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Aktenzeichen
17 E 5272/16
Datum
24. Oktober 2016
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Hamburg am 24. Oktober 2016

17 E 5272/16

Das Verwaltungsgericht untersagt der Antragsgegnerin in einem Eilverfahren, Anlagen zu Verträgen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten können, vor der von ihr zu treffenden Entscheidung zugänglich zu machen. Es bedarf einer Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin und dem Informationsinteresse des betroffenen Unternehmens. Die Antragstellerin hat aber weder gegenüber der Antragsgegnerin noch gegenüber dem Gericht ihr Informationsinteresse näher erläutert. Außerdem muss die Antragsgegnerin einen Verwaltungsakt erlassen, bevor sie in Fällen, in denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter betroffen sein können, Informationszugang gewährt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Drittbetroffenheit Interessenabwägung

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17 E 5272/16 Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss In der Verwaltungsrechtssache …, - Antragstellerin - Prozessbevollmächtigte: …, gegen Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Umwelt und Energie …, - Antragsgegnerin - beigeladen: …, hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 17, am 24. Oktober 2016 durch … beschlossen: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, bis zur Be- standskraft der von ihr zu treffenden Entscheidung über den Antrag des Beigeladenen auf Informationszugang dem Beigeladenen den am 17. September 2010 zwischen der … und der Antragsgegnerin geschlossenen Vergleichsvertrag zugänglich zu machen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigelade- nen, die dieser selbst trägt, trägt die Antragsgegnerin zu 3/4 und die Antragstellerin zu 1/4. Der Streitwert wird auf EUR 2.500 festgesetzt.
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-2- Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten und sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich oder durch ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes und elektronisch übermit- teltes Dokument (§ 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. der Verordnung über den elektroni- schen Rechtsverkehr in Hamburg vom 28. Januar 2008 in der jeweils geltenden Fassung) beim Verwaltungs- gericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Hamburgischen Ober- verwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, schriftlich oder in elektronischer Form (s.o.) ein- geht. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begrün- dung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Hamburgischen Oberver- waltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, schriftlich oder in elektronischer Form (s.o.) einzu- reichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern ist oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Eine Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Der Beschwerde sowie allen Schriftsätzen sollen – sofern sie nicht in elektronischer Form eingereicht werden – Abschriften für die Beteiligten beigefügt werden. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer der in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen als Be- vollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen. Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes steht den Beteiligten die Beschwerde an das Hamburgische Oberverwaltungsgericht zu. Die Streitwertbeschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeam- ten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form (s.o.) beim Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertor- damm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Sie ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat, einzulegen. Soweit die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nicht durch das Verwaltungsgericht zugelassen wor- den ist, ist eine Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung nur gegeben, wenn der Wert des Beschwerde- gegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Gründe: I. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der An- tragsgegnerin untersagt wird, bestimmte Dokumente an den Beigeladenen zu übermitteln. Die Antragstellerin ist im Rahmen einer Umstrukturierung des …-Konzerns im Oktober 2015 durch Ausgliederung ihrer (partiellen) Gesamtrechtsvorgängerin, der … („ABC“), entstanden. Die ABC plante das Steinkohlekraftwerk Moorburg, das aufgrund der immis- sionsschutzrechtlichen Genehmigung der Antragsgegnerin vom 30. September 2008 in -3-
