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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Verwirklichung des Kindeswohlvorrangs bei bundespolizeilichen Maßnahmen

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Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Genehmi- gung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. BRAS 120 Ausgabe 2014 Bestimmungen zur grenzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung (Best Grepo) – Neuauflage 2016 –
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BRAS 120 Best Grepo Abschnitt 9 Behandlung von Minderjährigen Inhaltsverzeichnis Seite A9-… 1 Allgemeines ................................................................................................................... 3 2 Besondere Pflichten der Grenzbehörde ...................................................................... 3 3 Grenzübertrittskontrolle ............................................................................................... 5 4 Einreiseverweigerung und Aufenthaltsbeendigung ................................................... 7 4.1 Besonderheiten bei unbegleiteten Minderjährigen ................................................................. 7 4.2 Besonderheiten bei begleiteten Minderjährigen ...................................................................... 7 5 Asylgesuche unbegleiteter Minderjähriger ................................................................. 9 6 Freiheitsentziehende Maßnahmen ............................................................................. 11 7 Altersfeststellung ........................................................................................................ 11 Stand: März 2017 (Änderung 31) A9-1
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BRAS 120 1 Best Grepo Abschnitt 9 Allgemeines Die nachfolgenden Regelungen zur Behandlung von Minderjährigen ergänzen die grundlegen- den Bestimmungen der PDV 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“. Die Grenzbehörde ist verpflichtet, das Wohl von Minderjährigen vorrangig zu beachten und Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen zu treffen. Diese Verpflichtung ergibt sich insbe- sondere aus - dem Haager Minderjährigenschutzabkommen, - der UN-Kinderrechtskonvention, - der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, - dem Schengener Grenzkodex, - der Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 26. Juni 1997 über unbegleitete minderjährige Drittstaatsangehörige (Entschließung 97/C 221/03 des Rates) sowie - den Schlussfolgerungen des Rates zu unbegleiteten Minderjährigen vom 3. Juni 2010 (10669/10). Die internationalen Schutzvorschriften werden insbesondere in den Regelungen des SGB 8 konkretisiert. Maßnahmen der Grenzbehörde sind grundsätzlich auch gegen Minderjährige zulässig. Die Bestimmungen der anderen Abschnitte finden nach Maßgabe nachfolgender besonderer Regelungen Anwendung. 2 Besondere Pflichten der Grenzbehörde Unabhängig davon, ob Minderjährige begleitet oder unbegleitet reisen, ist ihnen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Grenzbehörde hat bei allen Maßnahmen das Wohl von Minder- jährigen vorrangig zu berücksichtigen. Diese haben einen Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand, der durch die Grenzbehörde zu gewährleisten ist. Muss die Grenzbehörde regelmäßig Minderjährige im Rahmen der grenzpolizeilichen Aufga- benwahrnehmung betreuen, z. B. nach unerlaubter Einreise oder im Rahmen einer Einreisever- weigerung, sind Maßnahmen, die eine kind- und jugendgerechte Betreuung und Unterbringung gewährleisten, zu treffen. Die Grenzbehörde informiert nach der Einreise von unbegleiteten Minderjährigen unverzüglich das Jugendamt, damit dieses der Verpflichtung zur vorläufigen Inobhutnahme (§ 42a Abs. 1 SGB 8) nachkommen kann. Die vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42a Abs. 1 S. 2 SGB 8 umfasst u. a. die rechtliche Vertre- tung, die Suche nach verwandten Personen im In- oder Ausland, die altersgerechte Unterbrin- gung oder die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters zur Personensorge oder eines Ergän- zungspflegers. Bis zur vorläufigen Inobhutnahme stellt die Grenzbehörde sicher, dass unbegleitete Minderjäh- rige angemessene Betreuung, Unterbringung, Sprachunterstützung und gesundheitliche Ver- sorgung erhalten. Den Fachkräften der Jugendämter sowie den von diesem bestellten gesetzlichen Vertretern oder Ergänzungspflegern sind der Zugang sowie die telefonische Kontaktaufnahme zu den Minderjährigen zu ermöglichen. Stand: November 2017 (Änderung 32) A9-3
