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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Ziele und Erfolgskontrollen für die DigitalService4Germany GmbH“
Antrag auf Gründun g e i n e r b u n d e s e i g e - nen Gesellscha f t g e m ä ß $ 6 5 B H O („Digital T r a n s f o r m a ti o n T e a m “ - D T T ) AR Bundeskanzleramt Seite 1 von 42
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis 1 Geschäftsidee 1:1 Problembeschreibung 2 Lösungsansatz 11 1.3 Mission des DTT 16 2 Geschäftsmodell und -system 18 24 Zielkunden und Bedarf 18 2.2 Services 19 2.3 Partner 20 3 Rechtsformvergleich 21 3.1 Ergebnisse des Rechtsformvergleichs 21 3.2 Fachpolitische Begründung des Bundessinteresses 24 4 Wirtschaftlichkeit und Finanzen 27 4.1 Einstiegsmöglichkeiten für den Bund: Übernahmeder bestehenden UG vs. Neugründung einer GmbH 27 4.2 Finanzierungs- und Preismodell der Gesellschaft 27 4.3 Wirtschaftsplan der Gesellschaft 28 4.4 Implikationen für den Bundeshaushalt 32 4.5 Nutzenbetrachtung aus Sicht des Bundes 32 5 Organisation 35 5.1 Kernkompetenz und Personal 35 5.2 Organisationsaufbau 36 6 Steuerung der Organisation 38 6.1 Gremien 38 6.2 Anteilseigner und Steuerung durch den Bund 39 7 Risikomanagement 40 8 Umsetzungsplan 42 Seite 2 von 42
Abbildungsverzeichnis Abbildung 2: Übersicht funktionale Bewertung ausgewählter Rechtsformen 22 Seite 3 von 42
1 Geschäftsidee Im Lichte der IT-Konsolidierung und der vielfältigen Digitalvorhaben des Bundes zeigt sich in der Bundesverwaltung zunehmend der Bedarf für eine schnell und flexibel einsatzfähige Organisati- onseinheit für die Softwareentwicklung. Im Vergleich zu den bestehendenIT-Dienstleistern des Bundessoll es dieser deutlich einfacher gelingen, geeignetes IT-Personal zu rekrutieren und so die Kapazitäten des Bundes für die agile Softwareentwicklung auszubauen. Sie soll ferner die Fachlichkeit in der Fläche nach Bedarf mit Produkt- und agilen Entwicklungskompetenzenfür Di- gitalisierungsprojekte ergänzen und zentral Methoden- und Innovationskompetenz für alle zugäng- lich aufbauen. Ziel ist, die Möglichkeiten kollaborativen, agilen und nutzerzentrierten Arbeitens und Entwickelns zu demonstrieren, Wissen in die Fachbereiche hineinzutragen und insgesamtein Transformationsmotor für die Bundesverwaltung zu sein. Dies ist dringend erforderlich, um den digitalen Wandel der Bundesverwaltung zu beschleunigen, denn die Modernisierung der IT- Services des Bundes, insbesondere in der Softwareentwicklung, muss mit der Dynamik des tech- nischen und methodischen Fortschritts Schritt halten können. Dazugilt es, Modernisierungszyklen zu beschleunigen, schneller Kompetenzen in neuen Methoden und Technologien aufzubauen und die Arbeitskultur nachhaltig zu verändern. Die Erwartung an digitale Lösungen, genau auf die Bedürfnisse und Gewohnheitenihrer späteren Nutzer zugeschnitten zu sein („nutzerorientiert‘), ist in den letzten Jahren stark gestiegen — mit ihr steigt der Bedarf an entsprechenden Design-, Produkt- und Entwicklungskompetenzen. Der Bund hält diese Innovations-Kompetenzen in bestehenden Einheiten jedoch nicht vor, typische behörd- liche Organisationsstrukturen und -prinzipien stehen agiler Entwicklung und Innovationsvorhaben häufig entgegen. Durch den umfassenden Rückgriff auf externe Dienstleister lassen sich der er- forderliche Kompetenzaufbau innerhalb der Verwaltung und die notwendige Veränderung der Ar- beits- und Entwicklungskultur nicht erreichen. Das Ziel, den inzwischen erreichten Rückstand im Bereich E-Government — regelmäßig durch internationale Rankings! attestiert - aufzuholen und zugleich bestehende und weiter hinzutretende gesetzliche und politische Vorgaben umzusetzen, wird mit derzeitigen Kapazitäten und Strukturen allein kaum zu erreichen