Abschlussbericht Ersatzfreiheitsstrafen

Bund-Länder-Arbeitsgruppe

Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten - Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 43 StGB

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- 20 - Der Rückgang im Vergleich zum Bezugstermin am 31. März 2003 betrug am 31. März 2018 mithin -20,0 % (10.736). Dem steht ein Zuwachs der Ersatzfreiheitsstrafen um 26,8 % (1.005) bundesweit gegenüber. Hintergrund ist eine veränderte Sanktionierungspraxis. Die Anzahl der verhängten 3 Freiheitsstrafen ist seit 2007 bundesweit um 26,3 % zurückgegangen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3. Zudem wurden innerhalb der ausgeurteilten Freiheitsstrafen auch weniger unbedingte Freiheitsstrafen verhängt. Die Anzahl der unbedingten Freiheitsstrafen hat sich von 2007 bis 4 2017 um 8.432 (-20,2 %) verringert.Erst seit 2015 ist wieder eine Anstieg festzustellen Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3. Diese Entwicklungen treffen auch auf die Länder zu. Hinsichtlich der einzelnen Entwicklung der Freiheitsstrafen im Vollzug wird auf die Anlagen 3 – 18 zu den Ländern verwiesen. 3 Daten entstammen der Fachserie 10 Reihe 3 des Statistischen Bundesamtes. Daten für die neuen Bundesländer wurden von 2003 bis 2006 nicht erhoben. Insofern wurden die Daten im Jahr 2007 als Vergleich zugrunde gelegt. 4 In 2016 ist im Vergleich zum Vorjahr allerdings ein Zuwachs zu verzeichnen (+5,8 %).
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- 21 - d) Fazit Das nachfolgende Schaubild zeigt die Differenz zwischen dem Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug und dem Rückgang der Freiheitsstrafen im Vollzug bundesweit. Quelle: Statistisches Bundesamt,     Bestand der  Gefangenen und Verwahrten in  den  deutschen Justizvollzugsanstalten, Stand 2018. Vergleicht man den prozentualen Rückgang der Freiheitsstrafen und den Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen in den Ländern, so zeigt sich, dass in vielen Ländern der prozentuale Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug vornehmlich auf einem Anstieg der absoluten Anzahl der Ersatzfreiheitsstrafen beruht. In einigen Ländern ist der Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen geringer ausgefallen als der Rückgang der Freiheitsstrafen. In den übrigen Ländern war im Vergleich zum 31. März 2003 am 31. März 2018 sogar keine Steigerung zu erkennen. Folglich ist – auch wenn der Anteil der Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug in einigen Ländern teils erheblich angestiegen ist – ein Zuwachs der Ersatzfreiheitsstrafen hierfür nicht bzw. nicht hauptsächlich ursächlich. 3. Ausmaß der Belastung für den Justizvollzug Die Arbeitsgruppe ist weiter der Frage nachgegangen, anhand welcher Kriterien sich das Ausmaß der Belastung durch Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug feststellen lässt. Denn ein Anstieg der absoluten Anzahl für sich allein betrachtet ist wenig aussagekräftig; auch deutet die vorgenannte Prozentzahl nur auf ein steigendes Problem hin, ohne auch das Ausmaß der Problematik zu beschreiben. Als ein aussagekräftiges Kriterium erachtet die Arbeitsgruppe die Entwicklung der Anteile von Ersatzfreiheitsstrafe an der Erledigung der Vollstreckungsanordnungen. Sie hat daher die Landesjustizverwaltungen gebeten, für die Jahre 2013 bis 2015 die jeweiligen Erledigungsanteile mitzuteilen. Aufgrund der unterschiedlichen statistischen Erhebungen in
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- 22 - den Ländern wird nachfolgend differenziert zwischen allen Vollstreckungsanordnungen und solchen, in denen Ersatzfreiheitsstrafen bereits angeordnet wurden. a) Anteil der Ersatzfreiheitsstrafen an allen Vollstreckungs-anordnungen Betrachtet man alle Vollstreckungsanordnungen, so zeigt sich folgendes Bild hinsichtlich der vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafen: (1) Geldstrafentilgung durch Ersatzfreiheitsstrafe Nur durch Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen wurden in den Bundesländern durchschnittlich 2,5 % aller erledigten Vollstreckungsanordnungen getilgt. In Hamburg war der Anteil mit 1,2 % im Jahr 2014 am geringsten, in Sachsen-Anhalt mit 4,7 % im Jahr 2013 am höchsten. Von 2013 bis 2015 war der Anteil der Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen in den meisten Bundesländern relativ stabil. Quelle: Eigene Berechnungen. (2) Geldstrafentilgungen durch Zahlung und Ersatzfreiheitsstrafe Deutlich höher war der Anteil der Kombinationen von Zahlung und Ersatzfreiheitsstrafe in den Ländern. Er schwankte im Beurteilungszeitraum zwischen 2,0 % in Hessen in 2014 und 6,2 % in Nordrhein-Westfalen in 2015. Einzelheiten ergeben sich aus der nachfolgenden Grafik: Quelle: Eigene Berechnungen.
