Lagebericht Afghanistan 2018

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vs .(!/::...- .- --"1in geschwärzter Nar fiir tle& Die&stgehRu�:ell " Fassung nicht als VS eingestuft wohner im Jahr 20 1 7 leicht über dem landesweiten Durchschnitt, war aber dennoch weniger angespannt als in der südlichen oder der östlichen Region. Im Gegensatz zu den Selbstmordanschlägen und komplexen Attacken der Taliban richten sich vom sogenannten ISKP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) durchgeführte Anschläge auch unmittelbar gegen Zivilisten, insbesondere gegen die schiitische Minderheit der Hazara, die auch wegen der Teilnahme afghanischer Schiiten am Kampf gegen den IS auf Seiten des syrischen Regimes im Brennpunkt des ISKP steht. Landesweit schreibt UNAMA dem ISKP 1 .000 zivile Opfer (399 Tote und 60 1 Verletzte) im Jahr 20 1 7 zu. Die Opferzahlen, die dem ISKP zugeschrieben werden, sind damit im Jahr 20 1 7 um weitere 1 1 % gestiegen. Anschläge des ISKP auf Hazara in deren angestammtem Siedlungsgebiet in der zentralen Hochlandregi­ on sind bislang nicht bezeugt. Die Häufigkeit von Angriffen auf religiöse Stätten steigt weiter. UNAMA (Protection of Ci­ vilians in Armed Conflicts: Attacks against Places of Worship, Religious Leaders and Wor­ shippers vom 7. November 20 1 7) dokumentiert im Zeitraum Januar 20 1 6 bis Anfang Novem­ ber 20 1 7 5 1 Vorfälle mit 850 Opfern (283 Tote, 577 Verletzte), fast doppelt so viele wie im Zeitraum 2009 bis 20 1 5 . Der überwiegende Anteil der Angriffe richtete sich gegen religiöse Stätten der Shia (737 Opfer, davon 242 Tote, 495 Verletzte). 3. Ausweichmöglichkeiten Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielen eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz und die Sicherheit am neuen Aufenthaltsort. Für eine Unterstützung seitens der Familie kommt es auch darauf an, welche politische und religiöse Überzeugung den jeweiligen Heimatort dominiert. Für Frauen ist es kaum möglich, ohne fa­ miliäre Einbindung in andere Regionen auszuweichen. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten. Auch in größeren Städten erfolgt in der Regel eine Ansiedlung innerhalb von ethnisch gepräg­ ten Netzwerken und Wohnbezirken. Die Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten, vor allem im Umfeld größe­ rer Städte, ist durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen. Dies schlägt sich sowohl in einem Anstieg der Lebenshaltungskosten als auch in einem erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt nieder. Während Afghanen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen dürfen, werden Si­ cherheitsbedenken als zentrale Hürde für die Bewegungsfreiheit innerhalb Afghanistans ge­ nannt. Besonders betroffen ist das Reisen auf dem Landweg. Dazu beigetragen hat ein An­ stieg von illegalen Kontrollpunkten und Überfällen auf Überlandstraßen. Es gibt internationa­ le Flughäfen in Kabul, Herat, Kandahar und Masar-e Scharif, bedeutende Flughäfen ftir den Inlandsverkehr außerdem in Ghazni, Nangharhar, Khost, Kunduz und Helmand sowie eine Vielzahl an regionalen und lokalen Flugplätzen. Es gibt keinen öffentlichen Schienenperso­ nenverkehr. Die überwiegende Mehrheit der in den vergangeneo Jahrzehnten aus ihrem Heimatland geflo­ henen Afghanen fand in den Nachbarländern Iran und Pakistan Aufnahme. Iran und Pakistan beherbergen aktuell drei bis vier bzw. _etwa zweieinhalb Millionen Afghanen. Trotz Bestre­ bungen insbesondere Pakistans, die Rückkehr der Afghanen zu erwirken, haben beide Länder im Berichtszeitraum Maßnahmen ergriffen, um die mehrheitlich nicht dokumentierten Afgha­ nen im Land zu registrieren und deren Lebensbedingungen zu verbessern. Allerdings werden die Aufenthaltsrechte in Pakistan häufig nur sehr kurzfristig (momentan ftir drei Monate) ver- ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 21
