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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Weisungen zu Aufenthaltstgesetz, Asylgesetz und Familiennachzug

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30. Mai 2017 Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zur Duldungserteilung nach § 60a Aufenthaltsgesetz Inhaltsübersicht Vorbemerkung Teil I      Allgemeines Teil II     Aussetzung der Abschiebung für bestimmte Ausländergruppen - Abschiebungsstopp (§ 60a Absatz 1 AufenthG) Teil III    Individuelle Aussetzung der Abschiebung ■ Duldung im Einzelfall 1.) Anspruchsduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 1 und 2 AufenthG) 2.) Ermessensduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG) Teil IV     Sonderfall: Ausbildungsduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 4ff. AufenthG) Teil V      Duldung nach Rückübernahme (§ 60a Absatz 2a) Teil VI     Duldung der Eltern von gut integrierten Jugendlichen (§ 60a Ab­ satz 2b) Teil VII    Vermutungsregelung bei gesundheitlichen Gründen (§ 60a Absatz 2c und 2d AufenthG) Teil VIII   Dokumentation im AZR
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-2 Vorbemerkung Das Bundesministerium des Innern wurde durch Ziffer 1 des Beschlusses der Be­ sprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 9. Februar 2017 beauftragt, Anwendungshinweise zu § 60a des Auf­ enthaltsgesetzes (AufenthG) vorzulegen. Mit den Anwendungshinweisen soll eine einheitlichere Anwendung der gesetzlichen Duldungsregelungen mit dem Ziel der Förderung der Rückkehr vollziehbar Ausreisepflichtiger erreicht werden. Damit ver­ bunden ist auch das Erfordernis einer konsistenteren Anwendungspraxis bei der Speicherung der jeweiligen Duldungsgründe in das Ausländerzentralregister (AZR). Die Anwendungshinweise ergänzen die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AW-AufenthG), die im Übrigen unbeschadet fortgelten. Die hohe Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen verdeutlicht den Handlungsbedarf einer effizienteren Rückkehrpolitik. Zum Stichtag 30. April 2017 haben sich ausweis­ lich des AZR 158.145 als Geduldete in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Da es sich bei Geduldeten um vollziehbar ausreisepflichtige Personen handelt, muss der Fokus behördlicher Maßnahmen auch bei diesem Personenkreis primär auf die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht und die tatsächliche Rückkehr dieser Personen in den Herkunftsstaat gerichtet sein. Es ist nicht nur legitim, sondern auch geboten, auf eine Beendigung des Aufenthalts derjenigen hinzuwirken, die in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben. Teil I         Allgemeines Die Duldung nach § 60a AufenthG bewirkt lediglich eine vorübergehende Ausset­ zung der Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, dessen Aus­ reisepflicht durch die Duldung unberührt bleibt. Die Duldung erschöpft sich mithin in dem Verzicht der Behörde auf die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht. Hierdurch wird kein Aufenthaltsrecht begründet. Die Ausländerbehörden sollten daher Duldungen nur für den voraussichtlichen Zeit­ raum der konkret bestehenden Unmöglichkeit der Abschiebung bzw. des Erforder­ nisses der Anwesenheit im Bundesgebiet erteilen. Die Gründe für die Duldungsertei­ lung sind regelmäßig, spätestens alle drei Monate, auch mit Blick auf das Primat der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu überprüfen. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn z.B. der Wegfall der Unmöglichkeit in dieser Frist ausgeschlossen