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BRAS 120 3 Best Grepo Abschnitt 9 Grenzübertrittskontrolle Minderjährige werden bei der Ein- und Ausreise wie Erwachsene kontrolliert (Art. 20 Abs. 1 lit. f SGK, Anhang VII Nr. 6). Unbegleiteten Minderjährigen oder Minderjährigen, die nur von einem gesetzlichen Vertreter begleitet werden, ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Insbesondere zur Verhinderung der Kindesentziehung oder des Menschenhandels hat sich die Grenzbehörde zu vergewissern, dass die Minderjährigen das Bundesgebiet nicht gegen den Willen der gesetzlichen Vertreter verlassen oder gegen deren Willen in das Bundesgebiet verbracht werden. Deren Zustimmung zur Auslandsreise soll durch Beweise und Belege glaubhaft gemacht werden. Die Minderjähri- gen und deren Begleitpersonen sollen regemäßig getrennt zu Reiseziel, -verlauf und -dauer sowie zur Zustimmung und Erreichbarkeit der abwesenden gesetzlichen Vertreter befragt wer- den. Darüber hinaus ist eine Fahndungsabfrage, z. B. zur Feststellung einer Ausschreibung des gesetzlichen Vertreters wegen Unterhaltspflichtverletzung oder zur Ingewahrsamnahme des Minderjährigen, durchzuführen. Die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter von Minderjährigen mit Wohnsitz in einem anderen Schengenstaat kann über die nationalen Kontaktstellen ( ) geprüft werden. Sofern begründetet Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verbringens Minderjähriger über die Grenze bestehen, können diese in Gewahrsam genommen werden (§ 39 Abs. 2 BPolG), um sie den gesetzlichen Vertretern oder dem Jugendamt zuzuführen. Minderjährige, die das erforderliche Schengenvisum nicht besitzen, erfüllen auch dann nicht die Einreisevoraussetzungen, wenn sie durch gesetzliche Vertreter begleitet werden, die Schen- genvisa besitzen. Die Erteilung eines Ausnahmevisums kommt außer bei Freizügigkeitsberech- tigten grundsätzlich nicht in Betracht. Dies gilt auch, wenn die Minderjährigen in den Reisedo- kumenten der gesetzlichen Vertreter eingetragen sind. Stand: Oktober 2018 (Änderung 33) A9-5
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BRAS 120 4 Best Grepo Abschnitt 9 Einreiseverweigerung und Aufenthaltsbeendigung Die vorläufige Inobhutnahme (Nr. 2) steht den Maßnahmen der Grenzbehörde, z. B. Aufent- haltsbeendigung, nicht entgegen. Die gesetzlichen Vertreter, die die Minderjährigen begleiten oder sich im Inland aufhalten, sowie das Jugendamt oder die von diesem bestellten gesetzlichen Vertreter sind verfahrensberechtigt und spätestens bei der Anhörung zu beteiligen. 4.1 Besonderheiten bei unbegleiteten Minderjährigen Unbegleitete, minderjährige Drittstaatsangehörige, deren gesetzliche Vertreter sich nicht im In- land aufhalten, sind in die Obhut des Jugendamtes zu übergeben, wenn die Einreiseverweige- rung oder Aufenthaltsbeendigung aufgrund von Abschiebungsverboten ( ) oder von voraussichtlich dauerhaften Abschiebungshindernissen ( ) unzulässig ist. Ein Ausnahmevisum wird den Minderjährigen nicht erteilt. Liegen keine Abschiebungsverbote oder Abschiebungshindernissen vor, hat sich die Grenzbe- hörde über die Auslandsvertretung zu vergewissern, dass die Minderjährigen den gesetzlichen Vertretern, einem Mitglied der Familie oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Rück- kehrstaat übergeben werden (§ 58 Abs. 1a AufenthG). Andernfalls ist der Vollzug der Abschie- bung nicht zulässig. Diese Regelung findet auch auf die Zurückschiebung und die Einreisever- weigerung Anwendung. Die Entscheidung über die Einreiseverweigerung oder die Aufenthaltsbeendigung unbegleiteter Minderjähriger obliegt der BPOLD ( ). Als Zielstaat kommt nur der Herkunftsstaat oder der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts in Be- ), tracht. Die Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin-Verordnung ( die Anwendung der bilateralen Rückübernahmeabkommen mit anderen Mitgliedsstaaten der ) sowie im Fall der vorübergehenden Wiedereinführung von EU ( Grenzkontrollen die Einreiseverweigerung in einen anderen Schengenstaat ) bleiben unberührt. Die zuständigen Behörden des Zielstaates sind rechtzeitig über die deutsche Auslandsvertre- tung über folgendes zu unterrichten: - persönliche Daten der Minderjährigen - Angaben zu der Person oder der Aufnahmeeinrichtung, die die Minderjährigen in Obhut nimmt - genaue Reiseverbindung, z. B. Flugnummer mit Ankunftstermin und -ort. Die Rückführung ist begleitet durchzuführen, sofern eine angemessene Betreuung der Minder- jährigen während der Rückführung nicht gesichert ist. 4.2 Besonderheiten bei begleiteten Minderjährigen Eine angemessene Betreuung während der Rückführung und im Rückkehrstaat ist auch dann sicherzustellen, wenn Minderjährigen die Einreise verweigert wird, die von gesetzlichen Vertre- tern begleitet werden. Kann die Betreuung nur von einer Begleitperson gewährleistet werden, ist dieser ebenfalls die Einreise zu verweigern (Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK), sofern sie nicht von sich aus die Betreuung übernimmt. Stand: März 2017 (Änderung 31) A9-7