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�/::..---.,in geschwärzter """ VS N01 fü• den Bienstgehraaeh Fassung nicht als VS eingestuft längert. Zudem gibt es wiederkehrend Hinweise auf systematische, zwangsweise Rückfii h­ rungen durch iranische Behörden nach Afghanistan. Daneben gibt es regelmäßig auch freiwil­ lige Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Iran und Pakistan. Die Bundesregierung unter­ stützt seit vielen Jahren afghanisehe Flüchtlinge im Iran und in Pakistan durch verschiedene Maßnahmen. 4. Militärische Lage Seit dem Ende der ISAF-Mission zum Jahreswechsel 20 1 4/1 5 tragen die afghaniseben Streit­ kräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) die Verantwortung fiir die Sicherheit in Afghanistan. Die aktuelle Sollstärke beträgt 352.000 Soldaten (Afghan National Army, ANA) und Polizisten (Afghan National Police, ANP) zuzüglich 30.000 Afghan Local Police (ALP). Die Stellen der ANA sind zu etwa 86%, die der ANP zu etwa 95% besetzt. Aufgrund von Führungsmängeln, unzureichender Ausbildung und des ständigen Einsatzes ihrer Spezialkräfte ohne ausreichende Ruhephasen stehen die afghaniseben Sicherheitskräfte unter äußerster Anspannung. Seit dem Abzug des Großteils der internationalen Truppen bei Beendigung der ISAF -Mission agieren die Aufständischen mit größerer Bewegungsfreiheit. Mit rund 20 unterschiedlichen Gruppierungen findet sich in Afghanistan die höchste Konzentration an bewaffneten Wider­ stands- und Terrororganisationen weltweit. Die stärkste Kraft der Aufständischen bilden wei­ terhin die Taliban. Sie versuchen den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägten ländlichen Gebieten, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zu­ nehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz und Faryab im Norden - zu konso­ lidieren und auszuweiten. Nach Einschätzungen zum Jahresende 20 1 7 üben die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. In 1 23 Distrikten üben sie trotz fortdauernder Präsenz von staatlichen Sicherheitskräften und Verwaltungsstrukturen Einfluss aus. Nach einem abweichenden Schema stufte der US-Special Inspector General for Afgha­ nistan Reconstruction (SIGAR) im Januar 20 1 8 1 2 Distrikte als von Aufständischen kontrol­ liert, 45 als beeinflusst und 1 20 als umstritten ein. Demnach leben 64% der B�völkerung im Einflussbereich der Regierung, 1 2% im Einflussbereich der Aufständischen und 24% in um­ strittenen Gebieten. Weitere Quellen arbeiten mit anderen Methoden und Kategorisierungen, kommen aber zu ähnlichen Ergebnissen. Nach Einschätzung der NATO lässt sich die gegenwärtige militärische Lage als Patt beschrei­ ben. Die Initiative ergreifen aber bisher noch, wie in einem asymmetrischen Konflikt nicht unüblich, primär die Aufständischen. Es gelingt den Taliban oft für längere Zeiträume, wich­ tige Überlandstraßen zu blockieren. Die Einnahme einer Provinzhauptstadt konnten sie aller­ dings - abgesehen von einem kurzen Eindringen in Kundus im Jahr 20 1 5 - bislang nicht errei­ chen: Alle 34 Provinzhauptstädte befinden sich weiterhin unter der Kontrolle der Regierung. 20 1 7 und zu Beginn des Jahres 20 1 8 konzentrieren sich die Angriffe der Taliban vielmehr auf einzelne Distriktzentren in den Provinzen Farah, Kandahar, Ghor, Faryab, Paktiya, die zum Teil von den ANDSF zurückgewonnen werden konnten. Auch die Aufständischen mussten in den vergangenen Jahren hohe Verluste verzeichnen. Als weiterer Faktor sind seit 20 1 5 militante Gruppen hinzugekommen, die sich zum ISKP bekennen und in einzelnen Distrikten in den Provinzen Nangarhar und Kunar die Kontrolle bzw. Einfluss ausüben. Hinzu kommen Gruppen, die sich zum ISKP bekennen, in den nördli­ chen Landesteilen, insbesondere in der Provinz Jowzjan. Hier kommt es regelmäßig zu Zu­ sammenstößen zwischen dem ISKP und den Taliban. © Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 22
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V'S 111. 1. / -'_--- ---, in geschwärzter � Na1 fü1 den Bien:stgebt aneh Fassung nicht als VS eingestuft Menschenrechtslage Schutz der Menschenrechte in der Verfassung Die Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage. Die 2004 verab­ schiedete afghanisehe Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog. Darüber hinaus hat Afghanistan die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert: Unterzeichnet Ratifiziert Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte X X Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte X X X X Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der X Frau (CEDAW) X X X X X derpornografie X X Statut