sein. Es soll dah er ein e klei ne, bun des eig ene Ent wic klu ngs ein hei t im Ver ant wor tun gsb ere ich des Bun - deskanzleramtes aufgebaut wer den , der en Lei stu nge n gru nds ätz lic h alle n Tei len der Bun des ver - waltung zur Verfügung stehen.? Sie soll die Kon sol idi eru ng der Bun des -IT zwi sch en Bes cha ffu ngs - und Bedarfsbünde lun g sow ie Bet rie bsk ons oli die run g und Die nst lei ste rer tüc hti gun g ziel geri chte t ergänzen. Die projektbasierte, nut zer zen tri ert e Sof twa ree ntw ick lun g soll vor all em dad urc h ge- kennzeichnet sein, das s die ben öti gte Anw end ung kol lab ora tiv und gem ein sam mit den Bed arf s- trägern sowie den bes teh end en Akt eur en (ins b. dem ITZ Bun d) in der Ver wal tun g era rbe ite t wird . Wesentlicher Bes tan dte il der Lei stu ngs erb rin gun g ist dab ei die nac hha lti ge Bef ähi gun g der Fac h- seite. Den Aus gan gsp unk td afü r bild et das bere its erp rob te Mod ell von Tec h4G erm any ,e ine der - zeit noch privateIniti ati ve unt er Sch irm her rsc haf t des Che fs des Bun des kan zle ram ts, die seit 201 8 erfolgreich mit agi len Met hod en ers te Pil otp roj ekt e für den Bun d und mit Bes chä fti gte n der Bun - desverwaltung umsetzen kon nte (si ehe aus füh rli che Bes chr eib ung im Anh ang 4). Ein e Vers teti - gung dieser Organisation mit ihr en inn ova tiv en Arb eit swe ise n soll ras ch anw end ung sfä hig e Erg eb- nisse mit Demonstratio nsc har akt er lie fer n sow ie ein en nac hha lti gen Wis sen str ans fer in Erg änz ung zu den IT-Dienstleiste rn des Bun des bie ten . Die gew ähl te Ges ell sch aft sfo rm soll die Rek rut ier ung k ' Siehe z. B. im EU Digital Economy and Society Index (DESI) bei eGovernment auf Platz 24 und im EU eGovernment-Benchmar i 2018 auf Platz 19. Saft ware prod ukte mit her aus geh obe nen Sich erhe itsa nfor deru ngen (z. B. für Stra fver folg ungs behö rden , Mili - 2 Ausgenommen wären rich tend iens te); dies erfü llen bere its spez iali sierte Dien stle iste r, u. a. die Bund esdr ucke rei und die BW! Gmb H. tär, Nach Seite 4 von 42
des dafür notwendigen Personals und eine projektbasierte und interdisziplinäare Zusammenarbeit losgelöst von den strukturellen und prozessualen Vorgaben der Bundesverwaltung ermöglichen. 1.1. Problembeschreibung Die souveräne, proaktive Gestaltung des digitalen Wandels ist eine der zentralen Aufgaben für den Staat. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben und die Erwartungen von Bürgerinnen und Bürgern an eine zeitgemäße Verwaltung zu erfüllen, sind zahlreiche Anstrengungen und In- vestitionen notwendig. Die Umsetzung der Digitalisierung stellt im Hinblick auf Prozesse und An- forderungen sowie den Umfang und die Geschwindigkeit der Veränderungen die größte Verwal- tungsreform in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD überdie 19. Legislaturperiode heißt es: „Angesichts der Dynamik der Veränderung müssen wir große Schritte wagen, um an die Spitze zu kommen. Wir wollen unser Land in allen Bereichen zu einem starken Digitalland entwickeln.“ (Zeilen 1602 bis 1604). Zur Erfüllung dieses politischen Zieles definiert die „uUmsetzungsstrategie der Bundes- regierung zur Gestaltung des digitalen Wandels“ den Komplex moderner, digitaler Staat als zent- rales Handlungsfeld.? Dabei sind zwei Handlungsschwerpunkte wesentlich: Der Staat als Dienst- leister für Bürgerinnen und Bürger und die Digitalisierung der Verwaltung selbst. Für eine mode rne Verw altu ng, die ihre n Mita rbei teri nnen und Mita rbei tern , Bürg erin nen und Bür- gern gleicher maße n nutz eror ient iert e, digit ale Lösu ngen anbi etet , sind eine inno vati onso ffen e und agile Arbe itsk ultu r und digit ale Kom pet enz en - beso nder s im Bere ich Soft