Lagebericht Syrien 2018

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11 V S -Nur füt den DieAstgebrauch _ ____,in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft nach Art. 285 und 286, die "Propaganda zur Schwächung nationaler Gefühle" bzw. das "Verbreiten falscher Informationen" unter Strafe stellen). Trotz eines im Sommer 2011 erlassenen liberalen Me- diengesetzes hat sich der Raum für Meinungs- und Pressefreiheit in den letzten Jahren stark verringert: Filmemacher, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und so genannte Bürgerjournalis- ten, die über staatliche Repression, Korruption oder Kritik am oder Demonstrationen gegen das Re- gime zu berichten versuchen, werden verfolgt, festgenommen, angegriffen oder sogar ermordet. Der Organisation "Reporter ohne Grenzen" zufolge war Syrien 2017 das weltweit gefährlichste Land für Journalisten. Auch bewaffnete Gruppen sind, bis hin zu Ermordungen, immer wieder gewaltsam gegen Medienvertreter und Bürgerjournalisten vorgegangen, die kritisch über sie berichtet haben. 1.3 Militärdienst In Syrien besteht für Männer eine allgemeine - und seit 2011 de facto unbefristete - Wehrpflicht. Freigestellt sind lediglich einzige Söhne sowie Studenten während ihres Studiums. Syrische Männer müssen sich gemäß Art. 40 der syrischen Verfassung im Alter von 18 Jahren für den Militärdienst registrieren lassen und sind bis zum Alter von 42 Jahren wehrpflichtig. Es gibt zahlreiche Berichte dass auch Reservisten zum Militärdienst eingezogen werden. Die Wehrpflicht besteht auch für Verheiratete und Familienväter. Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palästinensischen Freiheitsarmee (Palestinian Liberation Army) unter palästinensischen Offizieren, die jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee ist. Es gibt zahlreiche glaubhafte Berichte laut denen wehrpflichtige Männer, die auf den Einberufungsbescheid nicht reagieren, von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert werden. Junge Männer werden auch an Kontrollstellen verschleppt und zwangsrekrutiert. Männern im wehrpflichtigen Alter ist die Ausreise verboten; der Reisepass wird ihnen vorenthalten und Ausnahmen werden nur durch Erlaubnis des Militärs gewährt. Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet Aus Duma bei Damaskus liegen aus April2018 Berichte vor, wonach Zwangsrekrutierte gezwungen wurden, an der Eroberung der Viertel und Stadtteile teilzunehmen, aus denen sie selbst stammen. In vom Regime eingenommenen Gebieten wurden Männer im wehrpflichtigen Alter vor die Wahl gestellt, an vorderster Front zu kämpfen oder sich der für Plünderungen und Menschenrechtsvergehen berüchtigten Regimemilizen (National Defense Forces- NDF) anzuschließen. Zahlreiche Betroffene haben sich angesichts dessen für die Flucht in Oppositionsgebiete entschieden. In Syrien besteht keine Möglichkeit der legalen Wehrdienstverweigerung, auch die Möglichkeit eines (zivilen) Ersatzdienstes gibt es nicht. Syrische Männer, die im Ausland leben und dort eine Aufenthaltserlaubnis haben, können sich jedoch von der Wehrpflicht freikaufen (Wehrpflichtgesetz Syrien 2012, Art. 46). Das Wehrersatzgeld beträgt je nach Wohnort zwischen 4.000 und 5.000 USD. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom 06. August 2014 müssen Wehrpflichtige bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren sogar 8.000 USD bezahlen. Das Wehrersatzgeld beträgt für im Ausland geborene und dort weiterhin lebende Syrer 2.500 USD. Es ist nicht bekannt, ob dies auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind. Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In Artikel 68 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht. Seit dem 30. August 2018 dürfen Soldaten Syrien nur noch verlassen, wenn eine Genehmigung eines Rekrutierungsbüros vorliegt, die bescheinigt, dass der Wehrdienst abgeleistet wurde. Gemäß Art. 101 wird Desertion mit fünf Jahren Haft oder mit fünfbis zehn Jahren Haft bestraft, wenn der Deserteur das Land verlässt. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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12 YS Nnr für deH Dieastgelnau~b ~-...,in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Am 09. Oktober 2018 erließ das syrische Regime Präsidialdekret N r. 18/2018, das syrischen Deserteuren und Wehrdienstverweigerern im In- und Ausland Straffreiheit gewährt. "Kriminelle" sowie Personen, die auf Seite der bewaffneten Opposition gekämpft haben, sollen jedoch davon ausgenommen sein. Deserteure und Wehrdienstverweigerer in Syrien haben laut des Dekrets vier Monate Zeit, sich bei den Behörden zu melden, jene im Ausland sechs Monate. Diese Amnestie auf Strafen für Desertion und Wehrdienstverweigerung ändert jedoch nichts an der Wehrpflicht der Betroffenen, sie besteht fort. Bereits zuvor wurden ähnliche Gesetze verabschiedet, diese blieben in der Umsetzung allerdings bislang wirkungslos. Die Todesstrafe ist gemäß Art. 102 bei Überlaufen zum Feind und gemäß Art. 105 bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen. Bereits 2011 wurden Dutzende syrische Deserteure hingerichtet, unter dem Vorwurf, dass sie sich den Aufständischen anschließen wollten. Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen. Die Coi und das Syrian Human Rights Committee berichteten bereits 2013 über die Hinrichtung desertierter Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen konnten und aus umkämpften Gebieten geflohen waren. Die im Jahr 2012 erlassenen Anti-Terror-Gesetze wurden in den vergangeneo Jahren immer wieder dazu missbraucht, gegen im Ausland lebende Oppositionelle bzw. Regimegegner in Abwesenheit drakonische Strafen zu verhängen. Angesichts des Missbrauchs der Anti-Terror-Gesetze zur politischen Repression ist davon auszugehen, dass sie auch bei zurückkehrenden Wehrpflichtigen zur Anwendung kommen. So wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden. Es gibt in Syrien keine reguläre oder gefahrlose Möglichkeit, sich dem Militärdienst durch Wegzug in andere Landesteile zu entziehen. Beim Versuch, sich dem Militärdienst durch Flucht in andere Landesteile, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen, zu entziehen, müssten Wehrpflichtige zahlreiche militärische und paramilitärische Kontrollstellen passieren, mit dem Risiko einer zwangsweisen Einziehung entweder durch die syrischen Streitkräfte oder regimetreue Milizen. Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der sog. "Versöhnungsabkommen", die das Regime mit verhandlungsbereiten bewaffneten Gruppen geschlossen hat. Zumeist wurde darin ein sechsmonatiger Aufschub der Wehrpflicht vereinbart. Das Regime hat dieses Versprechen jedoch offenbar wiederholt gebrochen: Glaubhafte Berichte von Organisationen aus zuletzt zurückeroberten Gebieten wie Daraa im südlichen Syrien und Ost-Ghouta nahe Damaskus sprechen von Verhaftungen sowie Zwangsrekrutierungen ehemaliger Oppositionskämpfer binnen kurzer Zeit. Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsre- krutierungen. In den kurdischen "Selbstverwaltungsgebieten" im Nordosten des Landes hat die dort herrschende Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekitiya Demokrat (PYD)) 2014 ein Wehr- pflichtgesetz verabschiedet, welches vorsieht, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 30 Jahren stellen muss, der für sechs Monate in den "Volksverteidigungsein- heiten" (YPG -militärischer Arm der PYD) dient. Laut verschiedener Menschenrechtsorganisatio- nen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen. Die kurdische "Selbstverwaltung" wendet dieses Gesetz zunehmend auch in den von ihr kontrollierten arabisch dominierten Gebieten in den Gouver- neraten Raqqa und Deir ez-Zor zur Stärkung der Ränge der SDF an. Für Frauen gibt es keinen ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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'/8 13 Nar fiir tleB DieBstgehFaaeh ~-----.in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft gesetzlichen Wehrdienst in Syrien. Sie können in den kurdischen "Selbstverwaltungsgebieten" freiwillig Militärdienst leisten. Zugleich gibt es hier auch Berichte von Zwangsrekrutierungen. In den weiterhin unter Kontrolle des IS stehenden Gebieten sind Zwangsrekrutierungen ohnehin die Regel. 2. Repressionen Dritter Übergriffe durch nicht-staatliche Akteure haben stark zugenommen. Dabei handelte es sich zunächst vor allem um Übergriffe regimetreuer Milizen, bei denen . der Übergang zwischen politischem Auftrag, militärischen bzw. polizeilichen Aufgaben und mafiösem Geschäftsgebaren fließend ist. Nach der Eroberung von Teilen Syriens durch regimefeindliche bewaffnete Gruppen wurde aus den von diesen eroberten Gebieten auch von Übergriffen seitens dieser Gruppen berichtet. Im Kontext der Einnahme Ost-Aleppos soll es zu zahlreichen Übergriffen und außergerichtlichen Tötungen durch das Regime unterstützende schiitische Milizen gekommen sein. Amnesty Interna- tional berichtete im Juli 2016 aber auch über Folter von Gefangenen durch die regimefeindlichen Gruppierungen Shamiya-Front, Noureddine Zenki und die 16. Division der Freien Syrischen Armee (FSA) in Aleppo sowie durch Ahrar al Sham und die radikale HTS in Idlib. Letztere versuchen teilweise mit Repressionen, der Bevölkerung ein islamistisches Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Aufgrund des militärischen Vorrückens der Regime-Kräfte ist Idlib zum Rückzugsgebiet vieler moderater, aber auch radikaler Milizen geworden. Der HTS ist es gelungen, dort in Teilen des Territoriums unter dem Namen "Errettungs-Regierung" (Hakumet Al Inkas Al Suriye) Lokalverwaltungs-Strukturen unter ihre Kontrolle zu bringen. Versuche der Zivilgesellschaft, sich gegen diese Einflüsse zu wehren, werden zum Teil