20201105-urteil-ovg-berlin-brandenburg

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Sitzungsprotokolle des Beirats des Bundesministeriums der Finanzen

/ 31
PDF herunterladen
- 21 - nur einem bestimmtem Beiratsmitglied zukommen kann. Selbst dem beispielhaften Hinweis der Beklagten, die Anzahl der Kapitalmarktexperten oder der Sozialrechts- experten sei klein und es seien nicht immer alle Experten gleichzeitig anwesend, lässt sich insoweit nichts entnehmen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es zumindest notwendig sei, die entsprechenden Fund- stellen in den Sitzungsprotokollen darzulegen und diese in Bezug auf die vorge- nannten Umstände zu erläutern. Auf die Gelegenheit zur Stellungnahme hin hat die Beklagte ihren Vortrag insoweit weder ergänzt noch weitere Ausführungen dazu angekündigt. Unabhängig vom Vorstehenden ist auf der Grundlage der Darlegung der Beklagten nicht erkennbar, dass Aussagen, die eine hohe Spezialisierung voraussetzen, ei- nem bestimmten Beiratsmitglied stets mit einem vernünftigerweise einzusetzenden Aufwand sicher zugeordnet werden können. Die Spezialisierung eines Mitglieds mag im Einzelfall aufgrund seiner Veröffentlichungsliste ermittelbar sein. Daraus folgt jedoch noch nicht, dass seine Wortbeiträge für Außenstehende mit einem ver- nünftigen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft sicher zugeordnet werden kön- nen. Selbst wenn eine Zuordnung im Einzelfall möglich sein sollte, dürfte diese mit Blick darauf, dass sich bei den Sitzungen des Beirats Wissenschaftler der gleichen Fachgebiete und solcher, die Überschneidungen aufweisen, äußern, gehobene Fachkenntnisse erfordern. Mit Blick auf die zuvor angeführten Umstände steht die von der Beklagten geltend gemachte Verknüpfung zwischen der Kenntnis der jeweiligen Teilnehmerlisten und dem übrigen Inhalt der Sitzungsprotokolle dem Zugangsanspruch des Klägers hin- sichtlich Letzterer nicht entgegen. Auch die vom Verwaltungsgericht ausgespro- chene Verpflichtung der Beklagten, den Antrag des Klägers auf Zugang zu den Teilnehmerlisten neu zu bescheiden, ist insoweit nicht zu korrigieren. b) In Bezug auf den von dem Kläger erstrebten Zugang zu den unter dem jeweiligen Tagesordnungspunkt „Mitteilungen des Vorsitzenden" (Gliederungspunkt B. 1. der Protokolle) aufgeführten Äußerungen ist die Sache zum Teil nicht spruchreif. - 22 -
21

- 22 - (aa) Soweit unter dieser Rubrik auch Wortbeiträge von Beiratsmitgliedern aufge- führt sein sollen, die nach der Darstellung der Beklagten hier Interessantes vortra- gen oder von Veranstaltungen berichten sollen, auf denen sie den Beirat vertreten haben, ist der Zugangsanspruch des Klägers nicht nach § 5 Abs. 1 IFG einge- schränkt. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Wort- beiträge auf ein bestimmtes Beiratsmitglied mit einem vernünftigerweise zu erwar- tenden Aufwand rückführbar sind. (bb) Fehlende Spruchreife besteht jedoch bezüglich des Zugangs zu den in dem Tagesordnungspunkt „Mitteilungen des Vorsitzenden" aufgeführten Äußerungen des jeweiligen Vorsitzenden der Sitzung. Der Zugangsanspruch setzt insoweit zwin- gend die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 8 IFG voraus. Zur Sitzungsleitung gehörende Wortbeiträge (z.B. Begrüßung der Teilnehmer, Mit- teilungen bzgl. abwesender Beiratsmitglieder, Hinweise auf die Verschwiegenheits- pflicht, Hinweise auf die Tagesordnung) sind als solche ohne weiteres erkennbar und dem der Sitzung jeweils vorstehenden Beiratsmitglied individuell zuordnungs- bar. Dies ·gilt unabhängig davon, ob die Sitzung von dem Vorsitzenden des Beirats oder seinem Stellvertreter geleitet wurde, da Letzteres dem anzunehmenden Hin- weis auf die Abwesenheit des Vorsitzenden zu entnehmen sein wird. Die Identität der jeweiligen Vorsitzenden und deren Stellvertreter ist auch mit vernünftigerweise zu bewältigendem Aufwand ermittelbar (vgl. z.B. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O.). Die nach§ 5 Abs. 1 IFG vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zu einem überwiegen des Informationsinteresses des Klägers. Sein Interesse an dem Infor- mationszugang gründet sich auf seine Recherche zum Einfluss externer Berater im Politikbetrieb. Ein Zusammenhang zwischen seinem Informationsinteresse und den Äußerungen des Vorsitzenden im Rahmen der Sitzungsleitung ist nicht erkennbar. Das Informationsinteresse der Allgemeinheit an den Mitteilungen des der Sitzung vorstehenden Beiratsmitglieds erscheint ebenfalls gering. Eine Kontrolle staatli- chen Handelns wird mit dem Zugang zu entsprechenden Wortbeiträgen kaum ver- wirklicht. Das Interesse der Allgemeinheit an Transparenz und Aufklärung über die Aufgabenwahrnehmung öffentlicher Stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember - 23 -
22