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-3- erscheint, kann die Duldung ausnahmsweise für einen längeren Zeitraum erteilt wer­ den und sollte mit einer auflösenden Bedingung verbunden werden. Die regelmäßige Überprüfung entfällt im Falle einer „Ausbildungsduldung", da diese für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Gesamtdauer der Berufsausbildung zu er­ teilen ist (vgl. § 60a Absatz 2 Satz 5 AufenthG). Im Wesentlichen sind zwei Varianten von Duldungen zu unterscheiden:. Zum einen sieht § 60a Absatz 1 AufenthG die Möglichkeit von Duldungen aufgrund eines Abschiebungsstopps vor, die allgemein auf bestimmte Ausländergruppen oder für Rückführungen in bestimmte Staaten Anwendung finden. So besteht derzeit ein bundesweiter Abschiebungsstopp in Bezug auf Syrien. Zum anderen gibt es Duldun­ gen im Einzelfall nach § 60a Absätze 2, 2a und 2b AufenthG. Ob die Ausreisepflicht eines nicht geduldeten ausreisepflichtigen Ausländers vollzo­ gen wird, steht nicht im Ermessen der Ausländerbehörde. Sowohl das nationale (§ 58 Absatz 1 Satz 1 AufenthG) als auch das europäische (Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2008/115/EG) Recht sehen zwingend vor, dass die vollziehbare Ausreise­ pflicht erforderlichenfalls auch zwangsweise durchgesetzt wird. Grenzübertrittsbescheiniaunqen (GÜB) sind kein Aufenthaltstitel, ebenso wenig han­ delt es sich bei diesen Dokumenten um Duldungen. Um praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und zur Erleichterung von Rückführungsmaßnahmen bietet es sich in geeigneten Fällen gleichwohl an, diese Dokumente auszustellen, z.B. als Überbrückung bis zur tatsächlichen Ausreise in Fällen, in denen der Zeitpunkt der Abschiebung feststeht. Teil II         Aussetzung der Abschiebung für bestimmte Ausländeraruppen - Abschiebungsstopp (5 60a Absatz 1 AufenthG) Die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten kann durch die oberste Landesbehörde nach § 60a Absatz 1 AufenthG auf Anordnung aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interes­ sen der Bundesrepublik Deutschland für längstens drei Monate ausgesetzt werden. Im Rahmen des am 24. Oktober 2015 in Kraft getretenen Asylverfahrensbeschleuni­ gungsgesetzes wurde die maximale Dauer von sechs auf drei Monate verkürzt. Die­ ser Zeitraum ist einerseits angemessen, um auf eine humanitäre Lage ausreichend zu reagieren und liegt andererseits im Interesse eines möglichst bundeseinheitlichen Verwaltungsvollzugs. Durch die Regelung können pauschal bestimmte Gruppen von
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-4- Ausländern erfasst werden. Die Entscheidung liegt im politischen Ermessen der obersten Landesbehörden. Bund und Länder haben vereinbart, dass ein Land vor Anordnung eines Abschie­ bungsstopps die anderen Länder sowie den Bund über die beabsichtigte Maßnahme konsultiert, auch wenn das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern noch nicht erforderlich ist (vgl. Ziffer 60a.1.3.2 AW-AufenthG). Zur Frage des erforderlichen Einvernehmens des Bundesministeriums des Innern gilt folgendes: Der im Zuge des Gesetzgebungsvorhabens geänderte § 60a Absatz 1 Satz 1 Auf- enthG stellt ausdrücklich klar, dass die Länder die Aussetzung nach § 60a Absatz 1 Satz 1 AufenthG nur für einen Zeitraum von drei Monaten anordnen können. Zur Frage, ab welchem Zeitpunkt das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern einzuholen ist, gibt es infolge der bisher unterbliebenen Anpassung des § 60a Absatz 1 Satz 2 AufenthG derzeit keine gesetzliche Regelung. Bei der Auslegung sind maßgeblich die Ausführungen der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (Bundesrats-Drucksache Nr. 446/15) zu berücksichtigen, die Grundlage der Verabschiedung in Bundestag und Bundesrat waren. Danach ist der Zeitraum, in dem die' obersten Landesbehörden ohne das Ein­ vernehmen des Bundesministeriums des Innern einen Abschiebungsstopp verfügen können, auf maximal drei Monate zu verkürzen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Regelung des § 60a Absatz 1 AufenthG ersichtlich um eine Ausnah­ meregelung handelt, da mit ihr - entgegen der üblichen Systematik des Aufenthalts­ gesetzes - ganze Ausländergruppen (und nicht nur Einzelpersonen) pauschal be­ rücksichtigt werden. Der Gesetzgeber wollte diese Form der Aufenthaltsgewährung begrenzen, dies haben auch die Länder im Bundesrat mitgetragen. Bis zu einer ge­ setzlichen Klarstellung sollte das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern nach drei Monaten eingeholt werden.
