VMBW_ErlasszurberwachungundSanktionierungvonOrdnungswidrigkeitenimruhendenVerkehrvom11.Mai2020

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr

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-11 - sichtlos oder leichtfertig begangen hat oder naturgemäß im Regelsatz nicht be­ rücksichtigte einschlägige Vorbelastungen im Fahreignungsregister vorliegen. Vorbelastungen des Täters sind im Regelsatz naturgemäß noch nicht berück­ sichtigt. Bei einschlägigen Vorbelastungen (Wiederholungstäter) dürfen die Re­ gelsätze erhöht werden. b) Meldung an die zuständigen Behörden Darüber hinaus kommt die Anordnung fahrerlaubnisrechtlicher Maßnahmen oder eines Fahrtenbuches in Betracht. Im Wege eines engen Kommunikationsaustausches der Bußgeldbehörden mit den zuständigen Behörden besteht die Möglichkeit eine Fahr­ tenbuchauflage odereine Medizinisch-Psychologische Untersuchung anzuordnen, wo­ bei Letztere gar zu einem Entzug der Fahrerlaubnis führen kann. aa. Fahrtenbuchauflage Rechtsgrundlage der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches ist § 31a Absatz 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassunqs-Ordnunq (StVZO). Danach kann einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung ge­ gen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage muss unter anderem verhältnismä­ ßig sein. Das bedeutet, dass sie grundsätzlich nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe in Betracht kommt. Sofern bei einer in Anlage 13 der Fahrerlaubnis-Ver­ ordnung (FeV) mit einem Punkt geahndeten Ordnungswidrigkeit der Fahrer nicht ermittelt werden konnte, ist die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage be­ reits bei einer einmaligen Begehung rechtmäßig (VG Minden, Beschluss vom 21. Dezember 2017, 2 L 2100/17). Darüber hinaus kann das Falschparken im Einzelfall die Anordnung einer Fahr­ tenbuchauflage rechtfertigen, wenn die Verstöße übereinen kürzeren Zeitraum
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12- - hinweg gehäuft auftreten. Feste Regeln, ab welcher Anzahl geringfügiger Ver­ stöße eine Fahrtenbuchauflage droht, gibt es nicht. In der Regel wird bei mehr als zehn Verstößen in einem Jahr eine Anordnung in Betracht kommen, wenn in der überwiegenden Zahl der Fälle die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war. Darüber hinaus kann auch das Verhalten des Betroffenen ins Ge­ wicht fallen, etwa, ob er bereits unzutreffende Angaben zum Fahrzeugführer ge­ macht hat und ob ihm bereits eine Fahrtenbuchauflage angedroht worden ist. ab. MPU und Fahrverbote bei Vorsatztaten Die Fahrerlaubnisbehörde kann schließlich in begründeten Einzelfällen nach § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 FeV von den Fahrerlaubnisbehörden bei Offen­ barung einer „verfestigten gleichgültigen Grundeinstellung gegenüber Verkehrs­ vorschriften jedweder Art“ wegen wiederholter Verstöße gegen verkehrsrechtli­ che Vorschriften die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutach­ tens anordnen, wenn hierdurch erhebliche Bedenken an der Kraftfahreignung des Fahrerlaubnisinhabers hervorgerufen werden. Bei Verstößen gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs muss unter Berück­ sichtigung des Gefährdungspotentials der Tat eine einzelfallbezogene Gesamt­ betrachtung aller Umstände erfolgen. Wenn sich bei dieser Gesamtbetrachtung ergibt, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis weder die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr anerkennt noch die Ordnungsvorschriften einhält, sondern diese weiterhin missachtet, so kann bei Vorliegen besonderer Gründe eine MPU als milderes Mittel vor dem Entzug der Fahrerlaubnis angeordnet werden, VGFI Mannheim, Beschluss vom 20. November 2014, Az. 10 S 1883/14. c) Abschleppen von Falschparkern auf Geh- und Radwegen
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-13- Schließlich besteht die Möglichkeit des Abschleppens von falschparkenden Fahrzeu­ gen auf Geh- und Radwegen nach dem Polizeigesetz bei Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Regelmäßig ist das Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten und mithin rechtmäßig. Nach der Rechtsprechung ist es hierfür ausreichend, dass das Verhalten des rechtswidrig Parkenden dazu geeignet ist, zu Behinderungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs zu führen (Verwaltungsgericht Neu­ stadt, Urteil vom 30. Juni 2017 - 5 K 902/16.NW). Einer tatsächlichen Behinderung be­ darf es, anders als für die Erhöhung eines Bußgeldes, hier nicht. Generalpräventive Gründe und die negative Vorbildwirkung, die von Falschparkern auf andere Kraftfahrer ausgeht, dürfen bei der Entscheidung über das Abschleppen mitberücksichtigt werden. Eine Behinderung im vorgenannten Sinne liegt insbesondere dann vor, wenn die Min­ destbreite für Gehwege von 1,50 Metern (einschließlich Sicherheitsraum) unterschrit­ ten wird. Die Mindestbreite wird im Wege einer Analogie auf Grundlage der VwV-StVO aus der Vorgabe einer lichten Breite von mindestens 2,50 Metern für gemeinsame Geh- und Radwege abzüglich des Verkehrsraumes von 1,0 Metern für den Radver­ kehr hergeleitet. Nur ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung kann von den Mindestmaßen dann, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist, an kurzen Abschnitten unter Wahrung der Ver­ kehrssicherheit abgewichen werden. Dabei ist auf jeden Fall sicherzustellen, dass mo­ bilitätseingeschränkte Personen und Personen mit Kinderwagen an keiner Stelle auf die Straße ausweichen müssen. Für Radwege gilt: die Sicherheit der Radfahrerinnen kann regelmäßig nur durch Ab­ schleppen wiederhergestellt werden. Polizei und Ordnungsbehörde dürfen in einem solchen Fall sofort abschleppen lassen. Das gilt auch, wenn das Fahrzeug nur teil­ weise auf dem Radweg geparkt ist. Das gilt sogar dann, wenn es sich bei dem blo­ ckierten Verkehrsweg um einen von untergeordneter Bedeutung handelt und damit die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass ein Berechtigter an der Nutzung gehindert wird (Münchener Kommentar/Kettler, StVO, § 41 Randnummer 37).