- 23 - 2018, a.a.O. Rn. 47) ist insoweit nicht einschlägig. Demgegenüber erscheint auch das Interesse der betroffenen Beiratsmitglieder an einem Ausschluss des Informa- tionszugangs gering, auch wenn es sich bei dem Beiratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter nicht um Personen handelt, die wegen eines herausgehobenen politi- schen Amtes ohnehin nur eingeschränkt schutzwürdig sind. Denn Äußerungen im Rahmen der Sitzungsleitung betreffen allein die Sozialsphäre. Zudem ist von der Beklagten nicht dargetan, dass derartige Äußerungen einen inhaltlichen Bezug zur Entscheidungsfindung des Beirats aufweisen oder Rückschlüsse auf den Stand- punkt des Vorsitzenden ermöglichen würden. Gleichwohl kommt dem Informations- interesse des Klägers in der Abwägung aus den vorgenannten Gründen kein über- wiegendes Gewicht zu, das den Informationszugang rechtfertigt. II. Der Informationsanspruch des Klägers zu den in den Sitzungsprotokollen enthal- tenen Vorträgen und Gutachten ist nach § 6 Satz 1 IFG ausgeschlossen. Dem An- spruch steht das Urheberrecht der Verfasser dieser Unterlagen entgegen. 1.    Die  entsprechenden      Ausarbeitungen    genießen   als Sprachwerke    nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Soweit die Anlagen Gutachten bzw. Gutachtenentwürfe enthalten, ist ohne Weite- res die Annahme gerechtfertigt, dass diese als Ergebnis individuellen Schaffens der sie erstellenden Wissenschaftler eine persönliche geistige Schöpfung von individu- eller Ausdruckskraft sind (vgl.        dazu   BGH,  Urteile vom  9.   Oktober 1986 -1ZR145/84 - NJW-RR 1987, 185, juris Rn. 17 und vom 21. November 1991 -1 ZR 190/89 - BGHZ 116, 136, juris Rn. 44 f.; Loewenheim/Leistner, in: Schricker/Loe- wenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, § 2 UrhG Rn. 229 ff., 231). Die Herleitung der Ergebnisse muss sich bei einem fachwissenschaftlichen Gutachten zwar an an- erkannten Regeln und Standards orientieren. Dies schließt aber bei gutachterlichen Bewertungen Freiräume nicht aus, die einer eigenständigen und kreativen Ausfül- lung zugänglich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2019 - 7 C 1.18 - NWVBI 2020, 153, juris Rn. 24 und vom 25. Juni 2015 - 7 C 1.14 - BVerwGE 152, 241, juris Rn. 30). Mit Blick auf die Zusammensetzung des Beirats mit anerkannten Wissenschaftlern und seine Beratungsfunktion gegenüber dem Bundesfinanzminis- terium in finanzpolitischen Fragen ist für die Annahme, dass die Gutachten bzw. - 24 -
23

