200204_NeuausrichtungdesGEAS_KonzeptpapierderBReg_.pdf

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Eckpunktepapier zu EU-Asylkonzept

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4.2.2020 Neuausrichtung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems Konzeptpapier der Bundesregierung Die EU braucht ein faires, funktionsfähiges, effizientes und krisenfestes Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS). Bei einer Neuausrichtung des GEAS sollten folgende drei Kernelemente untrennbar miteinander verbunden werden: I. Vorprüfung von Asylanträgen • • • • • • • • • • Feststellung der Identität (sowie verteilungsrelevanter Kriterien, wie z.B. Aufenthalt von Kernfamilienangehörigen in einem Mitgliedstaat) und lückenlose Registrierung in EURODAC. Schnelle Prüfung der Asylanträge, um zu differenzieren, welche Anträge offensichtlich keinen Erfolg haben können (offensichtliche Nicht-Schutzbedürftigkeit). Die Vorprüfung (und in einem zweiten Schritt auch die Zuständigkeitsentscheidung unter II.) ist auf jeden Antrag anzuwenden, unabhängig davon, ob ein Antrag an der EU-Außengrenze oder im Inland gestellt wird. Im Fall der Vorprüfung an der Außengrenze: Einreiseverweigerung bei Ablehnung des Antrags, wobei Antragsablehnung und die daran anschließende Zurückweisung in einer einheitlichen Entscheidung getroffen werden sollten. Durch geeignete, notfalls freiheitsbeschränkende Maßnahmen (zeitlich begrenzt) ist sicherzustellen, dass sich der Antragsteller dem Vorverfahren nicht entzieht. Die Vorprüfung ist innerhalb kürzest möglicher Zeit durchzuführen, wobei es eine zeitliche Obergrenze geben muss (z.B. wenn eine Entscheidung nicht in dieser Frist getroffen werden kann und in Fällen in denen absehbar ist, dass die Frist nicht eingehalten werden kann, wird die Einreise gestattet und der zuständige MS bestimmt). Prüfungsumfang könnten sichere Drittstaaten, sichere Herkunftsstaaten und Belange der öffentlichen Sicherheit, insbesondere bei besonderer Gefährlichkeit des Schutzsuchenden sein. Im Fall der Erst-Antragstellung und Vorprüfung im Inland soll dieser Personengruppe kein Vorteil daraus erwachsen, dass sie nicht bereits an der Außengrenze im Vorverfahren geprüft wurde. (Ein grundsätzlicher Ausschluss der Zuteilung zu dem Mitgliedsstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, könnte hier diskutiert werden.) Rechtsschutz gegen die Antragsablehnung und Einreiseverweigerung (Zurückweisungsentscheidung, im Fall der Prüfung an der Außengrenze) bzw. die Antragsablehnung und Rückkehrentscheidung (im Fall der Prüfung im Inland), sollte in einem Verfahren gewährleistet werden. Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die EU-Asylagentur (EUAA), die zu diesem Zweck mit den entsprechenden Kompetenzen auszustatten ist. Eine Überlastung insbesondere von Außengrenzeinrichtungen und der damit verbundenen Versorgungsinfrastruktur (z.B. Schutzräume für Vulnerable, Frauen und Kinder) ist im Interesse eines funktionierenden GEAS unbedingt zu vermeiden. Auch in diesem Stadium muss eine menschenwürdige und existenzsichernde Unterbringung und Versorgung in allen Mitgliedsstaaten gewährleistet sein. 1
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4.2.2020 • Kann die offensichtliche Nicht-Schutzbedürftigkeit kurzfristig nicht festgestellt werden, wird die Einreise gestattet und es folgt die grundsätzlich dauerhafte Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Durchführung des Asylverfahrens (Zuständigkeitsentscheidung). II. Zuständigkeitsentscheidung auf Grundlage eines fairen Zuständigkeitsregimes • • • • • Nach positiver Vorprüfung wird der grundsätzlich dauerhaft zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens durch die EUAA bestimmt. Die Zuständigkeit sollte – so schnell wie möglich – nach dem sog. „Fair-share“ (vorab