des I nternationalen Strafgerichtshofs X X VN-Fiüchtlingskonvention X X Zusatzprotokoll zur VN- Flüchtlingskonvention X X Genfer Konventionen und I h re Zusatzprotokolle X X Kriminalität X X Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsarbeit X X Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf X Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts X Übereinkommen über das Mindestalter X Übereinkommen über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit X Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen X Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung Übereinkommen über Rechte des Kindes Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffne- ten Konflikten Fakultativprotokoll betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kin- Übereinkommen der VN gegen die grenzüberschreitende organisierte X Wegen des allgemeinen Islamvorbehalts darf laut Verfassung kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so dass nicht festgelegt ist, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem, islamischem Recht und sei­ nen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und das Fehlen einer Autoritäts­ instanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen An­ wendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen. ©Auswärtiges Amt 2018 - Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 23
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V!!il ..e"';.- .._ -----1in geschwärzter "NaF fiiF tlea Dieastgeb1aach ' Fassung nicht als VS eingestuft 2. Folter Afghanistan ist Vertragsstaat der Convention against Torlure and Other Cruel Inhuman and Degrading Treatment or Punishment. Laut der afghaniseben Verfassung (Art. 29) sowie dem afghaniseben Strafgesetzbuch (Penal Code) und dem afghaniseben Strafverfahrensrecht (Criminal Procedure Code) ist Folter verboten. Die afghanisehe Regierung hat im Februar 20 1 5 einen National Action Plan on the Elimination of Torture verabschiedet. Obwohl es Fortschritte gab, ist Folter in afghaniseben Haftanstalten weiterhin verbreitet. Ins­ besondere Personen, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen wurden, sind häufig von Folter betroffen. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Fälle von Folter in Haftanstalten des NDS sowie von Häftlingen in Gewahrsam der ANP, der ALP und der ANA sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden als Problem anerkannt. Es gibt keine Berichte über Folter in Haftanstalten, die der Kontrolle des General Directorate for Prison an Detention Centres des afghaniseben Innenministeriums unterliegen. Die afghanisehe Regierung hat Kontrollmechanismen eingeführt, um Fälle von Folter verfol­ gen und verhindem zu können. Allerdings sind diese weder beim NDS noch bei der afghani­ sehen Polizei durchsetzungsfähig. Daher erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Laut UNAMA besteht ein "al­ most total lack of accountability". Die Lage von Häftlingen, die im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan festgenommen wurden, scheint sich insgesamt ver­ schlechtert zu haben: 39% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 35% im UNAMA-Bericht vom Februar 20 1 5). Auch der im Juni 20 1 7 vorgestellte Bericht der VN-Folterkommission beklagt eine "Kultur der Straflosigkeit" in Fällen von Folter. Nur bei den wenigsten Vorwürfen über Folter werden die Täter ermittelt, angeklagt oder verurteilt. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den UNAMA-Bericht "Treatment of Conflict Related De­ tainees in Afghan Custody: Implementation of Afghanistan 's National Plan on the Eliminati­ on of Torture" vom April 20 1 7 verwiesen. 