Antrag auf einstweilige Anordnung Bundesverfassungsgericht Erasmus-Stiftung

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verfahren gewonnen wird. Bei dieser Abwägung im Rahmen der ,,Doppelhypothese" geht der Antragsteller- geht es nicht gerade um Versammlungsrecht- fast immer leer aus. 18 Dieses Verfahren wird aber auch seitens des Bundesverfassungsgerichts modifiziert, wenn- wie hier - eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache nicht nur zulässig, sondern zur we- nigstens vorübergehenden Abwendung vorsätzlich herbeigeführter, evident verfassungswidri- ger Zustände verfassungsrechtlich geboten ist. In dieser Konstellation tritt an die Stelle der „Folgenabwägung im Sinne der Doppelhypothese" die Prüfung der Erfolgsaussichten in der 19 Hauptsache. So ist dies etwa auch in den Fällen über Wahlwerbestreitigkeiten - die eben- falls, wie auch hier, das Problem der unmittelbaren Konkurrenz der politischen Parteien un- tereinander betreffen -verfahren worden.20 Davon abgesehen, müßte die Antragstellerin aber eigentlich auch bei Anwendung der ,,Dop- pelhypothese" hier obsiegen. Der ihr drohende Schaden besteht darin, daß sie - schon seit Jahren - entgegen der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die die Antragsgegner geradezu demonstrativ ignorieren, nicht gleichberechtigt wie die politischen Stiftungen der anderen Parteien arbeiten kann. Was seit 20 18 versäumt werden mußte und heute und morgen immer noch versäumt wird, läßt sich nicht in späteren Jahren wieder aufho- len, zumal die politisch-gesellschaftliche Aufbauarbeit vermutlich schon in naher Zukunft infolge sich verstärkender Inflation, dem Zusammenbruch der Energieversorgung in Deutsch- land und der Zahlungsunfähigkeit des Rentensystems, eventuell mit der Folge sozialer Unru- hen, immer schwerer werden wird. Man macht dadurch eine politische Kraft von Gewicht praktisch durch Verweigerung von adäquaten Mitteln mundtot Demgegenüber verlangt aber das Bundesverfassungsgericht: ,,Mit Rücksicht auf die dargelegten Berührungspunkte zwischen der Tätigkeit der Stif- tungen einerseits und den langfristigen politischen Zielvorstellungen einzelner politi- scher Parteien andererseits gebietet es allerdings der Gleichheitssatz, daß eine solche Förderung alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt."21 Dies ist nun aber auch bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren geltend zu machen, da das bisherige Zuwarten der DES nichts geholfen hat. "Jüngstes Beispiel nun BVerfG, Beschl. v. 10. Februar 2022, 1 BvR2649121-einrichtungsbezagene Jmpf- pflichJ: einer einstweiligen Anordnung bedUrfe es nicht, weil ja die betroffenen Ärzte auch einfach ihre Praxen schließen und zeitweilig den Beruf aufgeben köMten; schon seien sie aller Sorgen ledig! 1 ' Vergl. etwa Walter, in: dersJGrOnwald, BeckOK BVerfOG, § 32 Rn. 58 [Stand: XII/2021]. 20 BVerfOE 63,254 f.; 67, 149 (152). 21 BVerfOE 73, 1 (38). 11 Lu                                        -   3                                                                    t:i::
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-= l1 l 3. Spielt die Beobachtung eine Rolle? In Äußerungen politischer Aktivisten, die sich dem Kampf gegen eine mögliche staatliche Unterstiltzung der DES verschrieben haben, und in Presseartikeln - nicht aber, soweit erkenn- bar, in irgendwelchen verfassungsrechtlichen Fachpublikationen! - taucht nicht selten die Behauptung auf, einer staatlichen Förderung der DES sei entgegenzuhalten, daß gewisse Teile der ihr nahestehenden Partei, also der AfD, im Verfassungsschutzbericht 2020 erwähnt wer- den; hier wird die inzwischen aufgelöste, auch vorher nie „offiziell" innerhalb der AfD be- standen habende Personengruppe „der Flügel" als „erwiesen rechtsextremistisch" bezeichnet sowie die Jugendorganisation ,,JA" als „Verdachtsfall".22 Dazu ist zunächst zu sagen, daß die Erw!hnung bestimmter Personen und Gruppen in Verfassungsschutzberichten noch nicht de- ren Verfassungsfeindlichkeit beweist, zumal nicht, wenn sie-wie hier - gerichtlich ange- fochten worden ist und eine endgültige Entscheidung aussteht. So wurde auch die liberale Wochenz.eitung ,,Junge Freiheit" - die heute nach der ZEIT nach Auflage die zweitgrößte deutsche Wochenzeitung ist! - gerawne Zeit seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen in dessen Verfassungsschutzbericht in die Nähe rechtsextremistischer Bestrebungen geruckt, bis das Bundesverfassungsgericht dem schließlich ein Ende setzte.   