festgelegt anhand von Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft der Mitgliedstaaten) bestimmt werden, um die mit der Durchführung der Asylverfahren verbundenen Belastungen relativ gleich zwischen allen Mitgliedstaaten zu verteilen. Innerhalb des „Fair-share“ sollen die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Neben weitergehenden Familienzugehörigkeiten, die über die zwingend zu berücksichtigende Kernfamilie hinausgehen, könnten auch Visa und Aspekte der Rückführung eine Rolle spielen (z.B. Rückführungspartnerschaften der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten). Denkbar wäre beispielsweise auch, dass Schutzsuchende im Rahmen des „Fair-share“ Prioritäten angeben können (Schaffung von positiven Anreizen zur Verhinderung von Sekundärmigration). Die EUAA registriert den einen zuständigen Mitgliedstaat in EURODAC. Der Rechtsschutz gegen die Zuständigkeitsentscheidung ist so auszugestalten, dass dieser EU-weit grundsätzlich nur einmalig gewährt wird. Das Rechtsmittel muss die Prüfung der Zuweisungs- und von Überstellungshindernissen (Art. 3 EMRK; individuelle Hindernisse) ermöglichen. Dabei muss geklärt werden können, wie mit systemischen Mängeln in dem zuständigen MS umgegangen werden soll. III. Gemeinsame Durchsetzung des Zuständigkeitsregimes zur effektiven Verhinderung von Sekundärmigration • • • Der einmal von der EUAA rechtskräftig als zuständig bestimmte Mitgliedstaat muss grundsätzlich dauerhaft zuständig bleiben („ewige“ Zuständigkeit). Diese Zuständigkeit muss sich grundsätzlich auch auf Zweit- und Folgeanträge erstrecken. Eine parallele Prüfung des Asylbegehrens in einem anderen Mitgliedstaat ist nicht mehr möglich. Aufnahmeleistungen für Asylsuchende werden grundsätzlich ausschließlich vom zuständigen Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt, sodass in diesem eine existenzsichernde Versorgung gewährleistet ist. Regelungen für besondere Härtefälle sowie kurzzeitige Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise in den zugewiesenen Mitgliedstaat sind vorzusehen. Sofern Aufnahmeleistungen als Geldleistungen gewährt werden, sollten diese bemessen an den Lebenshaltungskosten im jeweiligen Mitgliedstaat ausgezahlt werden. Damit wird eine „relative Gleichheit“ der Aufnahmeleistungen in den EU Mitgliedstaaten geschaffen. 2
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4.2.2020 • • Erforderliche Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat müssen unbürokratisch und schnell per Notifizierungsverfahren erfolgen. Möglichkeiten der freiwilligen Überstellung sind zu berücksichtigen. Auch in diesem Verfahren muss Rechtsschutz zur Prüfung des Vorliegens von Überstellungshindernissen (z.B. Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen) gewährleistet werden. Sofern die fehlende Schutzberechtigung rechtskräftig festgestellt wurde, sollte auch der unzuständige Mitgliedstaat in das Herkunftsland zurückführen können (wechselseitige Anerkennung von rechtskräftigen Asylentscheidungen). Das System aus Vorprüfung, Zuständigkeitsentscheidung und Durchführung des Asylverfahrens ist auf jeden Asylantrag anzuwenden, unabhängig davon, ob dieser an einer EU-Außengrenze oder im Inland gestellt wird. Die besonderen Belange und Rechte von Familien mit Minderjährigen und vulnerablen Gruppen mit besonderem Bedarf an Schutz und Verfahrensgarantien, wie z.B. unbegleitete Minderjährige, Menschenhandelsbetroffene oder LGBTIQ*, sind bei der Ausgestaltung aller Eckpunkte zu berücksichtigen und erforderliche Ausnahme- und Sonderregelungen, etwa in Bezug auf die Vorprüfung, Verteilentscheidung und Sanktionsmaßnahmen, zu etablieren. Schutzsuchende werden umfassend über ihre Verfahrensrechte aufgeklärt. Zugang zu rechtlicher Beratung und Vertretung wird gewährleistet. 3
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