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-3- der Fassung vom 23. Oktober 2010 und der wasserrechtlichen Erlaubnis der Antragsgeg- nerin vom 30. September 2008 in der Fassung vom 21. Januar 2011 errichtet wurde und nunmehr von der Antragstellerin am Standort Moorburger Schanze 2, 21129 Hamburg, betrieben wird. Nach Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 30. September 2008 stritten die An- tragsgegnerin und die ABC aufgrund einer von der ABC erhobenen Klage vor dem Ham- burgischen Oberverwaltungsgericht (Az. 5 E 4/08.P) über die Zulässigkeit verschiedener Inhalts- und Nebenbestimmungen der wasserrechtlichen Erlaubnis. Zu diesem Verfahren wurde der …, Landesverband Hamburg e.V. (im Folgenden: „XYZ“), gegen den Willen der ABC beigeladen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 09.02.2009, 5 E 4/08.P, juris, Rn. 2). Nach Aufnahme von Vergleichsverhandlungen in diesem Gerichtsverfahren schlossen die Antragsgegnerin und die ABC am 10./11. März 2010 eine Vertraulichkeitsvereinbarung. In dieser haben sich nach dem Vortrag der Antragstellerin die Antragsgegnerin und die ABC verpflichtet, jedwede Informationen, die sie in den Vergleichsgesprächen oder im inhaltli- chen Zusammenhang mit diesen erlangt haben, vertraulich zu behandeln und es insbe- sondere zu unterlassen, derartige Informationen an jedwede Dritte weiterzugeben. Am 17. September 2010 schlossen die Antragsgegnerin und die ABC in nicht-öffentlicher Sitzung vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einen Vergleichsvertrag. Der XYZ stimmte diesem Vergleichsvertrag nicht zu (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 18.01.2013, 5 E 11/08, juris, Rn. 38). Durch Bescheid vom 4. Oktober 2010 änderte die Antragsgegnerin die wasserrechtliche Erlaubnis vom 30. September 2008 unter Berücksichtigung des Vergleichsvertrags ab. Die Erlaubnis wurde nach anschließender Durchführung eines Erlaubnisverfahrens durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. Januar 2010 ein weiteres Mal im Hinblick auf ei- nen zwischenzeitlich immissionsschutzrechtlich zugelassenen Hybridkühlturm für das Kraftwerk Moorburg geändert. Im Jahr 2011 machte die Antragsgegnerin den Vergleichsvertrag einem Rechtsprofessor der Universität …, Herrn …, aufgrund eines Auskunftsantrags nach dem damals gelten- den Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz zugänglich. Der hiesigen Antragstellerin war zuvor von der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Diese hatte mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtige, zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Am 12. August 2016 beantragte der Beigeladene gegenüber der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG), ihm den Vergleichs- vertrag zu übersenden. -4-
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-4- Am 22. August 2016 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin Gelegenheit zur Stel- lungnahme mit dem Hinweis, dass der Vergleichsvertrag dem XYZ bereits vorliege und daher Gründe für eine Nichtherausgabe an den Beigeladenen nicht vorliegen dürften. Mit Schreiben vom 30. August 2016 beantragte die Antragstellerin, den Informationsan- trag des Beigeladenen abzulehnen, sowie hilfsweise, ihr eine eventuelle Stattgabe des Informationsantrags mindestens eine Woche vor der geplanten Zugänglichmachung der Information bekanntzugeben. Wegen der Einzelheiten und näheren Begründung wird auf das Schreiben vom 30. August 2016 verwiesen. Mit Schreiben vom 20. September 2016 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin da- rauf hin, dass der Vergleichsvertrag bereits im Jahr 2011 Prof. Dr. ... zugänglich gemacht worden und damit bereits öffentlich bekannt sei. Vor diesem Hintergrund fragte sie an, ob die Einwendungen gegen die Zugänglichmachung der vom Beigeladenen begehrten In- formationen aufrechterhalten blieben. Mit Schreiben vom 20. September 2016 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie ihre Ein- wendungen aufrechterhalte. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit, dass der Vergleichsvertrag dem Beigeladenen in der 40. Kalenderwoche zugänglich gemacht werde. Es stehe der Antragstellerin frei, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu stellen. Daraufhin hat die Antragstellerin am 28.09.2016 um einstweiligen Rechtsschutz nachge- sucht. Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, dass der Vergleichsvertrag ein Altvertrag im Sinne von § 17 Abs. 1 HmbTG sei und die Vertraulichkeitsvereinbarung vom 10./11. März 2010 sich auch auf den Inhalt des Vergleichsvertrags beziehe. Die Antragsgegnerin müsse daher nach § 17 Abs. 2 HmbTG mit ihr in Nachverhandlungen eintreten, bevor sie dem Beigeladenen den Vergleichsvertrag zugänglich mache. Ferner enthalte der Ver- gleichsvertrag schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 7 HmbTG und dürfe auch aus diesem Grund dem Beigeladenen nicht zugänglich gemacht werden. Die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung bis zum Abschluss des Haupt- sacheverfahrens zu untersagen, dem Beigeladenen 1. den gerichtlichen Vergleichsvertrag (OVG Hamburg, Az. 5 E 4/08.P) zwi- schen ihrer Rechtsvorgängerin (ABC) und der Antragsgegnerin vom 17. Sep- tember 2010, -5-
