Struktur    des     Gutachtens.

Rahmenbedingungen und Determinanten sollten untersucht und klar benannt werden. Dies

wurde als elementar angesehen, um                die Auswirkungen der von der EU-Kommission

vorgeschlagenen        Reformen       zu   beurteilen.    Es   herrschte      die   Meinung   vor,    dass   die

Reformvorschlige viel tiefergehende Veranderungen hervorriefen, als dies zundchst den

Anschein habe. Es wurde angeregt, die verschiedenen steuerlichen Gesichtspunkte an ciner

Stelle zusammen zu fihren.


Es wurde angefiihrt, dass dic nationalen Gegebenheiten eine innere Rechtfertigung haben, die

auch im Zusammenhang mit der geschichtlichen Entwicklung der cinzelnen Staaten zu schen
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sei. Als Beispiel wurde die Altersvorsorge genannt, die in Deutschland zu einem groBen Teil

umlagefinanziert sei.      Hatte sich historisch beispielsweise eine kapitalgedeckte Altersvorsorge

durchgesetzt, ware auch der Kapitalmarkt in Deutschland anders entwickelt. Als weitere

Beispiele wurden die Besteuerung und die Rechnungslegung genannt. Es wurde dafir

pladiert. spezifische Rahmenbedingungen ftir Deutschland zusammenzustellen. Vor diesem

Hintergrund sollten bei der Untersuchung die Kosten von Finanzmarktreformen benannt

werden und auch beleuchtet werden, ob cs bestimmte Lander gebe, die besonders von den

Reformen profitierten.

In der Debatte wurden Argumente thematisiert, die ftir cine verstarkte Integration der

Kapitalmirkte sprechen. Es wurde angefiihrt, dass dic Kapitalmarkte im historischen Kontext

stark schwanken wiirden, z.B. sei der Kapitalmarkt in Deutschland vor dem 2. Weltkrieg

besser entwickelt gewesen als der der USA, der derzeit als Referenzpunkt gelte. Es wurde

eingeworfen, das es auf gro®eren Kapitalmirkten Liquidititseffckte und Skaleneffekte gebe.

Der Hinweis auf dic Studie von Pagano, die belegen solle, dass Volkswirtschaften mit

fremdkapital-      bzw.   bankkreditfinanzierten Unternchmen               weniger Wachstum aufweisen,

wurde     kritisch    geschen.     Es   sei    methodisch       fragwiirdig,     Wachstumsunterschiede           im

Lindervergleich nur auf das Bankcnsystem zuriickfithren zu wollen.

Es     wurde     vorgeschlagen,     Wettbewerbstiberlegungen             starker      herauszustellen    und    den

Harmonisicrungsbedarf zu hinterfragen. Im Wettbewerb miisste das Kapital in das Land mit

den besten       Bedingungen       flicBen.    Ein    weiterer    Diskussionspunkt           war die    déffentliche

lérderung       von   Venture      Capital.    In    Deutschland        haben   die     Erfahrungen      eher   auf

Mitnahmeeffekte hingewiesen. Betont wurde, dass Wagniskapital allerdings auch nur dann

Erfolge    zeitige,   wenn      zusitzlich    zum     Kapital    auch    Know-how an           die    Unternehmen

weitergegeben werde. Zudem wurden Steuervorteile bei der Ausgriindung von Start-Ups aus

groBen Firmen und Regelungen zum Mantelkauf angesprochen.

Weiter sprachen sich Beiratsmitglieder daftir aus, bei der Bearbeitung des Themas die

Kompetenzverteilung         zwischen     europdischen        Institutioncn      und    den    Mitgliedstaaten    zu

beriicksichtigen und aufzuzeigen, welche Regelungen in dic Handlungskompetenz der EU




               fihrte in das Thema ein und erliuterte die tiberarbeitete Punktation. Sie kritisierte,

dass    die     Urteile   des    EuGH        zur    Beihilfekontrolle      teilweise      erratisch    seien.   Die

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Beihilfekontrolle sei zunehmend formalistisch geworden und die Gkonomische Begriindung

 wiirde in den Hintergrund treten. Da die Rechtsunsicherheit fiir Unternehmen jedoch grofe

 Skonomische Auswirkungen            habe,    sei    eine    Gkonomische      Argumentation wichtig.         Bei

 aktuellen Steuerprojekten wie z.B.           der Steuervergiinstigung fiir Elektroautos oder der

 Sonderabschreibung fir den Wohnungsbau sei nicht klar, ob es sich um beihilferechtliche

 Tatbestaénde handele.                       wies auf die erganzende Vorlage                                 wus

 6konomischer Sicht hin und schlug vor, die Vorlagen zusammen zu flihren.


 In einer allgemeinen Aussprache wurde diskutiert, wie die Beihilfekontrolle grundsitzlich zu

 rechtfertigen sei. Es wurde sehr kritisch gesehen, dass sich die Beihilfekontrolle zu einem so

weitreichenden        Instrument   entwickelt       habe    und    als   Vehikel   zur Harmonisierung        der

 Steuerpolitik genutzt werden kénne. Es wurde dafiir pladiert, die Gefahr der Fehlsteuerung

aufzuzeigen, da in manchen Bereichen der Gesetzgeber nicht mehr tétig werde, wenn eine

beihilferechtliche Problematik beftirchtet werde.