ware — uner läss lich . Auf diesen Feldern begegnet die Verwaltung derzeit den folgenden Herausforderungen: a) Der Bedarf an Komp et en ze n zur Üb er se tz un g vo n Ve rw al tu ng sp ro ze ss en un d Fa ch - lichkeit in Softwarel ösu nge n de r öf fe nt li ch en Ve rw al tu ng ka nn dur ch di e exi sti ere n- den öffentlichen Akteure bereits he ut e nic ht ge de ck t we rd en - gle ich zei tig ni mm t der Bedarf weiter zu. si nd in er he bl ic he m Ma ße an de re Vo rg eh en sw ei se n, ei n Für die Gestaltung der Digitalisierung So ft wa re lö su ng en erf ord erl ich . In de r Fl äc he de r Bu nd es ve rw al tu ng Kompetenzaufbau sowie neue n st ar k zu. Ge ra de die Üb er se tz un g vo n Ve rw al - nimmt der Bedarf für Digitalisierungskompetenze n un d dig ita le Lö su ng en erf ord ert ne ue Ex - tungsprozessen und Fachverfahren in Anforderunge nt ie ru ng , ab er au ch die Fäh igk eit , Re gu la ri en un d Pr oz es se au f pertise hinsichtlich einer Nutzerorie fo rd er t de r dig ita le Wa nd el üb er ko nk re te Ko mp e- Digitaltauglichkeit zu prüfen. Darüber hinaus er un d Wer te in de r Arb eit swe lt, de r in de r Fl äc he tenzen hinaus einen Wandel der Kultur, Prozesse em at is ch vo ra ng et ri eb en wir d. Ge ra de ei ne agi le un d der Bundesverwaltung bisher noch kaum syst un g kö nn te dab ei al s Ve hi ke l für de n Au fb au vo n Me th o- vor allem kollaborative Softwareentwickl ve rw al tu ng wi rk en un d da s vo rh an de ne Pe rs on al na ch - den- und Digitalkompetenz in der Bundes haltig befähigen. al tu ng zur Di gi ta li si er un g kö nn en de n zu ne hm en - Die verschiedenen Großprojekte der Bundesverw Me th od en un d Di gi ta lk om pe te nz so wi e an nu tz er - den Bedarf an einem Aufbau entsprechender ch nic ht vo ll um fä ng li ch erf üll en. Di es zei gt sic h in sb e- freundlichen Softwarelösungen derzeit no der Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung des Onlinezugangs Zu sondere bei se tz un g de r IT -K on so li di er un g de s Bu nd es , in sb es on - Verwaltungsleistungen (OZG) und der Um wi e bei de r Dig ita lis ier ung so ns ti ge r Fa ch ve rf ah re n un d de r dere der Dienstekonsolidierung, so e Bu nd es re ss or ts fo rd er n - na ch de r Er fa hr un g de s Weiterentwicklung bestehender Lösungen. Di ung sst rat egie der Bun des reg ier ung , Bun des pre sse amt , Dow nlo ad Dez . 201 9. 3 „Digitalisierung gestalten“, Umsetz Seite 5 von 42
Bundeskanzleramtes — seit Längerem zusätzliche „schlanke“, agile und nutzerorientierte Möglich- keiten für die Entwicklung von Softwarelösungen ein. Angesichts der anstehend en Auf gab en und bes chr ieb ene n Kom pet enz en sin d die Kap azi tät en, agil und unter intens ive r Mita rbei t der spä ter en Nut zer , als o koll abor ativ , Sof twa re zu ent wic kel n, beim Bund bisher nochnicht hinreichend ausgeprägt. Die bisherig en Kap azi tät en des Bun des im Bere ich der Soft ware entw ickl ung sind ang esi cht s der steigende n Anfo rder unge nni cht aus rei che nd. Der Bund dec kt derz eit nur eine n Teil der Ber eic he öffentlicher Softwareentwicklung mit eigenen Kompetenzen ab. So verf ügt der Bun d übe r eig ene Kap azi tät en im Bere ich IT-B erat ung und Kon zep tio n (z. B. dur ch die PD - Bera ter der öffe ntli chen Han d Gm bH (PD ) sow ie das Bun des ver wal tun gsa mt (BV A) mit dessen Beratungsverträgen im Drei-Partner-Modell (3PM). Insbesondere mit dem ITZBund, der BWI und dem IT-Systemhaus der Bundesagentur für.Arbeit verfügt er zudem über große Dienst- leister für die Haup tent wick lung , insb eson deref ür Inte grat ion, Betr ieb und Inst andh altu ng von Soft - war elö sun gen . Hin zu kom men gew iss e, eig ene Kapa zitä ten in den Fac hbe hör den (Te nde nz ab- nehmend). Es gibt