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-5- 2. die zwischen der Antragsgegnerin und ihrer Rechtsvorgängerin geschlossene Vertraulichkeitsvereinbarung vom 10./11. März 2010 in der Fassung vom 1./4. Oktober 2010 sowie 3. ihr Schreiben an die Antragsgegnerin vom 30. August 2016 (Betreffzeile: „An- trag von Herrn … vom 12. August 2016 nach HmbTG“) zugänglich zu machen. Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge abzulehnen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass der Vergleichsvertrag jedenfalls deshalb keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse mehr enthalte, weil er dem XYZ und Prof. Dr. ... bekannt und dessen Weiterverwendung durch den XYZ und Prof. Dr. ... der Kontrolle der Antragstellerin entzogen sei. Mit Beschluss vom 30.09.2016 wurde der Beigeladene zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. II. 1. Der zulässige Antrag ist insoweit begründet, als er darauf gerichtet ist, der Antragsgegne- rin vorläufig zu untersagen, dem Beigeladenen den zwischen der ABC und der Antrags- gegnerin am 17. September 2010 geschlossenen Vergleichsvertrag („Vergleichsvertrag“) zugänglich zu machen (hierzu a)). Soweit er darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin vor- läufig zu untersagen, dem Beigeladenen die zwischen der ABC und der Antragsgegnerin geschlossene Vertraulichkeitsvereinbarung vom 10./11. März 2010 in der Fassung vom 1./4. Oktober 2010 („Vertraulichkeitsvereinbarung“) und das Schreiben an die Antrags- gegnerin vom 30. August 2016 zugänglich zu machen, ist der Antrag hingegen unbegrün- det (hierzu b)). a) Der Antrag ist begründet, soweit er darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, dem Beigeladenen den Vergleichsvertrag zugänglich zu machen. aa) -6-
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-6- Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr be- steht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesent- liche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teiler- folg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund ist vorliegend gegeben. Die Antragsgegnerin hat angekündigt, den Vergleichsvertrag gegen den Willen der Antragstellerin dem Beigeladenen zugänglich zu machen. Nachträglicher Rechtsschutz käme für die Antragstellerin zu spät, da eine einmal erfolgte Zugänglichmachung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auch einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht. Bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage besteht eine hinreichende Aus- sicht, dass dem Beigeladenen der Vergleichsvertrag nicht zugänglich gemacht werden darf. Zwar hat der Beigeladene aufgrund seines Auskunftsersuchens nach § 11 HmbTG grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihm der Vergleichsvertrag zugänglich gemacht wird (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Absätze 1, 3 und 5 HmbTG). Die Antragstellerin hat jedoch hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Zugänglichmachung der Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 7 HmbTG entgegensteht. Auf die Frage, ob auch die in § 17 Abs. 2 HmbTG vorgesehene Pflicht zur Nachverhandlung der Zugänglichmachung des Vergleichsvertrags entgegensteht, braucht vor diesem Hintergrund nicht weiter ein- gegangen zu werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HmbTG sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, son- dern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Nach § 7 Abs. 2 HmbTG unterliegen In- formationen und Vertragsbestandteile, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthal- -7-
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-7- ten, der Informationspflicht nur, soweit das Informationsinteresse das Geheimhaltungsin- teresse überwiegt. Vorliegend hat die Antragsgegnerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Vergleichsvertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält, die nach § 7 Abs. 2 HmbTG nicht der Informationspflicht unterliegen (hierzu (1)). Das Gericht vermag sich der Ansicht der Antragstellerin, der Vergleichsvertrag enthalte bereits deshalb keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse mehr, weil er dem XYZ und Prof. Dr. ... bekannt sei, nicht anzuschließen (hierzu (2) und (3)). (1) Die Antragsgegnerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Vergleichsvertrag Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält, die nach § 7 Abs. 2 HmbTG nicht der Informa- tionspflicht unterliegen. Die Antragstellerin behauptet, der Vergleichsvertrag enthalte Betriebs- und Geschäftsge- heimnisse. Zwar hat sie es im vorliegenden Verfahren unterlassen, zu umschreiben, aus welchen Gründen der Vergleichsvertrag Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthält. Dieser Umstand genügt jedoch nicht für die Annahme, die Antragstellerin habe das Vor- liegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nicht glaubhaft gemacht. Die Antrag- stellerin hat in ihrem Schreiben vom 30. September 2016 an die Antragsgegnerin (Bl. 54 ff. der Gerichtsakten) auf zwei Seiten, die dem Gericht allerdings nur geschwärzt