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-5- Teil 111        Individuelle Aussetzung der Abschiebung - Duldung im Einzelfall 1.)      Anspruchsduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 1 und 2 AufenthG) Eine Duldung ist zu erteilen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtli­ chen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (§ 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG). Bei der Auslegung des Begriffs „unmöglich" ist darauf abzustel­ len, ob die Abschiebung alsbald realisiert werden kann oder zeitweilig aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse ausgeschlossen ist. a) Tatsächliche Unmöglichkeit: Eine Abschiebung ist tatsächlich unmöglich, wenn sie auf praktische Schwierigkeiten stößt, die nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand zu beheben sind. Es sind dies Hindernisse, die die Art und Weise der Durchsetzung der gesetzlichen Ausreise­ pflicht betreffen. Von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist insbesondere in folgen­ den Fällen auszugehen: •    bei Passlosigkeit des Ausländers und der Aussicht, dass dieser auf unabseh­ bare Zeit ohne Pass bleiben wird (zur Mitwirkungspflicht s.u.), •    bei dauerhaft fehlender Übernahmebereitschaft des Staates, in den abge­ schoben werden soll, z.B. wenn die Abschiebung selbst mit einem Reisedo­ kument nicht möglich ist oder eine Rückführung ohne gültige Dokumente nicht in Betracht kommt, •    bei fehlenden Transportmöglichkeiten (z.B. fehlende Flugverbindungen) bzw. unterbrochenen Verkehrsverbindungen, •    wenn der Staat, in den abgeschoben werden soll, seine Grenzen schließt, •    bei fehlender Reise- und Transportfähigkeit, z.B. wegen einer Krankheit oder einer Risikoschwangerschaft (siehe Näheres hierzu unter Teil V). Es ist regelmäßig, spätestens alle drei Monate, nachzuhalten, ob das Abschiebungs­ hindernis noch besteht, so dass bei Wegfall ohne Verzug die Durchsetzung der Aus­ reisepflicht konsequent weiter verfolgt werden kann. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die Abschiebung wegen Ankündigung bzw. Durchführung eines Hunger­ streiks, bei asyltaktisch behaupteter Ankündigung suizidaler Absichten oder bei Dro­ hungen gegenüber dem Transport- und Begleitpersonal gescheitert ist. Gegenüber denjenigen, die die Mitwirkung im ausländerrechtlichen Verfahren ver­ weigern, ist gezielt auf eine Beseitigung des Abschiebungshindernisses hinzuwirken. Beispielsweise gilt auch für geduldete Ausländer, dass zumutbare Anforderungen zur
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-6 - Erlangung eines anerkannten und gültigen Passes bzw. Passersatzes erfüllt und entsprechende zumutbare Bemühungen nachgewiesen werden müssen. Auf die Pflicht zur eigenen Beibringung eines anerkannten Passes oder Passersatzes durch den Ausländer (Bringschuld) nach § 56 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 der Aufenthaltsver­ ordnung (AufenthV) wird hingewiesen. In allen Fällen einer fehlenden Mitwirkung ist die Duldung regelmäßig nur für jeweils einen Monat zu verlängern. Darüber hinaus sind in Fällen der Mitwirkungsverweigerung generell die im Asylbe­ werberleistungsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Leistungskürzung konse­ quent anzuwenden. Hierzu sind die für die Ausführung des Asylbewerberleistungs­ gesetzes zuständigen Behörden über die Mitwirkungsverweigerung zu informieren und um Prüfung von Leistungskürzungen gemäß § 1a AsylbLG zu bitten. Auf die Re­ gelung des Beschäftigungsverbotes nach § 60a Absatz 6 AufenthG wird ausdrücklich hingewiesen. Ebenfalls verwiesen wird auf die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 95 - 98 AufenthG. b) Rechtliche Unmöglichkeit Rechtliche Gründe stehen der Aussetzung entgegen, wenn sich aus dem nationalen oder europäischen Recht, Verfassungsrecht oder Völkergewohnheitsrecht ein zwin­ gendes Abschiebungsverbot ergibt. Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt insbesondere in folgenden Fallkonstellationen vor; •   Bei Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Absatz 1 bis 5 sowie 7 AufenthG, insbesondere weil im Herkunftsland die Folter droht, und zugleich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nicht in Betracht kommt, etwa wegen Vorliegens von Ausweisungsinteressen. Das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach Absatz 5 und 7 ist von der Ausländerbehörde zu prüfen, soweit es sich nicht um Asylantragsteller han­ delt. Das nach § 72 Absatz 2 AufenthG bestehende Beteiligungserfordernis ist zu beachten. •   Bei Bestehen einer Abschiebungssperre während des Auslieferungsverfah­ rens (§ 60 Absatz 4 AufenthG). •   Bei fehlender, aber erforderlicher Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder der Zeugenschutzdienststelle nach § 72 Absatz 4 AufenthG. •   Bei unzumutbarer Beeinträchtigung des Rechts auf Wahrung des Ehe- und Familienlebens. •   Für unbegleitete minderjährige Ausländer ist die Regelung des § 58 Absatz 1a AufenthG zu beachten. •   Wenn die Eheschließung oder Eintragung einer Lebenspartnerschaft mit einer deutschen oder aufenthaltsberechtigten ausländischen Person sicher er-
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-1  - scheint und unmittelbar bevorsteht sowie das - durch die Anmeldung zur Ehe­ schließung beim zuständigen Standesamt eingeleitete - Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit nachweislich abgeschlossen ist und seitdem nicht mehr als sechs Monate vergangen sind (vgl. Ziffer 30,0.6 AVV- AufenthG). In diesem Fall besteht ein Duldungsanspruch, wenn der Ehe­ schließung nur noch Umstände entgegenstehen, die nicht in den Zuständig­ keitsbereich der Verlobten fallen. •  Bei einer Schwangerschaft der Ausländerin während der Mutterschutzzeiten vor und nach der Geburt. Von einem rechtlichen Hindernis i.S. des § 60a Absatz 2 Satz 1 ist im Regelfall allein aufgrund folgender Fallkonstellationen nicht auszugehen: •  „Kirchenasyl". •  Befassung der Härtefallkommission nach § 23a AufenthG oder von politi­ schen Mandatsträgern im konkreten Einzelfall. •  Einlegen einer Petition nach Artikel 17 GG. •  Prüfung des Vorliegens von Duldungsgründen. In diesen Fällen muss die Vollziehung der Ausreisepflicht weiter betrieben werden, sofern kein Anlass besteht, aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder erheblichem öffentlichen Interesse eine Ermessensduldung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen. c) Vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren Nach § 60a Absatz 2 Satz 2 AufenthG ist die Abschiebung ebenfalls auszusetzen, wenn die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. 2.)     Ermessensduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG) Nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öf­ fentliche Interessen seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Es ist in jedem Einzelfall eine Abwägung zu treffen, ob das öffentliche Interesse an der tatsächlich möglichen und rechtlich zulässigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt oder diese Maßnahme eine erhebliche Härte für den Ausländer bedeuten würde, oh­ ne dass ein zwingender Duldungsgrund nach § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG gege­ ben wäre.