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- 23 - In Nordrhein-Westfalen ist der Anteil von Kombinationen                               von      Zahlung und Ersatzfreiheitsstrafe um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Anhand der Daten lässt sich allerdings nicht ermitteln, ob die Zahlungen vor der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe als Einmal- oder Ratenzahlung oder nach Inhaftierung zur Abkürzung der Haftzeit erfolgten. (3) Geldstrafentilgungen durch Zahlung, freie Arbeit und Ersatzfreiheitsstrafe Vergleichsweise selten war die Kombination aller drei Erledigungsarten (Zahlung, Ableistung 5 freier Arbeit und Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe ) mit durchschnittlich 0,4 %. In Sachsen und Hamburg waren die Anteile am größten, ohne jedoch erheblichen Schwankungen zu unterliegen. Quelle: Eigene Berechnungen. (4) Fazit Rechnet man alle Anteile zusammen, in denen die Geldstrafe (auch) durch Ersatzfreiheitsstrafe getilgt wurde, handelt es sich um 4,6 % bis 9,1 % aller Geldstrafentilgungen. Am höchsten war der Anteil in Nordrhein-Westfalen (zwischen 8,5 % und 9,1 %). Es folgten Sachsen (zwischen 7,0 % und 7,4 %), Bayern (zwischen 6,2 % und 7,5 %), Baden- Württemberg (zwischen 6,4 % und 6,9%), Niedersachsen (zwischen 6,4 % und 6,6 %), Hamburg (zwischen 5,9 und 6,1%), Sachsen-Anhalt (zwischen 5,0 % und 5,5 %) und Hessen (zwischen 4,6 % und 5,2 %). In Bayern (um 1,3 Prozentpunkte) und Nordrhein-Westfalen (um 0,6 Prozentpunkte ist zudem auch ein Anstieg zu verzeichnen gewesen. In Hamburg und Niedersachsen bewegte sich der Anteil im Beobachtungszeitraum nahezu auf dem gleichen Niveau. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zeichnete sich tendenziell ein leichter Rückgang ab. 5  Zum Umfang der Tilgung durch Leistung gemeinnütziger Arbeit zu vgl. Abschnitt IV. 1. b) (2) (c) (ab).
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- 24 - In Hessen und Sachsen sind leichte Schwankungen festzustellen. Quelle: Eigene Berechnungen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass in den Ländern ca. jeder 11. (9,1%) bis 25. Verurteilte (4 %) im Laufe der Vollstreckung zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe inhaftiert wurde. b) Anteil der Ersatzfreiheitsstrafe an Vollstreckungsanordnungen, in denen bereits Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde (1) Geldstrafentilgungen durch Ersatzfreiheitsstrafe Betrachtet man nur die Vollstreckungsanordnungen, in denen bereits Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet wurden, also eine Zahlung auch nach Mahnung nicht erfolgte und Vollstreckungsversuche ergebnislos verliefen, ist der Anteil der Vollstreckungsanordnungen, die nur durch Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe getilgt wurden, etwas höher; im 6 Durchschnitt waren dies 4,7 %. Während der Anteil in Brandenburg in den Jahren 2013 bis 2015 von 3,8 % auf 4,3 % anstieg, sank er in Berlin von 5,5 % auf 4,4 %. In Nordrhein-Westfalen war der Anteil in den vorgenannten Jahren gleichbleibend bei ca. 5 %. 6  Der höhere Anteil bei Vollstreckungsanordnungen, in denen bereits Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde, gegenüber allen Vollstreckunganordnungen (zu vgl. Abschnitt II 3. a)) erklärt sich allerdings dadurch, dass der Großteil der Geldzahlungen vor der Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt. In Nordrhein-Westfalen, das die Ergebnisse der Geldstrafenvollstreckung für alle Geldstrafenanordnungen und für nur die, in denen Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden war, mitgeteilt hat, lag der Anteil der Zahlungen nach Anordnung der Geldstrafenvollstreckung hinsichtlich aller Zahlungen bei nur ca. 32 %.
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- 25 - Quelle: Eigene Berechnungen. (2) Geldstrafentilgungen durch Zahlung und Ersatzfreiheitsstrafe Die Tilgung der Geldstrafe durch eine Kombination von Zahlung und Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe betrug durchschnittlich 10 %. Auch hier kann nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Zahlung erfolgte: vor der Inhaftierung oder nach Inhaftierung zu deren Verkürzung. Allerdings gibt es zwischen den Ländern deutliche Unterschiede: In Brandenburg war der Anteil in den Jahren 2013 bis 2015 mit durchschnittlich 6,2 % geringer als in Berlin mit 12,1 % und Nordrhein-Westfalen mit 11,5 %. Während in Berlin der Anteil im Beobachtungszeitraum sank, ist in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zudem ein Anstieg festzustellen. Quelle: Eigene Berechnungen. (3) Geldstrafentilgungen durch Zahlung, freie Arbeit und Ersatzfreiheitsstrafe Die Kombination aller drei Erledigungsarten (Zahlung, Ableistung freier Arbeit und Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe) machte durchschnittlich nur 1% aller erledigten Geldstrafenvollstreckungen, in denen Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde, aus.
