Rechtsgutachten zu "Topf Secret" von Geulen & Klinger

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GEULEN & KLINGER Rechtsanwälte Dr. Reiner Geulen Prof. Dr. Remo Klinger Dr. Caroline Douhaire LL.M. 10719 Berlin, Schaperstraße 15 Telefon +49/ 30 / 88 47 28-0 Telefax +49/ 30 / 88 47 28-10 E-Mail geulen@geulen.com klinger@geulen.com douhaire@geulen.com www.geulenklinger.com 13. Mai 2019 Rechtliche Stellungnahme zu über die Online-Plattform „Topf Secret“ gestellte Informations- anträge nach dem VIG Erstellt im Auftrag von foodwatch e.V. Commerzbank AG in Berlin BLZ 100 800 00 Kto.-Nr. 07 148 100 00 IBAN: DE79 1008 0000 0714 8100 00 BIC: DRESDEFF100 USt-ID Nr.: DE 222 926 725
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2 Gliederung A. Einleitung ............................................................................................................... 3 B. Anspruchsgrundlagen ............................................................................................ 3 I. Informationsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG .......................................... 4 1. Anforderungen an die „Abweichung“ ............................................................... 4 2. Unbeachtlichkeit der Erheblichkeit der Beanstandungen ................................ 5 3. Unbeachtlichkeit des Andauerns einer unzulässigen Abweichung .................. 6 4. Kein Produktbezug erforderlich ....................................................................... 7 II. Informationsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG .......................................... 7 C. Anwendbarkeit des VIG ...................................................................................... 8 D. Ausschluss- und Beschränkungsgründe............................................................. 9 III. 1. Rechtsprechung zur Missbräuchlichkeit von Informationsanfragen ................. 9 2. Anwendung auf über „Topf Secret“ gestellte Informationsanfragen ............... 12 IV. E. Rechtsmissbräuchlichkeit ............................................................................... 9 a. Vorformulierung der Informationsanträge .................................................. 12 b. Potentielle Veröffentlichung der herausgegebenen Informationen ............. 13 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse............................................................ 15 Verhältnis zu den Anforderungen an die aktive staatliche Information ................. 16 I. Fehlende Vergleichbarkeit in quantitativer Hinsicht .......................................... 19 II. Fehlende Vergleichbarkeit in qualitativer Hinsicht ............................................ 23 F. Art der Informationsgewährung ............................................................................ 24 G. Ergebnis ........................................................................................................... 26
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3 A. Einleitung „Topf Secret“ ist eine gemeinsame Online-Plattform von foodwatch und FragDenStaat, die es Verbrauchern ermöglicht, einfach und schnell vorformulierte Informationsanfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) an die zuständigen Behörden zu ver- schicken. Nutzerinnen und Nutzer müssen lediglich Name, E-Mail- und Postadresse ein- geben, die gemeinsam mit einem vorbereiteten Text an die zuständige Behörde über- mittelt wird. Mit den Informationsanfragen wird Auskunft darüber beantragt, wann die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsüberprüfungen im Betrieb des Antragstellers stattgefun- den haben und ob es hierbei zu Beanstandungen kam. Für den Fall, dass es zu Bean- standungen kam, wird die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte verlangt, unabhängig davon, wie die Beanstandungen eingestuft wurden (bspw. als „geringfügig“ oder „schwerwiegend“). Im Antrag wird präzisiert, dass unter „Beanstandungen“ unzu- lässige Abweichungen von den Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelge- setzbuches (LFBG) oder anderen geltenden Hygienevorschriften verstanden werden. Die vorliegende rechtsgutachterliche Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass nach dem VIG ein Anspruch auf Herausgabe der beantragten Informationen besteht und dass weder das VIG noch das Verfassungsrecht einer Veröffentlichung der herausgege- benen Informationen durch die privaten Antragsteller entgegenstehen. Zu diesem Er- gebnis kommt auch das Verwaltungsgericht Mainz in einem Beschluss vom 5. April 2019 (Az. 1 L 103/19.MZ). Insbesondere stellt die Veröffentlichung keinen gewichtigen Grund für eine Abweichung von der beantragten Art der Informationserteilung dar. B. Anspruchsgrundlagen Im Folgenden werden zunächst die Anspruchsgrundlagen für die über „Topf Secret“ ge- stellten Informationsansprüche geprüft. Die Untersuchung kommt dabei zu dem Ergeb- nis, dass ein Auskunftsanspruch sowohl nach Nr. 1 als auch nach Nr. 7 des § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG gegeben ist.
