Kurzgutachten Rossi

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Prozedurale und materielle Vorgaben für die Beantwortung presse- und parlamentsrechtlich begründeter Auskunftsersuchen Juristisches Kurzgutachten erstellt im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMG, von Professor Dr. Matthias Rossi, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie Gesetzgebungslehre an der Universität Augsburg. April 2021
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Wesentliche Ergebnisse Das nachfolgende Gutachten gelangt zu folgenden Ergebnissen: I.     Gesamtergebnis 1. Sowohl nach dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse als auch nach dem parlamentarischen Informationsrecht ist das BMG zur Erteilung von Auskünften nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, wenn und soweit überwiegende öffentliche oder private Interessen nicht entgegenstehen. 2. Jedenfalls in Bezug auf die Namen der Abgeordneten, die im Zusammenhang mit der Be- schaffung persönlicher Schutzausrüstung durch das BMG und abgeschlossenen Verträgen mit dem BMG vor oder nach Vertragsschluss in Kontakt waren, die Namen der insoweit betroffenen Unternehmen und die Art der persönlichen Schutzausrüstung stehen Auskünf- ten gegenüber den Medien und/oder dem Parlament keine überwiegenden privaten oder öf- fentlichen Interessen entgegen. 3. Infolgedessen ist das BMG insoweit zur Erteilung der entsprechenden Auskünfte nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. II.    Rechtliche Grundlagen 4. Das BMG ist verpflichtet, die von Vertretern der Presse, von einzelnen Abgeordneten und von einzelnen Bürgern gestellten Auskunftsersuchen zu der Frage, welche Abgeordneten sich im Rahmen der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung beim BMG für be- stimmte Unternehmen eingesetzt haben, nach Maßgabe der jeweiligen rechtlichen An- spruchsgrundlage zu beantworten. 5. Als maßgebliche Anspruchsgrundlagen sind vom BMG in Abhängigkeit vom konkreten Antragsteller der verfassungsunmittelbare presserechtliche Auskunftsanspruch, das parla- mentarische Frage- und Informationsrecht sowie der allgemeine Informationszugangsan- spruch des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zu berücksichtigen. 6. Dabei dürfen auf das IFG gestützte Auskunftsersuchen nachrangig behandelt werden, weil zu erwarten steht, dass die auf der Grundlage des pressrechtlichen Auskunftsanspruchs und 2
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des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts bereitgestellten Informationen öffent- lich gemacht werden. In diesem Fall können auf das IFG gestützte Anträge insoweit unter Verweis auf die allgemeine Verfügbarkeit der Informationen abgelehnt werden. 7. Der nachrangigen Berücksichtigung des IFG steht nicht entgegen, dass das IFG den wei- testgehenden Schutz von Interessen Dritter bietet, weil es etwa in § 5 Abs. 2 IFG bei Infor- mationen mit Mandatsbezug das Informationsinteresse zurücktreten lässt oder in § 6 Satz 2 IFG die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen allein an die Zustimmung des Geheimnisherrn knüpft und keinen Abwägungsvorbehalt vorsieht. Denn das IFG ver- drängt nicht etwa den presserechtlichen Auskunftsanspruch und das parlamentarische Frage- und Informationsrecht, sondern ordnet umgekehrt den Vorrang anderer Auskunfts- ansprüche an. 8. Gleichwohl muss das BMG auch bei der Beantwortung von Auskunftsersuchen der Presse und von Fragen einzelner Abgeordneter auch rechtlich geschützte Interessen Dritter berück- sichtigen. Es darf deshalb nicht einseitig die Befriedigung der jeweiligen Auskunftsersu- chen vor Augen haben, sondern muss sich zugleich seiner Schutzpflicht für rechtlich ge- schützte Interessen Dritter bewusst sein und im Ergebnis einen Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz finden. Im Konfliktfall sind das Informationsinteresse der Presse bzw. der anfragenden Abgeordneten gegen rechtlich geschützte Interessen der Abgeordne- ten bzw. gegen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen abzuwä- gen. III. Prozedurale Folgen des Abwägungsgebotes 9. Als prozedurale Konsequenz des materiellen Abwägungsgebotes muss das BMG zunächst die potenziellen schutzwürdigen Interessen von Abgeordneten und Unternehmen ermitteln. Um dabei den bereits gestellten Auskunftsersuchen so schnell wie möglich entsprechen und zugleich die Breite des möglichen Eingriffs in Rechte Dritter minimieren zu können, sollte und konnte das BMG seine internen Ermittlungen auf solche Fälle erstrecken, in denen der Kontakt zwischen dem Abgeordneten und dem BMG solche Unternehmen betraf, mit denen tatsächlich ein Vertrag über persönliche Schutzausrüstungen geschlossen wurde. 