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- 14- Die Rechtsprechung sieht Abschleppmaßnahmen als zulässig insbesondere in folgen­ den weiteren Fällen an: 1. längeres Parken auf dem Gehweg, 2. Blockieren einer Bushaltestelle oder eines Busfahrstreifens, 3. Parken in Feuerschutz- oder Fußgängerzone, 4. auf Behindertenparkplatz, selbst wenn kein Berechtigter konkret am Parken ge­ hindert wird, 5. Parken auf Anwohnerparkplatz und 6. bei verkehrsbehinderndem Parken. Abschleppmaßnahmen liegen grundsätzlich im Ermessen der Behörden. Im Rahmen der Ersatzvornahme gemäß § 25 LVwVG (Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz) kann ein Park- oder Flalteverbot bei Gefahr im Verzug ohne Androhung gemäß § 21 LVwVG vollstreckt werden, soweit die Abwehr einer Gefahr, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht oder gestört wird, dies erfordert. Bei Abschleppmaß­ nahmen sind grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zu beachten, d.h. es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Störung zu beseitigen (so ist eine Abschleppmaßnahme unverhältnismäßig, wenn der Fahr­ zeugführer eines rechtswidrig abgestellten Fahrzeugs durch zumutbare Nachforschun­ gen in unmittelbarer Nähe zuverlässig und leicht zu erreichen ist - zum Beispiel hinter­ legte Mobilfunknummer und konkret benannter Aufenthaltsort in unmittelbarer Nähe). Zur Thematik des Abschleppens an E-Ladestationen gibt es bisher wenig Rechtspre­ chung. Bei E-Ladestationen dürfte im Regelfall ähnlich wie bei Behindertenparkplätzen ein er­ hebliches öffentliches Interesse an deren Freihaltung 1. zur Gewährleistung der jederzeitigen Lademöglichkeit für E-Fahrzeuge, 2. zur Aufrechterhaltung der landesweiten Ladeinfrastruktur, 3. insbesondere auch zur Vermeidung des Liegenbleibens von E-Fahrzeugen im fließenden Verkehr und 4. zur Vermeidung einer negativen Vorbildwirkung
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- 15- zu bejahen sein. Auf eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmerinnen kann es dabei nicht ankommen, insbesondere ist es nicht erforderlich, dass ein Berechtigter den Parkplatz tatsächlich nutzen wollte. Die Situation muss geeignet sein, zu Behinderungen der Si­ cherheit und Leichtigkeit im Verkehr zu führen. Sofortiges Abschleppen an E-Ladesäulen dürfte analog zu der Rechtsprechung bei Behindertenparkplätzen rechtssicher bei Positivbeschilderung möglich sein. Diese Rechtsauffassung wurde durch rechtskräftigen Gerichtsbescheid des VG Hamburg vom 25.05.2018 Az 2 K 7467/17 zu Sonderparkplätzen an E-Ladesäulen (VZ 314 mit ZZ) bestätigt: „Ob der Kläger durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Elektro­ fahrzeug am Parken und Laden gehindert hat, bedarf keiner Überprüfung. Denn bei der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Parkraum, der Bevorrechtigten zur Verfü­ gung stehen soll, darfein Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung der bevorrech­ tigten Verkehrsteilnehmer und ohne Einhaltung einer besonderen Wartezeit regelmä­ ßig zwangsweise entfernt werden. Nur so kann dem mit der Einrichtung von bevor­ rechtigten Parkplätzen verfolgten Anliegen hinreichend effektiv Rechnung getragen werden. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbe­ dingt zur Verfügung steht. Zudem kann den Verkehrsordnungsbehörden nicht die Pflicht auferlegt werden, den Bedarf an freizuhaltenden Plätzen fortlaufend zu über­ prüfen und hiervon ein Einschreiten abhängig zu machen. Diese Grundsätze sind auf die für bevorrechtigten Elektrofahrzeuge vorgesehenen Parkplätze an Ladesäulen zu übertragen. Auch deren Funktion wird nur gewährleistet, wenn sie jederzeit von nicht parkberechtigten Fahrzeugen freigehalten werden.“
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16- - Die Polizei- und Ordnungsbehörden werden aus generalpräventiven Gründen und we­ gen der negativen Vorbildwirkung, die vom Falschparken ausgeht, ausdrücklich er­ muntert, vom Instrument des Abschleppens in geeigneten Fällen Gebrauch zu ma­ chen.
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