23 Auch ist gerade die Arbeit mancher Landesverfassungsschutz!lmter nicht selten von Inkompe- tenz und Hysterie geprägt. So wurden Aussagen wie die (1) daß das Deutsche Reich 1945 nicht untergegangen sei, sondern völkerrechtlich fortbestehe24, oder (2) daß die Einführung eines allgemeinen Ausländerwahlrechts verfassungswidrig sei 25, jedenfalls von Landesverfas- sungsschutzbebörden schon als Beleg für eine rechtsextremistische Gesinnung angesehen.26 Auch würde wohl kaum ein Fachmann heute mehr bezweifeln, daß auch das Bundesamt für Verfassungsschutz - legte man ihm die entscheidenden Passagen aus dem Teso-Beschluß des 7 Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts2 , natürlich ohne Nennung der Quelle, zur Prilfung vor - zu dem Ergebnis gelangen würde, den erkennenden Senat zumindest als „Ver- dachtsfall„ einzustufen {.,Menschenwürdeverstoß durch ethno-kulturellen Volksbegriff" SO• wie angebliche ,,ldentit.At eines deutschen Volkes" statt Abstellens nur auflndividuen!). Die Erwllhnung bestimmter Personen und Gruppen in Verfassungsschutzberichten kann also u.U. auch ein Indiz dafür sein, daß diese Personen und Gruppen die Rechtsprechung zwnal des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts einfach besser kennen als heutige Verfas- sungsschutzmitarbeiter. •J Es kdnnte olrnelrin nur aufdk DES e. V. selber ankotnlPWn, nklrt auf Teüe der AfD Dies kann hier aber rechtlich ohnehin auf sich beruhen, da es fl1r die Förderungswürdigkeit der DES e.V. ohnehin immer nur auf deren eigene mögliche Verfassungsfeindlichkeit an- kommen könnte und nicht auf die der ihr nahestehenden Partei. Dies folgt schon daraus, daß u Verfassungsschutzbericht 2020, S. 93 ff. u BVerfOE 113, 63 fC 2A Vergl. BVerfOE 36, 1 (15 f.) - Grundlagenvertrag. " Vergl. BVerfOE 83, 37 ff. - Auslanderwahlrecht /; E 83, 60 ff. -Awlanaerwahlm:1- II. 16 Vergl. Murswiek, Verfassungsschutz und Demokratie (2020), m.w.N. 27 BVerfOE 77, 137 (149 f.). 12 ,
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diese von der ihr nahestehenden Partei völlig unabhängig ist und auch keinen Einfluß aus sie nimmt oder nehmen soll. Für angeblich verfassungsfeindliche Haltungen in der DES e.V. ist hingegen auch von ihren ärgsten Feinden nie irgend etwas Substantiiertes oder Belegbares vorgetragen worden. b) FiJrder11ngswilrdigkeiJ nic/rt eingeschr(Jnkt, selbst wenn es 011/ Teile der Partei ankime stillt 011/ die Stiftung Auch, wenn statt dessen aber dennoch auf die Haltung allein der DES, sondern außerdem auch auf die jedenfalls gewissen Teilen der AfD nun unterstellte Verfassungsfeindlichkeit abzustellen wäre, würde dies einer Förderung mit öffentlichen Mitteln nicht entgegenstehen. Dies z.eigt - auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots - schon der einfache Vergleich mit der Linkspartei, deren ,,Rosa-Luxemburg-Stiftung" bereits seit 1999 großzügig gefordert wird (so im Jahr 2020 mit 72 Millionen Euro allein aus Bundesmitteln, davon 14 Millionen allein „GlobalzuschÜSSC"; in 2021 15 Millionen Euro allein Globalzuschüsse). Im Ve'ifassungsschutzbericht 2020 werden nicht weniger als drei offizielle, d.b. förmlich an- erkannte, innerparteiliche Unterorganisationen als ,,Extremistische Strukturen" innerhalb der Partei ,,Die Linke" und Beobachtungsobjekte aufgelistet, nämlich (1) die ,,Kommunistische 29 Plattform (KPF)" , (2) die „Sozialistische Linke (SL)" und (3) die ,,Antikapitalistische Lin- 28 ke (AKL)"10• Außerdem existiert im Rahmen der Linkspartei auch noch die (bislang nicht 31 förmlich anerkannte) trotzk.istische Gruppe ,,marx21 " ; daß auch diese wohlgelitten ist, wird durch den Umstand belegt, daß eine der beiden derz.eit amtierenden Bundesvorsitz.enden der Partei Die Linke bis vor kurzen in dieser Gruppe Mitglied war und die Mitgliedschaft erst im Hinblick auf die Übernahme des Bundesvorsitz.es aufgab. c) Verfass11ngsrecht/iches Fazit: wenn GG 21 II 11nd 21 m       (-), dann GG 3 I, 3 IH 1 und 21 (+) In der Bundesrepublik Deutschland können - was im Lager der westlichen Demokratien ein merklicher Sonderweg ist - verfassungsfeindliche Parteien verboten werden, und zwar selbst dann, wenn die von ihnen zum Kampf gegen die Verfassung eingesetzten Mitteln als solche legal und friedlich sind (Art. 21 Abs. 2 GG). Außerdem kam vor einigen Jahren das weitere Mittel hinzu, daß solche verfassungsfeindlichen Parteien, wenn ein Verbot angesichts ihrer geringen Bedeutung übermäßig erscheint, von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden können (Art. 21 Abs. 3 GG). Über die eine wie die andere Maßnahme kann dabei allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden (Art. 21 Abs. 4 GG). 21 Verfassungsschutzbericht 2020, S. 182. 29 Verfassungsschutzbericht 2020, S. 183. 30 Verfassungsschutzbericht 2020, S. 184. 31 Vrissungsschutzbericht 2020, S. 185. 13 ii
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1 t . Daraus folgt aber auch denknotwendig im Umkehrschluß: so lange eine politische Partei nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten oder wenigstens von der staatlichen Finanzie- rung ausgeschossen ist, gilt das strenge verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, das s1Batliche Neutralitätsgebot (Art. 21 GG), das Will.kürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Ver- bot der Diskriminierung wegen politischer Anschauungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Die Antragsgegner wollen diese streng binlre verfassungsrechtliche Logik - entweder oder! - nun seit Jahren nicht einsehen und versuchen, aus eigener vermeintlicher Machtvollkommen- heit einen gerilurnigen Graubereich zu errichten, in dem sich dann die Antragstellerin einrich- ten soll; dieser Graubereich ist fl1r ,.Parteien, die weder verboten noch von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen sind, aber dennoch so behandelt werden, weil ihre Konkurrenten finden, sie wären besser verboten". Einen solchen Graubereich gibt es nicht und kann es ver- fassungsrechtlich nicht geben; und er kann, wie gesehen, auch nicht rhetorisch durch den Verweis auf Verfassungsschutzberichte oder auch verunglückte, oft viele Jahre zurückliegen- de Äußerungen einzelner Akteure erschaffen werden. Daher haben die Antragstellerin und die DES e.V. jetzt und hier unmittelbar Anspruch auf strenge rechtliche Gleichbehandlung mit ihren Konkurrenten und mithin auch auf den unver- züglichen Beginn der staatlichen Förderung für die DES. Zumal die Befürworter einer Anti-DES-Spezialgesetzgebung mit „Gesinnungs-TÜV" versu- chen zwar erkennbar, den Art. 21 Abs. 3 GG zu entnehmenden Rechtsgedanken ,,Der Staat braucht seine geschworenen Gegner nicht zu finanzieren'' irgendwie im politischen Alltag universal fruchtbar zu machen. Dabei verkennen sie indessen, daß die Entscheidung darüber, ob eine politische Partei geschworene Gegnerin des Grundgesetzes sei und mithin nicht finan- ziert werden müsse, nicht anders als die Entscheidung über das Parteienverbot selbst gemäß Art. 21 Abs. 2 GG, gemäß Art. 21 Abs. 4 GG beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert ist. Daher ist dem neuen Art. 21 Abs. 3 GG gerade keine umfassende Relativierung des Will- Jdlrverbots aus Art. 3 Abs. l GG, des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 und Art. 21 GG oder