- 24 - Gutachtenentwürfe lediglich schematisch erstellt wurden und keine individuelle Handschrift der Autoren tragen, kein Raum. Es ist auch die Annahme gerechtfertigt, dass die in den Anlagen enthaltenen Vor- träge urheberrechtlichen Schutz genießen. Sie beziehen sich nach der Darstellung der Beklagten auf Beiträge externer Gäste und Mitarbeiter des Bundesfinanzminis- teriums, die als Experten zu bestimmten finanzpolitischen Themen eingeladen wur- den. Ihre Vorträge wurden den Protokollen als Anlage beigefügt, um die Beiratsmit- glieder zu informieren, die nicht an der Tagung teilnehmen konnten. Mit Blick auf diese Umstände ist davon auszugehen, dass die Vortragenden in den Anlagen den wesentlichen Inhalt ihrer Vorträge schriftlich wiedergegeben haben. Sie mögen da- bei ihr Präsentationsmaterial in Form von Tabellen oder Graphiken einbezogen ha- ben. Dies steht der Annahme, entsprechende schriftliche Ausarbeitungen seien eine persönliche geistige Schöpfung von individueller Ausdruckskraft, jedoch nicht entgegen. Gerade bei der schriftlichen Abfassung oder Wiedergabe von Vorträgen besteht ein erheblicher Gestaltungsspielraum, der zwangsläufig eine Darstellung mit einem beträchtlichen Maß individueller Prägung bedingt. Unter den gegebenen Umständen bedurfte es einer detaillierten Kenntnis des In- halts der Anlagen nicht. Der von dem Kläger insoweit beantragten Beweiserhebung war entsprechend nicht nachzukommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2017, a.a.O. Rn. 15). 2. Der urheberrechtliche Schutz der den Anlagen angehefteten Materialien ist auch nicht nach § 5 Abs. 2 UrhG entfallen. Es dürfte sich bereits nicht um amtliche Werke im Sinne der Regelung handeln (vgl. Katzenberger/Metzger, in: Schricker/Loewen- heim, a.a.O., § 5 UrhG Rn. 64). Jedenfalls sind sie mit ihrer Übergabe an das Bun- desfinanzministerium nicht nach § 6 Abs. 1 UrhG veröffentlicht worden. Sie sind nicht der Öffentlichkeit als einem nicht von vornherein bestimmt abgegrenzten Per- sonenkreis zugänglich gemacht worden. Anders als die Sitzungsprotokolle im Üb- rigen werden die Anlagen zu den Protokollen grundsätzlich nicht einmal innerhalb des Bundesfinanzministeriums versandt und ebenfalls nicht den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium zur Kenntnis ge- - 25 -
24

- 25 - bracht. Auch ein amtliches Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme ist nicht ge- geben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rn. 32 f.). Die Vertraulich- keitsabrede der Satzung des Beirats bringt dies unter anderem zum Ausdruck. 3. Durch den Informationszugang würde das Erstveröffentlichungsrecht des § 12 UrhG verletzt werden. Danach steht das Veröffentlichung$recht grundsätzlich dem Urheber zu; er kann bestimmen, ob, wann und in welcher Form seine Werke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da die Übergabe der Vorträge und Gut- achten an das Bundesfinanzministerium entsprechend dem bereits Ausgeführten keine Veröffentlichung im Sinne von § 6 Abs. 1 UrhG ist, ist das Erstveröffentli- chungsrecht nicht verbraucht. a) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klä- gers erfüllt die Gewährung des Informationszugangs auf der Grundlage des Infor- mationsfreiheitsgesetzes auch die Voraussetzungen einer § 12 UrhG verletzenden Veröffentlichung. Da der voraussetzungslose Anspruch nach § 1 Abs. 1 IFG von jedermann geltend gemacht werden kann, würden die Anlagen der Sache nach dem Zugriff der Öffentlichkeit ausgesetzt werden, so dass nicht darauf abgestellt werden kann, dass nur dem Kläger der Zugang gewährt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rn. 37; a. A. Schach, a.a.O. § 6 Rn. 46). b) Dem Bundesfinanzministerium ist bezüglich der in den Anlagen enthaltenen Gut- achten und Vorträge auch nicht nach § 29 Abs. 2 UrhG das Erstveröffentlichungs- recht zur Ausübung mit der Folge überlassen worden, dass es einem Informations- zugang des Klägers nicht entgegensteht. Nach § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG bestimmt sich nach dem von beiden Parteien zu- grunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungszweck- gedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungs- rechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im All- gemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rn. 40; BGH, Urteil vom 29. April 2010 - 1 ZR 68/08 - NJW 2010, 2354, juris Rn. 20). - 26 -
25

