Xinjiang-LagerAuswärtiges Amt hält Lagebericht geheim

Im Nordwesten Chinas werden Millionen Uiguren und andere muslimische Minderheiten zwangsweise in Lagern interniert. Die Bundesregierung hat laut Medienberichten detaillierte Erkenntnisse über die Menschenrechtsverstöße in Xinjiang. Doch den Lagebericht aus der Region hält sie geheim.

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Menschen protestieren in China mit Masken mit der in China verbotenen „Ostturkestanflagge“
Masken mit der in China verbotenen „Ostturkestanflagge“ –

Massenhafte staatliche Internierung von Minderheiten in einem brutalen Lagersystem: Die geleakten Regierungsdokumente der „China Cables“ zeigten Ende 2019 den Umfang von Menschenrechtsverletzungen in Umerziehungslagern in Xinjiang. Nach deren Enthüllung zitierte die Tagesschau einen Lagebericht des Auswärtigen Amtes.

Demnach habe das Auswärtige Amt Erkenntnisse über „lückenlose digitale Kontrolle und Überwachungsmaßnahmen, willkürliche Verhaftungen, Sippenhaft, massive Einschränkungen der Religionsausübung, Masseninternierungen von wahrscheinlich über 1 Mio. Menschen, DNA-Erfassungen, ideologische Indoktrinierung“. Expert*innen bestätigen diese Erkenntnisse des Lageberichts.

Vertrauensvolle Beziehung zu China

Eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz, diesen Lagebericht herauszugeben, lehnte das Auswärtige Amt jetzt allerdings ab. Die Behörde begründet dies mit möglichen nachteiligen Auswirkungen auf die diplomatischen Beziehungen mit China. Die Bundesrepublik sei bestrebt, „die vertrauensvolle, auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu allen wesentlichen globalen [...] Themen [...] fortzuführen“. Zudem würde „das Bekanntwerden von genauen Informationen individueller und systemischer Menschenrechtsverletzungen eine zusätzliche Gefährdung Betroffener bedeuten“, so das Auswärtige Amt.

Die Bundesregierung verhängte bisher keinerlei Sanktionen gegenüber China. Die Begründung der Ablehnung lässt tief blicken, denn sie belegt, dass die Bundesregierung an einer Verschlechterung der Beziehungen zu China schlicht nicht interessiert ist. Sie möchte nicht, dass der Lagebericht veröffentlicht wird – würde das doch vermutlich weiter belegen, dass die Bundesregierung sehr detailliert über die Ausmaße des Umgangs mit den Uiguren in China Bescheid weiß.

Im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes wird Behörden ein weiter Spielraum ermöglicht, Dokumente nicht herausgeben zu müssen, deren Veröffentlichung nach deren Ansicht eine Verschlechterung internationaler Beziehungen zur Folge haben würde. Damit werden der Transparenz in der Außenpolitik der Bundesregierung Steine in den Weg gelegt.