Bei   der   Entscheidung      tiber Beihilfen        spielten     Wettbewerbsverzerrungen        keine    Rolle,

Selektivitét    sei   ausschlaggebend    sowie       die    Rechtfertigung     vor   dem    Hintergrund     des

nationalen Steuersystems. Dem wurde hinzugefiigt, dass Steuersysteme immer verzerrend

seien, und vor dem Hintergrund einer juristisch abstrakten Idee, was denn System sei, eine

Abgrenzung sehr schwierig sei.           Angesprochen wurde, ob der Tatbestand, dass jedes

Unternehmen eine bestimmte Vergiinstigung in Anspruch nehmen kann (z.B. eine Patentbox)

zur Begriindung einer Wettbewerbsverzerrung ausreiche.


Auch aus édkonomischer Sicht wurde eine Abgrenzung als schwierig eingeschatzt. Beihilfen

beeinflussen     6konomische       Entscheidungen          und    wirken   verzerrend.     Sie   dienen   dazu,

bestimmte Strukturen oder Unternehmen zu erhalten, die andernfalls nicht rentabel seien. F's

wurde eingewandt, dass unter bestimmten Bedingungen eine gute Allokation nur mit

Beihilfen zu erreichen sei.

Der Vorschlag, auf Basis dieser Grundlage weiter zu arbeiten, fand im Beirat ungetciltc

Zustimmung.




VI.   Gutachten/Stellungnahme .. Verteilungscerechtigkeit und soziale Mobilitit“


               erklarte kurz die Anderungen gegentiber dem Entwurf, der in der Beiratssitzung


Arbeitslosen) seien weiter ausgearbeitet und eine Box zur Vermdégensverteilung eingefiigt
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worden. Die Ausfiihrungen im Abschnitt tiber die soziale Mobilitat sei erweitert worden und

wirde nun auch intergenerative Aspekte mit einschliefen. Die meisten Anregungen des

Beirats seien umgesetzt worden.

Im Beirat gab es eine grundsitzliche Debatte zu der Frage, wie Umverteilung zu begriinden

sei und ab wann der Staat tatig werden miisse. In einer freien Gesellschaft gebe es immer

Ungleichheit und tiber die Sozialhilfe sei ein Mindest-Niveau der Versorgung sichergestellt.

Es wurde ins Feld geftihrt, dass internationale Institutionen eine zunehmende Ungleichheit als

Wachstumshemmnis         einschitzen.        Dem       wurde    entgegen      gehalten,       dass     der

Sachverstandigenrat    zur     Begutachtung     der    gesamtwirtschaftlichen       Entwicklung      diese

Einschatzung in einem Gutachten nicht bestatigen konnte.

Eine ausftihrliche Aussprache fand zu den unterschiedlichen Verteilungsmafen statt. Es

wurde der Nutzen der Einfiigung der Vermégensverteilung in die Untersuchung kontrovers

diskutiert;    die   kurzfristigen       Verteilungsverinderungen         wlirden      eher    aus     der

Einkommensverteilung resultieren, wahrend z.B. tiber eine zu geringe Erbschaftsteuer dann

die   Vermdgensverteilung        verfestigt    werde.     Gegen     die     Studie     der    EZB      zur

Vermégensverteilung werde immer eingewendet, dass fiir Deutschland die Anspriiche an die

Altersvorsorgesysteme nicht beriicksichtigt seien. Es wurde hinzugefiigt, dass es Unterschiede

bei der Bewertung von Vermégen gebe und dass das Mietrecht in Deutschland einen Einfluss

auf die Bewertung von Immobilien habe. Auch die historische Entwicklung Deutschlands und

die   Auswirkungen       auf     die     Vermédgensverteilung       wurden     thematisiert.        Andere

VerteilungsmaBstibe     wurden         angesprochen:    regionale   Verteilung       (Stadt/Land,    unter

Beriicksichtigung der regionalen Preisunterschiede), die Bedeutung persénlicher Praferenzen

(Einkommensmaximierung vs. Work-Life-Balance), Verteilung innerhalb von Kohorten.

Allgemein wurde die Ausrichtung des Textes auf die soziale Mobilitat positiv bewertet. Es sei

wichtig zu diskutieren, warum Chancengleichheit so bedeutsam sei. Dabei gebe es Faktoren,

die beeinflussbar seien, andere nicht. Weiter wurden wohlfahrtsékonomische Argumente in

die Debatte eingebracht. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Steuer-Transfer-System

in Deutschland bereits eine sehr starke Umverteilungswirkung besitze, wie im Gutachten des

Beirats zur Vermégensteuer
                       2013 aufgezeigt sei. Eine weitere Umverteilung tiber steuerliche

Instrumente wurde kritisch gesehen und es wurde daftir pladiert, die Kosten der Umverteilung

zu benennen.
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VILL.   Neue Themen


a) Abveltunesteuer


               schlug vor, das Thema Abgeltungsteuer im Beirat zu bearbeiten, da der

politische Druck gestiegen sein, diese abzuschaffen. Eine Abschaffung der Abgeltungsteuer

wide gravierende Verinderungen mit sich bringen, die aufgezeigt werden sollten.