brutal niedergeschlagen. So berichtet Human Rights Watch, dass· HTS im Jahr 2017 Protestierende erschossen und verletzt habe. Auch humanitäre Hilfslieferungen werden behindert. HTS zielt außerdem auf religiöse Minderheiten ab. So hat sich HTS laut der Co I im März 2018 zu zwei Bombenanschlägen auf den schiitischen Friedhof in Bab al-Saghir bekannt, bei dem 44 Menschen getötet und 120 verletzt wurden. In den östlich des Euphrats entlang der Grenze zur Türkei gelegenen kurdischen "Selbstverwaltungsgebieten" operieren die YPG als militärischer Arm und die Asayish als Polizei und Nachrichtendienst der PYD. Beide gehen, von einer politisch gelenkten Justiz kaum kontro- lliert, gegen innerkurdische Gegner der PYD vor. So gibt es zahlreiche Berichte von willkürlichen Verhaftungen. Sie gehen unter anderem gegen Akteure der innerkurdischen Opposition vor, die im Herrschaftsgebiet der PYD leben, schüchtern diese ein, nehmen sie fest und bedrohen sie mit Auslieferung an das Assad-Regime. Dies betrifft insbesondere Personen und Organisationen, denen eine Nähe zur Türkei vorgeworfen wird, beschränkt sich jedoch nicht auf diese. 3. Ausweichmöglichkeiten Zwar sind die Kampfhandlungen insgesamt deutlich zurückgegangen, doch noch immer sind Gebiete vom Konflikt und seinen unmittelbaren Folgen betroffen: Das Regime kann grundsätzlich weiterhin Luftangriffe im ganzen Land durchführen, außer über Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle. In allen Teilen des Landes kann es zu Terroranschlägen kommen. Neben diesen Risiken ungezielter Gefahr besteht generell die Gefahr, insbesondere für Menschen, die vom Regime als oppositionell eingestuft werden, Ziel staatlicher Repression zu werden. Dies ist vor allem der Fall in Regimegebieten, potenziell aber auch darüber hinaus. Hinzu kommen weniger ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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14 vS - Nur mr den Dienstgebt aueh in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft lebensbedrohliche, aber dennoch massive Rechtsunsicherheiten aufgrund unklarer Verwaltungs- und Regierungsstrukturen sowie eine weiterhin sehr angespannte humanitäre Versorgungslage. Grundsätzlich gilt, dass Individuen, Familien oder ganze Gemeinden im Falle einer erzwungenen Binnenwanderung ihre wirtschaftlichen Grundlagen verlieren und am neuen Aufnahmeort fast immer mit den Ortsansässigen um die wegen des bewaffneten Konflikts ohnehin äußerst knappen und oft nicht ausreichenden Ressourcen konkurrieren. Große Teile der Bevölkerung sind daher auf externe Unterstützung der VN und der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen. 111. Menschenrechtslage Der VN-Menschenrechtsrat hat im August 2011 eine internationale unabhängige Untersuchungs- kommission zur Menschenrechtslage in Syrien (Co I) eingerichtet und dieses Mandat seitdem jedes Jahr verlängert. Zuletzt wurde das Coi-Mandat am 19. März 2018 um ein weiteres Jahr verlängert. Bis heute hat das syrische Regime der Col den Zugang nach Syrien verweigert. Die Coi hat in mehreren Berichten vor dem VN-Menschenrechtsrat festgestellt, dass Kräfte des syrischen Regimes, das heißt Militär, Sicherheitsdienste und in den "National Defense Forces" (NDF) organisierte Milizen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Sie berichtete zudem, dass auch bewaffnete Oppositionsgruppen Verantwortung für Men- schenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen tragen. Der jüngste, die Gesamtsituation Syriens betreffende Bericht der Col wurde am 12. September 2018 veröffentlicht. Der Schwerpunkt dieses Berichts lag auf völkerrechtswidrigen Vertreibungen von Zivilisten in Folge von Kampfhandlungen. Innerhalb der ersten Hälfte dieses Jahres wurden - in noch nie dagewesenem Ausmaß - über eine Mio. Menschen in Syrien intern vertrieben. Laut der Co I ist dies vor allem fehlendem Schutz der Zivilbevölkerung sowie wahllosen Angriffen auf zivile Infrastruktur durch Konfliktparteien zuzuschreiben. Die Col hat in ihrem Bericht zudem den Einsatz von Chemiewaffen dokumentiert. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Regierungs- truppen und/oder regierungsnahe Kräfte am 22. Januar und am 01. Februar 2018 in einer Reihe von Angriffen auf Duma auch Chemiewaffen eingesetzt haben. Es wird festgestellt, dass die Angriffe einem Muster entsprechen, das die Col seit April2014 wiederholt beobachtet und bereits in anderen Fällen beschrieben hat. Wie auch vorherige Berichte der Co I prangerte der am 20. Juni 2018 veröffentliche Bericht menschenverachtende Angriffe auf die syrische Zivilbevölkerung an. Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts war die vor allem durch das Regime praktizierte Taktik der Belagerung, die als mittelalter- liche Form der Kriegsführung verurteilt wird. Der Bericht vom 6. März 2018 behandelte die gezielte Zerstörung ziviler Infrastruktur insbesondere im Zuge der Belagerung von Ost-Ghouta, aber auch in Idlib. Der Bericht zeigt auf, wie vor allem Regimetruppen und deren Verbündete für zahlreiche und wiederholte Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen verantwortlich sind. Auch macht die Col das Regime für einen Chemiewaffenangriff am 18. November 2017 in Harasta verantwortlich. Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf dem Schicksal von Inhaftierten und "verschwundenen" Personen (siehe 111.1 und III.4). Zudem veröffentlichte die Col am 15. März 2018 einen Bericht über das enorme Ausmaß sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt (siehe 111.5). ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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15 ~ ~ -Nur fttt den Dienstgebt aneh in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Die VN-Generalversammlung hat seit 2011 sieben Resolutionen zur Menschrechtslage in Syrien verabschiedet, zuletzt am 19. Dezember 2017. Bereits 2012 hat die damalige VN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay wiederholt die Befassung des IStGH mit der Untersuchung schwerer Menschenrechtsverletzungen in Syrien befürwortet. Die Col fordert dies ebenfalls seit langem. Am 14. Januar 2013 hat die Schweiz im Namen von 57 Vertragsstaaten des Römischen Statuts des IStGH (darunter Deutschland) ein Schreiben an den Präsidenten des VN -Sicherheitsrats (VNSR) gesandt, mit dem der Sicherheitsrat im Hinblick auf begangene Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgerufen wird, die Situation in Syrien gemäß Art. 13 II des Römischen Statuts an .den IStGH zu überweisen. Ein entsprechender Beschluss des VNSR ist jedoch bislang am Widerstand Russlands gescheitert. Am 21. Dezember 2016 schuf die VN -Generalversammlung daher den "International, Impartial and Independent Mechanism to Assist in the Investigation and Prosecution of Persons Responsihle for the Most Serious Crimes under International Law Committed in the Syrian Arab Republic since March 2011" (111M), um der "Kultur der Straflosigkeit" in Syrien entgegenzuwirken. Die Hauptauf- gabe des 111M ist die Sammlung, Sicherung, Analyse und das Aufbereiten von Beweismitteln für zukünftige Strafverfahren, sowie die Unterstützurig nationaler Strafverfolgungsbehörden von Dritt- staaten bei Untersuchung der schwersten Verbrechen. Zuletzt äußerte sich im April 2018 der damalige VN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad Al Hussein, mit deutlichen Worten zu dem wiederholten Einsatz von Chemiewaffen durch verschiedene Konfliktakteure und die anhaltende Tatenlosigkeit der internationalen Gemeinschaft, insbesondere des Sicherheitsrates. Der vom VN-Sicherheitsrat eingesetzte JIM hatte in seinem am 26. Oktober 2017 veröffentlichten siebten Bericht zu Syrien festgestellt, dass das Assad-Regime in dem Angriffvom 4. April2017 auf die unter Kontrolle oppositioneller Kräfte stehende Ortschaft Khan Sheikhun im Süden der Provinz ldlib, bei dem über 100 Menschen ums Leben kamen und über 200 weitere verletzt wurden, das Nervengas Sarin eingesetzt hat. Der Bericht stellte weiter fest, dass der IS für den Einsatz von mit giftigem Senfgas gefüllten Granaten am 15. und 16. September 2016 bei der Ortschaft Umm Hawsh im Norden der Provinz Aleppo verantwortlich war. Seit der im November 2017 an russischen Vetos im VN-Sicherheitsrat gescheiterten Verlängerung des JIM-Mandats fehlt ein Mechanismus, der die Urheberschaft von Chemiewaffeneinsätzen feststellt. Die OVCW geht allerdings mit ihrer Fact Finding Mission (FFM) entsprechenden Meldungen nach und prüft, ob es zum Einsatz von Chemiewaffen gekommen ist. Im FFM-Bericht vom 16. Mai 2018 zum mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Sarakib am 4. Februar 2018 gibt die OVCW an, dass wahrscheinlich Chlor als chemische Waffe eingesetzt wurde. Die Ermittlungen zum jüngsten mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Duma am 7. April 2018, bei dem nach übereinstimmenden Meldungen etwa 50 Personen getötet und mehrere hundert verletzt worden sein sollen, dauern an. Ein FFM-Team hat ab dem 21. April vor Ort Zeugen befragt und Proben entnommen, die in Referenzlaboren der OVCW analysiert wurden. Ein im Juli 2018 veröffentlichter Interimsbericht der FFM konnte noch keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes von chemischen Waffen treffen. 1. Folter und willkürliche Verhaftungen Obwohl die syrische Verfassung (Art. 28) und das syrische Strafrecht Folter verbieten und Syrien das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Be- handlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 ratifiziert hat, wenden Polizei, Justizvollzugsorgane und vor allem Sicherheits- und Geheimdienste systematisch Folterpraktiken an, insbesondere ge- genüber Oppositionellen oder Menschen, die vom Regime als oppositionell eingestuft werden. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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16 '\i ~ - Nur :fö1 den Bienstgehrttaeh in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Seit März 2011 sind zahlreiche Fälle von Folter und Tötungen im Gewahrsam der Sicherheitsdienste belegt und in VN-Berichten dokumentiert. Laut Syrian Network for Human Rights liegt die Anzahl bestätigter Todesfälle nach Folter seit 2011 bei über 13.000. Laut Amnesty International sollen bislang über 17.000 Menschen zu Tode gefoltert beziehungsweise gezielt hingerichtet worden sein, allein bis zu 13.000 im Saydnaya-Militärgefängnis von 2011 bis 2015. Dabei soll es sich hauptsächlich um Zivilisten gehandelt haben, die als oppositionell angesehen wurden. Laut Human Rights Data Analysis Group sind 17.723 Personen zwischen März 2011 und Dezember 2015 in Gewahrsam syrischer Sicherheitskräfte an den Folgen von Folter und anderen Misshandlungen gestorben. Nach Berichten der Col ist eine hohe Anzahl der Todesfälle auch auf die erbärmlichen Haftbedingungen wie Überbelegung der Zellen, ungenügende Nahrungsrationen, unzureichende Sanitäranlagen, und fehlende medizinische Versorgung zurückzuführen. Das Assad- Regime selbst macht keine Angaben zu Todesfällen in Folge von Gewaltanwendung in syrischen Haftanstalten, sondern benennt in der Regel unspezifische Todesursachen wie Herzversagen, Schlaganfall und ähnliches. Die Col bezeichnet die systematische Anwendung von Folter in Haftanstalten der syrischen Sicherheitsbehörden als eine staatliche Politik von Misshandlung und Folter, die in zahlreichen Einrichtungen mit massiver Gewalt angewendet wird. 2014 wurde eine beispiellose Sammlung von über 55.000 Fotos veröffentlicht, die ein unter dem Codenamen "Cesar" bekannt gewordener desertierter Fotograf der syrischen Militärpolizei in zwei Militärkrankenhäusern in der Nähe von Damaskus aufgenommen hatte. Darauf sind die Leichen von mindestens 6700 Menschen dokumentiert, die Spuren von Folter, Misshandlung oder Verhungern aufweisen. Die Echtheit der Fotos wurde von Forensik-Experten bestätigt. Erkenntnisse der Col zeigen, dass die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung, inklusive sexueller Gewalt, in den Verhöreinrichtungen der Sicherheitsdienste, zu denen weder Anwälte noch Familienangehörige Zugang haben, besonders hoch ist. . Personen, die unter dem Verdacht stehen, sich oppositionell zu engagieren, unterliegen einem hohen Folterrisiko. Folter macht in Syrien auch vor Kindem nicht halt. Zu Beginn des Aufstands 2011 schreckte die Folter von Kindem und Jugendlichen die Bevölkerung nicht ab, sondern entfachte empörte Proteste, beispielsweise nachdem das Regime im Mai 2011 den Leichnam des 13-jährigen Hamza Ali Al-Khateeb an seine Familie in Daraa übergab, der schwere Prellungen, Quetschungen, Brandmale, verstümmelte Genitalien und drei Schusswunden aufwies. Der bei weitem größte Teil dokumentierter Anwendung von Folter wurde in Einrichtungen des Regimes begangen. Medien und Menschenrechtsgruppen gehen von der systematischen Anwen- dung von Folter in insgesamt 27 Einrichtungen aus, die sich alle in der Nähe der bevölkerungs- reichen Städte im westlichen Syrien befinden: Zehn nahe Damaskus, jeweils vier nahe Horns, Latakia und Idlib, drei nahe Daraa und zwei nahe Aleppo. Es muss davon ausgegangen werden, dass Folter auch in weiteren Einrichtungen in bevölkerungsärmeren Landesteilen unter Regimekon- trolle verübt wird. Fälle von Folter wurden aber auch in Gebieten unter der Kontrolle von nicht- staatlichen Gruppen berichtet. Es bestehen keine realistischen Möglichkeiten einer effektiven strafrechtlichen Verfolgung von Folter oder anderen kriminellen Handlungen durch Sicherheitskräfte. Bereits vor März 2011 gab es glaubhafte Hinweise dafür, dass Personen, die sich über die Behandlung durch Sicherheitskräfte be- schwerten, Gefahr liefen, dafür strafrechtlich verfolgt bzw. wiederholt selbst Opfer solcher Prak- tiken zu werden. Gegenwärtig kann sich der einzelne Bürger in keiner Weise gegenüber staatlichen Willkürakten zur Wehr setzen. Bis zur Vorführung vor einen Richter können nach Inhaftierung mehrere Monate vergehen, in dieser Zeit besteht in der Regel keinerlei Kontakt zu Familien- angehörigen oder Anwälten. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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17 vS -Nut mr den Dienstgebt aaelt in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft Zudem sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen einzelne Familienmitglieder, nicht selten Frauen oder Kinder, fiir vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder inhaftiert und gefoltert werden. Solche Sippenhaft wird Berichten zufolge in einigen Fällen auch angewendet, wenn vom Regime als feindlich angesehene Personen Zuflucht im Ausland gesucht haben. Ferner sind Fälle bekannt, bei denen diese Sippenhaft bereits bei bloßem Verdacht auf mögliche Annäherung an die Opposition angewandt wird. Das Regime hat bereits die Belieferung von Gebieten unter Kontrolle der Opposition mit humanitären Gütern oder medizinische Behandlung von Oppositionellen als Aktivitäten deklariert, auf die von Gesetzes wegen die Todes- strafe steht. Ferner überlagern sich die Verhaftungskampagnen des Regimes mit Schutzgelderpres- sungen und anderen Formen der Kriegsökonomie. 