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Abschnitt 9 Best Grepo BRAS 120 Besitzen die gesetzlichen Vertreter hingegen ein Recht auf Einreise und Aufenthalt, z. B. eine Niederlassungserlaubnis, finden die Regelungen der Nummer 4.1 über die Einreiseverweige- rung gegenüber unbegleiteten Minderjähriger Anwendung. Entsprechend ist bei einer Aufenthaltsbeendigung zu verfahren. A9-8 Stand: Oktober 2018 (Änderung 32)
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BRAS 120 5 Best Grepo Abschnitt 9 Asylgesuche unbegleiteter Minderjähriger Minderjährige sind nicht an die Erstaufnahmeeinrichtung weiterzuleiten (§ 18 Abs. 1 AsylG), sondern in die Obhut des Jugendamtes zu übergeben. Die Unterrichtung der Erstaufnahmeein- richtung über das vorgebrachte Asylgesuch einschließlich der Übersendung der Unterlagen ( ) bleibt unberührt. Unbegleitete Minderjährige sind über ihre Rechte und Pflichten im Dublin-Verfahren ( ) und zur Fingerabdruckabnahme nach der Eurodac-Verordnung ( ) in altersgerechter Form zu informieren. Die Vordrucke sind mit einen Vermerk über die altersgerechte Erläute- rung der Informationen zu versehen. Dem vom Jugendamt bestellten gesetzlichen Vertreter ist der „Fragebogen zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrages zuständigen Mitgliedstaates (Erstbefragung – unbegleitete Minder- jährige)“ ( ) in deutscher Sprache und einer den Minderjährigen verständlichen Spra- che auszuhändigen. Der Name des Vertreters ist auf der „Meldung Aufgriffsfall“ ( ) zu vermerken. ) ist nur zulässig, sofern eine altersgerech- Das Flughafenasylverfahren ( te Unterbringung und Betreuung auf dem Flughafengelände möglich ist. Es findet nur Anwen- dung, wenn die Minderjährigen ), - aus einem sicheren Herkunftsstaat einreisen ( ) oder - einen Folgeantrag stellen ( - sich nicht mit einem gültigen Pass oder Passersatz ausweisen und – schwerwiegende Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie eine Gefahr für die öffentli- che Sicherheit und Ordnung darstellen oder – sie aus schwerwiegenden Gründen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgescho- ben wurden. Stand: März 2017 (Änderung 31) A9-9
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BRAS 120 6 Best Grepo Abschnitt 9 Freiheitsentziehende Maßnahmen Für die Freiheitsentziehung von Minderjährigen sind die Regelungen der Nummer 6 der PDV 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“ zur altersgerechten Unterbringung in separaten Räumlichkeiten zu beachten. Sie sind ihren Bedürfnissen und ihrem Alter entsprechend durch hierfür geeignete Personen zu betreuen und zu versorgen. Dies gilt auch dann, wenn Minder- jährige zusammen mit gesetzlichen Vertretern untergebracht werden. Die unbeaufsichtigte Unterbringung Minderjähriger gemeinsam mit fremden Erwachsenen ist unzulässig. Die Verpflichtung zur Benachrichtigung der gesetzlichen Vertreter richtet sich nach Nr. 6.4 der PDV 382 „Bearbeitung von Jugendsachen“. Die Benachrichtigung der Auslandsvertretung (Art. 36 WÜK) bleibt unberührt. Vor der Beantragung von Sicherungshaft ( ) ist zu prüfen, ob sich die Rückführung von Minderjährigen auch mit der Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung si- chern lässt. Bei der Beantragung von Haft ist im Haftantrag die Minderjährigkeit ausdrücklich zu vermerken. Bei Familien mit Minderjährigen ist zu prüfen, ob der Sicherungszweck auch durch Inhaftierung nur eines Elternteils erreicht werden kann. 7 Altersfeststellung Bestehen Zweifel, ob ausländische Staatsangehörige das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind Anfragen an andere in- und ausländische Behörden oder Stellen zu richten. Verbleiben auch hiernach Zweifel, ist das Alter vom Jugendamt festzustellen. Die Entscheidung des Jugendam- tes ist verbindlich und zur Akte zu nehmen (§§ 42a, 42f SGB 8). Teilt das Jugendamt ein Alter, aber kein konkretes Geburtsdatum mit, ist vom letztmöglichen Geburtsdatum des angenommenen Geburtsjahres auszugehen (31. Dezember). Um keinen Anschein der tatsächlichen oder rechtlichen Richtigkeit zu erwecken, sind die so ermittelten Da- ten durch den Zusatz „fiktives Geburtsdatum“ kenntlich zu machen. Verweigert das Jugendamt eine Altersfeststellung, erfolgt die Behandlung nach dem angegebe- nen Alter. In diesen Fällen ist die BPOLD zu unterrichten. Stand: November 2017 (Änderung 32) A9-11
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