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4 I. Informationsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG Der Informationsanspruch stützt sich zum einen auf § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG. Nach dieser Vorschrift hat jeder Zugang „zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen fest- gestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, b) der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäi- schen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buch- staben a bis c genannten Abweichungen getroffen worden sind.“ Bei den im von „Topf Secret“ zur Verfügung gestellten Antragsformular beantragten In- formationen handelt es sich um Daten im Sinne dieser Vorschrift. Aus der Klarstellung im Antrag, was unter „Beanstandungen“ zu verstehen ist, ergibt sich unmissverständlich, dass Informationen über unzulässige Abweichungen im oben bezeichneten Sinne bean- tragt werden. 1. Anforderungen an die „Abweichung“ Nach der in der Rechtsprechung überwiegenden Auffassung setzt die Feststellung einer „Abweichung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG eine rechtliche Subsumtion der Kontrollergebnisse voraus (VGH München, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208, juris Rn. 47; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 10 LA 90/16, juris Rn. 20). Dabei müssen die Normen, von denen abgewichen wurde, nicht zitiert wer- den. Ein derartiges Erfordernis lässt sich weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnehmen. Nicht erforderlich ist, dass die durch juristisch-wertende Einordung festgestellte nicht zu- lässige Abweichung durch bestandskräftigen Verwaltungsakt festgestellt sind. Weder den Gesetzesmaterialien noch der Gesetzessystematik oder dem Sinn und Zweck der Norm lassen sich entsprechende Anhaltspunkte für ein Erfordernis eines bestandskräf- tigen Verwaltungsaktes entnehmen (BayVGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208, juris Rn. 48; VG Würzburg, Beschluss vom 08. Januar 2018 – W 8 S 17.1396,
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5 juris Rn. 32, VG Mainz, Beschluss vom 5. April 2019 – 1 L 103/19.MZ). Der Verwaltungs- gerichtshof München führt in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2017 hierzu aus: „Ferner lassen sich weder den Gesetzesmaterialien noch der Gesetzessystematik oder dem Sinn und Zweck der Norm Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass diese „Feststel- lung“ einen bestandskräftigen Verwaltungsakt voraussetzt. Auch sonst stellt das Gesetz nicht auf unanfechtbare Verwaltungsakte als Voraussetzung eines Informationszugangs ab. Soweit in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG von „zugelassenen Abweichungen“ die Rede ist, wird auch hier, soweit ersichtlich, kein bestandskräftiger Verwaltungsakt verlangt. Schließlich spricht auch die Pflicht zur nachträglichen Richtigstellung nach § 6 Abs. 4 Satz 1 VIG gegen ein Erfordernis der Bestands- oder Rechtskraft, weil bestandskräftige Verwaltungsakte eine Bindungswirkung für die Behörde selbst und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung ohne weitere inhaltliche Prüfung entfalten (sog. Tatbestands- bzw. Feststellungswirkung). Vor allem könnte aber ein Bestandskrafterfordernis auch dem gesetzgeberischen Anliegen einer umfassenden Information des Verbrauchers nicht gerecht werden. Denn der Informationszugang kann seinen Zweck nur erreichen, wenn er die relevanten Vorgänge auch zeitnah erfasst. Müsste erst die Bestandskraft entsprechender Verwaltungsakte abgewartet werden und damit unter Umständen auch die Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, wäre eine zeitnahe Ver- braucherinformation nicht mehr gewährleistet.“ Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Klärung dieser Frage mit Beschluss vom 29. Sep- tember 2017 (Az. 7 B 6.17, 7 C 29/17) die Revision zugelassen. Als Indiz gegen die Richtigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof München vorgenommenen Auslegung ist dies jedoch nicht zu würdigen. 2. Unbeachtlichkeit der Erheblichkeit der Beanstandungen Für die rechtliche Beurteilung des Informationsantrags unbeachtlich ist, ob die von der Behörde festgestellten Abweichungen erheblich sind. Eine Erheblichkeitsschwelle sieht § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG nicht vor. Die Informationsherausgabe hat also auch dann zu erfolgen, wenn nur „geringfügige“ oder „mittelschwere“, aber dennoch unzulässige Ab- weichungen festgestellt wurden (VG Mainz, Beschluss vom 5. April 2019 – 1 L 103/19.MZ). Die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle wäre mit dem Leitbild des mündigen Ver- brauchers, dass dem VIG zugrunde liegt (BT-Drs. 16/5404, S. 7), nicht zu vereinbaren. Diesem Leitbild entsprechend ist es den Verbrauchern überlassen, die offen gelegten Informationen einzuordnen und zu entscheiden, welche Konsequenzen sie hieraus für