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- 26 - Quelle: Eigene Berechnungen. (4) Fazit Der Anteil, in denen die verurteilten Personen die Geldstrafe zumindest teilweise durch Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe getilgt haben, betrug durchschnittlich 15,7 %. Der Anteil schwankte von 10,7 % im Jahr 2013 in Brandenburg bis 19,9 % im gleichen Jahr in Berlin. Quelle: Eigene Berechnungen. Folglich war Berlin (zwischen 16,1 % und 19,9 %) noch stärker als Nordrhein-Westfalen (17,1 % bis 17,4 %) von Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug betroffen. Betrachtet man mithin nur die Vollstreckungsanordnungen, in denen Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet wurde, so ist festzustellen, dass in den Ländern ca. jeder 5. (19,9%) bis 10. Verurteilte (10,7 %) im Laufe der Vollstreckung zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafe inhaftiert wurde.
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- 27 - 4. Fazit In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen scheint sich die Situation gegenüber dem Jahr 2003 verbessert zu haben. In allen anderen Ländern war eine steigende Belastung des Justizvollzugs durch Ersatzfreiheitsstrafen zu verzeichnen.
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- 28 - III.    POTENTIELLE GRÜNDE FÜR DEN ANSTIEG 1. Veränderte             Sanktionierungspraxis                    bei        Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht Die Arbeitsgruppe ist der Frage nachgegangen, ob der Anstieg der Anzahl der Ersatzfreiheitsstrafen in den Ländern auf einer geänderten Sanktionierungs-praxis bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht beruht. a) Entwicklung der Anzahl der Geldstrafen Denkbar ist zum einen, dass absolut mehr Geldstrafen ausgeurteilt werden als früher. Auch wenn der Anteil derjenigen, die die Geldstrafe begleichen können, sich nicht verändert hätte, hätte ein Anstieg der (absoluten Anzahl der) Verurteilungen zu Geldstrafen automatisch einen Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen zur Folge. Ein solcher Anstieg des Anteils der Geldstrafen an den nach allgemeinem Strafrecht verhängten Sanktionen ist jedoch weder bundesweit noch in den Ländern festzustellen. Vielmehr ist - trotz des prozentualen Anstiegs von Geldstrafen - die absolute Anzahl der 7 Geldstrafen bundesweit von 2007 (634.453) bis 2012 (560.377) um 11,7 % zurückgegangen. Seitdem bewegt sich die Anzahl auf recht konstantem Niveau – trotz eines weiteren Rückgangs der Verurteiltenzahlen. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3. 7 Das Statistische Bundesamt veröffentlicht bundesweite Daten erst seit 2007.
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- 29 - Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 3. Die absolute Entwicklung der Geldstrafen in den Bundesländern kann den Anlagen 3 – 18 der Länder entnommen werden. Der Zuwachs der Ersatzfreiheitsstrafen im Vollzug (insbesondere seit 2012) ist – bundesweit betrachtet – damit zumindest nicht wesentlich durch die tendenziell vermehrte Ausurteilung von Geldstrafen seit 2012 bedingt. b) Entwicklung der Tagessatzanzahl und -höhe Ein Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen könnte sich aber zum anderen auch durch eine „strengere“ Sanktionierung durch die Gerichte erklären. Sollten – bei gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen im Land – die Gerichte tendenziell höhere Sanktionen als früher verhängen, weil sie entweder durchschnittlich mehr Tagessätze oder auch höhere Tagessätze verhängen - , ist deren Begleichung für die Betroffenen schwieriger. Eine strengere Sanktionierung würde daher ebenfalls einen Anstieg der Ersatzfreiheitsstrafen erklären. Insofern hat sich die Arbeitsgruppe auch mit der 8 (bundesweiten) Entwicklung der Tagessatzanzahl und -höhe beschäftigt. (1) Entwicklung der Tagessatzanzahl Betrachtet man die Tagessatzanzahl im Beobachtungszeitraum genauer, so zeigt sich bundesweit folgende Entwicklung: Knapp die Hälfte aller zu Geldstrafe Verurteilten werden zu Geldstrafen in Höhe von 31 bis 90 Tagessätzen verurteilt, die zweitgrößte Gruppe nehmen Sanktionen zu 16 bis 30 Tagessätze, die drittgrößte Gruppe solche von 5 bis zu 15 Tagessätze und die viergrößte Gruppe solche von 91 bis 180 Tagessätzen ein. Geldstrafen zu 181 bis 360 und mehr als 360 Tagessätzen werden relativ selten verhängt. Einzelheiten und die Prozentanteile ergeben sich aus den beiden nachfolgenden Schaubildern. 8  Die den Sanktionen zugrunde liegenden Straftaten sind bei der Betrachtung unberücksichtigt geblieben. Gleiches gilt für die Strafzumessungskriterien, die für die Tagessatzanzahl von Relevanz sind. Diese können allein durch eine Aktenanalyse festgestellt und ggf. ausgewertet werden.
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