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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Stellungnahmen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG M-V)“
Gewerkschaft der Polizei Mecklenburg-Vorpommern Gewerkschaft der Polizei ® Platz der Jugend 6 19053 Schwerin Platz der Jugend 6 19053 Schwerin Tel.: 03 85/20 84 18-0 Ministerium für Inner 5 2 und Europa Fax: 03 85/20 84 18-11 Mecklenburg-Vorpommern Abteilung Polizei, Referat 400 gdpmv@gdp.de www.gdp.de/mv 19048 Schwerin 13.03.2019 Das Ministerium für Inneres und Europa hat mit Schreiben vom 24.01.2019 den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) um eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze gebeten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) möchte daher die Gelegenheit nutzen und ihrerseits - als Teil des DGB - eine Stellungnahme abgeben. Vorbemerkungen Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, soll in einem Interview in der „Süddeutschen Zeitung‘ am 26. Juli 2018 folgende Worte gesagt haben: „Die Sorge der Menschen, dass der Staat ihre Rechte nicht ausreichend schützt, müssen wir ernst nehmen, denn dieser Staat hat ihnen ein Sicherheitsversprechen gegeben, das er halten muss.“ Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigt die Landesregierung nach Auffassung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) dieses Sicherheitsversprechen zu halten und gleichzeitig auf vier wesentliche Umstände zu reagieren. Erstens die geänderte Gefährdungslage: Diese hat sich in den letzten Jahren massiv verändert, insbesondere durch religiös oder politisch motivierten Extremismus und Terrorismus. Zweitens: Der technische Fortschritt und sein Einfluss auf das Kriminalitätsgeschehen sind immens. Es gibt neue Kommunikationsformen und auch neue Formen der Kriminalität. Erwähnt seien nur Cybercrime, virtuelles Geld, Bitcoins usw. Die Polizei muss daher in die Lage versetzt werden, auch darauf reagieren zu können. Drittens: Die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz, ist zu berücksichtigen. Viertens: Die konkrete Umsetzung der Europäischen Datenschutzverordnung in das Landesfachrecht. Als Gewerkschaft der Polizei können wir jeden Tag feststellen, dass die Menschen sich von der Polizei beschützt und nicht bedroht fühlen. Auch schildern uns die Bürgerinnen und Bürger, dass sie möchten, dass die Polizei all die nötigen
rechtlichen Befugnisse bekommt, um die Bürger auch in Zukunft gut schützen zu können. Wir sind uns bewusst, dass ein Gesetz verfassungs- als auch datenschutzkonform ausgestaltet werden muss. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) (EU) 2016/679 hat die bisherige Datenschutz-Richtlinie abgelöst und soll für einen einheitlichen Rahmen für die gesamte Europäische Union sorgen. Da — abgesehen von Paragraph 3 - bewusst keine Vorschriften im Landesdatenschutz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 geschaffen wurden, ist deren konkrete Umsetzung im Land Mecklenburg-Vorpommern im jeweiligen (Landes-)Fachrecht mit einem entsprechenden größerem Regelungsvorwand vorzunehmen. Gerade aber die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben bedingt eine aus Sicht der GdP zu große Zunahme der Komplexität des Gesetzes. Seit Jahren fordert die GdP eine Harmonisierung der Polizeigesetze durch die Schaffung eines Musterentwurfs eines Polizeigesetzes. Damit sollten Mindeststandards für alle Länder gewährleistet werden, damit eine länderübergreifende Zusammenarbeit gerade zur Abwehr terroristischer Gefahren mit möglichst einheitlichen Standards ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zwar zahlreiche beabsichtigte Neuregelungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (SOG), die den Regelungen anderer Bundesländer entsprechen bzw. stark ähneln. Die GdP begrüßt darüber hinaus, dass einzelne Maßnahmen, die sich im Zuge der Gefahrenabwehr bewährt haben, nun in eigenständigen Regelungen verankert bzw. konkretisiert werden (z. B. Aufenthalts- und Betretungsverbote, Meldeauflage). Auch die Regelungen zum Einsatz technischer Mittel zur Fertigung von Übersichtsaufnahmen/-aufzeichnungen im öffentlichen Raum, sowie die Befugnis zur offenen Bildbeobachtung in den für die Durchführung