3. Todesstrafe Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen. Es gibt ein Präsidialdekret aus dem Jahr 1 992, welches die Anwendung der Todesstrafe auf fünf Delikte einschränkt: (vorsätzlicher) Mord, Genozid, Sprengstoffat­ tentate (i.V.m. Mord), Straßenräuberei (i.V.m. Mord) und Angriffe gegen die territoriale In­ tegrität Afghanistans. Dieses Präsidialdekret wurde allerdings in jüngster ·Zeit nicht beachtet. Das neue Strafgesetz, dass seit dem 14. Februar 20 1 8 in Kraft ist, hat die Zahl der Straftaten, aufgrund derer ein Mensch zum Tode verurteilt werden kann, deutlich verringert. Unter dem Einfluss der Scharia droht die Todesstrafe auch bei anderen "Delikten" (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch (sog. ,,zina"), Straßenraub). Die Entscheidung über die Todesstrafe wird vom Obersten Gericht getroffen bzw. bestätigt und kann nur mit Zustimmung des Präsidenten vollstreckt werden. Die Todesstrafe wird durch Erhängen ausgeführt. Laut Amnesty International wurden 20 1 7 1 1 Menschen zu Tode verurteilt. Im Jahr 20 1 7 fand die Hinrichtung von fünf und am 28. Januar 20 1 8 von drei Men­ schen statt. Alle wurden aufgrund von Entführungen und Mord zum Tod verurteilt. Zuvor wurden 20 1 6 sechs Terroristen hingerichtet. Zurzeit sind in Afghanistan ca. 600 Menschen zum Tod verurteilt. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 24
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YS Nur fiir den Dienstgebt auch in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzu­ verlässig wahrgenommenen Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zah­ lungen freikommen können. Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hat und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, die die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, ist davon auszugehen, dass weiter Todesurteile vollstreckt werden. 4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen Immer wieder, so auch im Jahr 20 1 7, werden Fälle dokumentiert, in denen nicht-staatliche Gruppen, darunter auch Taliban, eigenmächtig Todesurteile oder körperliche Strafen verhängt und vollzogen haben. Von einer nicht bekannten Dunkelziffer derartiger außergerichtlicher Verfahren ist auszugehen. Die afghanisehe Regierung verurteilt diese Exekutionen. Regierungsfeindliche Kräfte nutzen die Abwesenheit oder das mangelnde Vertrauen in staat­ liche Justizstrukturen, um eine eigene "parallele Rechtsprechung" durchzusetzen. UNAMA berichtet für das Jahr 20 1 7 von 23 Vorfällen, in denen regierungsfeindliche Kräfte einschließ­ lich der Taliban Strafmaßnahmen vollzogen haben. Bei den Strafen handelte es sich um Exe­ kutionen inkl. Steinigungen, Auspeitschungen und Schläge, Haftstrafen sowie Strafzahlungen. Die Maßnahmen hatten 2 1 Todesopfer und zwölf Verletzte zur Folge, was einem Rückgang von 34% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Allerdings wird aufgrund der schlechten Informationslage in Gebieten, die von regierungsfeindlichen Kräften kontrolliert werden, davon ausgegangen, dass es deutlich mehr Fälle gibt. Der Großteil der Fälle wird den Taliban zugeschrieben. Vereinzelte Fälle werden jedoch auch durch den ISKP oder andere Gruppierungen verübt. "Parallele Rechtsprechung" ist nach dem afghanischen Recht zwar verboten, wird aber kaum bis gar nicht staatlich verfolgt. In staatlichen Gefängnissen werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Zudem erhalten Inhaftierte trotz gesetzlicher Regelung nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass afghanisehe Richter sich bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Ange­ klagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeu­ tung, wodurch sich der Druck aufNDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Die Haftbedingungen in Afghanistan entsprechen nicht den internationalen Standards. Es gibt Berichte über Misshandlungen in Gefängnissen. Vor allem Frauen und Kinder werden häufig Opfer von Misshandlungen. Kinder inhaftierter Frauen leben in vielen Fällen zusammen mit ihren Müttern im Gefängnis. Schätzungen zufolge leben über 300 Kinder in afghanischen Gefängnissen, ohne selbst eine Straftat begangen zu haben. Ab einem Alter von fünf Jahren ist es möglich, die Kinder in ein Heim zu transferieren. Allerdings gibt es diese Heime nicht in jeder Provinz. Die wenigen existierenden Heime sind überfüllt. Zusätzlich müssen die Müt­ ter einem Transfer der Kinder in ein Heim zustimmen. 5. Lage ausländischer Flüchtlinge und afghanischer Binnenflüchtlinge Laut UNHCR gibt es in Afghanistan derzeit ca. 205 Asylbewerber sowie insgesamt rund 68.000 Flüchtlinge, meist aus Pakistan. Diese halten sich vorrangig in den Provinzen Khost und Paktika auf. Im Jahr 20 1 7 wurden laut UNHCR ca. 450.000 Menschen durch den Konflikt innerhalb Af­ ghanistans vertrieben (20 1 6 : 670.000). Die Gesamtzahl von Binnenflüchtlingen lag UNHCR ©Auswärtiges Amt 2018 - Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 25