Das Thema wurde im Beirat positiv aufgenommen. Es wurde auf den Zusammenhang mit

dem automatischen Informationsaustausch tiber Finanzkonten ab 2017 hingewiesen. Um

Aussagen dartiber zu treffen, ob das Abkommen die Steuerflucht wirksam bekadmpfe, sei es

méglicherweise zu frih. Der Bezug zum OECD-Projekt Base Erosion and Profit Shifting

(BEPS)    wurde   hergestellt.   Einige   Mitglieder   wandten   cin,   dass   das   Thema   durch

Veriffentlichungen einzelner Beiratsmitglieder bereits gut abgedeckt worden sei.

                  sprach sich dafiir aus, dass der Beirat sich zu wichtigen aktuellen Themen

duBere und regte an, fiir die kommende Sitzung einen Gast aus dem BMF einzuladen, der zum

Thema vortragen solle.




b) Besteuerung der digitalen Okonomie

          kniipfte an die Debatte in der letzten Beiratssitzung an. Die zentrale Frage bei der



Wertschépfung oder Verbrauch in Staaten.          Betroffen seien die Ertragsteuern und die

Umsatzsteuer. Eine wichtige Rolle fiir steuerliche Ankniipfungspunkte spiclen dic Ansicdlung

und Nutzung von geistigem Eigentum sowie die Marktnutzung.


Im Anschluss diskutierte der Beirat die verschiedenen Dimensionen der Besteuerung der

digitalen Okonomie. Es wurde die Frage gestellt, ob es sich dabei nur um ein Problem der
Besteuerung von multinationalen Unternehmen in verscharfter Form handele oder um einen

Umbruch in     der Unternehmensbesteuerung.          Die   Lokalisierung   der   Entstehung von
Wertschépfung wurde vom Beirat als ein zentrales Problem angesehen. Bei digitalen

Produkten und Dienstleistungen sei dics anders als bei konventioneller Produktion. Es wurde

die Frage aufgeworfen, ob das Betriebsst&ttenkonzept gefindert werden miisse. Weiter wurde


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zu bedenken gegeben, dass gednderte Steuerregeln nicht nur die digitale Okonomie, sondern
die gesamte Wirtschaft betrifen.

Es     wurde       in der Diskussion       ins   Feld   gefiihrt,    dass    bei   der Besteuerung digitaler

multinationaler Unternehmen Fragen der internationalen Verteilung des Steueraufkommens

beriihrt scien, was zu Konflikten fihren wiirde. Verstandigungsverfahren wlirden von viclen

Landern abgelehnt.

Der Gegenstand der Besteuerung wurde ohne abschlieBendes Ergebnis diskutiert. Bei

digitalen Geschafismodellen werden z.T. Dienste tiber Werbecinnahmen finanziert, die der

Besteuerung         unterliegen.   Demgegentiber wurde              cine    Entwicklung   in   Richtung   einer

‘lauschdkonomie konstatiert, bei der Daten gegen Dienstleistungen gctauscht werden. Auch

dics    kénne       einen   steuerlichen   Ankniipfungspunkt          darstellen.    Da viele   Dienste tiber

Plattformen angeboten werden, dic Anbicter und Nachfrager zusammenbringen, wurde auf

die Beriicksichtigung von zweiseitigen Markten hingewiesen.

Insgesamt erachtete der Beirat das           Thema als wichtig und sehr aktuell und sprach sich fiir eine

Bearbeitung aus. Es wurde gesehen, dass das Thema eine groBe Bandbreite aufweise, es

wurde jedoch dafiir pladiert, auf einzelne Themen zu fokussieren oder auf einen relevanten

und bearbeitbaren Ausschnitt einzugrenzen. Bercits das Aufzeigen der Probleme und

Fragestellungen wtirde einen Beitrag an sich darstellen.                                  schlug vor, zu einer

nachsten Sitzung einen Praktiker zum Thema einzuladen.




IX.     Tagesordnung der nachsten Sitzung


 I.       Mitteilungen des Vorsitzcnden
 Il.      Feststellung der Tagesordnung

 Hl.      Bemerkungen zum Protokoll der letzten Sitzung

 TV.      evil. Thema ..Kapitalmarktunion*

 V.       evtl. Thema ,,Niedrigzins

 Vi       evtl. Thema .,Ungleichheit*

 VI.      =Neue Themen

 VU.      Diskussion tiber weitere mégliche Themen

               *     gern auch Vorschlage mit Stichworten vorab

 IX.      Tagesordnung der nachsten Sitzung

 X.       Verschiedenes.
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X.__Verschiedenes
Entfallen.




Berlin, den 7. Juli 2016
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