Landgericht_Schwerin_20220323_509-Antrag_auf_Erlass_einer_EV.docx

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KANZLEI EISENBAHNSTRASSE | Ludwigstr. 20 | 04315 Leipzig Landgericht Schwerin Demmlerplatz 1 - 2 19053 Schwerin Per beA Datum:                                                    Unser Zeichen:                     Ihr Zeichen:                        Dokument4 Mittwoch, 23. März 2022, Leipzig                          UMR-50/22-AH                       NEU Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung Kanzlei Eisenbahnstraße Ludwigstraße 20 In der Pressesache                                                                                                      04315 Leipzig Kontakt: der Frau Vera Deleja-Hotko, c/o: Open Knowledge Foundation Deutschland e.V                                              Tel.: 0341-247 191 19 Fax: 0341-249 221 71 (FragDenStaat), Singerstr. 109, 10179 Berlin                                                                            kontakt@kanzlei-ebs.de - Antragstellerin -            www.kanzlei-ebs.de Rechtsanwält:innen Kristin Pietrzyk Prozessbevollmächtigte:                      Kanzlei Eisenbahnstraße, Ludwigstraße 20, 04315 Alexander Hoffmann Leipzig                                                                    Dr. Björn Elberling* Maik Elster Jonas Runge Christoph Köhler gegen                                                                                                                   * Fachanwält:in für Strafrecht die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, vertreten durch den Stiftungsvorstand, Grunthalplatz 13, 19053 Schwerin - Antragsgegnerin - Wegen: presserechtlichem Auskunftsanspruch Streitwert vorläufig: 6.000,00 € bestellen wir uns unter Vollmachtsvorlage (Anlage ASt. 1) zu Verfahrensbevoll- mächtigten der Antragstellerin und beantragen den Erlass einer einstweiligen Ver- fügung – wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung durch Be- schluss – mit folgendem Inhalt: Weitere Kanzleien:                                                 Bankdaten:                      Steuernummer: Kristin Pietrzyk / Alexander Hoffmann /                            Bankhaus Max Flessa             232/161/68909 Maik Elster:       Dr. Björn Elberling:                                                            Finanzamt Leipzig I Markt 23           Dänische Straße 15                              BIC  FLESDEMM 07743 Jena         24103 Kiel v
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Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin folgende Fragen zu beantworten: 1.  Welche Rechtsform, welchen Namen und welche Registerdaten hat oder hatte der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Stiftung? Bestanden oder bestehen neben ihm wei- tere Gesellschaften bzw. Tochtergesellschaften? Wenn ja welche? 2.  Ist die Stiftung Eigentümerin des „Blue Ship“ (IMO: 9381990)? Wenn nein, ist der Ge- schäftsbetrieb Eigentümer? 3.  Welche Arbeiten führt das Schiff “Blue Ship” aus? Wo hat das Schiff seit Anfang Oktober 2021 Einsätze durchgeführt? Was war die Funktion der Einsätze? Begründung: I. Sachverhalt 1. Die Antragstellerin ist Journalistin und Leiterin der Recherche-Abteilung der von der Open Know- ledge Foundation Deutschland e.V betriebenen Transparenz- und Investigativ-Plattform fragden- staat.de. Das Projekt FragDenStaat setzt sich für Transparenz bei öffentlichen Stellen ein und unter- stützt Bürger:innen mit dem Portal bei der Stellung von Anträgen auf Informationszugang nach den verschiedenen Informationsfreiheitsgesetzen. Neben der Antragstellerin sind die Journalisten Herr Aiko Kempen und Herr Arne Semsrott ebenso bei FragDenStaat beschäftigt. Mittels IFG- und Presse- auskunftsersuchen nehmen sie als Kollektiv eigene Recherchen vor und veröffentlichen diese ge- meinsam mit Medien, wie dem ZDF, Der Spiegel, Die Zeit und anderen. Die Antragsgegnerin ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die am 08.01.2021 von der Stiftungsbehörde des, dem Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern, anerkannt wurde. Glaubhaftmachung:                Stiftungsanerkennungsurkunde (Anlage ASt. 2) Die Antragsgegnerin besitzt eine Satzung, die aus einer Präambel und 14 Paragrafen besteht. Glaubhaftmachung:                Stiftungssatzung (Anlage ASt. 3) Aus § 1 Abs. 1 der Satzung ergibt sich, dass es sich bei der Stiftung um eine Landesstiftung handelt: „Die Stiftung führt den Namen „Stiftung des Landes MecklenburgVorpommern für Klima- schutz und Bewahrung der Natur – Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ und als Kurzbe- zeichnung “Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“.“ Seite 2 von insgesamt 14