vorlie- gen, angeführt, aus welchen Gründen sie das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsge- heimnissen bejaht. Bereits der Umfang dieser (geschwärzten) Ausführungen spricht dafür, dass die Behauptung der Antragstellerin nicht „aus der Luft gegriffen“ ist. Auch der Ge- genstand des Vergleichsvertrags, der den - milliardenschweren und politisch hoch umstrit- tenen - Bau und Betrieb des Kohlekraftwerks Moorburg betrifft, streitet für die Annahme, dass der Vergleichsvertrag Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten könnte. Schließlich spricht auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin ge- mäß § 7 Abs. 4 HmbTG um Stellungnahme gebeten hat, dafür, dass der Vergleichsver- trag Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten könnte. Denn die Einräumung dieser Stellungnahmemöglichkeit wäre nicht zu erklären, wenn die Antragsgegnerin - ungeachtet der Frage, ob sie persönlich vom Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ausgeht (siehe hierzu sogleich) - überhaupt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gesehen hätte. Vor diesem Hintergrund und ange- sichts der im vorliegenden Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung ist von der Antragsgegnerin nicht zu verlangen, dass sie ihre Ausführungen zum Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Schreiben vom 30. September 2016 für das Gericht näher umschreibt. Dies bräuchte nur in einer Art und Weise zu erfolgen, die keine -8-
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-8- konkreten Rückschlüsse auf die ihrer Meinung nach darin beschriebenen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zulässt. Von einem solchen keinen inhaltlichen Aufschluss bieten- den Vorbringen kann die Bejahung eines Anordnungsanspruchs nicht abhängig gemacht werden. Das Nichtvorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen kann auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die der Antragstellerin erteilte wasserrechtliche Erlaub- nis mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 unter Berücksichtigung des Vergleichsvertrags abgeändert wurde und daher die geänderte wasserrechtliche Erlaubnis, die im Internet veröffentlicht ist, gewisse Rückschlüsse auf den Vergleichsinhalt zulassen dürfte. Denn es ist durchaus naheliegend und jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Vergleichsvertrag nicht nur regelt, auf welche Weise die wasserrechtliche Erlaubnis modifiziert werden soll, sondern auch weitere Regelungen enthält. Schließlich ist hinreichend wahrscheinlich, dass die ggf. im Vergleichsvertrag enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 7 Abs. 2 HmbTG, der eine Abwägung zwi- schen dem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin und dem Informationsinteresse des Beigeladenen verlangt, nicht der Informationspflicht unterfallen. Denn der Beigelade- ne hat weder gegenüber der Antragsgegnerin noch gegenüber dem Gericht sein Informa- tionsinteresse näher erläutert. (2) Das Gericht ist ferner der Auffassung, dass das Vorliegen von Geschäfts- oder Betriebs- geheimnissen im Sinne von § 7 Abs. 1 HmbTG nicht aufgrund der Tatsache verneint wer- den kann, dass der Vergleichsvertrag einem Rechtsprofessor der Universität …, Herrn Prof. Dr. ..., nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz vom 17. Februar 2009 (HmbGVBl. S. 29) zugänglich gemacht wurde und die Antragstellerin, die damals um Stel- lungnahme gebeten wurde, keine Einwände gegen diese Zugänglichmachung erhoben hat. (a) Der Umstand, dass der Vergleichsvertrag Prof. Dr. ... bekannt ist, führt nicht dazu, dass eine etwaige „Geheimnisqualität“ der darin enthaltenen Informationen entfallen ist. Aller- dings kann von einem „Geheimnis“ nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Information offenkundig ist (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 HmbTG). Dies ist dann der Fall ist, wenn die Informa- tion nicht mehr in der Unternehmenssphäre gehalten wird, sondern für beliebige Dritte leicht zugänglich oder gar allgemein bekannt ist (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 82; Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577, 581; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 17 Rn. -9-
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-9- 6 ff.; Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 17 Rn. 7 ff.; VGH Hessen, Beschl. v. 01.10.2008, 6 B 1133/08 = NVwZ 2009, 61). Davon kann vorliegend indes nicht ausge- gangen werden. Zwar hat der Vergleichsvertrag durch die Übermittlung an Prof. Dr. ... die Sphäre der Antragsgegnerin verlassen und kann diese dessen Weiterverwendung durch Prof. Dr. ... nicht mehr kontrollieren (vgl. zu diesem Kriterium Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 82, 84; Maatsch/Schnabel, HmbTG, 1. Aufl. 2015, § 7 Rn. 11). Die Tatsache, dass Prof. Dr. ... den ihm vorliegenden Vergleichsvertrag weiterverwenden kann (z.B. durch Weitergabe an Dritte oder (Teil-)Veröffentlichung), führt jedoch weder dazu, dass dieser allgemein bekannt ist, noch dazu, dass dieser für beliebige Dritte leicht zugänglich ist. Zum einen ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass Prof. Dr. ... den Inhalt des Vergleichsvertrags einer größeren Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht hat und der Vergleichsvertrag damit allgemein bekannt ist. Insbesondere hat Prof. Dr. ... den Inhalt des Vergleichsvertrags in seiner Publikation „…“ (…) nicht veröffentlicht, sondern nur sehr allgemein umschrieben („….