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-E / ;._----tin geschwärzter ' · VS Nar für den Dienstgebt auch Fassung nicht als VS eingestuft - zufolge Ende 20 1 6 bei ca. 1 ,8 Millionen. Bis Ende März 20 1 8 kamen über 54.000 hinzu, über die Hälfte stammten aus den Regionen, Kunduz, Takhar, Kunar, Faryab und Laghman. Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flücht­ lingslagern, angernieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark einge­ schränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflücht- Iinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. IV. Rückkehrerfragen 1. Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt. Trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der afghaniseben Regierung und kontinuierlicher Fortschritte belegte Afghanistan 20 1 6 lediglich Platz 1 69 von 1 88 des Human Development Index. Die Armutsrate hat sich von 36% 2008 auf 39% 20 1 4 verschlechtert. Dabei bleibt das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant: Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte gibt es vielerorts nur unzureichende Infrastruk­ tur für Energie, Trinkwasser und Transport. Das rapide Bevölkerungswachstum von rd. 2,4% im Jahr (d.h. Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation) ist neben der Sicherheitslage die zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. Dieses Wachstum macht es dem afgha­ niseben Staat nahezu unmöglich, alle Grundbedürfnisse der gesamten Bevölkerung angemes­ sen zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen, etwa im Bildungsbe­ reich, bereit zu stellen. Auch die Integration der rasant wachsenden Zahl von Arbeits­ markteinsteigern bildet eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibt geprägt von den Nachwirkungen des Abzugs bis 20 1 4 in größerer Zahl präsenter internationaler Truppen, der schwierigen Sicherheitslage so­ wie schwacher Investitionstätigkeit. Zugleich gibt es erhebliche Bemühungen internationaler Partner zur Wirtschaftsbelebung. In 20 1 7 betrug das Wirtschaftswachstum 2,6%. Die Abwer­ tung des Afghani gegenüber dem US-Dollar schreitet weiter voran, bei gleichzeitiger Deflati­ on. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum ist kurzfristig nicht in Sicht, wenn auch Afgha­ nistan im Agrar- und Rohstoffbereich sowie durch seine geostrategische Lage über erhebli­ ches Wachsturnspotential verfügt. Das Vertrauen von Investoren und Verbrauehern in Afghanistan ist nach wie vor niedrig. Ur­ sache hierfür sind die schwierige Sicherheitslage sowie die vorherrschende Korruption und Unzuverlässigkeit des staatlichen Verwaltungsapparates. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibt eine zentrale Herausforderung für Afghanistan. Nach Angaben der Weltbank ist die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 201 4 von 25% auf 39 % gestiegen. Dabei ist zu beachten, dass der Anteil formaler Beschäftigungsverhältnisse, ähnlich wie in den benachbarten Staaten Asiens, extrem gering ist. Die afghanisehe Regierung ist sich des schweren wirtschaftlichen Erbes und der sozialen Mammutaufgaben bewusst und versucht, ihr mit angemessenen Maßnahmen im Rahmen der Nationalen Prioritätsprogramme (NPP) zu begegnen, die in Abstimmung mit den internationa­ len Gebern die Entwicklungsziele in allen zentralen Bereichen identifizieren. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 26
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VS geschwärzter .4f "":.----tin ...