- 26 - Hiernach ist nicht davon auszugehen, dass die Urheber der in den Anlagen enthal- tenen Gutachten und Vorträge dem Bundesfinanzministerium ein Nutzungsrecht mit der Folge eingeräumt haben, dass sie nach dem Informationsfreiheitsgesetz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind. Eine Einräumung von entsprechend weit- gehenden Nutzungsrechten ist nicht unerlässlich, damit der Beirat seine Beratungs- funktion gegenüber dem Bundesfinanzministerium und dieses seine Aufgaben er- füllen kann. Dagegen spricht bereits die von der Beklagten dargelegte Übung, diese Materialien nicht innerhalb des Bundesfinanzministeriums zu verteilen. Dass einem Mitarbeiter des Ministeriums, dem Sitzungsprotokolle zur Kenntnisnahme über- sandt wurden, erst auf Anforderung ebenfalls deren Anlagen zur Verfügung gestellt werden, lässt sich kaum mit der Annahme vereinbaren, dass deren Kenntnis uner- lässlich für die Erfüllung der Aufgaben des Beirats und des Ministeriums sein soll. Im Übrigen sprechen auch die im Zusammenhang mit den in den Anlagen enthalte- nen Gutachten und Vorträgen zu beachtenden Interessen dagegen, dass die Urhe- ber dieser Werke dem Bundesfinanzministerium ein die Verletzung ihres Erstveröf- fentlichungsrechts ausschließendes Nutzungsrecht eingeräumt haben. Für die in den Anlagen enthaltenen Gutachten der Beiratsmitglieder ist insoweit zu beachten, dass es sich um Entwürfe von Gutachten handelt, die nach der Erklärung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung zumindest nicht in der in den Anlagen enthaltenen Version zur Veröffentlichung gelangt sind. Bereits der da- nach gegebene Bearbeitungsstand spricht dagegen, dass die Autoren der Gutacht- entwürfe ihr Erstveröffentlichungsrecht Dritten bzw. dem Bundesfinanzministerium stillschweigend überlassen haben. Unabhängig von ihrem Interesse, entspre- chende Entwürfe nach der Beratung des Beirats ohne Einschränkungen oder ge- dankliche Bindungen überarbeiten zu können, haben sie keine Veranlassung, ihr Recht aufzugeben, nicht vom Beirat angenommene Gutachtenentwürfe im eigenen Namen erstmals zu veröffentlichen. Letzteres ist nach der in der mündlichen Ver- handlung erfolgten Schilderung seitens des Bundesfinanzministeriums im Einzelfall schon erfolgt. Auch der Umstand, dass der Beirat seine Beratungsfunktion nicht mit Hilfe entsprechender Entwürfe, die noch nicht abschließend beraten worden sind, erfüllt, lässt für die Annahme, die Urheber der Entwürfe würden dem Bundesfinanz- ministerium stillschweigend das Recht ihrer Verwertung überlassen, keinen Raum. - 27 -
26