jedoch im heutigen Ökosystem Digitalisierung keine zentrale Transformationseinheit, die agile Softwareentwicklungskompetenzen im Sinne eines kollaborati- ven Beratungsansatz es mit der Fac hse ite zus amm enb rin gt und mit dies er gem ein sam — inte rdis - ziplinär — tatsächl ich funk tion sfäh ige und nutz erfr eund lich e Anw end ung en entw icke ln kann . Die Bundesverwal tung ist in Bez ug auf die sen esse ntie llen Asp ekt des E-G ove rnm ent s noc h zu star k von Dritten abhängig . Auc h die Pfle ge und Weit eren twic klun g best ehen der Sof twa re kan n bish er bundesintern nich t in jed em Fall so abg ede ckt wer den , das s auc h hier Nutz erfr eund lich keit übe r einen kollabor ativ en Ans atz gem ein sam mit den Beda rfst räge rn/N utze rn sich erge stel lt wäre . Das ITZB und als zent rale r IT-D iens tlei ster des Bun des besc häft igt zwa r etw a 1.0 00 Entw ickl er, ein Großteil der Kapa zitä t ist alle rdin gs derz eit dur ch Auf gab en für die Fin anz ver wal tun g, den Ver- kehrsbereich sow ie die Basi s- und Que rsc hni tts anw end ung en für die Bun des ver wal tun g geb un- den. Das ITZBund ist bis auf weit eres mit der Kons olid ieru ng des IT-B etri ebs und der Ums etz ung der Dienstekonsolidierun g ausg elas tet und kann led igl ich begr enzt Sof twa re übe r dies e hina us entwickeln. Die Sof twa ree ntw ick lun g erfo lgt größ tent eils (au ch auf gru nd der Stel len- und Orga ni- sationsstruktur des ITZ Bun d) noc h nich t in voll em Maß e auc h pro jek tbe zog en und agi l unte r Ein- beziehung der Nutzerinnen und Nutz er, also koll abor ativ ; ins bes ond ere für seh r kurz fris tige n Be- darf besteht hier Ergänzungsbedarf. Zudem gibt es mit der Bun des dru cke rei Gm bH , BwC ons ult ing , de m Cyb er Inn ova tio n Hu b des BMVgund der BWI Gm bH zwa r Akt eur e, di e ver sch ied ene Sch rit te der Wer tsc höp fun gsk ett e ab- decken - allerdings nur für einzelne, spe zia lis ier te Ber eic he (Ve rte idi gun g, Sic her hei tsb ere ich ) und vor allem ohne den programmatische n Fok us au f Ent wic klu ng nac h agi len Met hod en. In den OZ G- Digitalisierungslaboren hingegen wir d zwa r agil gea rbe ite t, all erd ing s wer den hi er kei ne fer tig en Software-Produkte entwickelt, sondern nur Prototypen. j Derzeit existiert in der IT-Wertschöpfungsk ett ee in str ate gis ch aus zus chö pfe nde s Erg änz ung spo - tential: Eine innovationsfördernde, sc hn el l ein sat zfä hig e un d den Wi ss en sa uf ba u au ch kun den sei - tig sichernde Entwicklungsein hei t, die Sof twa re mit der Ver wal tun g in agi len Pro jek ten ent wic kel t, fehlt. Die öffe ntli chen Ser vic ean bie ter sol len dur ch die ses Vor hab en ent spr ech end erg änz t und damit eine zentra le Lüc ke der Wer tsc höp fun gsk ett e gefü llt wer den (au ch wen n zun äch st nur pun k- tuell Projekte mit mög lic hst hoh em Dem ons tra tio nse ffe kt umg ese tzt wer den sol len ). Seite 6 von 42
b) Software muss für die Verwaltung noch konsequenter nutzerorientiert und agil ent- wickelt werden. Dafür müssen die einschlägigen Prozesse, Erfahrungen und Kom- petenzen auch beim Bedarfsträger aufgebaut werden. Damit Digitalisierungsprojekte gelingen, muss sich die Softwareentwicklung konsequent an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer ausrichten (Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltungs- mitarbeiterinnen und -mitarbeiter gleichermaßen). Deutschland liegt in der Zufriedenheit mit digi- talen Verwaltungsangeboten im europäischen Vergleich auf dem niedrigsten Niveau.