- NaF fiiF dea·Dieastgeln=auQil ....... Fassung nicht als VS eingestuft 1.1. Grundversorgung Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies in besonderem Maße. Viele von ihnen sind auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Millionen Menschen, ein Drittel der afghaniseben Bevölkerung, humanitäre Hilfe. Bedarf besteht besonders an Unterkunft, Nahrung, sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Die hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Über­ schwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Gerade der Norden - eigentlich die "Kom­ kammer" des Landes - ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt. Für 201 8 wird eine Dürre mit erheblichen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Versorgung der Bevölkerung vorhergesagt. Die aus Konflikten und chro­ nischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten haben dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten. Die afghanisehe Regierung hat 20 1 7 mit der Umsetzung des Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Eine Sonderkommission arbeitet an einem neuen, transparente­ ren Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer. Generell führt die unklare Landverteilung häufig zu Streitigkeiten. Gründe hierfür sind die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinander­ setzungen, mangelhafte Verwaltung und Dokumentation von An- und Verkäufen sowie das große Bevölkerungswachstum. So liegen dem afghaniseben Innenministerium Berichte über widerrechtliche Aneignung von Land aus 30 Provinzen vor. Angehörige, insbesondere Ehepartner oder Kinder im Dienst verstorbener Polizistinnen und Polizisten erhalten Einmalzahlungen, aber keine staatliche Witwen- oder Waisenrente oder eine vergleichbare staatlich organisierte Unterstützung. Es gibt Nichtregierungsorganisationen, die diese Familien finanziell und durch Fortbildungen o. ä. unterstützen. Die Höhe der ausge­ zahlten Beträge ist dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. 1.2. Rückkehr und Reintegrationsprojekte im Herkunftsland Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei­ Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghaniseben Flüchtlin­ gen in ihr Heimatland geschlossen. Deutschland und Afghanistan haben am 2. Oktober 20 1 6 eine Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration abgegeben. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Einige Länder arbeiten auch eng mit der Internationalen Organisation für Migration (lOM) in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Vo/untary Return zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. lOM bietet Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul mit bis zu zweiwöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration ein­ schließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines An­ stoßkredits an. Im März 20 1 7 wurde ein von der EU gefördertes lOM-Programm i. H. v. 1 8 Millionen Euro gestartet, das die Integration von Rückkehrern unterstützt. Die von der Bundesregierung geförderte International Psychosocial Organisation (IPSO) bietet Rückkehrern kostenlos psychosoziale Beratung an. Dies wird von ca. der Hälfte der aus Deutschland rückgeführten Personen in Anspruch genommen. Das Auswärtige Amt fördert Projekte des Returnee Education Trust (RET Germany e.V.) in Kabul, Bagram und Kunduz. Rückkehrer werden durch Programme zur Alphabetisierung, ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten 27
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YS Nur fiir deR Die&stgeiJFaul a l in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Weiterbildung und Existenzgründung vor Ort unterstützt. Gleichzeitig sollen Mediatoren bei Konflikten zwischen Rückkehrern und der lokalen Bevölkerung vermitteln. Die Bereitstellung von Kinderbetreuung soll Frauen die Teilnahme an den Programmen ermöglichen. Künftig werden über das BMZ-Rückkehrerprogramm "Perspektive Heimat" Rückkehrer aus Deutschland bei der Reintegration vor Ort unterstützt, insbesondere bei der Existenzgründung, Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt. 1.3. Medizinische Versorgung Seit 2002 hat sich die medizinische Versorgung in Afghanistan stark verbessert, dennoch bleibt sie im regionalen Vergleich zurück. Aktuell liegt die Lebenserwartung in Afghanistan noch bei ca. 50 Jahren. Die Lebens�rwartung bei Geburt liegt nunmehr bei 63 Jahren, ge­ genüber 68 Jahren im regionalen Vergleich. Vor allem in den Bereichen Mütter- und Kindersterblichkeit kam es zu erheblichen Verbesse­ rungen. Lag die Müttersterblichkeit früher bei 1 .600 Todesfällen auf 1 00.000 Geburten, belief sie sich im Jahre 20 1 5 auf 324 Todesfälle auf 1 00.000 Geburten. Es gibt allerdings Berichte von einer deutlich höheren Dunkelziffer. Die Rate der Sterblichkeit von Säuglingen liegt mitt­ lerweile bei 45 Kindem von 1 .000 Geburten, bei Kindem unter fünf Jahren sank die Rate in den Jahren zwischen 1 990 und 20 1 6 von 1 77 auf 55 Sterbefälle bei 1 .000 Kindern. Damit stirbt eines von 1 8 Neugeborenen bereits vor seinem fünften Geburtstag - etwa 4/5 dieser Todesfälle erfolgen bereits im Säuglingsalter. Trotz der Fortschritte sind diese Zahlen immer noch kritisch und liegen deutlich über dem regionalen Durchschnitt. Im Bereich Säuglings­ sterblichkeit hat Afghanistan auch weiterhin die weltweit dritthöchste Sterblichkeitsrate. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfü­ gung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NROs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden. Über dieses Vertragssystem wird sowohl primäre, als auch sekundäre und tertiäre medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt. Allerdings mangelt es an Investitio­ nen in medizinische Infrastruktur. Der Bauzustand vieler Kliniken ist schlecht. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu errei­ chen. Gemäß der afghanischen Verfassung ist die medizinische . Grundversorgung für alle Afgha­ ninnen und Afghanen kostenlos. Allerdings ist die Verftigbarkeit und Qualität der Grundbe­ handlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verftigbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten von UN OCHA zufolge haben rund I 0 Millio­ nen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Gesundheitsbehandlung stark einkommens­ abhängig. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, ab­ gesehen von einzelnen Projekten von NROs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. In Kabul gibt es eine staatliche Klinik mit 1 4 Betten zur stationären Behandlung. Es gibt kei­ ne formelle Aus- oder Weiterbildung zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychische ©Auswärtiges Amt 2018 - Nicht zur Veröffentlichung bestimmt - Nachdruck verboten 28
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'iS �/:..----1in geschwärzter Nar fiir den Dienst�ehNaeh ""' Fassung nicht als VS eingestuft Erkrankungen sind in Afghanistan weiterhin hoch stigmatisiert, obwohl Schätzungen zufolge 50% der Bevölkerung psychische Symptome wie Depression, Angststörungen oder posttrau­ matische Belastungsstörung zeigen. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Für den Zeitraum von Dezember 20 1 7 bis März 201 8 berichten WHO und USAID von insgesamt 48 Zwischenfällen in 1 3 Provinzen2• Anfang Februar 20 1 7 wurden in der Provinz Jowzjan sechs Mitarbeiter des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes erschossen und zwei weite­ re Mitarbeiter entführt. Die entführten Mitarbeiter kamen Anfang September frei. Am 1 1 . September 20 1 7 wurde eine Mitarbeiterin in der für besonders sicher gehaltenen Klinik in Mazar-e Scharif erschossen. Nach diesen Vorfällen entschied das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, seine Präsenz in Afghanistan deutlich zu verringern, und hat einen erhebli­ chen Teil seines Personals im Land abgezogen. Ein weiteres Problem ist, dass die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan lückenhaft ist. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghaniseben Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Beson­ ders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen. 2. Behandlung von Rückkehrern Seit 2002 sind laut UNHCR 5,8 Millionen afghanisehe Flüchtlinge in ihr Heimatland zurück­ gekehrt, davon 4,7 Millionen im Rahmen des freiwilligen Rückkehrprogramms des UNHCR. Somit hat eine große Zahl der afghaniseben Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund. Laut UNHCR erlebt Afghanistan die größte Rückkehrbewegung der Welt. In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. drei Millionen offiziell registrierte afghani­ sehe Flüchtlinge auf. Dazu kommen mehrere hunderttausend nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen und pakistanischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind . . Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarlän- ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstüt­ zung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisa­ tionen der Entwicklungszusammenarbeit, sodass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rück­ kehrer sich niedergelassen haben. 