der Gewahrsamnahme genutzten polizeilichen Räumen tragen zur Handlungssicherheit bei. Gleichwohl müssen wir mit Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf aber ehrlich sagen, die Praktiker des Polizeirechts in der GdP haben sehr, sehr lange gebraucht, bis sie diesen Gesetzentwurf durchdrungen haben. Gerade das Polizeirecht sollte effektives und schnelles Handeln unter Zeitdruck vor Ort ermöglichen. Wir bitten daher, nur einmal zu überlegen, wie und ob es Polizeibeamten tatsächlich möglich ist, dieses komplexe Regelungsgebilde in der polizeipraktischen Stresssituation immer richtig zu handhaben. Erlauben Sie der GdP in diesem Zusammenhang einen Hinweis. Es wäre schön, wenn der Gesetzgeber versucht, das Gebot der Normenklarheit umzusetzen und trotzdem überlegt, nicht doch stärker auf Generalklauseln umzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte mit dem Gebot der Normenklarheit sicher nicht das Ziel, dass in dessen Umsetzung viel weniger klar ist als vorher. Gerade das Polizeirecht ist immer eine Domäne der Generalklausel gewesen. Man hat das Prinzip der Generalklausel im Verwaltungsrecht immer - oder oft - anhand des Polizeirechts erläutert. Davon findet sich fast nichts mehr. Stattdessen wird in einer Weise ausdifferenziert und auseinandergefieselt, dass man das in der Schnelle nicht mehr wirklich durchdringen kann. Gleiches gerade gilt mit Blick auf den polizeilichen Datenschutz, wo man nun zur Datenerhebung einen $ 33h, bei der Datenübermittlung den & 39h bzw. bei den Informationspflichten auch einen $ 46k findet. Gerade als praxisnahe Gewerkschaft sind wir Freunde von Verringerungen von Komplexität. Aus unserer Sicht ist daher weniger manchmal mehr. Nach Auffassung der GdP bilden Nachrichtendienste, Polizei und Strafverfolgungsbehörden die drei zentralen Säulen der deutschen Sicherheitsarchitektur - oder wie es einmal ausgedrückt wurde - sie erfüllen als
Wachturm, Schild und Schwert unterschiedliche aber auf dasselbe Ziel hin angelegte Aufgaben. Mit anderen Worten: Alle drei Bereiche wirken idealerweise komplementär zusammen. Dem informationellen Trennungsgebot, das das Bundesverfassungsgericht' im _ Antiterrordateigesetz-Urtel entwickelt hat, korrespondiert daher ein Kooperationsgebot. Hier besteht aus Sicht der GdP noch Handlungsbedarf auch im SOG M-V. Zu den Bestimmungen im Einzelnen $ 27a SOG M-V regelt Polizeiliche Anhalte- und Sichtkontrollen. Eine Identitätsfeststellung ist hier nicht geregelt, so dass hier auf den $ 29 SOG M-V zurückgegriffen werden muss. Ob damit alle möglichen Fälle erfasst werden können, erscheint der GdP fraglich. Sie schlägt daher vor, die Ermächtigung einer Identitätsfeststellung auch im $ 27a SOG M-V zu verankern. 8& 29 SOG M-V sagt aus, dass nur Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte Personen festhalten dürfen. Der GdP stellt sich daher die Frage, ob eine Übertragbarkeit des Festhalterechts auf den kommunalen Ordnungsdienst nicht erwünscht war. Der Begründung zu diesem Paragraphen ist dazu nichts zu entnehmen. Die GdP begrüßt grundsätzlich die Ausweitung der Möglichkeiten zur Videoüberwachung und somit auch ausdrücklich die in & 32 Absatz 9 SOG M-V geschaffene polizeiliche Befugnis zur offenen Bildbeobachtung und Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen in den für die Durchführung von Gewahrsamnahmen genutzten polizeilichen Räumen. Wie der GdP bekannt ist, kam es bereits mehrmals im Gewahrsam der Polizei zu krankheitsbedingten, lebensbedrohlichen Situationen von Personen, obwohl deren Gewahrsamstauglichkeit ärztlich bescheinigt war. Nur durch Glück, gepaart mit einer hohen Wachsamkeit der eingesetzten Polizistinnen und Polizisten, konnte in diesen Situationen das Leben der in Gewahrsam genommenen Personen gerettet werden. Als Praktiker aber ist es uns wichtig, festzustellen, dass eine Videoüberwachung auch immer eine ausreichende Anzahl von Polizeibeschäftigten benötigt, um ein unverzügliches Einschreiten der Polizei zu ermöglichen. \Wenn schon Videoüberwachung, die ja immer auch eine Einschränkung von Grundrechten darstellt, eingesetzt wird, werden die Bürgerinnen und Bürger nur dann Verständnis und Akzeptanz aufbringen, wenn dadurch auch, wirklich - über