2. Politisch beeinflusste JustizNerwaltung Bereits vor dem Aufstand war die Unabhängigkeit der syrischen Justiz mangelhaft. Mittlerweile, sind syrische Gerichte, ganz gleich ob der Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtbarkeit, korrupt, nicht unabhängig, und werden fiir politische Zwecke missbraucht. Eine effektive Verteidigung vor Strafgerichten ist nicht möglich. Immer wieder werden falsche Geständnisse durch Folter und Drohungen seitens der Gerichte erpresst. Die Menschenrechtsorganisation Violations Documenta- tion Center berichtete, dass im April 2016, zweieinhalb Jahre nach Einrichtung der Anti-Terroris- mus-Gerichte, bereits mehr als 80.000 Fälle an diese überwiesen worden seien. Vor diesen Ge- richten ist Angeklagten in Verfahren, die oftmals nur wenige Minuten dauern, ein Rechtsbeistand verwehrt; sie werden nach glaubhaften Aussagen ehemaliger Häftlinge oftmals gezwungen, Ge- ständnisse ohne Kenntnis des Textes blind zu unterschreiben. Das Syrian Network for Human Rights berichtete, dass die Mehrzahl der von diesen Gerichten Verurteilten Haftstrafen von fünf bis 20 Jahren erhält. Die Verwaltung in Gebieten unter der Kontrolle des syrischen Regimes arbeitet hingegen in Routineangelegenheiten weiterhin mit einer gewissen Zuverlässigkeit. Das gilt nach den Er- fahrungen des Auswärtigen Amts insbesondere für das Personenstandswesen. In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen verschieden. In manchen Gebieten sprechen säkulare Gerichte nach dem syrischen Strafgesetz Recht, in anderen ist die Scha- ria maßgeblich. 3. Todesstrafe Die syrische Strafgesetzgebung sieht fiir Mord, schwere Drogendelikte, Terrorismus, Hochverrat, und weitere Delikte die Todesstrafe vor. Vor allem die unterschiedslose Diffamierung von politi- schen Gegnern, bewaffneten Rebellen und selbst den syrischen "Weißhelmen" als "Terroristen" durch das Regime oder die sehr weite Fassung des Begriffs Hochverrat bis hin zu politischer Dissi- denz ermöglicht den Missbrauch der Todesstrafe zu politischen Zwecken. Urteile wegen Mitglied- schaft in der Muslimbruderschaft, auf die ebenfalls die Todesstrafe steht, werden seit einigen Jahren in der Regel in zwölfjährige Freiheitsstrafen umgewandelt. Im Jahr 2010 wurden siebzehn Hinrichtungen bekannt. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts liegen keine offiziellen Zahlen vor. Im Rahmen der Kampfhandlungen seit 2011 kam es zu einer Vielzahl von außergerichtlichen Tötungen und Hinrichtungen, über die keine belastbaren Zahlen vorliegen. Nach Aussagen von frei- gelassenen Häftlingen gegenüber Amnesty International finden Exekutionen in Gefängnissen regel- mäßig statt. Die Coi berichtete ebenfalls von außergerichtlichen Hinrichtungen in Gebieten unter Regimekontrolle. ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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...:.-E-:..-----1in geschwärzter -Y'~/~S~PN.~naTt-tfiriirt"ffdreetn-t-fB-tiiieen-ns!titftl'g'eehh-tr~attHHe~h Fassung nicht als VS eingestuft 18 Desertion hat sich im Rahmen des Konflikts in Syrien zu einem umfangreichen Phänomen entwickelt und kann mit dem Tod bestraft werden. Nach Informationen von Menschenrechtsvertei- digern und desertierten Soldaten hat das syrische Militär ergriffene mutmaßliche Deserteure in zahl- reichen Fällen getötet. Inwieweit dabei die Vorschriften der syrischen Militärjustiz beachtet werden, ist nicht bekannt. Menschenrechtsorganisationen haben jedenfalls von summarischen Hinrichtungen mutmaßlicher Deserteure berichtet. Im Laufe des bewaffueten Konflikts kam es ebenfalls zu Hinrichtungen von gefangengenommenen Angehörigen der syrischen Sicherheitskräfte durch zumeist radikalislamische Oppositionsgruppen. Auch diese Vorfälle wurden von der Col dokumentiert. 