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Die Stiftung wurde auf Antrag der 7. Landesregierung unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig vom Land Mecklenburg-Vorpommern mit einem Stiftungskapital von 200.000,00 € sowie einmali- gen 50.000,00 € für den Vollzugsaufwand für die Stiftungserrichtung ausgestattet. Glaubhaftmachung:                  Antrag Landesregierung vom 06.01.2021 (Anlage ASt. 4) Die Höhe des Stiftungskapitals ergibt sich auch aus § 13 S. 1 der Satzung, wonach die 200.000,00 € im Falle der Auflösung der Stiftung zurück an das Land Mecklenburg-Vorpommern fallen sollen. Bereits aus der Präambel ergibt sich der Stiftungszweck. So heißt es dort: „Das Land Mecklenburg-Vorpommern mit seiner wunderbaren, in weiten Bereichen un- ter Schutz stehenden Natur hat ein besonderes Interesse und eine besondere Verant- wortung für einen erfolgreichen Klima- und Umweltschutz. Diesem Interesse gilt der Ein- satz des Landes in allen politischen Handlungsfeldern, vor allem bei den direkten Maß- nahmen des Umweltschutzes und in der Energiepolitik, in der das Land Mecklenburg- Vorpommern mit dem gezielten Ausbau erneuerbarer Energien, vor allem der Windkraft, einen wichtigen Beitrag leistet. Die große Jahrhundertaufgabe „Klimaschutz“ kann aber nur gelingen, wenn sie im Bewusst- sein der breiten Mehrheit der Bevölkerung als existenziell wichtig verankert und von mög- lichst vielen aktiv unterstützt wird. MecklenburgVorpommern braucht eine breite Akzeptanz und Unterstützung für die verfolgten Ziele. Deshalb setzt sich das Land mit einer „Stiftung Klima- und Umweltschutz“ aktiv für die- ses wichtige Ziel ein. Die Stiftung will dabei offen sein für alle, die das Stiftungsziel mit Zu- stiftungen und Zuwendungen oder persönlichem Einsatz engagiert unterstützen. Zum Klimaschutz gehört auch die Sicherung einer möglichst klimaschonenden Energiever- sorgung. Deren Umsetzung benötigt für einen längeren Übergangszeitraum schnell und sehr flexibel einsetzbare Gaskraftwerke. Diese werden helfen, die fluktuierende Einspeisung für den längeren Übergangszeitraum, bis ausreichende und volkswirtschaftlich tragfähige Speichertechnologien im industriellen Maßstab und massenproduktionstauglich zur Verfü- gung stehen, durch schnell regelbare gesicherte Kraftwerksleistungen zu ergänzen und da- mit die Energieversorgungssicherheit sicherzustellen. Deshalb wird die Stiftung mit einem zu gründenden wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als zeitweiligem Nebenzweck zu den Arbeiten an der Pipeline Nord Stream 2 beitragen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern steht zu dieser Pipeline. Gas ist die klimaschonendste Übergangstechnologie zur Sicherung der notwendigen Energieversorgung. Eine sichere Gasversorgung liegt im Interesse der Menschen in Deutschland, Europa und Mecklenburg-Vorpommern.“ [Hervorhebungen durch den Unterzeichner] Glaubhaftmachung:                  Stiftungssatzung, Präambel (Anlage ASt. 3) Seite 3 von insgesamt 14