des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 GG zu entnehmen. Außerhalb des An- wendungsbereiches von Art. 21 Abs. 2 und 3 GG gilt nach wie vor „gleiches Recht fl1r alle!". Letztlich rein private Unwerturteile politischer A.lcteure über ihre Konkurrenten und Kritiker z.eitigen keine Rechtsfolgen, schon gar nicht solche, die sich überhaupt erst nach einem Ver- eins- oder Parteiverbot herstellen ließen. IV. Abschließende Anmerkungen Unser Antrag - mit der Invokation des pflichtgemäßen Ermessens des Bundesverfassungsge- richts - ist bewußt offen gehalten, um der gesamtstaatlichen Verantwortung des Gerichts von uns aus keine Hürden zu errichten. Zur Orientierung des Gerichts Ober den Finanz.bedarf der DES e.V. lege ich hier als 14
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r ,. • ➔ Anlage2 den Antrag der DES e.V. auf Globalzuschüsse fllr das Haushaltsjahr 2022 nebst dessen ur- sprünglichen Anlagen, nllm1ich dem vorläufigen Haushaltsplan der DES ftlr 2022 und der Vereinssatzung an. Unser Finanzierungsbedarf beläuft sich deneitjährlich auf knapp acht Millionen Euro. Sollte das Bundesverfassungsgericht sich außerstande sehen, ohne einen numerisch beziffer- ten Leistungsantrag zu entscheiden, bitte ich kurzfristig und jedeneit um entsprechenden Hinweis; wir werden kann kurzfristig konkret bezifferte Anträge stellen. Sollte das Gericht anderweitig noch weiteren Sachvortrag ftlr erforderlich halten, bitte ich ebenfalls um gerichtlichen Hinweis. Weiterhin rege ich nachhaltig - auch hier im einstweiligen Rechtsschutzverfahren- die kurz- fristige Anberaumung einer milndlicben Verhandlung an. Hintergrund dessen ist, daß die hier erörterten verfassungsrechtlichen Probleme - deutlich bemerkbar - einen eher psychologischen Hintergnmd haben. Die Antragsgegner können sich offenbar nicht damit abfinden, (1) nicht aus eigener Machtvollkommenheit zu einer Entschei- dung über die „Verfassungswidrigkeit" sei es der Antragstellerin, sei es der DES e.V. berech- tigt zu sein, und (2) daß die Möglichkeit und Befugnis der Antragstellerin wie der DES e. V., verfassungsrechtliche Rechte wie etwa das Gleichbehandlungsgebot geltend zu machen, nicht von einer vorherigen Verleihung oder Anerkennung durch die Antragsgegner abhängt, son- dern ganz unmittelbar besteht. In dieser Situation möchte es vorteilhaft sein, wenn gerade das Bundesverfassungsgericht in gesamtstaatlicher Verantwortung das Rechtsgespräch auch und gerade mit den Antragsgeg- nern sucht und ihnen nahezubringen versucht, daß sie im Rechts- und Verfassungsstaat auch die Antragstellerin oder die DES nicht einfach so behandeln dürfen, als hätten sie keine Rech- te oder standen irgendwie außerhalb der Verfassung oder der staatlichen Gemeinschaft über- haupt. Möglicherweise könnte man in einer nun anzuberaumenden mündlichen Verhandlung im einstweiligen Anordnungsverfahren auch zu einer Art Vergleich oder Verständigung fin- den. Dr. iur. habil. Vosgerau, Rechtsanwalt 15
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Anlagen 1. Hasso Suliak, Finanzierung parteinaher Stiftungen: Gesetz soll Steuergeld ftlr AID- Stiftung verhindern, LTO Online, 27. April 2021, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/afd-desiderius-erasmus-stiftung-verfassung- grundgesetz-finanzierung-politische-bildung-bundesmittel-parteien/ 2. Antrag der DES e.V. auf Leistung von Globalzuschüssen vom 24. Februar 2021 (text- gleich an BM1 und an den Haushaltsausschuß für 2022 und Vereinssatzung an  nebst Vorläufigem Haushaltsplan _,r , ... 16