4. Haftbedingungen Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Col zufolge sind die Haftbedingungen in Syrien katastrophal und haben sich seit Ausbruch des Konflikts aufgrund von Überfiillung und einer gestiegenen Gewaltbereitschaft der Sicherheitskräfte und Gefängnisbediensteten erheblich ver- schlechtert. Gefangene werden auf engstem Raum zusammengepfercht, Leichen mitunter erst nach Tagen weggeräumt, medizinische Versorgung besteht kaum, und hygienische Zustände sind furcht- bar (s. auch Angaben unter III. 1. Folter und willkürliche Verhaftungen). Den besonderen Bedürf- nissen von Frauen wird kaum oder gar nicht nachgekommen. Berichten zufolge müssen Frauen in Gefängnissen ohne jegliche Unterstützung entbinden und für ihre Kinder sorgen. Eine Versorgung mit Milch oder Hygieneartikeln erfolgt allenfalls durch Besucher, sofern sie in der entsprechenden Haftanstalt überhaupt erlaubt sind. Seit Mitte 2018 hat das IKRK Zugang in alle dem syrischen Innenministerium unterstehenden Gefängnisse. Das IKRK bemüht sich weiterhin um Fortsetzung bzw. Erweiterung der Zugangsmög- lichkeiten, erhält jedoch nach wie vor keinen Zugang zu Gefängnissen der Sicherheitsdienste, in denen nicht nur Oppositionskämpfer, sondern auch ein Großteil der politischen Gefangenen inhaf- tiert sind. Die Delegationsleiterin des IKRK in Syrien geht nicht davon aus, dass das syrische Re- gime dem IKRK absehbar den Zugang in Haftanstalten der Sicherheitsdienste gewähren wird . 201 7 äußerte die Regie- . Im rungaufgrund nachrichtendienstlicher Erkenntnisse öffentlich die Vermutung, dass syrische Behör- den im Zentralgefängnis von Saydnaya, in dem besonders viele politische Gefangene festgehalten werden, ein Krematorium angelegt haben, um die Leichen von Gefangenen ohne Spuren zu besei- tigen. Korruption unter dem Gefängnispersonal ist glaubhaften Berichten syrischer Menschenrechtsvertei- diger sowie Familienangehöriger von Häftlingen zufolge weit verbreitet. Grundlegende Versor- gungsleistungen werden häufig nur gegen Bezahlung gewährt. 5. Geschlechtsspezifische Verfolgung Die Untersuchungskommission des VN-Menschenrechtrats hat in ihren Berichten festgestellt, dass alle Konfliktparteien in Syrien sexuelle Gewalt anwenden. Obwohl sowohl Frauen als auch Männer Opfer sexueller Gewalt wurden, sind Frauen in unverhältnismäßig hohem Maße betroffen. So doku- mentiert die Col Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen von Seiten des ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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19 ""v'S -Not föt den BienstgeiJI'ftaek in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft syrischen Militärs und affiliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, militärischen Kon- trollstellen und in Haftanstalt.en. Menschenrechtsvertreter berichten, dass es bisher in mindestens 20 Haftanstalten in Syrien zu Ver- gewaltigungen und sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen gekommen sei. Erfah- rungen mit Misshandlung und sexueller Gewalt auch im Kontext von Razzien und Vertreibung wird von einer steigenden Zahl syrischer Flüchtlingen berichtet, wie z.B. Human Rights Watch und das International Rescue Committee (IRC) dokumentieren. Bei "Ehrverbrechen" in der Familie, die in ländlichen Gegenden bei fast allen Glaubensgemein- schaften vorkommen, besteht kein effektiver staatlicher Schutz. 6. Handlungen gegen Kinder Schwere Verletzungen der Rechte der Kinder in Syrien sind weit verbreitet. Der vom VN-General- sekretär am 16. Mai 2018 veröffentlichte Jahresbericht zu Kindem und bewaffneten Konflikten ver- urteilte die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten, Inhaftierung und Folter, Vergewal- tigungen und sexuelle Gewalt gegen Kinder; Verweigerung humanitärer Hilfsleistungen, sowie Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser in Syrien als schwere Verstöße (sog. "six grave violations") gegen die Rechte von Kindern. Der VN-Generalsekretär berichtete der Generalver- sammlung über die höchste Zahl verifizierter Verstöße gegen die Rechte von Kindern, die jemals in Syrien registriert worden waren. Kinder zählten zwischen 2017 und 2018 außerdem im erhöhten Maß zu den Opfern des Konflikts, insbesondere durch Angriffe des syrischen Regimes und seiner Verbündeten. Die Zwangsrekrutierung von Kindem in Syrien ist laut Bericht der VN Sondergesandten für Kinder und bewaffnete Konflikte seit 2014 stetig angestiegen.. Dies wird neben der FSA sowie IS und anderen dschihadistischen Gruppen auch dem syrischen Militär und regime-nahen Milizen zugeschrieben. Zudem gibt es laut Bericht weiterhin Rekrutierungen Minderjähriger durch YPGNPJ. In 2017 sind Zwangsrekrutierungen von Kindem durch YPG/YPJ im Vergleich zum Vorjahr um das Fünffache gestiegen, bei einem Drittel handelt es sich um Mädchen. 