10. Um die verbleibende Eingriffstiefe auszuloten, hat das BMG den betroffenen Abgeordneten und Unternehmen sodann Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine solche Anhörung 3
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dient zum einen der Sicherstellung der materiellen Richtigkeit der fraglichen Information und der Ermittlung der abwägungsrelevanten Belange, gibt den Betroffenen zum anderen aber zugleich auch die Möglichkeit, in die Preisgabe der sie betreffenden Informationen einzuwilligen. Zugleich ist sie zwingende Voraussetzung für einen effektiven Rechtsschutz und insofern verfassungsrechtlich unerlässlich. IV. Materielle Bewertung der Abwägungsbelange 11. Bei der anschließenden materiellen Bewertung der Abwägungsbelange ist zunächst zu be- achten, dass weder das von der Presse noch das von Abgeordneten geltend gemachte Infor- mationsinteresse einer Relevanzprüfung unterzogen werden darf. Es darf durch das BMG daher nicht hinterfragt werden. Umgekehrt darf und muss das BMG Faktoren berücksichti- gen, die im konkreten Einzelfall eine gesteigerte Bedeutung des Informationsinteresses er- kennen lassen. Insofern sind neben einem allgemeinen Transparenzinteresse auch das be- sondere Interesse an Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, die Bedeu- tung des Transparenzgrundsatzes im Vergaberecht, die Bedeutung von Transparenz zur Si- cherstellung und Herstellung von Vertrauen sowie eingeschränkt auch die Vielzahl der par- lamentarischen Anfragen zu berücksichtigen. Insgesamt sind die geltend gemachten Infor- mationsinteressen von Presse und Abgeordneten in der vorliegenden Konstellation sehr hoch zu gewichten. 12. Umgekehrt sind die Restriktionsinteressen der betroffenen Abgeordneten vorliegend nied- rig zu bewerten. Unabhängig davon, ob die Preisgabe des Namens und der Bezug zu einem Unternehmen primär am Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder am Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung gemessen werden, handelt es sich insoweit nicht um besonders sen- sible Daten. 13. Das persönliche Restriktionsinteresse der Abgeordneten wird nur in begrenztem Umfang durch Statusrechte angereichert. Die vom BMG begehrten Informationen über die Rolle von Abgeordneten bei der Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung stehen in keinem unmit- telbaren Bezug zu den verfassungsunmittelbaren Aufgaben der Abgeordneten. Ein Engage- ment von Abgeordneten im Zusammenhang mit Unternehmen, mit denen Verträge zur Be- schaffung von persönlicher Schutzausrüstung geschlossen wurden, ist regelmäßig keiner 4
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der Aufgaben und Funktionen zuzuordnen, die Abgeordneten von der Verfassung zugewie- sen sind. Nur soweit der Kontakt zum BMG auf die Durchführung bereits geschlossener Beschaffungsverträge bezogen war, mag dies als Ausdruck einer Mitwirkung an der parla- mentarischen Kontrolle des Bundestages zu werten sein. Im Übrigen sind die besonderen Rechte der Abgeordneten wegen ihres Doppelstatus als Mandatsträger und Privatpersonen auch dort zu berücksichtigen, wo sie außerhalb der formalisierten und institutionalisierten Wege tätig werden. Mittelbar besteht daher ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit bzw. der Funktion von Abgeordneten im Bundestag und ihrem Engagement im Zusammenhang mit der Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung. 14. Entsprechendes gilt für die Restriktionsinteressen der betroffenen Unternehmen. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die begehrten Auskünfte auch solche Informationen betreffen, die als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse grundrechtlich geschützt sind. Soweit ein Un- ternehmen einen solchen Schutz für die begehrten Informationen reklamiert, ist aber stets genau zu prüfen, ob an der fraglichen Information überhaupt ein berechtigtes Geheimhal- tungsinteresse besteht, ob also überhaupt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die betroffenen Unternehmen des besonderen Informationsinteresses an Verträgen mit der öffentlichen Hand bewusst sein müssen. V.     Vornahme der Abwägung 15. Die Bewertung der einzelnen Abwägungsbelange determiniert die eigentliche Abwägungs- entscheidung: 16. Dabei ist eine Abwägung schon nicht erforderlich, soweit einzelne Abgeordnete und Unter- nehmen in die Veröffentlichung der sie betreffenden Informationen eingewilligt haben. So- weit eine Einwilligung nicht explizit erteilt wurde, ist zwar nicht unbedingt von ihrer Ver- weigerung, gleichwohl aber davon auszugehen, dass keine Einwilligung vorliegt. 17. Auch soweit keine Einwilligung vorliegt, können und müssen die eingangs genannten Aus- künfte zu den Namen der Abgeordneten und der Unternehmen sowie zu der Art der persön- lichen Schutzausrüstung im Ergebnis herausgegeben werden. Denn gegenüber dem beson- deren Informationsinteresse der Presse und von einzelnen Abgeordneten wiegen die Rest- riktionsinteressen anderer Abgeordneter und Unternehmen weniger schwer. Sie werden al- lenfalls marginal in ihren Rechten beeinträchtigt. 5
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18. Trotz der jedenfalls hinsichtlich der eingangs genannten Informationen deutlichen materi- ellen Überlagerung des Informationsinteresses der Presse und der anfragenden Abgeordne- ten gegenüber Restriktionsinteressen von Abgeordneten und Unternehmen sollte das BMG einen möglichst schonenden Ausgleich im Sinne einer praktischen Konkordanz zwischen den widerstreitenden Interessen anstreben. Dies kann etwa durch eine typisierte Form der Auskunftserteilung bewirkt werden. Diese Form der typisierten – etwa tabellarischen – Auskunftserteilung trüge auch dem Umstand Rechnung, dass das BMG letztlich nur zu den bei ihm vorhandenen Informationen Auskunft erteilen kann. Insbesondere ist es dem BMG nicht möglich und rechtlich auch nicht aufgegeben, diejenigen Informationen im Detail of- fenzulegen, die es seinerseits im Rahmen der der Auskunftserteilung vorausgehenden An- hörung von Abgeordneten und Unternehmen erhalten hat. Es steht aber natürlich jedem Abgeordneten und Unternehmen frei, den Kontakt zum BMG individuell zu kommentieren und zu kontextualisieren. VI. Verfahren der Auskunftserteilung 19. Trotz der in Bezug auf die eingangs genannten Informationen im Ergebnis eindeutigen ma- teriellen Abwägung zugunsten des Informationsinteresses der Presse und der anfragenden Abgeordneten sollten sämtliche betroffene Abgeordnete und Unternehmen vor der Preis- gabe der Informationen noch einmal unterrichtet werden. Ihnen ist mitzuteilen, dass, wann und welche Informationen preisgegeben werden. Auf diese Weise erhalten sie zum einen die Möglichkeit, Rechtsschutz gegen die intendierte Veröffentlichung in Anspruch zu neh- men, und können sich andererseits auf weitere, an sie gerichtete Fragen einstellen. 6
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A. Gutachtenauftrag Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sieht sich derzeit verschiedenen Auskunftser- suchen gegenüber, mit denen Informationen darüber begehrt werden, welche Abgeordneten sich im Rahmen der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung beim BMG für bestimmte Unternehmen eingesetzt bzw. Kontakt mit dem Ministerium aufgenommen haben. Solche An- fragen sind von Vertretern der Presse, von einzelnen Abgeordneten des Bundestages im Rah- men von parlamentarischen Anfragen sowie von einzelnen Bürgern gestellt worden. Die Auskunftsersuchen beschränken sich nicht auf solche Informationen, die in die alleinige Dispositionsbefugnis des BMG fallen, sondern betreffen mit den Abgeordneten und Unterneh- men notwendigerweise Dritte. Die Abgeordneten können durch eine Offenlegung der sie be- treffenden Daten sowohl in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als möglicherweise auch in ihren spezifischen Rechten als Abgeordnete betroffen sein. Zugleich ist nicht auszuschließen, dass die begehrten Informatio- nen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Unternehmen betreffen. Um einerseits die Auskunftsersuchen im Sinne einer weitestgehenden Transparenz rasch und umfassend zu beantworten, dabei andererseits aber die Rechte der betroffenen Abgeordneten und Unternehmen hinreichend zu wahren, soll dieses Gutachten die prozeduralen und materi- ellen Rahmenbedingungen klären, unter denen die Auskunftsersuchen beantwortet werden kön- nen und müssen. B. Kurzgutachten I.    