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_ _""'!"_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ F6rd\_,d: 'Demok111tle-T0v• fOr pertelnahe Stlftung•n? 12.02.22, 19:38 ., ., ~     7 ~ Druckversion                                                                                        Sunday, 6.02.2022, 03:26 Uhr E               Legal liibune Online https://www.lto.de//recht/hlnterg ruende/h/afd-desiderius-erasmus-stiftu ng-verfassung- grundgesetz-fina nzierung-politische-bildung-bundesmittel-parteien/ Artikel drucken           Fenster schließen Finanzierung parteinaher Stiftungen: Gesetz soll Steuergeld für AfD-Stiftung verhindern von Hasso Sullak                                                                                                               27.04.2021 Ab der nächsten Wahlperiode könnten der AfD-nahen Deslderius-Erasmus-Stlftung erstmals Bundesmittel zustehen, verhindern könnte das wohl nur eine entsprechende Gesetzesinitiative. Verfassungsrechtler halten diese für zulässig. Erhält in Deutschland nach der nächsten Bundestagswahl mit der Deslderius-Erasmus-Stlftung (DES) eine Einrichtung Millionen an Steuergeldern, obwohl die ihr nahestehende Partei möglicherweise bald vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingeordnet werden könnte? Für Ihre politische Bildungsarbeit erhalten die den Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke nahestehenden aber von ihnen eigentlich unabhängigen Stiftungen seit Jahren üppige finanzielle Unterstützung vom Bund (etwa 581 Millionen Euro im Jahr 2017). Das Geld soll es ihnen ermöglichen, Aufgaben der politischen Bildung und der Politikberatung wahrzunehmen - ohne die Millionen des Steuerzahlers ein für sie kaum zu bewältigender Auftrag. Doch anders als bei den deutlich geringer ausfallenden Beträgen, die den Parteien auf Grundlage des Parteiengesetzes zufließen, fehlt es bei den Zuwendungen für die parteinahen Stiftungen an einer echten gesetzlichen Grundlage. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe die politischen Stiftungen sogenannte Globalzuschüsse erhalten, erfolgt seit 1967 stets im parlamentarischen Verfahren der Haushaltsaufstellung allein durch den Haushaltsgesetzgeber. Weitere Einzelheiten sind zudem in einer Erklärung festgehalten, auf die sich die Parteien später selbst verständigt haben. Auch wenn diese Praxis vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) grundsätzlich gebilligt wurde (Urt. v. 14.07.1986, 2 BvE 5/ 83) : Parteien- und Verfassungsrechtler kritisieren schön länger, dass es für derart hohe staatliche Mittelzuwendungen, denen auch immer ein bisschen der Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung anhaftet, kein materielles Gesetz gibt. Bundesregierung: "Bislang noch keine Zuwendungen für AfD-Stiftung" Der Ruf nach einer gesetzlichen Grundlage wird nun umso lauter, je näher eine mögliche httpi://wWW.lto.d-,,.cht/hlntargn,ande/h/eld- de11derlus-eraamu1•t1lf _etz•llnanzlen,ng-politl1che•blldung- bunda1mlttel- penelen/prlnt.html    Seite 1 von 5
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r--1--------=-•A ..,.11,ei,t, 'O.moltnrtte-TOv• fOr Hrtelllahe Stlhungw,f 1  ~ 12.02lz. 111:se t.. ,    ,..  • • ,             staatliche Unterstützung für die Desidertus-Erasmus-Stiftung rückt die seit 2018 von der AfD als-                                             ,J •ihrew parteinahe Stiftung anerkannt Ist.                                                          ' Wie die Bundesregierung erst kürzlich in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bestätigte, erhielt die DES bislang noch keinerlei Zuwendungen aus Bundesmitteln. Um dies zu ändern , hatte die AfD in Karlsruhe eine Organklage angestrengt, scheiterte damit jedoch zunächst In einem Eilverfahren im Juli 2020. Unmittelbar nach dieser juristischen Niederlage, beantragte die DES Im August beim Haushaltsausschuss des Bundestages einen Antrag auf Bewilligung eines Zuschusses "für gesellschaftspolitische und demokratische Bildungsarbeit" in Höhe von 900.000 Euro für das Haushaltsjahr 2021. Über diesen Antrag, der LTO vorliegt, ist dem Vernehmen nach bis heute noch nicht entschieden worden. Dass der DES trotz der von ihr Immer wieder an den Haushaltsausschuss gerichteten Anträge bislang staatliche Mittel verwehrt blieben, hat mit den konkreten Voraussetzungen zu tun, aufgrund derer die partelnahen Stiftungen ihre Gelder derzeit erhalten. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des BVerfG, dass eine förderungsfähige Stiftung eine "dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung" repräsentiert. In der Staatspraxis wird dies in der Regel so interpretiert, dass eine Stiftung dann in den Genuss der Finanzierung durch den Bund kommt, wenn die nahestehende Partei zweimal In Folge bei Bundestagswahlen die Fünf-Prozent-Hürde ,,           überwunden hat und mit Fraktionsstärke In den Bundestag eingezogen ist. So erhielt etwa die Rosa-Luxemburg-Stiftung nach neun Jahren parlamentarischer Präsenz der SED-Nachfolgeorganisation PDS bzw. Die Linke erstmals 1999 institutionelle Förderung aus dem Bundeshaushalt. Glaubt man nunmehr den aktuellen Umfragen, nach denen der erneute Einzug der AfD in den nächsten Bundestag als sicher gilt, könnte der Erasmus-Stiftung in der nächsten Wahlperiode endlich der erhoffte Millionensegen blühen . Die Vorsitzende der DES, Erika Steinbach, geht davon jedenfalls fest aus, wie sie gegenüber LTO bestätigte. Initiative will "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" Verhindern will das nun die Initiative für ein "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz", das vor wenigen Tagen von der Bildungsstätte Anne Frank vorgestellt wurde. Bei dem Vorschlag, der vom ehemaligen Bundestagsabgeordneten und früheren Rechtspolitiker der Grünen, Volker Beck, ausgearbeitet wurde, geht es nicht nur darum, die staatliche Finanzierung der Stiftungen nach den bisherigen Kriterien auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Gefordert wird vielmehr auch eine Art "Demokratie-TÜV", den jede Stiftung zu durchlaufen hat. Danach soll die staatliche Finanzierung dann unterbleiben, wenn eine Prüfung durch das Bundesveraltungsamt ergeben hat, dass sich die Stiftung nicht aktiv für die freiheitlich- demokratische Grundordnung einsetzt. Verhindert werden soll so die Finanzierung verfassungsphober und anti-demokratischer Stiftungen: "Ziel ist es, die millionenschwere Förderung der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung aus Steuermitteln nach der Wahl zu verhindern", sagen die Initiatoren . Schließlich sei die Förderung der politischen Stiftungen als Erfüllung des Verfassungsauftrages, politische Bildung zu fördern, zu verstehen. "Es wäre geradezu widersinnig, würden Mittel für die politische Bildung auch an verfassungsphobe Stiftungen gehen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht aktiv unterstützen oder gar gegen ihre Akzeptanz arbeiten und sie ganz oder teilweise ablehnen", heißt es in dem 58 Seiten umfassenden Eckpunktepapier der Bildungsstätte. Dabei ist den Verfassern wichtig klarzustellen, dass die Förderfähigkeit einer politischen Stiftung nichts damit zu tun hat, ob die an sie angedockte Partei verfassungswidrig ist oder nicht. Der Ausschluss einer politischen Stiftung "einer verfassungsphoben politischen Grundströmung" aus der staatlichen Finanzierung ist ihrer Auffassung nach auch dann zulässig, wenn die ihr nahestehende Partei weder als verfassungswidrig nach Art. 21 Abs. 2 GG gilt noch nach Art. 21 Abs. 3 GG von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wurde. Der Staat, so Autor Volker Beck gegenüber LTO, müsse seine Feinde nichtflnanzleren . Der httpa ://wWW.lto.de/ rechl/hlntergn,ende/h/afd-d••lder1u, -ere1mue-11H_ 1z-flnenzlerung-polltlache• blldun11•bundHmlttel-pertelen/prlnt.html  Seite 2 von 6