7. Kurden und Situation in Kurdengebieten Die Kurden (und somit auch die dieser Volksgruppe angehörigen Jesiden) in Syrien wurden im Jahre 1963 mit der Machtübernahme der Baath-Partei Ziel weitgehender und repressiver Maßnahmen. Bereits infolge einer im Jahr 1962 in der Provinz Hassaka stattfindenden Volkszählung wurden sie in Syrien zu Ausländern erklärt, ihnen wurde die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt. Es entstanden zwei Gruppen: die als staatenlose "Ausländer" registrierten Adschanib (Ausländer), und die nicht-registrierten Maktumin ("versteckt"). Adschanib erhalten standesamtliche Identitätsdokumente, Maktumin nur in Ausnahmefällen. Maktumin konnten bisher keine Pässe beantragen, ihre Kinder nicht registrieren und einschulen lassen und nicht legal heiraten. Zu Beginn der Aufstände in Syrien hat das Assad-Regime im April 2011 bekannt gegeben (Dekret Nr. 49 vom 7. April2011), dass in Syrien lebende staatenlose Kurden die syrische Staatsangehörig- keit erhalten sollten. Dies betriffi aber nur registrierte staatenlose Adschanib ("Ausländer"). Nicht- registrierte staatenlose Maktumin ("Versteckt") werden in den vom syrischen Regime kontrollierten Gebieten weiterhin nicht berücksichtigt. Dem Personenkreis der Maktumin ist der Zugang zu Bil- dung (Schulen), Wahlen und staatlichen Arbeitsplätzen verwehrt, Personenstandsurkunden werden ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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20 'llS -Nur fü1 den Bierrstgeb1 aaeh in geschwärzter Fassung nicht als VS eingestuft nicht erteilt, Eheschließungen mit syrischen Staatsangehörigen sind nicht möglich. Sie können allerdings von den Kommunalbehörden (dem Ortsvorsteher) in Syrien eine Bescheinigung über die Maktumin-Eigenschaft erhalten. Es ist davon auszugehen, dass eine solche Bescheinigung nicht zu erhalten ist, wenn die Betroffenen nicht mehr vor Ort in Syrien sind. Weitergehende Urkunden kann dieser Personenkreis nicht vorlegen. Nur eine ausführliche Befragung und Einholung von Indizien kann überhaupt einen Hinweis darauf geben, ob es sich tatsächlich um nicht registrierte Kurden handelt, die zuvor in Syrien lebten. Mit Machtübernahme der kurdischen PYD in Nord- und Nordostsyrien hat sich diese bis dahin bestehende staatliche Diskriminierung von Kurden faktisch entspannt. Zugleich wird weiterhin von Menschenrechtsverletzungen der PYD und ihrem bewaffneten Arm, YPG, in den kurdischen "Selbstverwaltungsgebieten" der sog. "Föderalen Administration" berichtet. Die YPG stellt einen wesentlichen Teil der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen. In den von ihr kontrollierten Gebieten errichten die SDF und das ihr beigeordnete zivile Entscheidungsgremium des Syrischen Demokratischen Rats (SDC) staatsähnliche, in Kernbereichen von der PYD dominierte Verwaltungsstrukturen. Das von der PYD kontrollierte Kerngebiet im Nordosten Syriens -die sog. Demokratische Föderation Nordsyrien - ist von der Bundesregierung völkerrechtlich nicht anerkannt. Die YPG gehört. seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen. Amnesty International warnte vor willkür- lichen Festnahmen und unfairen Gerichtsverfahren. Human Rights Watch berichtet wiederholt- zuletzt 2018 -über Missbrauch von Gefangenen und menschenunwürdige Haftbedingungen durch die PYD-Selbstverwaltung. Einrichtungen von Oppositionsparteien würden geschlossen, deren Ver- treter willkürlich monatelang festgehalten. Es gibt zudem Berichte über Zwangsevakuierungen ara- bischstämmiger Bevölkerungsgruppen. In der Gesamtbetrachtung stellt sich die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten jedoch als insgesamt erkennbar weniger gravierend dar als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis dschihadistischer Gruppen befinden. Am 18. März 2018 nahm die Türkei im Rahmen der Militäroperation "Olivenzweig" das bis dahin von der kurdischen PYDNPG kontrollierte Afrin in Nord-Syrien ein. Zahlreiche Kurden und auch einige Jesiden, die sich dem Verdacht einer Kooperation mit PYD/YPG ausgesetzt sahen, flohen aus Angst vor Repressionsmaßnahmen durch türkische Sicherheitskräfte und arabische Hilfs- truppen. Zivilisten berichteten, dass die kurdischen Behörden sie bis kurz vor Beginn des türkischen Angriffs an der Flucht aus Afrin hinderten. Inzwischen ist ein Teil der Geflohenen nach Afrin zu- rückgekehrt. Mit Stand Mitte August 2018 harren circa 138.000 Menschen noch in der westlich von Afrin gelegenen, und unter Kontrolle von Sicherheitskräften des Regimes und von Russland stehenden Kleinstadt Tell Rifaat sowie Nachbargemeinden aus und hofft auf eine Genehmigung sowohl seitens des Regimes als auch seitens der türkischen Sicherheitskräfte, nach Afrin zurück- kehren zu können. Bewohner Afrins meldeten außerdem, dass Mitglieder bewaffneter Milizen Rückkehr nur nach Zahlung eines Schmiergeldes erlauben und äußerten Sicherheitsbedenken als größtes Rückkehrhindemis. Zudem gab es. Berichte von Vertriebenen, vor allem von Kurden, dass ihre Häuser und Wohnungen nach ihrer Flucht von Mitgliedern von Milizen geplündert und/oder besetzt worden seien. Anderen sei bei ihrer Rückkehr der Zugang zu ihrem Besitzaufgrund von tat- sächlicher oder vermeintlicher Nähe zur YPG verweigert worden. Der VN-Hochkommissar für Menschenrechte (OHCHR) berichtete im Juni 2018, dass die Sicher- heitstage in den von der Türkei kontrollierten Gebieten im Norden des Landes volatil bleibe; in ©Auswärtiges Amt 2018- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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