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Bereits hier wird deutlich, dass das Land bei Gründung der Stiftung vorgeblich die Zwecke des Klima- schutzes und der Energieversorgung als Stiftungszwecke ansah und eigene Interessen vorgab, die durch die Stiftung verwirklicht werden sollten. Konkretisiert werden die Stiftungszwecke sodann in § 2 Abs. 1 der Satzung. Es werden unter anderem Zwecke des Klimaschutzes, Verbesserung der ökologischen Situation, Gewässerschutz, Naturschutz, Schutz der Artenvielfalt und Energieversorgung mit vermeintlich klimaschonender Energie genannt. Organe der Stiftung sind gem. § 4 der Stiftungsvorstand sowie das Kuratorium. Der Stiftungsvorstand wird dabei gem. § 7 Abs. 1 der Satzung von der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern bestellt, wobei die Amtszeit der ersten Stiftungsmitglieder im Rahmen des Stiftungsgeschäfts vier Jahre beträgt (§ 7 Abs. 2) und im Regelfall drei Jahre (§ 7 Abs. 4 S. 3). Hervorzuheben ist der Umstand, dass die Ministerpräsidentin die Vorstandsmitglieder gem. § 7 Abs. 3 S. 3 jederzeit aus wichtigem Grund abberufen kann. Gem. 8 Abs. 3 der Satzung hat der Stiftungsvorstand den Willen des Stifters, also dem Land, im Rah- men des Stiftungsgesetzes und der Stiftungssatzung so wirksam wie möglich zu erfüllen. Auch das Kuratorium wird gem. § 10 Abs. 1 S. 1 der Satzung von der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern berufen. Zudem bestimmt diese auch den Vorsitzenden und stellv. Vor- sitzenden des Kuratoriums. 2. Mit Presseanfrage per Mail vom 04.03.2022 forderte die Journalistin und Leiterin der Recherche-Ab- teilung von FragDenStaat, Frau Vera Deleja-Hotko, die Antragsgegnerin auf, die im Antrag aufgelis- teten Fragen zu beantworten. Dazu setzte sie der Antragsgegnerin eine angemessene Frist bis zum 08.03.2022, 13 Uhr. Die Anfrage erfolgte im Zusammenhang mit einer Recherche zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klima- und Umweltstiftung MV, die diese Woche in einer Veröffentlichung resultieren sollte. Da die Klima-und Umweltstiftung vom Land Mecklenburg-Vorpommern finanziell wie politisch geför- dert und im Eilverfahren gegründet wurde, um den Bau der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 voranzutreiben, deren Inbetriebnahme seit der Fertigstellung 2019 wegen US-Sanktionen gegen Russland ausgesetzt wurde, ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in Anbetracht des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine von öffentlichem Interesse. Glaubhaftmachung:                Mail der Antragstellerin vom 04.03.2022 (Anlage ASt.5) Diese Presseanfrage blieb zunächst unbeantwortet. Seite 4 von insgesamt 14
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Mit E-Mail vom 16.03.2022 erinnerte die Antragstellerin an ihre Presseanfrage vom 04.03.2022 und setzte der Antragsgegnerin erneut eine Frist bis zum 18.03.2022 zur Beantwortung ihrer Fragen. Glaubhaftmachung:                  Mail der Antragstellerin vom 16.03.2022 (Anlage ASt. 6) Mit Mail vom 17.03.2022 beantwortete die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zumindest drei der sechs Fragen in sehr knapper Art und Weise. Die Beantwortung der antragsgegenständlichen Fragen verweigerte die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass man keine Fragen zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb beantworte. Glaubhaftmachung:                  Mail der Antragsgegnerin vom 17.03.2022 (Anlage ASt. 7) Mit Schreiben vom 18.03.2022 forderte der Unterzeichner die Antragsgegnerin außergerichtlich er- neut auf, die gestellten und noch nicht beantworteten Fragen zu beantworten. Dazu wurde wiederum eine Frist bis zum 21.03.2022, 18 Uhr gesetzt. Glaubhaftmachung:                  Anschreiben vom 18.03.2022 (Anlage ASt. 8) Eine Beantwortung oder Stellungnahme der Antragsgegnerin erfolgte nicht. II. Rechtliche Würdigung 1. Die Eröffnung des Rechtsweges zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist gegeben. Trotz des Umstands, dass die streitentscheidende Norm, der § 4 LPrG M-V, grundsätzlich dem öffent- lichen Recht zuzuordnen ist, ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Ein Rechtsstreit ist dem Zivilrecht zuzuordnen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt sind, ohne dass eine Partei mit öffent- lich-rechtlichen Handlungsbefugnissen ausgestattet und entsprechend aufgetreten ist (BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16; BVerwG, Beschluss vom 29.05.1990, Az.: 7 B 30/90). Das gilt auch für den Fall, dass die in Anspruch genommene juristische Person des Privatrechts staatlich beherrscht und ihre Tätigkeit in den Dienst der Daseinsvorsorge des Staats für seine Bürger gestellt wird (ebd.). In der genannten BGH-Entscheidung hat der BGH dies insbesondere für einen landespresserechtliche Aus- kunftsanspruch entschieden, den ein Journalist gegenüber einer von der öffentlichen Hand be- herrschten juristischen Person des Privatrechts geltend gemacht hat. Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt, so scheidet die Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus, es sei denn, eine Partei wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Seite 5 von insgesamt 14
