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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Lagebilder und Protokolle des Corona-Krisenstabs

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eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht mehr einschlägig sein und der Infor- mationszugang dementsprechend zu einem späteren Zeitpunkt möglich werden (Brink/Polenz/Blatt, IFG, § 9 Rn. 12). Dass eine Änderung der Sachlage vorliegt, wird der Übersichtlichkeit halber erst im Rahmen der Begründetheit dargestellt. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen. b) Anspruch auf Neubescheidung bezüglich der Unterlagen vor dem 27. April 2020 wegen Auslegung als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens Möchte man der unter 1. a) dargestellten Argumentation nicht folgen, besteht alter- nativ ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung und Zugang auch bezüglich der- jenigen Informationen, deren Zugang vorübergehend mit Bescheid vom 13. Mai 2020 abgelehnt wurde, weil er Antrag auf Zugang zu Informationen vom 15. Dezember 2020 als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG ausgelegt werden kann (vgl. zu dieser Auffassung auch Gesetzesbegründung zum IFG M-V v. 2011, S. 83). Danach hat der Kläger einen Anspruch auf Änderung eines unanfechtbaren Verwal- tungsakts unter anderem dann, wenn sich die Sach- oder Rechtlage nachträglich zu- gunsten des Klägers ändert, § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Dies entspricht genau der vorliegenden Interessenlage. Der Kläger geht zurecht davon aus, dass sich die Sach- lage, die der Versagung des Anspruchs zugrunde lag, geändert hat und dass die Ausnahmegründe nicht mehr vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesver- waltungsgerichts hat die Behörde auf den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfah- rens bei Vorliegen der Voraussetzungen die Sache auch „durch zu entscheiden“ (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 1 C 15.08 – juris Rn. 25). Damit ist die ablehnende Entscheidung der Beklagten vom 13. Mai 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2020 abzuändern und dem Kläger die be- gehrten Informationen nunmehr zu gewähren. c) Kein sachlicher Grund für die fehlende Sachentscheidung in angemessener Frist Den Antrag auf Zugang zu Informationen vom 15. Dezember 2020 hat die Beklagte ohne zureichenden Grund innerhalb der geltenden Bearbeitungsfrist nicht sachlich beschieden. Nach § 7 Abs. 5 S. 2 IFG soll der Informationszugang innerhalb eines Monats erfol- gen. Hierbei handelt es sich um eine fachgesetzlich geregelte angemessene Frist im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO (BeckOK VwGO, § 75 Rn. 8). Diese ist am 15. Januar 2021 abgelaufen. Unabhängig davon, ob man darin eine verbindliche Verkürzung der Seite 11 von 14
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Regelbearbeitungszeit zur Dreimonatsfrist des § 75 S. 2 VwGO sehen möchte, wäre auch die Regelbearbeitungsfrist des § 75 S. 2 VwGO sowie eine ggfs. nochmals um einen angemessenen Zeitraum verlängerte Frist abgelaufen. Im Ergebnis kommt es auf den Ablauf einer Frist aber auch nicht an, weil aus den Schreiben der Beklagten unmissverständlich deutlich wird, dass sie den Antrag auch in Zukunft nicht bescheiden wird. Bringt die zuständige Behörde zum Ausdruck, dass sie in einer Sache überhaupt nicht entscheiden wird, wäre der Verweis auf eine lau- fende Frist rechtsmissbräuchlich – zumal die Behörden bereits die „Entscheidung“ getroffen hat, keine Entscheidung zu treffen (VG Kassel, Urteil vom 19. Dezember 1983 – II/V E 1513/83; Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 12, 15; Eyermann/Rennert, VwGO, § 75 Rn. 8 mwN). Damit ist eine sachliche Entscheidung nicht innerhalb der Bearbeitungsfrist ergangen. Eine Entscheidung in der Sache über das Bestehen eines Informationszugangsan- spruchs erfolgte zunächst nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 15. Januar 2021 hinsichtlich der Lageberichte und Protokolle ab dem 27. April 2020 und auch nicht durch das Schreiben vom 18. März 2021. In den Schreiben wird deutlich ge- macht, dass die Beklagte keine gesonderte Entscheidung treffe. Es handele sich nicht um einen eigenen Verwaltungsakt, sondern um eine wiederholende Verfügung. Die getroffene Regelung im Ablehnungsbescheid vom 13. Mai 2020 in Gestalt des Wider- spruchsbescheid vom 23. Juli 2020 habe weiterhin Bestand. Eine eigenständige Prü- fung des Antrags vom 15. Dezember 2020 hat damit nicht stattgefunden. Es fehlt damit auch an einem sachlichen Grund für die Nichtbescheidung. Weigert sich die Behörde, aus welchen Gründen auch immer, sich mit der Sache zu befassen, fehlt es schon deshalb an einem zureichenden Grund (Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 15). Somit wurde ohne hinreichenden Sachgrund nicht in angemessener Zeit über den Antrag entschieden. II. Begründetheit der Klage Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zugang zu den begehrten Lageberichten und Sit- zungsprotokollen des gemeinsamen Krisenstabs des Bundesinnenministeriums und Bundesgesundheitsministeriums aus § 1 Abs. 1 S. 1 IFG zu. Seite 12 von 14