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6 künftige Konsumentscheidungen ziehen. Den Verbrauchern nur Informationen über aus Behördensicht „erhebliche“ unzulässige Abweichungen zukommen zu lassen, wäre eine Bevormundung der Verbraucher und zudem mit dem Gesetzesanliegen zur Verbesse- rung der Markttransparenz und des Verbraucherschutzes sowohl vor Gesundheitsschä- den als auch vor Täuschung (§ 1VIG) nicht vereinbar. 3. Unbeachtlichkeit des Andauerns einer unzulässigen Abweichung Ebenso wenig ist für die Entscheidung über den Informationsanspruch relevant, ob die festgestellten Abweichungen ein nur situatives Phänomen darstellen oder über längere Zeit bestehen. Der Gesetzgeber hat den Anspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG nicht auf noch andauernde Mängel beschränkt (OVG Saarlouis, Beschluss vom 3. Februar 2011 – 3 A 270/10, juris Rn. 40 ff.; VGH München, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208, juris Rn. 53). Die einzige Vorgabe in zeitlicher Hinsicht, die das VIG stellt, ist die in § 3 Abs. 1 lit. e) VIG geregelte Voraussetzung, dass die beantragten Informationen § 2 Abs. 1 S. 1 Nr 1 VIG nicht vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Aus dieser Regelung gibt sich im Umkehrschluss, dass der Informationsanspruchs jedenfalls nicht vor Ablauf von fünf Jahren erlischt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 13a F 13/09, juris Rn. 19; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 10 LA 90/16, juris Rn. 49). Hinzu kommt, dass das Datum der lebensmittelrechtlichen Überprüfungen häufig aus den Kontrollberichten hervorgeht. Der mündige Verbraucher kann die Aktualität der In- formation daher einordnen. Die Betreiber von „Topf Secret“ weisen zudem in den „Fragen und Antworten“ zur Platt- form darauf hin, dass ein auf der Plattform einsehbarer Kontrollbericht den Hygienezu- stand eines Betriebs in der Vergangenheit beschreibt (https://fragdenstaat.de/kampag- nen/lebensmittelkontrolle/faq/). Zudem wird Lebensmittelbetrieben angeboten, dass frei- willig zur Verfügung gestellte aktualisierte Kontrollberichte, aus denen sich die Behebung der Abweichung ergibt, auf der Plattform veröffentlicht werden.
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7 4. Kein Produktbezug erforderlich § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lässt sich keine Einschränkung des Informationsanspruchs auf produktbezogene Informationen entnehmen, sodass insbesondere auch Feststellungen von Abweichungen im Prozess der Herstellung, Verarbeitung, Lagerung und Lieferung erfasst sind. Weder im Gesetzeswortlaut noch in der Systematik, Teleologie und Entstehungsge- schichte der Norm finden sich hinreichende Anhaltspunkte für eine derart weitgehende Einschränkung, wie die oberinstanzliche Rechtsprechung bereits festgestellt hat (VGH München, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208, juris Rn. 36 ff.; dem folgend VG Würzburg, Beschluss vom 08. Januar 2018 – W 8 S 17.1396, juris Rn. 30; siehe zuvor bereits VGH München, Beschluss vom 6. Juli 2015 – 20 ZB 14.978, juris Rn. 4; siehe auch OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 13 A 846/15, juris Rn. 67 ff.) II. Informationsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG Darüber hinaus ergibt sich der Informationsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG. Hiernach hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über „Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen“ Hierzu zählen auch solche Daten, die die routinemäßigen Betriebskontrollen oder Pro- benahmen, einschließlich der Analysen und Untersuchungen der Proben, betreffen, ins- besondere deren Ergebnisse (OVG Münster, Urteile vom 1. April 2014 – 8 A 654/12 und 8 A 655/12, juris Rn. 127 bzw. 157; OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 13 A 846/15, juris Rn. 109). Da es vorliegend um Ergebnisse von Betriebskontrollen geht, bei denen es sich um Überwachungsmaßnahmen im Sinne der oben genannten Vorschrift handelt, stützt sich der Anspruch auf Herausgabe der Kontrollberichte auch auf diese Vorschrift.