* Dies zu än- dern ist auch eine Frage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Auch in der Verwaltung führen Entwicklungen vorbei an den Bedürfnissen der künftigen Anwenderinnen und Anwender oftmals zu starken Umsetzungsverzögerungen und Akzeptanzproblemen. Um Fehlentwicklungen zu vermeiden, wird der Nutzer bzw. die Nutzerin der Software in der soge- nannten „agilen Softwareentwicklung“ in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses gestellt. Vor fast 20 Jahren entwickelte sich dieser Ansatz; er gilt mittlerweile in vielen Bereichen defacto als Entwicklungsstandard und gilt als maßgebliche Ursache für den Markterfolg der dominierenden Tech-Konzerne. Agile Entwicklung ist mit teilweise erheblichen Zeit- und Kosteneinsparungenver- bunden, begrenzt Fehlentwicklungen und steigert die Nutzerakzeptanz der Lösungen.® Unter Anwendung agiler Entwicklungsmethoden werden in kleinen Teams oder Netzwerken von Teams in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Kundinnen und Kunden Softwareprodukte iterativ und inkrementell entwickelt (Development), augenommen (Testing) und in den Betrieb ge- bracht (Deployment). Dies sind Produkte, die im Sinne eines „Minimum Viable Product® (MVP)- Ansatzes nicht von Anfang an auf ein umfangreiches und finales Endprodukt ausgerichtet sind wie bei klassischen sogenannten Wasserfall-Ansätzen der Projektplanung (z. B. V-Modell), sondern auf ein erstes, schnell zu erreichendes Softwareprodukt. Dieses MVP kann nach kurzer Zeit in Betrieb genommen werden und löst bereits während des Projektes ein klar abgrenzbares, konkre- tes Problem für die Nutzerinnen und Nutzer. Es wird kontinuierlich mit echten Nutzerinnen und Nutzern getestet und weiter ausgebaut. Das Softwareprodukt insgesamt wird also nicht von einem abstrakten, statischen Plandokumentgetrieben, sondern von praktischen Erkenntnissen aus kon- tinuierlichem Testen, Datenerhebungen und Interviews mit den Nutzerinnen und Nutzern. Somit werden schnellere und bessere Ergebnisse produziert. Von diesem iterativen Vorgehen unterscheidetsich der in der Verwaltung etablierte, sequentielle Wasserfall-Ansatz. Er basiert auf einer ausführlichen Dokumentation und Bedarfserhebung, ge- folgt von einer Konzeptionsphase und einer in Lastenheften beschriebenen Maximallösung, die in der Regel langwierige Ausschreibungsphasen nachsich zieht. Die anschließende eigentliche Ent- wicklung lässt nur noch wenig Raum für Anpassungen vom in Auftrag gegebenen Umfang. Am Ende steht ein häufig suboptimales Ergebnis, das nicht dem eigentlichen Nutzerbedarf entspricht und gegebenenfalls kostspielige (da nicht selbst leistbare) Korrekturen oder Neubeauftragungen mit sich zieht. Für solch eine nutzerorientierte, agile Entwicklung fehlen in der Verwaltung derzeit (vor allem au- Rerhalb der IT-verantwortlichen Stellen) häufig noch die entsprechenden Prozesse, Erfahrungen und Kompetenzen. Es fehlt in den Fachbereichen, in denen der Bedarf definiert wird, und Verga- bestellen oft das erforderliche technische Verständnis über die Vor- und Nachteile verschiedener 4 httos:/linitiatived21.de/app/uploads/2019/10/egovernment-monitor-2019.ndf. 5 The Agile Impact Report: Proven Performance Metrics from the Agile Enterprise, QSMA, Download im Februar 2020 unter http://nyspin.org/QSMA-Rally%20Agile%20|mpact%20Report.pdf. ® „Minimal überlebensfähiges Produkt‘, Seite 7 von 42
Entwicklungsverfahren, so dass oft bekannte, traditionelle Entwicklungsverfahren wie der Wasser- fall-Ansatz ausgewählt werden. In den Fachbereichen werden grundsätzliche Entscheidungen nochzu oft auf Basis gering ausgeprägter digitaler Kompetenzen getroffen, und die Vergabestellen stehen regelmäßig vor der Herausforderung, Zeit, Kosten und Werkrahmen im Voraus definieren zu müssen. Zwar wird in den Digitalisierungslaboren zur OZG-Umsetzung Nutzerzentrierung mit . Unterstützung externer, Beratungsunternehmen bereits beachtet. An vielen anderen Stellen, ge- rade bei Projekten ohne