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Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und gegenüber der anderen Partei als beliehenes Unter- nehmen tätig geworden (BGH, Beschluss vom 07.12.1999, Az.: XI ZB 7/99). Die Antragsgegnerin ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts und bezweckt ausweis- lich ihrer Satzung und den eigenen Angaben vorrangig Ziele des Klimaschutzes (Präambel; § 2 Abs. 1 der Satzung) sowie der Daseinsvorsorge (Energieversorgung, siehe ebenfalls Präambel; § 2 Abs. 1 der Satzung). Sie ist von der öffentlichen Hand beherrscht (s.u.), jedoch nicht mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattet, sodass der ordentliche Rechtsweg einschlägig ist. 2. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Schwerin ergibt sich gem. 17 ZPO auf Grund des Sitzes der Antragsgegnerin. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich auf Grund des Streitwertes, den wir vorläufig mit 6.000,00 € angeben. Da vorliegend keine vorläufige Regelung begehrt wird, sondern die endgültige Vorweg- nahme einer in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebende Entscheidung begehrt wird, ist die Ansetzung eines Streitwerts i. H. v. 6.000,00 € angemessen. 3. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. a) Ein Verfügungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 2 LPrG M-V. Danach hat die Presse gegen- über Behörden ein Recht auf Auskunft. Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Auch juristische Personen des Privatrechts unterfallen den landespresserechtlichen Auskunftsan- sprüchen, wenn sie im Hinblick auf die Landespressegesetze eine auskunftspflichtige Behörde dar- stellen. Dem Behördenbegriff in den Landespressegesetzen ist ein eigenständiger Begriff zugrunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 03.11.2011, Az.: 7 C 3/11.). Nach dem Regelungszusammenhang und dem Regelungsziel der Landespressegesetze ist der Be- hördenbegriff des Presserechts nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-te- leologisch zu verstehen (Engel in BeckOK Medienrecht, 35. Edition, Stand: 01.02.2021, § LPresseG NRW, Rn. 8.) Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, der Presse die ihr durch Art. 5 GG garantierte und in den Pressegesetzen manifestierte Funktion im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu gewährleisten und es ihr so zu ermöglichen, Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse umfassend und wahrheitsgetreu zu erhalten (vgl. BGH-Urteil 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16.) Der BGH hat dazu festgestellt: Seite 6 von insgesamt 14
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„Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht auf die staatliche Eingriffsverwaltung als typische Form staatlichen Handelns, sondern um fasst auch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Leistungsverwal- tung. Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung be- gründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisationsform bedient (vgl. BGH, NJW 2005, 1720 f.; OVG Saarland, ZUM-RD 1998, 573, 577; VGH Bayern, AfP 2007, 168, 169; OVG NRW, AfP 2008, 656, 657; OVG NRW, ZUM-RD 2013, 484, 485; Köhler, NJW 2005, 2337,2338. Der Behördenbegriff im Sinne von § 4 LPresseG erfasst daher auch juristische Personen des Privatrechts, die von der öffentlichen Hand beherrscht und zur Erfüllung öffentlicher Aufga- ben, namentlich im Bereich der Daseinsvorsorge, eingesetzt werden (vgl. BGH, NJW 2005, 1720 f.; OVG NRW, AfP 2008, 656 Rn. 4; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Juni 2014 - 4 K 3466/13, juris Rn. 44).