Mögliche Anspruchsgrundlagen im Überblick Mit Blick auf die bereits gestellten Auskunftsersuchen thematisiert dieses Gutachten nicht die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen das BMG von sich aus, also proaktiv und antragsunabhängig, Informationen über die Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung durch das Ministerium preisgeben darf. Es konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob den gestellten Auskunftsersuchen ein rechtlicher Auskunftsanspruch zu Grunde liegt und wie weit dieser reicht. Insofern sind drei verschiedene Anspruchsgrundlagen in den Blick zu nehmen: 7
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1.    Presserechtlicher Auskunftsanspruch Ein möglicher Anspruch auf Auskunft über die Rolle von Abgeordneten bei der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung durch das BMG ergibt sich zunächst aus dem Presserecht. Weil die Auskunftsersuchen an eine Bundesbehörde gerichtet sind, scheiden nach der zwar noch jungen, gleichwohl aber gefestigten und vom Bundesverfassungsgericht bislang jedenfalls 1 geduldeten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Landespressegesetze als An- 2 spruchsgrundlage aus. Die Auskunftsbegehren können nach dieser Rechtsprechung aber auf einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gestützt werden, den das Bundesverwal- 3 tungsgericht aus der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit ableitet. Unge- achtet genauer Einzelheiten zum Kreis der Anspruchsberechtigten steht dieser Anspruch Jour- nalisten zu. Unbegrenzt ist ihr Anspruch nicht: Er erstreckt sich nur auf bei der Behörde vor- handene Informationen und reicht nur so weit, wie schutzwürdige Interessen öffentlicher Stel- 4 len oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. 2.    Parlamentarischer Informationsanspruch Einzelne Abgeordnete können darüber hinaus aus ihren Statusrechten als Abgeordnete einen Anspruch auf Auskunft darüber haben, welche Rolle (andere) Abgeordnete bei der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung durch das BMG gespielt haben. Denn aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammen- schlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregie- rung korrespondiert. Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mit- glieder der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und 5 Antwort zu stehen. Indes wird auch der parlamentarische Informationsanspruch nicht schran- kenlos gewährleistet: Er unterliegt Grenzen, die ihren Grund allerdings im Verfassungsrecht 1 BVerfG, NVwZ 2016, 50, 51. 2 BVerwGE 146, 56, 59 f.; BVerwGE 151, 348, 350 ff. 3 Vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 30.01.2020 – 10 C 18/18 – juris Rn. 28. 4 BVerwG, Urt. v. 30.01.2020 – 10 C 18/18 – juris Rn. 28. 5 BVerfGE, 124, 161, 188; 146, 1, Ls. 1; 147, 50, Ls. 1. 8
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haben müssen. Einfachgesetzliche oder vertraglich vereinbarte Verschwiegenheitspflichten rei- 6 chen für sich genommen nicht aus, das Frage- und Informationsrecht zu beschränken. 3.     Allgemeiner Informationszugangsanspruch Schließlich kann sich ein Anspruch auf Auskunft über die Rolle von Abgeordneten bei der Beschaffung von persönlicher Schutzausrüstung durch das BMG aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ergeben. Nach dieser Bestimmung hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Be- hörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Auch dieser An- spruch ist aber nicht unbeschränkt, sondern unterliegt zahlreichen Ausnahmen und Beschrän- kungen, die vor allem in §§ 3 – 6 IFG normiert sind, sich darüber hinaus aber etwa auch aus § 9 Abs. 3 IFG ergeben. 