externe Unterstützung, fehlen jedoch weiterhin die notwendigen Kompe- tenzen und Partner für eine nutzerzentrierte Herangehensweise. c) Agilität und Innovation brauchen organisatorische und arbeitstechnische Rahmen- bedingungen, die in öffentlichen Organisationen strukturell bisher nur schwer ge- schaffen werden können. Basierend auf den Erfahrungen mit agiler Softwareentwicklung und den Möglichkeiten, welche die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt bietet, haben Unternehmen und Organisationen in den letzten Jahren immer stärker ihre organisatorischen und prozessualen Grundlagen in Frage ge- stellt. Um Innovation zu fördern und als Arbeitsgeberattraktiv zu bleiben gilt es, bewährte Aufbau- und Ablaufstrukturen weiter zu entwickeln. Besonders Kundenorientierung und Agilität sind in er- heblichem Maße von derArbeitskultur, den Team- und Entscheidungsstrukturen und weiteren or- ganisatorischen Rahmenbedingen abhängig. Diese Entwicklung ist für eine Steigerung der Agilität und Innovationskraft auch in der Bundesver- waltung notwendig. Insbesondere im IT-Bereich bedarf es dafür angesichts der wichtigen Konso- lidierungsbestrebungen des Bundes auf wenige große, effiziente IT-Dienstleister einer gesonder- ten Arbeitseinheit als Motor der notwendigen Transformation. Einen leistungsfähigen, wirtschaftlichen, stabilen und zukunftsfähigen IT-Betrieb sicherzustellen sowie die Hoheit und Kon- trollfähigkeit über die eigene IT zu erhalten, erfordert eine stabile und skalierungsfähige System- haus-Struktur wie die des ITZBund. Die für solche Großorganisationen erforderlichen Organisati- onsprinzipien sind jedochteilweise konträr zu den Bedürfnissen agiler Einheiten. Diese müssen flexibel und hochgradig anpassungsfähig sein. Kundenorientierung entsteht durch Dezentralisie- rung und Aufbrechen der funktionalen Teilung (Silo-Strukturen) hierarchischer Organisationen. Je dezentraler und autonomer die Teams in einer vertrauensvollen Umgebung arbeiten, desto weni- ger kann die Hierarchie als primärer Kommunikationsweg genutzt werden und desto mehr spielt der Austausch durch Vernetzung eine ganz entscheidende Rolle. Außerdem arbeiten die einzel- nen an einem agilen Entwicklungsprojekt beteiligten Teams selbstgesteuert und eigenverantwort- lich. Alle notwendigen Kompetenzen für die Softwareentwicklung (inkl. IT-Sicherheit, Datenschutz, Barrierefreiheit) sollten im Kernteam vorhanden sein, um langwierige Abstimmungsschleifen zu ! vermeiden. Die Wissenschaft beschäftigt sich unter dem Begriff des „Innovator’s Dilemma“ mit der Heraus- forderung erfolgreicher, großer Organisationen, innerhalb einer aufeffizienter Umsetzung und gra- dueller Weiterentwicklung getrimmten Struktur, geschützte Freiräume und Prozesse für effektive Innovation zu schaffen. Die dabei auftretenden inhärenten Konflikte treten häufig bei Priorisie- rung sent sche idun gen und Budg etve rtei lung en zu Tage und könne nda zu führe n, dass die Innov a- tionskraft der Veränderung oftmals der Bestandskraft des in der Vergangenheit Erfolgreichen un- terliegt. Diesem Problem wird durch die Gründung einer kleinen, flexiblen Innovationseinheit mit klar definierten Zielen begegnet, die eigenverantwortlich und unabhängig von der Kernorganisation agieren kann. 7 The Innovator's Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail, Clayton Christensen, 1997. Seite 8 von 42