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Insbesondere kann die Ablehnung der Herausgabe der Lagebilder und Protokolle nicht mit Verweis auf die im Ablehnungsbescheid vom 13. Mai 2020 genannten Aus- nahmen der § 3 Nr. 3 b) und § 3 Nr. 4 IFG begründet werden. Diese sind zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr einschlägig. Das Gegenteil hat die Beklagte zu beweisen. Sie trifft die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Ablehnungsgründe. Die Ausnahmegründe sind dabei eng auszulegen. Dabei muss der Beweis grundsätzlich für jedes einzelne Dokument geführt werden. An den Vortrag sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Ein pauschaler, unsubstanti- ierter und nicht am konkreten Einzelfall geführter Vortrag zur Begründung einer Aus- nahme und damit zur Ablehnung eines Informationszugangsantrags genügt hierbei nicht (vgl. Schoch, IFG, § 3 Rn. 61ff., BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - ¸ juris Rn. 17; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 23. Januar 2008 – 7 E 3280/06). Dem unbenommen sind vorliegend keine Ausnahmegründe ersichtlich. Die im frühe- ren Verfahren vorgetragenen Gründe sind jedenfalls nicht mehr einschlägig. Es ist nicht erkennbar, dass zukünftige Beratungen des Krisenstabs durch die Informations- gewährung beeinträchtigt würden. Das Pandemiegeschehen hat sich seit der Antrag- stellung vom 17. April 2020 (ebenso seit dem 15. Dezember 2020) bis heute grund- legend verändert. Seit dem Ausbruch des Covid-19-Virus im Februar 2020 hat sich sowohl das Wissen als auch die Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgesche- hens fundamental geändert. Während zu Beginn der Pandemie noch von einem vo- rübergehenden Ausnahmezustand ausgegangen wurde, hat sich inzwischen bestä- tigt, dass das Coronavirus jetzt und auch in Zukunft Teil einer „neuen Normalität“ ist. Hinzukommt, dass der Fokus anders als noch im Frühjahr 2020 oder im Winter 2020 auf Impfungen und möglichen Varianten liegt. Lagebilder und Protokolle von „damals“ müssen folglich ganz andere Bereiche behandeln und abdecken, als dies heute der Fall ist. Vor diesem Hintergrund besteht eine sicherheitsrelevante Krisensituation, wie die Beklagte sie ausgeführt hat, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt mindestens hin- sichtlich der Information bis zur Antragstellung nicht mehr. Zu berücksichtigen ist auch, dass wohl zumindest einige Lageberichte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Im Hinblick auf § 3 Nr. 4 IFG, der Ablehnung wegen der Einstufung als Verschluss- sache, bleibt festzuhalten, dass allein die formale Einstufung nicht für die Ablehnung ausreicht. Vielmehr kommt es darauf an, ob die materiellen Gründe für eine solche Einstufung vorliegen. Wenn die Beklagte zur Begründung ausführt, aus den Lagebil- dern könnten Rückschlüsse auf die Handlungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft von Sicherheitsbehörden gezogen werden und dies könne sich negativ auf das Infekti- Seite 13 von 14
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onsgeschehen in Deutschland auswirken, erschließt sich der Zusammenhang dies- bezüglich nicht. Eine konkrete Gefahrenlage bei Veröffentlichung der geforderten In- formationen für das Infektionsgeschehen ist nicht ersichtlich. Dr. Simon Schuster (Rechtsanwalt) Anlagen: -  Vollmacht des Klägers. -  Informationszugangsantrag des Klägers vom 27. April 2020, Anlage K 1. -  Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13. Mai 2020, Anlage K 2. -  Widerspruch des Klägers vom 13. Mai 2020, Anlage K 3. -  Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. Juli 2020, Anlage K 4. -  Informationszugangsantrag des Klägers vom 15. Dezember 2020, Anlage K 5. -  Schreiben der Beklagten vom 15. Januar 2021, Anlage K 6. -  Widerspruch des Klägers vom 15. Januar 2021, Anlage K 7. -  Schreiben der Beklagten vom 18. März 2021, Anlage K 8. Seite 14 von 14
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