“ Dass es sich bei der Stiftung um eine Landesstiftung handelt, ergibt sich bereits aus dem Namen der Stiftung, vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung der Stiftung. Die Stiftung wurde auch vollständig aus Landesmitteln gegründet und soll ausweislich der in der Satzung angegebenen Stiftungszwecke öffentlichen Auf- gaben dienen. Wie oben bereits dargestellt, heißt es bereits in der Präambel der Satzung in Bezug auf Umwelt- schutz, Energiepolitik und Klimaschutz: „Deshalb setzt sich das Land mit einer „Stiftung Klima- und Umweltschutz“ aktiv für dieses wichtige Ziel ein.“ Folglich gibt das Land mit der Stiftung vor, auf direktem Wege öffentliche Aufgaben zu fördern, da Umwelt- und Klimaschutz sowohl in der Landesverfassung M-V (z.B. Art. 12) und im Grundgesetz (Art. 20a) verfassungsrechtlich verbürgt sind. Darüber hinaus will die Antragsgegnerin auch im Bereich der Daseinsvorsorge, hier der Energiever- sorgung, tätig sein (vgl. Präambel der Satzung; § 2 Abs. 1 der Satzung). Dass es sich bei der Energieversorgung um einen unmittelbaren Teil der Daseinsvorsorge handelt, ist unstrittig (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 02.11.2015, Az.: 1 BvR 1530/15; 1 BvR 1531/15.). Die Antragsgegnerin wird auch von der öffentlichen Hand beherrscht. Dem Staat ist eine Flucht ins Privatrecht auf Grund seiner Grundrechtsbindung untersagt, sodass der presserechtliche Auskunftsanspruch besteht, wenn das privatrechtliche Unternehmen von der öf- fentlichen Hand beherrscht wird (zur Grundrechtsbindung, Fraport-Entscheidung: BVerfG, Urteil vom 22.02.2011, Az.: 1 BvR 699/06; speziell zur presserechtlichen Auskunftspflicht von Unternehmen, die von der öffentlichen Hand beherrscht werden: BGH, Urteil vom 10.02.2005, Az.: III ZR 294/04.). Für die Frage der Beherrschung ist grundsätzlich der Anteil der unmittelbar oder mittelbar vom Staat gehaltenen Beteiligung maßgeblich (BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16; vgl. auch: BGH, Urteil vom 10.02.2005, Az.: III ZR 294/04.) Eine Beherrschung ist danach in der Regel anzunehmen, wenn Seite 7 von insgesamt 14
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mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen (BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16). Nicht entscheidend sein soll, ob die öffentliche Hand auf der Grundlage der aktuellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats oder der Fassung der Satzung konkrete Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung hat, da Einwirkungsbefugnisse auch änderbar seien und es auf aus der Mehrheitsbeteiligung folgende Gesamtverantwortung ankomme (ebd.). In einer Entscheidung des VG Gelsenkirchen zu einem presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen- über einer privatrechtlichen Stiftung, deren sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Auf- gaben bedient, macht das Gericht deutlich, dass ein „Beherrschen durch die öffentliche Hand“ indi- ziert ist, wenn die öffentliche Aufgabe auch mittels des Grundstockvermögens erfüllt wird (VG Gel- senkirchen, Urteil vom 25.06.2014, Az.: 4 K 3466/13.). In Bezug auf die Besonderheit des Stiftungswesens und die vorliegende Konstellation müssen zur Prüfung, ob das Land Mecklenburg-Vorpommern als öffentliche Hand die Antragsgegnerin be- herrscht, zusätzlich eine Reihe weiterer Faktoren berücksichtigt werden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist alleiniger Stifter der Antragsgegnerin gewesen und hat der Stiftung ein Stiftungskapital i. H. v. 200.000,00 € zur Verfügung gestellt. Bei Auflösung der Stiftung soll dieses Kapital ausweislich § 13 Abs. 1 der Stiftungssatzung auch wieder an das Land zurückfallen. Verschiedenen Presseberichten war zwar zu entnehmen, dass die Firma „Nord Stream“ der Antrags- gegnerin eine nicht unerhebliche Summe (die das Stiftungskapital bei weitem übersteigt) zur Verfü- gung gestellt hat, jedoch ist diese Summe, wie der Antwort 6 der Antragsgegnerin vom 17.03.2022 (Anlage ASt. 7) zu entnehmen ist, offenbar nicht dem Stiftungskapital zugeflossen. Auch andere