- 27 - Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass das Bundesfinanzministerium ein Inte- resse an einer rechtlich gesicherten Verwertung vorläufiger gutachterlicher Äuße- rungen hat. In Bezug auf die in den Anlagen enthaltenen Vorträge spricht der Umstand, dass sie vom Beirat ausschließlich in die Anlagen aufgenommen wurden, um seine wäh- rend der mündlichen Präsentation nicht anwesenden Mitglieder zu informieren, ge- gen die Annahme einer damit verbundenen Übertragung von Nutzungsrechten auf das Bundesfinanzministerium. Zur Erfüllung der finanzpolitischen Aufgaben des Mi- nisteriums und der Beratungsfunktion des Beirats besteht insoweit kein Zusammen- hang. Zudem erfolgt die Überlassung der Vortragsunterlagen durch die Vortragen- den nach der seitens des Bundesfinanzministeriums in der mündlichen Verhand- lung abgegebenen Erklärung freiwillig. Es ist weder ein Interesse der Vortragenden noch des Bundesfinanzministeriums erkennbar, das ungeachtet der vorstehenden Umstände dafür spricht, dem Ministerium sei das Erstveröffentlichungsrecht in Be- zug auf die schriftlichen Vortragsunterlagen eingeräumt worden. Zudem lässt sich die den Vortragenden nach dem Schreiben des Beiratsvorsitzenden vom 5. Juni 2019 zugesicherte Vertraulichkeit nicht mit einer solchen Annahme vereinbaren. Vor dem geschilderten Hintergrund ist von einer stillschweigenden umfassenden Übertragung von Nutzungsrechten auch nicht auszugehen, soweit die Anlagen Vor- träge von Mitarbeitern des Ministeriums betreffen, auch unterstellt, sie hätten diese selbst in Erfüllung ihrer Dienstpflicht gehalten (dazu BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rn. 40; Kroitzsch/Götting, in: Möhring/Nicolini,. Urheberrecht, 3. Aufl. 2014, § 12 Rn. 22). c) Das Erstveröffentlichungsrecht des § 12 UrhG kollidiert auch mit dem Informati- onsfreiheitsrecht des Klägers. Der urheberrechtliche Schutz des § 12 UrhG steht einem Zugang zu den in den Anlagen enthaltenen Gutachten und Vorträgen umfas- send entgegen. Auch eine Auskunft über ihren Inhalt kommt mit Blick auf den Schutz des § 12 UrhG nicht in Betracht. Die einem Schriftwerk zugrunde liegende Idee ist zwar urheberrechtlich grundsätz- lich nicht geschützt. § 12 Abs. 2 UrhG regelt aber einen zusätzlichen Schutz des Urhebers vor der Veröffentlichung seines Werkes (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2010, a.a.O. Rn. 49 f.). Das Recht der Inhaltsbeschreibung nach§ 12 Abs. 2 UrhG - 28 -
27

- 28 - bezieht sich dabei nicht nur auf den wesentlichen oder schöpferischen Inhalt des Werkes, sondern auf jeglichen Werksinhalt, ausgenommen die Bekanntgabe eini- ger lückenhafter inhaltlicher Details (vgl. Dreyer, in: drs./Kotthoff/Meckel/Hentsch, Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 12 Veröffentlichungsrecht Rn. 25 f.; Peukert, in: Schricker/Loewenheim, a.a.O. § 12 Rn. 28; Kroitzsch/Götting, a.a.O., § 12 Rn. 31 f.; Bauer, IP-RB 2013, 259, 260; a. A. wohl Raue, JZ 2013, 280, 285). Mit Blick auf Letzteres steht das Urheberrecht hier zwar nicht der Bekanntgabe von unmittelbar auch in den Protokollen enthaltenen bloßen Hinweisen auf einen Satz oder eine Passage eines Gutachtens entgegen. Die in den Anlagen enthaltenen Gutachtent- würfe sind insoweit jedoch umfassend geschützt. Für die Vorträge gilt im Ergebnis nichts anderes. d) Die Schranken des Urheberrechts rechtfertigen ebenfalls nicht den Informations- zugang des Klägers. Die nach § 53 Abs. 1 UrhG mögliche Vervielfältigung von Werken zum privaten Gebrauch steht hier nicht in Frage, da der Kläger den Informationsanspruch zur Verfolgung wissenschaftlicher und nicht privater Zwecke geltend macht. Die nach § 53 Abs. 2 Nr. 4 UrhG mögliche Herstellung von Vervielfältigungsstücken zum sonstigen Gebrauch, kommt nicht in Betracht, da sie ein erschienenes oder vergrif- fenes Werk voraussetzt. Auch § 60c Abs. 1 bis Abs. 3 UrhG schließt eine Verletzung des § 12 UrhG durch Gewährung des Informationszugangs nicht aus. Der danach mögliche Zugang zu einem Werk zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung hängt zwar nicht davon ab, dass dieses bereits veröffentlicht worden ist. Nach der Gesetzesbegründung soll dadurch zum Beispiel die Erforschung von Nachlässen erleichtert werden. Je- doch soll in solchen Fällen mit Blick auf §§ 12, 30 UrhG der Rechtsnachfolger über die Veröffentlichung des erforschten Werks entscheiden (BT-Drs. 18/12329, S. 39). Das Erstveröffentlichungsrecht des § 12 UrhG soll entsprechend durch die Zu- gangsmöglichkeiten des § 60c UrhG nicht beschränkt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der Schrankenbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes (dazu BGH, Urteil vom 19. März 2014 - 1 ZR 35/13 - MDR 2014, 1163, juris Rn. 34) ist dies zu beachten. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass mit der Gewährung des Zugangs zu einem Werk nach dem Informationsfreiheitsrecht dieses der Sache - 29 -
28