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8 Auch § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG lässt sich keine Einschränkung des Informationsan- spruchs auf produktbezogene Informationen entnehmen. Der Nachsatz „soweit sich die Verstöße auf Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte beziehen“, bezieht sich nur auf die letztgenannte Tatbestandsalternative „Statistiken über Verstöße“ (OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 13 A 846/15, juris Rn. 67 ff., vgl. auch BR-Drs. 273/07, S. 21). C. Anwendbarkeit des VIG Gemäß § 2 Abs. 4 VIG gelten die Regelungen des VIG nicht, soweit in anderen Rechts- vorschriften entsprechende oder weitergehenden Vorschriften vorgesehen sind. Solche vorrangigen Vorschriften sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere stellt § 40 Abs. 1a LFGB, welcher die aktive staatliche Information der Öffentlichkeit betrifft, keine vorrangige Vorschrift. Denn diese Regelung hat einen grund- legend anderen Regelungsgegenstand als die hier einschlägigen individualantragsbe- zogenen Vorschriften des VIG. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat in dieser Hin- sicht festgestellt: „Die Vorschrift des § 40 LFGB stellt schon deshalb keine vorrangige, die Anwendung des § 2 Abs. 1 VIG ausschließende Rechtsvorschrift dar, weil sie nicht denselben Sach- verhalt regelt. Während § 2 Abs. 1 VIG den Fall einer antragsgebundenen Informations- gewährung zum Gegenstand hat, betrifft § 40 LFGB die aktive staatliche Informations- gewährung. Der individuelle Auskunftsanspruch einerseits, wie er hier im Streit steht, und die staatliche Information der Öffentlichkeit andererseits, wie sie etwa auch in § 6 Abs. 1 Satz 3 VIG geregelt ist … sind jedoch zwei Arten der Informationsgewährung, zwischen denen - nicht zuletzt hinsichtlich der jeweiligen wettbewerblichen Auswirkun- gen - gravierende Unterschiede bestehen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 7 B 22.14 -, juris, Rn. 12.) Eine Anspruchskonkurrenz, die nach der Vorgabe des § 2 Abs. 4 VIG aufzulösen wäre, besteht mangels identischen Regelungsgehalts der Vorschriften des § 40 LFGB und des § 2 Abs. 1 VIG demnach nicht.“ (OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 2016 – 13 A 2059/15, juris Rn. 75 ff.) Dass die Vorschriften des VIG durch § 40 Abs. 1a LFGB nicht verdrängt werden, ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, wie das VG Berlin in einer Entscheidung vom 19. März 2014 ausgeführt hat:
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9 „Dass die Vorschriften des VIG durch § 40 Abs. 1a LFGB für Fälle unterhalb der dort geregelten qualifizierten Voraussetzungen verdrängt sein könnten, ist bei summarischer Prüfung deswegen nicht plausibel, weil das VIG und § 40 LFGB vom Bundesgesetzge- ber mit demselben Gesetz - dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Verbraucherin- formation vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 476) - neugefasst wurden und sich den Mate- rialien ein solcher Vorrang ebenso wenig entnehmen lässt wie den Bestimmungen des LFGB und des VIG selbst. § 2 Abs. 4 VIG räumt Vorschriften „in anderen Rechtsvor- schriften“ zwar den Vorrang ein, wenn sie denen des VIG entsprechen oder weiter ge- hen. Dieses „Weiter Gehen“ meint aber einen stärkeren Verbraucherschutz und mithin eine niedrigere Eingriffsschwelle als diejenige des VIG, nicht die höhere des § 40 LFGB. Das ergibt sich eindeutig aus der (zustimmenden) Gegenäußerung der Bundesregierung zu dem entsprechenden Vorschlag des Bundesrates zu § 2 Abs. 4 VIG, der schließlich Gesetz geworden ist (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 22 sowie S. 26, jeweils zu Nr. 5)“. (VG Berlin, Beschluss vom 19. März 2014 – 14 L 35.14, juris Rn. 32) Wie weiter unten näher ausgeführt wird, nähert auch der Umstand, dass der Informati- onsantrag über das Portal „Topf Secret“ gestellt wurde und die Antwort der Behörde durch den jeweiligen Antragsteller eventuell veröffentlicht werden könnte, den vorliegen- den Fall nicht an die aktive staatliche Veröffentlichung von Informationen an. D. Ausschluss- und Beschränkungsgründe Ausschluss- und Beschränkungsgründe, die dem unter B. festgestellten Informationsan- spruch entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. III. Rechtsmissbräuchlichkeit Zu prüfen ist zunächst, ob über „Topf Secret“ gestellte Anfragen rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 4 Abs. 4 S. 1 VIG sind. Diese Vorschrift regelt: „Ein missbräuchlich gestellter Antrag ist abzulehnen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt.“ Die Rechtsprechung stellt äußerst hohe Anforderungen an die Annahme der Miss- bräuchlichkeit von Informationsanfragen, welche bei den über „Topf Secret“ gestellten Informationsanträgen nicht erfüllt sind. 1. Rechtsprechung zur Missbräuchlichkeit von Informationsanfragen
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10 Festgestellt wurde, dass der Ausschluss rechtsmissbräuchlicher Anfragen in § 4 Abs. 4 S. 1 VIG der auskunftspflichtigen Stelle lediglich eine „angemessene Reaktion auf über- flüssige Anfragen sowie querulatorische Begehren“ ermöglichen aber kein subjektives Abwehrrecht für betroffene Unternehmen gegen die Auskunftserteilung vermitteln soll (VGH München, Beschluss vom 6. Juli 2015 – 20 ZB 14.977, juris Rn. 8; VGH München, Urteil vom 16. Februar 2017 – 20 BV 15.2208, juris Rn. 32). Dies ergebe sich eindeutig aus der Gesetzesbegründung zum VIG (BT-Drucksache 16/1408 S. 12) und dem in § 4 Abs. 1 S. 2 VIG genannten Beispiel überflüssiger Informationsanträge. Die Regelung in § 4 Abs. 4 VIG soll somit lediglich den behördenbezogenen Missbrauch ausschließen. Ebenfalls festgestellt wurde, dass der Ausschlusstatbestand des Rechtsmissbrauchs im Hinblick auf den Zweck des VIG eng auszulegen ist. Zum Ziel des VIG gehöre es dabei, Verbrauchern eine allgemeine Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit an die Hand zu geben, damit sie sich als Sachwalter der Allgemeinheit betätigen können. Der Verwal- tungsgerichtshof München führt in diesem Sinne aus: „Zudem ist der Antrag des Beigeladenen vom Verwaltungsgericht zutreffend als nicht rechtsmissbräuchlich eingestuft worden. Das Verständnis der Klägerin ein Rechtsmiss- brauch sei bereits dann gegeben, wenn sich der Antrag nicht im Rahmen des Zweckes bewege, den Verbraucher bei seiner Konsumentenentscheidung zu unterstützen, ist zu eng und würde den gesamten Sinn und Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes nicht zum Tragen bringen. Richtig ist, dass das Verbraucherinformationsgesetz auch er- lassen wurde, um die Kaufentscheidung des Verbrauchers zu stärken. Insbesondere im Lebensmittelsektor haben viele Menschen ein spezielles Informationsinteresse z. B. aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie sich für bestimmte Qualitätsarten interessieren. Dazu zählen für viele Verbraucher auch die Produktionsbedingungen von tierischen Le- bensmitteln im weitesten Sinne, soweit sie vom Inhalt des Informationsanspruches nach § 1 VIG (2008) noch getragen werden. Dass dies hier nicht der Fall ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt noch ist dies sonst wie ersichtlich, zumal eine enge Auslegung des Aus- schlusstatbestands nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VIG (2008) im Hinblick auf den Gesetzes- zweck angezeigt ist. Das Verbraucherinformationsgesetz wurde aber auch aus der In- tention erlassen, den Verbrauchern – und hierzu zählt der Beigeladene – eine allgemeine Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit an die Hand zu geben. So heißt es in der Be- gründung des Gesetzesentwurfs (BT-Drucksache 16/1408 S. 7):„CDU, CSU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag 2005 „Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit“ darauf verständigt, dass Lebensmittelsicherheit und Qualitätssicherung absolute Priorität besitzen und dass die Informationsmöglichkeiten der Verbraucherin- nen und Verbraucher zu verbessern sind. Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Le- bensmittelskandalen sind zahlreiche Maßnahmen vereinbart worden, die schnellstmög- lich umgesetzt werden sollen. Der vorliegende Gesetzentwurf zum Erlass eines Verbrau-
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