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-8- Dringende humanitäre oder persönliche Gründe sind insbesondere in folgenden Fall­ konstellationen denkbar: •   bei einem in wenigen Wochen bevorstehenden Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung, sofern dieser Fall nicht bereits unter § 60a Absatz 2 Satz 4ff. Aufe;nthG fällt oder §§ 25 Absatz 5, 25a AufenthG einschlägig sind. Auf die Ziffern 60a.2.3.1 i. V. m. 25.4.1.6.1 AVwV-AufenthG wird verwiesen, •   Erledigung wichtiger persönlicher oder finanzieller Angelegenheiten, wie z.B. nach dem Tod eines nahen Angehörigen, •   vorübergehende Betreuung eines schwer erkrankten Familienangehörigen, •   vorübergehende Erkrankung, die noch nicht zur Reise- und Transportunfähig­ keit führt und eine zeitnahe Ausreise sichergestellt ist, beispielsweise bei Ab­ schluss einer bereits begonnenen ärztlichen Behandlung, •   im Falle eines Studiums, wenn aufgrund der bisherigen Studienleistungen ein erfolgreicher Abschluss in absehbarer Zeit zu erwarten ist, •   bei berufsvorbereitenden Maßnahmen, sofern ein Ausbildungsvertrag für eine anschließende qualifizierte Berufsausbildung zuverlässig belegt ist oder der regelhafte Übergang aus der Qualifizierungsmaßnahme in qualifizierte Berufs­ ausbildung nachgewiesen werden kann und eine Duldungserteilung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG noch nicht möglich ist (im Einzelnen s.u. IV.). Erhebliche öffentliche Interessen sind z.B. anzunehmen in Fällen, in denen •   der Betroffene Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ist oder in einem Er­ mittlungsverfahren als Zeuge oder Angeschuldigter benötigt wird (sofern die Regelungen der §§ 60a Absatz 2 Satz 2, 25 Absatz 4a oder 4b AufenthG nicht greifen), •    fiskalische Gründe den Ausschlag für die weitere Anwesenheit des Ausländers geben. Dies kann beispielsweise verkommen, wenn Angehörige durch die Anwesenheit des Ausländers nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen wären. Auf der Grundlage von § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG ausgestellte Duldungen dür­ fen nur für den Zeitraum erteilt werden, in dem diese Gründe voraussichtlich vorlie­ gen. Die Dauer für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG sollte, regelmäßig drei Monate nicht überschreiten. Die Gründe für die Duldungsertei­ lung sind regelmäßig, spätestens alle drei Monate, zu überprüfen (siehe Ausführun­ gen zu Teil I), Zu den Besonderheiten der „Ausbildungsduldung“ nach § 60a Absatz 2 Satz 4 Auf­ enthG wird auf die Ausführungen im folgenden Teil IV verwiesen.
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-9- Teil IV         Sonderfall: Ausbildungsduldunq (5 60a Absatz 2 Satz 4 ff. Auf- enthG) Die mit dem Integrationsgesetz mit Wirkung vom 6. August 2016 vorgenommene Neuregelung des § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG zielt darauf ab, für die Dauer einer - im Einklang mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen aufgenommenen oder noch aufzunehmenden - qualifizierten Berufsausbildung mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe zu schaffen, indem der Begriff „dringende persönliche Gründe" (§ 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG) für diese Konstellation konk­ ret ausgefüllt und mit einem Duldungsanspruch verknüpft wird. Der Abschluss einer solchen Berufsausbildung eröffnet die Möglichkeit einer Verlän­ gerung der Duldung zur Beschäftigungssuche für sechs Monate (§ 60a Absatz 2 Satz 11 AufenthG) und gegebenenfalls den Weg in eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung nach § 18a AufenthG. Die Ausbildungsduldung bleibt jedoch eine Duldung, die lediglich die Aussetzung der Ab­ schiebung eines vpllziehbar Ausreisepflichtigen bewirkt; sie ist keine Bleiberegelung. 1. Qualifizierte Berufsausbildung Zwingende Voraussetzung ist nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG, dass der Aus­ länder eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder ver­ gleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat. Eine qualifizierte Berufsausbildung liegt nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BeschV vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt. Danach ist die generell vorge­ sehene Dauer der Ausbildung maßgeblich, nicht die individuell in Anspruch genom­ mene Ausbildungsdauer, die bei Anrechnung bestimmter Vorausbildungen zu einer verkürzten Ausbildungszeit führen kann. Staatlich anerkannte oder vergleichbar geregelte Ausbildungsberufe sind alle aner­ kannten Aus- und Fortbildungsabschlüsse nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO) sowie vergleichbare bundes- oder landesrechtlich gere­ gelte Berufsabschlüsse oder diesen Berufsabschlüssen entsprechende Qualifikatio­ nen. Betriebliche Berufsausbildungen bedürfen eines Berufsausbildungsvertrages, der die Voraussetzungen nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung er­ füllen müss und von der zuständigen Stelle im Verzeichnis der Berufsausbildungs­ verhältnisse eingetragen wird.