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~                                                                                                                                             12.02.22, 19:311 "6nlet,lkl: '0.moltratle-TOV• fOr p1rteln1he Stiftungen? >     \ ~ ~ ,_...   Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte Dr. Meron Mendel sagt, die DES agiere "mitten Im rechts- braunen Geflecht der Neuen Rechten". In der Führungsriege gäben sich ranghohe Vertreter des rechtsextremen '"Instituts für Staatspolitik" des Verlegers Götz Kubitscheck, " Rassentheoretiker, Homo-Feinde und Verschwörungstheoretiker die Klinke in die Hand", so Mendel. DES unter "prägendem Einfluss verfassungsfeindlich agierender Personen"? Bei den von LTO angefragten Staatsrechtlern stößt der Gesetzesvorschlag der Bildungsstätte überwiegend auf Zustimmung, so etwa beim Bielefelder Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christ~ph Gusy: Die Initiative, so Gusy, nehme eine Anregung des BVerfG auf, wonach der Umgang mit verfassungswidrigen Parteien nicht mehr ausschließlich von einem Verbotsurteil abhängig gemacht werden müsse. Ein solches Gesetz wäre "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagt er. - Den Ansatz, die Förderfähigkeit politischer Stiftungen an die Verfassungstreue zu koppeln, teilt jedenfalls im Grundsatz auch der Bonner Staatsrechtler Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz: "Soll politische Bildung gefördert werden, ist es ein hinreichender Differenzierungsgrund, staatliche t            Fördermittel an die Verfassungstreue zu binden bzw. strukturelle Verfassungsfeindlichkeit oder 1 Distanz zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu Ausschusskriterien von der Förderung zu machen", erklärte er auf Nachfrage von LTO. Allerdings sieht Gärditz bei dem Vorschlag auch Probleme: "Da die Stiftungen eben nicht Teil einer Partei sind, der sie nahestehen, sondern selbstständig handeln, kann man verfassungsfeindliches Verhalten von Parteifunktionären nicht ohne weiteres auch der Stiftung zurechnen. Es wäre also der Nachweis notwendig, dass sich eine Stiftung entweder durch einen prägenden Einfluss von aktiv verfassungsfeindlich agierenden Personen oder durch die Ideologische Bekräftigung verfassungsfeindlicher Positionen einer nahestehenden Partei oder durch eine eigene verfassungsfeindliche Agenda 'förderunwürdig' macht." Verfassungsrechtler: "Gesetz überfällig" Der Münchner Staatsrechtler Prof. Dr. Alexander Thiele begrüßte gegenüber LTO ebenfalls den Anstoß_der Anne-Frank-Bildu.~gsstätte: Da~s die Finanzierung der parteinahen Stiftungen einer gesetzhc~en Regelung zugefuhrt werde, se, schon lange überfällig, so Thiele. "Der bisherige Zust~nd 1st verf~ss~!"g.s~echtl!ch b~denklich, wenn nicht gar verfassungswidrig", sagt er. Auch d~~ . Dem?krat,_e-TUV ist_ Th,~le nicht abgeneigt: "In materieller Hinsicht dürfte es prinzipiell moghch s~m, Stiftungen die Forderung zu entziehen, wenn sie sich gegen die freiheitli h demokratische Grundordnung richten."                                                                                              c Der Greifswalder Staatsrechtler Prof. Dr. Claus Dieter Classen wies gegenüber LTO d                                                  f hi da~s der Erasmus-Stiftung dann aber "hinreichend" nachgewiesen werden müss                                                     arau . n, k~me ?us Dem~krat~egesichtspunkten heraus förderwürdige Bildungsarbeit betr:ib:a~~ die~~ Hmwe,s, dass die Stiftung der AfD 'ideell nahe steht' wie es auf der w .                                                      · er O6 e reicht dafür allerdings auch in Verbindung mit Erken~tnissen des                                         ebs1te der DES steht, aus", so der Rechtsprofessor. Erforderlich seien vielmehr entsprec~:~~sesEunkgsscht ~tzes wohl nicht Stiftung selbst betreffen.                                                                                    r enn ntsse, die die Zustimmung für den Gesetzesvorschlag kommt s hll Br h                                                     •· . Kirchenrechtler Prof. Hans Michael Heinig : Es sei ~b e ,c auJh vom Go~mger__staats- und politischer Stiftungen In die Grenzziehung einz b _e~eug~n , _die staatliche Forderung 1' auszeichne: "Stiftungen die die liberaldemo u. ez,e en, die dte wehrhafte Demokratie demokratische Grundordnung, nicht aktiv m~at,sche Verfassun~~ordnung, die freiheitlich- i'           nicht gefördert werden." Denn sie kön t d ragen un~ unterstutzen, sollten staatlicherseits n en en wesenthchen staatlichen Förderzweck, Mitwirkung lmpe:J/www.lto.d1Jrecht/illnt1rgru1nd1fl1/1ld-d111d-'-· .          .,..,1-era1mu1-1111_ 1z-ftnanzleru       1111 na-po    ache-btklune-bund11mltt1l- partelen/Prlnt.html Seite 3 ltOn 5 ...                                                                                                                                                                    -
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N,dc....... 'DM!otratle•ruV' fOr s,anein.tie Stiftungen? . 12.02J2. ,       ,11,se .,~.,, . a-n der Akzeptanzschaffung für diese Ordnung, gar nicht erreichen.                                                                   . .J AfD: "Abschaffung der Förderung für alle Stiftungen" Ob die Politik den Vorschlag so bald aufgreifen wird, Ist offen. Gut möglich, dass sogar das BVerfG in diesem Jahr noch im Rahmen des von der AfD angestrengten Organklage- Hauptverfahrens den Gesetzgeber zur Schaffung eines Stiftungsgesetzes ennahnt. Ohne diesen Wink aus Karlsruhe dürften jedenfalls CDU/CSU ka.um zu einem Gesetz zu bewegen sein ; Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei äußerte gegenüber LTO per se Zweifel, ob die Finanzierung partelnaher Stiftungen überhaupt einer gesetzlichen Grundlage bedürfe: "Die Frage, ob, in welchem Umfang und wen der Staat fördert, bedarf nicht zwingend einer spezialgesetzlichen Regelung ." Außerdem, so Frei, gebe es verfassungsrechtliche Bedenken, ob der Bund für ein solches Gesetz überhaupt zuständig sei. AfD-Rechtspolitiker Stephan Brandner verwies unterdessen auf einen Gesetzentwurf seiner Fraktion, in dem man sich grundsätzlich für eine Abschaffung der Förderung von allen parteinahen Stiftungen einsetze. Diese müsse zumindest auf eine transparente gesetzliche Grundlage gestellt werden. "Dass es dafür lediglich schwammige Verabredungen gibt, ist angesichts der etwa 600 Millionen Euro jährlichen Förderung für einen Rechtsstaat völlig inakzeptabel", so Brandner. Demgegenüber sehen Grüne und Linke speziell mit Blick auf die Erasmus-Stiftung Handlungsbedarf. "Ich teile das Anliegen, die staatliche Unterstützung für rassistische und antisemitische Strukturen zu unterbinden. Dafür werden wir uns auch mit den anderen demokratischen Fraktionen abstimmen", kündigte die Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, Martina Renner, an. Und dass auch die Grünen dem Vorschlag ihres ehemaligen Fraktionskollegen Beck etwas abgewinnen können, überrascht nicht: "Wir brauchen klare Regeln, die eine Grundlage für die transparente Finanzierung der politischen Stiftungen in einem Gesetz festlegen", forderte Britta Haßeimann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion. Bundesregierung, CDU/CSU und SPD müssten endlich in die Gänge kommen und Ihre Untätigkeit in Bezug auf ein Stiftungsgesetz aufgeben. Vielleicht werden sie ja bald vom BVerfG dazu aufgefordert Zltiervorschlag Finanzierung parteinaher Stiftungen: Gesetz soll Steuergeld für AfD-Stiftung verhindern . In: Legal Tribune Online, 27.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44816/ (abgerufen am: 09.02.2022 ) Veranstaltungen 20. Kölner Symposium zum Marken- und Wettbewerbsrecht 2022 17.02.2022, Köln Kölner Tage Immobilienbesteuerung 2022 17.02.2022, Köln Internship Service und Jl-Visum                 I Praktikum und         Wahlstation in den USA 17.02.2022 Verträge mit Angehörigen und nahestehenden Personen im Steuerrecht httl)l:/Jwww.lto.de/recht/hlnlergNend•fhf•fd•dHld•rlu1••r••mu1•stlf_ tz.fln•nzl•Nng•pOlltl1che•blldun11-bundHmlttel• paMel•nfprlnt.html  Seite 4 von 5 E ....                                                                    - - - -- - - - - - 1
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