“). Es ist anzunehmen, dass Prof. Dr. ... mit der zitierten Pub- likation aus seiner Sicht abschließend vom Inhalt des Vergleichsvertrags Gebrauch ge- macht hat. Zum anderen kann auch nicht angenommen werden, dass der Vergleichsver- trag für beliebige Dritte leicht zugänglich ist. Auch wenn es Prof. Dr. ... frei stehen sollte, den Vergleichsvertrag Dritten freiwillig zugänglich zu machen, so haben Dritte doch kei- nen hierauf gerichteten Anspruch gegen Prof. Dr. .... Zudem ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass außer den an diesem Verfahren Beteiligten weitere Personen Kenntnis davon haben, dass der Vergleichsvertrag Prof. Dr. ... vorliegt und dieser mög- licherweise bereit wäre, den Vergleichsvertrag herauszugeben. Soweit in der Literatur vertreten wird, dass eine Offenkundigkeit bereits dann vorliegen könnte, wenn der Geheimnisträger Dritten das Geheimnis offenlegt, ohne erkennbar auf vertrauliche Behandlung Wert zu legen (in diesem Sinne wohl Kloepfer/Greve, NVwZ 2011, 577, 581; Maatsch/Schnabel, HmbTG, 1. Aufl. 2015, § 7 Rn. 11), vermag das Ge- richt dem jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Die Weitergabe einer Informa- tion ohne erkennbaren Geheimhaltungswillen mag zwar häufig ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass die Information nicht geheimhaltungsbedürftig ist bzw. jedenfalls der Träger der Information diese nicht als geheimhaltungsbedürftig ansieht. Dies betrifft jedoch nicht die Frage der „Offenkundigkeit“ der Information. Die Weiterleitung einer Information ohne er- kennbaren Geheimhaltungswillen an einen Dritten führt nicht zwangsläufig dazu, dass diese allgemein bekannt oder zumindest für beliebige Dritte leicht zugänglich wird. Im Übrigen muss sich aus einer solchen Weiterleitung auch nicht zwangsläufig ergeben, dass der Informationsträger die Information nicht als geheimhaltungsbedürftig ansieht. So - 10 -
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- 10 - kann sich aus den Umständen ergeben, dass der Informationsträger (verständigerweise) damit rechnet, dass die Information nicht in einer ihm abträglichen Art und Weise genutzt wird und insbesondere nicht in „falsche Hände“ gerät (in der von der Literatur zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 1982, 937) dürfte dies gerade nicht der Fall gewesen sein, da der Träger der Information diese Information unter Fachleuten selbst verbreitet hatte). So vermag das Gericht auch im vorliegenden Fall aus der Nicht- beanstandung der Weiterleitung des Vergleichsvertrags an Prof. Dr. ... durch die Antrags- gegnerin im Jahr 2011 nicht abzuleiten, dass die Antragstellerin den Vergleichsvertrag gegenüber jedermann grundsätzlich nicht mehr für geheimhaltungsbedürftig hält bzw. gehalten hat. (b) Der Antragstellerin ist es aufgrund der Tatsache, dass sie im Jahr 2011 keine Einwände gegen die Weitergabe des Vergleichsvertrags an Prof. Dr. ... geltend gemacht hat, schließlich auch nicht nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Verbot wider- sprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verwehrt, sich auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Vergleichsvertrag zu berufen. Es ist ohne weiteres vorstellbar, dass die Antragsgegnerin davon ausging, dass Prof. Dr. ... als Pro- fessor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an einer deutschen Hochschule den Ver- gleichsvertrag lediglich für Forschungszwecke nutzen und insbesondere im Vergleichsver- trag enthaltene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht in einer ihr abträglichen Art und Weise verwenden bzw. veröffentlichen würde. Hingegen ist der Antragstellerin (und auch dem Gericht) unbekannt, für welche Zwecke der Beigeladene den Vergleichsvertrag zu nutzen gedenkt. (3) Das Gericht ist schließlich der Auffassung, dass das Vorliegen von Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnissen im Sinne von § 7 Abs. 1 HmbTG auch nicht aufgrund der Tatsache ausgeschlossen werden kann, dass der Vergleichsvertrag im Beisein des XYZ geschlos- sen wurde und diesem der Inhalt des Vergleichsvertrags bekannt ist. (a) Allerdings erscheint zweifelhaft, ob der XYZ zur Verschwiegenheit über den Inhalt des Vergleichsvertrags verpflichtet ist. Zwar kann sich für Vertragsparteien eine Pflicht zur Verschwiegenheit in Bezug auf den Vertragsinhalt aus § 241 Abs. 2 BGB, der zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Inte- - 11 -
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