4.     Verhältnis der Anspruchsgrundlagen Die drei genannten Anspruchsgrundlagen unterscheiden sich vor allem durch den Kreis der jeweiligen Anspruchsberechtigten, daneben aber auch durch den Grad der rechtlichen Determi- nierung voneinander: Während der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse ge- genüber Behörden des Bundes und das parlamentarische Frage- und Informationsrecht richter- rechtlich entwickelte und konkretisierte Auskunftsansprüche und deshalb kasuistisch geprägt sind, ist der allgemeine Informationszugangsanspruch im IFG gesetzlich ausgestaltet und des- halb durch eine systematische Konkretisierung charakterisiert. Für die Beantwortung der konkreten Auskunftsersuchen durch das BMG sind diese abstrakten Unterschiede der einzelnen Anspruchsgrundlagen zunächst nicht von Bedeutung: Es muss über jedes einzelne Auskunftsersuchen nach Maßgabe der jeweils geltend gemachten bzw. einschlä- gigen Anspruchsgrundlage entscheiden. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass sich die ge- nannten Anspruchsgrundlagen nicht gegenseitig ausschließen, sondern parallel nebeneinander 7 bestehen. Journalisten können Auskunftsansprüche sowohl auf das Presserecht als auch auf 6 BVerfGE 147, 50, Ls. 2. 7 Vgl. Debus, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, 31. Edition, § 1 IFG Rn. 204; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 327. Zum Verhältnis von IFG und presserechtlichen Auskunftsan- sprüchen jüngst Gurlit, AfP 2020, 9 f. 9
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8 das allgemeine Informationszugangsrecht stützen. Auch Abgeordnete können neben ihrem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht das allgemeine Informationszugangsrecht nut- zen, um Informationen von öffentlichen Stellen zu erlangen. Insofern sollte das BMG, wenn die konkreten Auskunftsersuchen nicht ohnehin explizit auf mehrere Anspruchsgrundlagen ge- stützt worden sein sollten, jeweils alle möglichen Anspruchsgrundlagen in Betracht ziehen. 5.     Nachrangige Berücksichtigung des IFG Dabei dürfen ausschließlich auf das IFG gestützte Auskunftsersuchen zunächst nachrangig be- handelt werden. Denn nach § 9 Abs. 3 IFG kann der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, „wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann.“ Zu den all- gemein zugänglichen Quellen im Sinne dieser Vorschrift zählen Veröffentlichungen in den Me- 9 dien, insbesondere in Zeitungen, Zeitschriften etc. Auch amtliche Publikationen sind allgemein 10 zugängliche Quellen, so dass etwa die Veröffentlichung der begehrten Informationen im Rah- men einer Ausschussdrucksache des Bundestages als Ablehnungsgrund eines individuellen In- formationsantrags in Betracht kommt. Sollten die begehrten Auskünfte daher auf der Grundlage des presserechtlichen Auskunftsan- spruchs oder des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts durch das BMG erteilt wer- den können oder gar erteilt werden müssen und sollten die entsprechenden Informationen in der Folge öffentlich zur Verfügung stehen, dann können weitere individuelle Informationszu- gangsanträge gleichen Inhalts unter Verweis auf § 9 Abs. 3 IFG abgelehnt werden. Aus diesem Grunde konzentriert sich das Gutachten im Folgenden auf den presserechtlichen Auskunftsan- spruch und das parlamentarische Frage- und Informationsrecht. Der nachrangigen Berücksichtigung des IFG steht nicht entgegen, dass das IFG den weitestge- henden Schutz von Interessen Dritter bietet, weil es etwa in § 5 Abs. 2 IFG bei Informationen mit Mandatsbezug das Informationsinteresse zurücktreten lässt oder in § 6 Satz 2 IFG die Of- 8 BVerwG, Urt. v. 15.11.2012 – 7 C 1.12, NVwZ 2013, 431; vgl. aus der Literatur statt vieler Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Rn. 327 m.w.N. 9 Vgl. Sicko, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, 31. Edition, § 9 IFG Rn. 35 m.w.N.; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 47. 10 Sicko, in: Gersdorf/Paal (Hrsg.), BeckOK Informations- und Medienrecht, 31. Edition, § 9 IFG Rn. 37; Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 9 Rn. 49. 10
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