zur Anfrage nach dem Lagebericht zu Menschenrechtsverstößen in Xinjiang

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FR Auswärtiges   Amt ‚Auswärtiges Amt,Kurstraße 3610117Berlin                                                HAUSANSCHRIFT WerderscherMarkt1 10117Berlin POSTANSCHRIFT Kurstraße36 10117Berlin TEL+49██████  ███████████ FAX+49██████  ███████████ BEARBEITETVON █████████ █████ BerrerrInformationsfreiheitsgesetz                                            REFERAT:505-IFG HierLageberichtzu MenschenrechtsverstößeninXinjiang                                     Br IFG-Anfragen@diplo.de sezusIhreAnfragevom 17.01.2020                                              www.auswaertiges-amt.de ANLAGE u. 6z 04                         (bittebeiAntwortangeben) Berlin,01.02.2021 Sehrgeeh: SiebeantragenmitIhrer0.g.AnfrageaufInformationszugang            nach dem Informationsfreiheitsgesetz  des Bundes(IFG)dieZusendungdesLageberichts         von Dezember2019 oderaktueller      zu Menschenrechtsverstößen     und derLage bzw. der UnterdrückungderUigurenund anderer         MinderheiteninXinjiang,China. Auf IhrenAntragaufInformationszugang         nachdem Informationsfreiheitsgesetz  ergeht folgender Bescheid IhremAntragwirdnichtstattgegeben. Dies Bescheidergehtgebührenfrei. Begründung Gem. $ 1 Abs.1 Satz1IFGhatjedernachMaßgabedesGesetzes                gegenüberdenBehörden desBundeseinenAnspruchaufZugangzu Informationen.             Sindjedochdie Tatbestandsvoraussetzungen     derAusschlusstatbestände    $$ 3 -6 IFG erfüllt, istderAntrag aufInformationszugang     abzulehnen. VERKEHRSANBINDUNG: U-BahnU2,Hausvogteiplatz, Spittelmarkt
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Seite 2 von 3 Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, $3 Nr. 1a IFG 83 Nr. 1 a IFG sieht eine Ausnahme von der Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann. Unter internationalen Beziehungen versteht man.die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union und ihren Organen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 — Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9). Vorliegend geht es mit China um einen Staat, mit dem die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält. Im Falle eines Bekanntwerdens der Unterlagen besteht das Risiko nachteiliger Auswirkungen für eben diese Beziehungen. Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen weiten Gestaltungsspielraum für die Regelung der auswärtigen Beziehungen ein (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>). Maßgeblich ist, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik zu dem jeweiligen Staat verfolgt. Nur die Bundesregierung kann bestimmen, ob eine von ihr erwartete oder befürchtete Einwirkung auf die auswärtigen Beziehungen mit Blick auf die insoweit verfolgten Ziele hingenommen werden kann oder vermieden werden soll (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 — Juris-Rn. 15). Vorliegend ist das diplomatische Vertrauensverhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik China berührt. Im Hinblick auf China gilt, dass die Bundesrepublik Deutschland bestrebt ist, die vertrauensvolle, auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu allen wesentlichen globalen und bilateralen Themen im außen-, sicherheits-, wirtschafts- und umweltpolitischen Bereich fortzuführen. Die Herausgabe des angefragten Berichts würde gem. $ 3 Abs. 1 a IFG nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen Deutschlands und insbesondere auf die bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China haben. Das Bekanntwerden von genauen Informationen individueller und systemischer Menschenrechtsverletzungen würde zudem eine zusätzliche Gefährdung Betroffener bedeuten. Mit diesem Abwägungsprozess gehen kritische Bewertungen der Situation vor Ort und Einblicke in sensible Prozesse einher, die sich bei Bekanntwerden negativ auf die zahlreichen deutsch-chinesischen Kontakte und engen Beziehungen auswirken würden. Ihrem Informationszugang steht $ 3 Nr. 1 a IFG entgegen.
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Seite3 von3 2. Schutz von Verschlusssachen, $ 3 Nr. 4 IFG Gemäß $ 3 Nr. 4 IFG besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn die Information einer durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSA) geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die Einstufung muss materiell richtig sein, d.h. die Einstufungsvoraussetzungen müssen noch vorliegen. Das von ihnen gewünschte Dokument ist im Einklang mit $ 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSA) als „VERSCHLUSSSACHE - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH'“ eingestuft. Die Einstufungen sind materiell gerechtfertigt, weil die Kenntnisnahme der betroffenen Dokumente durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik nachteilig sein könnte. Zur Begründung siehe unter $3 Nr. 1 a IFG. Das Interesse des Auswärtigen Amtes an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags wurde nach Eingang Ihrer Anfrage auf Informationszugang geprüft und besteht auch weiterhin fort. Ein Zugang zu dem von Ihnen angefragten eingestuften Dokumenten kann daher gem. $ 3 Nr. 4 IFG nicht gewährt werden. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Ihre Rechte (Rechtsbehelfsbelehrung): Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Auswärtigen Amt in Berlin oder Bonn erhoben werden.
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