- 29 - nach bereits dem Zugriff der Öffentlichkeit ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015, a.a.O. Rn. 37), ist daher die sich auf ein unveröffentlichtes Werk beziehende Informationsgewährung durch eine Behörde ungeachtet der Regelung des § 60 c UrhG ohne Einverständnis des Urhebers mit§ 12 UrhG nicht vereinbar (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 17. Oktober 2007 - 5 A 188.06 - ZUM 2008, 254, juris Rn. 27 zu§ 53 Abs. 2 Nr. 1 UrhG a.F.; Lenski, NordÖR 2006, 89, 93 f.; a.A. zu § 53 UrhG a.F. Schach, a.a.O., § 6 Rn. 65). Dafür spricht auch, dass die vom Ge- setzgeber im Fall einer Nutzung eines Werkes nach § 60c UrhG vorgesehene Ver- gütungspflicht(§ 60h UrhG), die den notwendigen Ausgleich zwischen den Interes- sen der insoweit Beteiligten herbeiführen soll (vgl. BT-Drs. 18/12329, S. 46; ferner BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1971 - 1 BvR 765/66 - BVerfGE 31, 229, juris Rn. 39 ff.), kaum zum Tragen käme, wenn der Zugang zu dem Werk nach dem Informati- onsfreiheitsgesetz gewährt werden würde. Die Kostenentscheidung folgt für die Berufungsinstanz aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Berücksichtigt ist insoweit, dass das Rechtsmittel der Beklagten gemessen an den Gliederungspunkten der Sitzungsprotokolle und dem Umfang des dem Klä- ger zustehenden Informationszugangs und Anspruchs auf Neubescheidung in ge- ringem Umfang Erfolg hatte. Für die erstinstanzliche Kostenverteilung war zu Las- ten des Klägers zusätzlich zu beachten, dass die Klage hinsichtlich der Teilnehmer- listen zur Verpflichtung zur Neubescheidung geführt und der Kläger sie teilweise zurückgenommen hatte (§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, welche Anforderungen für das Vorliegen eines besonderen Amtsgeheimnisses nach § 3 Nr. 4 4. Altn. IFG bestehen, grundsätzliche Bedeutung hat. - 30 -
29

- 30 - Rechtsmittelbelehrung Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwal- tungsgericht zu. Die Revision ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenberg- straße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entschei- dung schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzulegen. Die Revisionsfrist ist auch ge- wahrt, wenn die Revision innerhalb der Frist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in der bezeichneten elektronischen Form unter www.bverwg.de eingelegt wird. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach,Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Die Revisi- onsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Im Revisionsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Revision. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Ver- tragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammen- hang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsange- legenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsord- nung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten - 31 -
30

Zur nächsten Seite