201 6 gab es mit über einer Million Rückkehrern einen Höchststand bei der Zahl der Rückkehrer insbesondere aus Pakistan sowie aus Iran. 20 1 7 kehrten über 6 1 0.000 Afghanen aus Pakistan und dem Iran zurück. Rückkehrer aus Pakistan siedeln sich zumeist im Grenzgebiet zu Pakistan an (Nangarhar, Logar, Paktika, Kabul, Kunduz). Die Versorgungslage der Rückkehrer ist nach wie vor schwierig, viele von ihnen sind auf Unterstützung angewiesen. UNHCR beklagt zudem, dass sich viele Rückkehrer in Gebieten befinden, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind. · Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Of- 2 In den Provinzen Jowzjan, Badghis, Ghor, Farah, Nimroz, Helmand, Kandahar, Zabul, Paktika, Wardak, Kabul, Nangarhar und Kunar kam es insgesamt zu vier Ermordungen und 38 Entfiihrungen von medizinischem Personal. 34 medizinische Einrichtungen wurden geschlossen; 20 von ihnen konnten wieder eröffhet werden. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichun g bestimmt- Nachdruck verboten 29
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VS N"ar fiir deR Die&s*gehrtlaeh � ..".:.,._ "' -1in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft _ _ fensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betrof­ fen sind, welche erkennbar Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanisehe Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen, wobei beide Sprachen starke Ähnlichkeiten aufweisen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und famili­ ärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese kön­ nen die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fä­ higkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermit­ telt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischeu Gesell­ schaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Auch EASO berichtet hierzu nur von unbestätigten Einzelfällen. EASO liegen aber Berichte über versuchte Entführungen aufgrund der Vermutung, der Rückkehrer sei im Ausland zu erheblichem Vermögen gekommen, vor. Für Einzelheiten hierzu wird auf den EASO-Bericht "EASO Country of Origin Information Report - Afghanistan, Individuals targeted under societal and legal norms" von Dezember 20 1 7 verwiesen. Haben die Rückkehrer lange Zeit im Ausland gelebt oder haben sie zusammen mit der gesam­ ten Familie Afghanistan verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren . . Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. 3. Einreisekontrollen Die Kontrollen an den internationalen Flughäfen Kabul und Mazar-e Scharif sind sehr gründ­ lich und mit biometrischen Kontrollsystemen ausgestattet. Die Landesgrenzen werden ansons­ ten hingegen kaum kontrolliert. Grenzposten sind zum Teil mit Polizisten der afghanischeu Grenzpolizei besetzt, die aber noch keine den Sicherheitsstandards genügenden Grenzkontrol­ len durchführen. Gemäß der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwi­ schen Deutschland und Afghanistan vom 2. Oktober 20 1 6 erkennt Afghanistan als subsidiäres Instrument für einen Passersatz das EU-Laissez Passer an. Voraussetzung für die Nutzung durch deutsche Behörden ist, dass afghanisehe Auslandsvertretungen innerhalb von vier Wo­ chen kein nationales Passersatzpapier ausgestellt haben. 4. Abschiebewege Non-Stop Flugverbindungen von Deutschland nach Afghanistan gibt es nicht. Kabul kann jedoch aus Deutschland relativ unkompliziert angeflogen werden, beispielsweise mit Umstei­ gemöglichkeiten in Istanbul, Dubai, Neu-Delhi oder Islamabad. Mazar-e Scharif kann von Teheran und Mashad oder auch über Istanbul angeflogen werden. Australien, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Norwe­ gen, Schweden, die Schweiz sowie weitere europäische Länder schieben abgelehnte Asylbe­ werber afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindem abgeschoben werden. Im Rahmen der deutsch­ afghanischeu Gemeinsamen Erklärung zur Zusammenarbeit in Fragen der Migration vom 2. Oktober 201 6 finden einmal im Monat Charter-Rückführflüge aus Deutschland statt. ©Auswärtiges Amt 2018 - Nicht zur Veröffentlichung bestimmt - Nachdruck verboten 30
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