In den bestehenden Strukturen der Bundesverwaltung werden agile Entwicklungsprojekte unter einem hohen individuellen Einsatz der Projektteams teilweise heute schon umgesetzt. Allerdings müssen sich die jeweiligen Einheiten häufig die notwendigen Kompetenzen immer wieder von Grund auf neu erarbeiten. Bereichs- oder gar ressortübergreifender Wissenstransfer aus der Li- nienstrukturen heraus ist kaum möglich. So bleiben agile Entwicklungsprojekte bisher oft Inselvor- haben. Das Teilen von Arbeitsergebnissen, Aufbauen auf Erlerntem im Projektverlauf und die An- wendung auf Folgeprojekte in anderen Bereichen ist über offizielle Strukturen kaum möglich, da es wenig Konsolidierung des Wissens zu agilem Vorgehen und der Projekterfahrungen bei Digita- lisierungsvorhaben der Bundesverwaltung gibt. d) In bestehenden Verwaltungsstrukturen kann nicht ausreichend viel IT- und Tech-Personal aufgebaut werden. Um den vielfältigen Bedarf für Softwareentwicklung zu decken, benötigt die Bundesverwaltung mehr digitale und technische Kompetenzen kombiniert mit Erfahrung in agilen Methoden undSoft- wareentwicklung. Allerdings ist es selbst für das ITZBund als dem zentralen, klassischen IT-Dienstleister der Bundesverwaltung seit seiner Einrichtung im Jahr 2016 trotz erheblicher Be- mühungen eine große Herausforderung geblieben, qualifizierte IT-Fachkräfte, insbesondere im Bereich Softwareentwicklung, zu gewinnen. Ende des Jahres 2019 waren mehr als 400 Stellen unbesetzt.® Bereits im Jahr 201 6 kons tati erte der IT- Pla nun gsr at, das s auf Bun des - und Lan der ebe ne off ene Stellen im Vergleich zur Wir tsc haf t nur sch wer oder ga r nich t bes etz t wer den kön nen .® Auc h der Bericht der interministe riel len Arb eit sgr upp e „Pe rso nal in der Digi tale n Ver wal tun g“ an das Digi - talkabinett vom 04. 09. 201 9 bes chr eib t die ses Pro ble m deut lich .'? Die Aus wir kun gen des Fac hkr äf- temangels werden imm er stä rke r spü rba r. Von der 201 9 bes chl oss ene n IT- Zul age im öffe ntli chen der Deu tsc he Bea mte nbu nd kei ne lang fris tige n Ver bes - Dienst erwarten sich der Planungsrat und s die beg rüß ens wer te Mög lic hke it, inn erh alb des Sys tem s Zul age n zu serungen: Es zeigt sich, das ung ern gen utz t wird , da bei het ero gen er Zah lun gsp rax is inn erh alb zahlen, von Behördenleitern des Systems unter anderem um den Betriebsfrieden gefürchtet wird." hkr äft e un d hoc hqu ali fiz ier te Na ch wu ch st al en te In te - Dabei belegen Untersuchungen, dass IT-Fac nd es ve rw al tu ng zu arb eit en. '? Die Att rak tiv itä t de s resse haben, an den Themenstellungen der Bu ch in der Wa hr ne hm un g der Stu die ren den hi nt er Öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber bleibt jedo t zur ück . De r Öff ent lic he Die nst wir d lau t de m „N ac hw uc hs ba - der Attraktivität der Privatwirtschaf ein er we ni g mo de rn en Arb eit sau sst att ung un d -ku ltu r, rometer Öffentlicher Dienst 2019“ häufig mit hl en de n Wei ter bil dun gsm ögl ich kei ten ass ozi ier t. Die starren Hierarchien (Laufbahnprinzip) und fe r In fo rm at ik zie hen es vor , sic h in de r Pri vat wir tsc haf t meisten Absolventinnen und Absolventen de hä lt er gez ahl t, un d es wer den ih ne n kur ze Be we rb un gs pr o- zu bewerben. Dort werden höhere Ge spl ätz e, agi le Ar be it sp ro ze ss e und fl ex ib le Kar rie rem ode lle ge- zesse, gut ausgestattete IT-Arbeit boten. 8 https://www.heise.de/newsticker/meldüng/Stellenkampagne-ITier-fuer-Deutschland-4611251.html. g gew inn en, bin den und entw icke ln“, IT-P lanu ngsr at, Okt. 201 6, Dow nlo ad Dez . - ® „Leitfaden IT-Personal für die öffentliche Verwaltun 2019. 1° Bericht der AG PersDiV vom 9.10.2019, S. 4. 11 Vgl. Empfehlungen der AG PersDiV, S. 28, aus denen sich die bislang nur eingeschränkte Nutzung ergibt. ‘2 Nachwuchsbarometer Öffentlicher Dienst 2019" Studie Next:Public, 2019. Seite 9 von 42