Zu- stiftungen habe es nicht gegeben. Gem. § 3 Abs. 1 Nr. a) der Satzung erfüllt die Stiftung ihre Aufgaben (hier Klima- und Umweltschutz sowie Energieversorge) auch mittels der Erträge aus ihrem Grundstockvermögen. Auf Grund dieser Art des Wirtschaftens ist indiziert, dass die Antragsgegnerin von der öffentlichen Hand beherrscht wird, da die Erträge aus dem Stiftungsvermögen die Rechtsnatur des öffentlich- rechtlichen Stiftungsvermögens teilen (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.06.2014, Az.: 4 K 3466/13.). Die Antragsgegnerin ist finanziell maßgeblich durch die öffentliche Hand begründet worden. Zwar ist zuzugeben, dass eine Stiftung nach deutschem Stiftungsrecht nach der Errichtung der Stif- tung grundsätzlich unabhängig von ihrem Stifter ist, jedoch ist sie weiter im besonderen Maße an den Stifterwillen und den damit verbundenen Stiftungszweck gebunden. Da die Stiftung über keinerlei Mitglieder, sondern nur über Stiftungsorgane verfügt, die den Stifter- willen ausführen, ist der Stifterwillen auch im Hinblick auf ein „Beherrschen“ besonders entscheidend. Die Vorgabe durch den Stifterwillen macht das Wesen der mitgliederlosen Stiftung aus (Weitemeyer in MüKo-BGB, 9. Aufl., 2021, § 81, Rn. 34.). Daraus folgt auch, dass jede Satzungsänderung, die zu einer Änderung des Stiftungszweckes führen würde, keine Genehmigung der Stiftungsbehörde erhalten kann (BVerwG, Beschluss vom 29.11.1990, Az.: 7 B 155/90.). Seite 8 von insgesamt 14
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Daran wird deutlich, dass der Stiftungswille derart maßgeblich für den Betrieb der Stiftung ist, dass der Stiftungswille die Stiftung beherrscht. Wie bereits unter I.1. dargestellt, gibt die Antragsgegnerin vor, den Zielen des Klimaschutzes, der Ver- besserung der ökologischen Situation, des Gewässerschutzes, Naturschutz, dem Schutz der Arten- vielfalt und der Energieversorgung mit vermeintlich klimaschonender Energie zu dienen. Dieser vor- gegebene Stifterwillen ist wesentlich für das Handeln der Stiftungsorgane. Zwar proklamiert die Satzung, dass der Stiftungsvorstand weisungsunabhängig sei (§ 8 Abs. 1 S. 2 der Satzung), jedoch hat das Land - und genauer, die Landesregierung - mittels der Ministerpräsidentin weiterhin weitreichende, zumindest mittelbare Weisungsmöglichkeiten. So ist es die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der gem. § 7 Abs. 1 der Satzung den Stiftungsvorstand bestellt. Im Rahmen des Stiftungsgeschäfts wurden die ersten Mitglieder des Stiftungsvorstandes durch das Land bestellt, § 7 Abs. 2 der Satzung. Die Ministerpräsidenten kann gem. § 7 Abs. 3 S. 3 der Satzung die Vorstandsmitglieder jederzeit ab- berufen. Gem. § 7 Abs. 4 der Satzung die Ministerpräsidentin nach Ausscheiden oder Tod neue Vor- standsmitglieder bestellen, diese nach Ablauf der Amtszeit wiederbestellen und bestimmen, wer Vor- sitz und den stellvertretenden Vorsitz im Stiftungsvorstand übernimmt. Folglich kann die Ministerpräsidentin durch Personalentscheidungen im besonderen Maße auf die laufenden Geschäfte der Antragsgegnerin einwirken, sodass unverkennbar ein großer Einfluss be- steht. Auch auf das den Vorstand beratende Kuratorium (welches laut Antwort der Antragsgegnerin vom 17.03.2022, Anlage ASt. 7, noch nicht besetzt worden sei) kann das Land mittels der Ministerpräsiden- tin großen Einfluss nehmen. Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 der Satzung beruft die Ministerpräsidentin das Kuratorium und bestimmt den Vorsitz und stellvertretenden Vorsitz. Zudem sollen gem. § 10 Abs. 4 der Satzung auch Vertreter:innen des Umwelt-, des Wirtschafts- und des für Energie zuständigen Ministeriums dem Kuratorium angehören, wodurch einmal mehr deut- lich wird, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern weiterhin einen wesentlichen Einfluss auf die Antragsgegnerin besitzt. Auch wenn der BGH, wie oben dargestellt in seiner Entscheidung vom 16.03.2017 (Az.: IZR 13/16) dar- gestellt hat, dass eine Beherrschung „in der Regel anzunehmen“ ist, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stehen und dass das Kriterium der Beherrschung nicht auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats oder der Fassung der Satzung abstelle, muss hier be- rücksichtigt werden, dass der BGH über einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber ei- ner Aktiengesellschaft entschieden hat, bei der sich die Beteiligung einfacher anhand der gehaltenen Aktienanteile messen lässt. Diese Entscheidung geht gerade nicht auf die Besonderheiten der Stif- tung ein. Durch die Verwendung des Wortes „in der Regel“ wird deutlich, dass der BGH auch Abwei- chungen für möglich hält. So liegt es auf Grund der Besonderheiten der Stiftung hier. Würde man einen Auskunftsanspruch verneinen, weil sich der Staat für die Erfüllung öffentlicher Auf- gaben (hier: Klimaschutz und Energievorsorge) einer privatrechtlichen Stiftung bedient, die nicht im Seite 9 von insgesamt 14
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Sinne einer Aktiengesellschaft oder GmbH anteilig aufgeteilt sein kann, würde man dem Staat die untersagte Flucht ins Privatrecht ermöglichen. Da dies nicht im Sinne der st. Rspr. Ist, liegt ein „Be- herrschen der öffentlichen Hand“ auch dann vor, wenn das Stiftungskapital vollständig oder überwie- gend aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt ist, der Stiftungszweck öffentlichen Aufgaben dient und der Staat auch weiterhin Einflussmöglichkeiten auf den Stiftungsbetrieb besitzt. Gemessen an diesen Vorgaben ist ein Auskunftsanspruch vorliegend zu bejahen. Das Stiftungskapital wurde vollständig vom Land zur Erfüllung der die Stiftung beherrschenden Stiftungszwecke bereit- gestellt. Die Antragsgegnerin ist mit finanziellen Mitteln des Landes begründet worden und erfüllt ihre öffentlichen Aufgaben auch mittels der Erträge des öffentlich-rechtlichen Grundstockvermö- gens, sodass die Erträge diese Rechtsnatur teilen. Die Antragsgegnerin wird von der öffentlichen Hand beherrscht. Darüber hinaus besitzt die öffentliche Hand über die Ministerpräsidentin auch weiterhin weitrei- chende Einflussnahmemöglichkeiten, die in der Gesamtschau dazu führen, dass die Antragsgegnerin von der öffentlichen Hand beherrscht wird. Der Auskunftsanspruch umfasst auch die Mitteilungspflicht der Antragsgegnerin über den von ihr betriebenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Zunächst ist festzuhalten, dass der über die landespressegesetzlichen Auskunftsansprüche kodifi- zierte Anspruch weit zu fassen ist. Bei der Auslegung des § 4 LPrG M-V ist der grundgesetzlichen Wertentscheidung der Pressefreiheit hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. nur BGH, Urteil vom 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16; BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 - III ZR 294/04.). Die Pressefreiheit umfasst nicht nur die Freiheit der Verbreitung von Nachrichten und Meinungen, sondern auch die Beschaffung von Informationen. Der in den Landes- pressegesetzen verbriefte Anspruch kodifiziert die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit einfach- gesetzlich. Der BGH hat in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung (Urteil vom 16.03.2017, Az.: I ZR 13/16) dazu ausgeführt: „Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen, durch die Vermittlung von Informationen an der freien individuellen und öffentlichen Mei- nungsbildung teilzunehmen (vgl. BVerfG, ZUM-RD 2015, 148 Rn. 26; ZUMRD 2016, 4 Rn. 14; ZUM 2016, 45 Rn. 16). Die daraus grundsätzlich folgenden Auskunftspflichten der Behörden sollen der Presse ermöglichen, umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse im staatlichen Bereich zu erhalten und dadurch in die Lage ver- setzt zu werden, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten. Auf diese Weise kann der Bürger zutreffende und umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Ver- hältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen blieben, aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für die Meinungsbildung essentiellen Fragen haben können (vgl. BVerfG, ZUM-RD 2016, 4 Rn. 14; BGH, NJW 2005, 1720; VGH Bayern, AfP 2007, 168, 169).“ Seite 10 von insgesamt 14
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