eine reine Abschreckung hinaus - mehr Sicherheit gewährleistet ist. Dies erfordert aber, dass auch notwendige Interventionskräfte zur Verfügung stehen, die im Falle, dass durch die Videoüberwachung Bedrohungs- oder Gefährdungstatbestände festgestellt werden, eingreifen können. Abschließend möchten wir auch darauf hinweisen, dass die Videoüberwachung kein Instrument sein darf, mit dem man polizeiliche Aktivitäten, die eigentlich zu Präventionszwecken dringend erforderlich sind, (z. B. Streifentätigkeit) ersetzen kann. Dass die Überprüfbarkeit von staatlichem Handeln Bestandteil des Rechtstaates ist, sollte nicht fraglich sein. Warum aber gemäß $& 47 SOG M-V explizit darauf hingewiesen werden muss, dass jede betroffene Person das Recht auf Anrufung des Datenschutzbeauftragten hat, erschließt sich der GdP nicht auf den ersten Blick. Die Erweiterung des Katalogs von Straftaten von erheblicher Bedeutung in $ 49 SOG M-V sowie die in $ 67c SOG M-V vorgenommene Aufzählung von Straftatbeständen zur Konkretisierung einer terroristischen Straftat wird positiv betrachtet. Durch die nun in 8 52b SOG M-V geschaffene ausdrückliche Befugnis der Polizei zur Erteilung von Meldeauflagen, sowie die klarstellende Regelung zum finalen Rettungsschuss (8109 Absatz 1 SOG MV) werden in der polizeilichen Tätigkeit bewährte Maßnahmen in konkrete Paragraphen überführt.
Leider hat man es in dem vorliegenden Gesetzentwurf aber verabsäumt, auch die Gefährderansprache zu regen. Die GdP würde hier folgenden Formulierungsvorschlag machen: Gefährderansprache: (1) Die Polizei kann zur Verhütung von Straftaten eine Person ansprechen, sie auf die Rechtslage hinweisen und entsprechend ermahnen sowie vor polizeilichen Maßnahmen warnen, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist. (2) Für die Dauer der Gefährderansprache kann die Person angehalten werden. Des Weiteren wäre dann zu prüfen, ob die Aushändigung eines „Gefährderanschreibens“ als Ergänzung zur Gefährderansprache mit normiert werden muss bzw. sollte. Auch gibt es auch Zeitlagen (insbesondere bei Sportveranstaltungen), in denen eine Gefährderansprache in Betracht kommt und somit auch eine Vorladung zur Gefährderansprache möglich wäre. Vom & 50 SOG M-V (Vorladung) ist dies nicht erfasst. Obwohl es sich nicht um eine Vorladung im rechtlichen Sinne handelt, könnte man den $& 50 SOG M-V oder den oben formulierten Paragraphen beispielsweise wie folgt erweitern: (3) „Personen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Sportveranstaltungen auffällig geworden sind, können von der Polizei für die in Absatz 1 genannten Zwecke vorgeladen werden.“ Im 8 53 Abs. 5 SOG M-V heißt es „Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts oder von Ärzten durchsucht werden“. Mit Blick auf die gerade stattfindende Diskussionen zum Umgang mit Personen des Personenstands „divers“ stellen sich hier Fragen der praktischen Umsetzbarkeit. Die Begründung zu $ 54 SOG M-V lässt vermuten, dass die Formulierung „die Behördenleitung oder eine von ihr besonders beauftragte Beamtin oder ein von ihr besonderer Beamter“ ursprünglich um „oder Beamte mindestens des 2. Einstiegsamtes der 2. Laufbahngruppe“ erweitert werden sollen. Eine solche Erweiterung sehen wir gerade mit Blick auf die Verfügbarkeit von Beamten des ehemaligen höheren Dienstes kritisch. Die nun gefundene Formulierung erscheint der GdP lebensnah und ausreichend. Fazit: Um innere Sicherheit zu gewährleisten, braucht man drei Dinge: Erstens einen zeitgemäßen, anwendungs- und sachgerechten Rechtsrahmen, Zweitens eine ausreichende Polizeistärke, Drittens: hoch motivierte und technisch qgut ausgestattete Polizistinnen und Polizisten. Mit Blick auf den vorliegenden Gesetzentwurf bewertet die GdP die beabsichtigten Neuerungen positiv, da wichtige rechtliche Befugnislücken geschlossen werden und die beabsichtigten neuen Eingriffsbefugnisse aus Sicht der GdP im Einzelfall zur Gefahrenabwehr hilfreich sein werden. Die Schaffung und letztliche Anwendung der Normen wird aber mit einer hohen Erwartungshaltung seitens der politischen Entscheider ggf. auch der Bevölkerung verbunden sein. In diesem Zusammenhang sind auch die beiden anderen angesprochenen Bedingungen nicht außer Acht zu lassen.