Die Erfahrungen des Fellowship-Programms Tech4Germany(siehe Anhang 4) zeigen Möglichkei- ten auf, wie es mit den richtigen Arbeitsbedingungen möglich ist, hochqualifizierte Absolventinnen und Absolventen für die Arbeit an IT-Projekten für die Bundesverwaltung zu gewinnen, ohne dass damit ein Eintritt in den Öffentlichen Dienst notwendigist. e) Der umfassende Rückgriff auf externe Dienstleister bei der Softwareentwicklung ge- fährdet die Unabhängigkeit und reduziert die Umsetzungsgeschwindigkeit der Bun- desverwaltung. Zudem bleibt damit der dringend benötigte Kompetenzaufbau in der Verwaltung aus. Bisher wird in der Konzeption und Entwicklung von Softwarelösungen zu einem hohen Anteil auf externe Dienstleister zurückgegriffen. Bei der Digitalisierung kommt dem Staat jedoch eine beson- dere Verantwortung zu, da Software nicht mehr nur Werkzeug, sondern zunehmend Grundlage und integraler Bestandteil staatlichen Handelns ist. Zudem ist die Gestaltung desdigitalen Wan- dels eine gesamtgesellschaftliche, nicht rein technische Aufgabe, womit auch die eigentliche Soft- wareentwicklung vom Staat vermehrt unterstrategisch-politischen Gesichtspunkten denn als tech- nische Einkaufsangelegenheit verstanden werden muss. Der Bedarf an externer Unterstützung ist aufgrund limitierter eigener Personalkapazitäten in der Bundesverwaltung in den letzten Jahren enorm angestiegen. Schätzungen zufolge hat sich das Gesamtvolumen an Beratungsprojekten im öffentlichen Sektor in den letzten sieben bis acht Jah- ren verdoppelt - auf rund drei Milliarden Euro,'? verlässliche Zahlen über den für IT-Beratung und Softwareentwicklung anfallenden Anteil hierzu fehlen jedoch. Bei ihrer Anhörung am 13. Februar 2020 bestätigte die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor dem Unteraus- schuss des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages als 1. Untersuchungsaus- . schuss gemäß Artikel 45a Absatz 2 GG zum Thema „Beraterverträge im BMVg", dass die Digitali- sierung in der Bundeswehr und dem Bundesministerium der Verteidigung ohne umfassende Hilfe von außen nicht zu schaffen gewesen wäre. Dies ist eine Problematik grundsätzlicher Art, die insbesondere seitens des Parlaments und der Medien immer wieder in Bezug auf die hohen Kos- ten für externe Beratungen und die steigende Abhängigkeit von wenigen großen Dienstleistern kritisiert werden.'* Eine Stärkung der verwaltungsinternen Kapazitäten, darunter die der eigenen IT-Dienstleister und ergänzender, den Kapazitätsaufbau fördernder Werkzeuge wird immer wieder gefordert. Der Rückgrif f auf Dien stle istu ngen auf dem Mark tis t nur bei Vor han den sei n ent spr ech end er Rah - menverträge ohne zeit- und ressourcenintensive Ausschreibungsprozesse möglich. Selbstin Be- reichen, in denen Rahmenverträge bestehen, werden so Abhängigkeiten geschaffen und der Wis- sens tran sfer geh emm t. Zud em beri chte t das ITZ Bun d, das s bei Abr uf von Lei stu nge n auf die sem Wege von der Industrie nur für-die gängigen Entwicklerprofile bedient werden können. Dies mag zur Erfüllung des Standardgeschäfts geeignet sein, eignet sich jedoch kaum, um Innovationen voranzubringen oder für Konstellationen, in denen Spezialkompetenzen gefragt sind. Rahmenverträge mit externen Beratungsdienstleistern unterstützen darüber hinaus von ihrer Natur her nur bedingt ein gemeinsamesErarbeiten, einen intrinsischen Wissenstransfer und eine Befä- higung der Verwaltung. Hier gibt es einen Interessenskonflikt. Bei einer umfassenden Wissens- übertragung würden sich externe Dienstleister der eigenen Geschäftsgrundlage berauben, näm- lich dem Kompetenz- und Wissensvorteil gegenüber dem Auftraggeber.Dies ist für nur vereinzelte, 13 httos://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-staat-aibt-jaehrlich-drei-milliarden-euro-fuer-berater-aus-a-1249987.html. 14 Bemerkung Nr. 04 - Bundesministerium des Innern steuert Beratertätigkeiten bei IT-Großprojekten unzureichend, BRH 2017, Down- load Dez. 2019. Seite 10 von 42