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- 10 - Da die Ausländerbehörden regelmäßig nicht die Vertragsinhalte des Berufsausbil­ dungsvertrags auf formelle und rechtliche Richtigkeit prüfen können (z.B. ob der im Berufsausbildungsvertrag genannte Betrieb zu Berufsausbildungen i.S.d. Berufsbil­ dungsgesetzes befähigt ist), kann das Vorliegen eines gültigen Ausbildungsvertrages zuverlässig nur dadurch belegt werden, dass ein Nachweis über den Eintrag in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse (z.B. Lehrlingsrolle) vorgelegt wird (vgl. BT-Drs. 18/9090, S. 25 f.). Diese Vorlagepflicht obliegt dem Antragsteller. Aus­ reichend ist, wenn der Ausländer den von beiden Vertragsparteien Unterzeichneten Berufsausbildungsvertrag sowie die Eintragungsbestätigung der zuständigen Stelle bzw. Kammer (z.B. Handwerkskammer) vorweist. Aufgrund regionaler Besonderhei­ ten reicht der Nachweis einer erfolgten positiven Prüfung (sog. „Geprüft-Stempel“ auf dem Original des eingereichten Ausbildungsvertrages) des Ausbildungsvertrages durch die zuständige Stelle/ Kammer aus. Bei Berufsausbildungen an Berufsfach­ schulen oder Fachschulen ist die Bestätigung der Ausbildung durch die staatliche oder staatlich anerkannte Schule vorzulegen. Neben qualifizierten betrieblichen Berufsausbildungen, die als duale Berufsausbil­ dungen durchgeführt werden, fallen auch qualifizierte Berufsausbildungen an Berufs­ fachschulen oder Fachschulen in den Anwendungsbereich dieser Regelung. In die­ sen Fällen ist der Vertrag mit oder die Aufnahmezusage/Anmeldebestätigung der jeweiligen staatlichen oder privaten Schule mit Bezeichnung des konkreten Ausbil­ dungsberufes vorzulegen. Die Anmeldung allein ist nicht ausreichend. Auch im Zusammenhang mit dualen Studiengängen ist der Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung eröffnet, wenn - unter zeitlicher und inhaltlicher Verzahnung von Studien- und Ausbildungsphasen - parallel ein Studium und eine Berufsausbildung absolviert wird und die Absolventen den jeweiligen Hochschulabschluss sowie einen anerkannten dualen Berufsabschluss nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung erwerben. Die Ausbildungsduldung wird jedoch nur für die Zeit der Berufsausbildung erteilt. Sofern nach Abschluss der Berufsausbildung ein der beruflichen Qualifikation entsprechendes Arbeitsverhältnis besteht, ist unter den Vo­ raussetzungen von § 18a Absatz 1a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Übrigen kann eine Duldung aus persönlichen Gründen nach 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG in Betracht kommen, wenn aufgrund der bisherigen Studienleistungen ein erfolgreicher Abschluss in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Kürzere Helferausbildungen oder auch Einstiegsqualifizierungen und andere Qualifi­ zierungsmaßnahmen, die die Ausländer erst an eine Berufsausbildung heranführen oder sie dazu befähigen bzw. die erforderliche Ausbildungsreife herstellen, sind kei­ ne qualifizierten Berufsausbildungen i.S.v. § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG. Dies gilt auch dann, wenn Zeiten der Helferausbildung oder Einstiegsqualifizierung die Aus-
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