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Aktenzeichen
12 B 33.14
Datum
14. Juli 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 14. Juli 2016

12 B 33.14

Das Oberverwaltungsgericht ändert das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam und verpflichtet den beklagten Sozialversicherungsträger (eine Körperschaft des öffentlichen Rechts), den Informationszugang zu den beantragten Akten zu gewähren. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes, nach der ein Anspruch gegenüber Verwaltungseinrichtungen des Landes, deren Zuständigkeitsbereich sich auch auf andere Bundesländer erstreckt, auf die Akten beschränkt ist, die sich ausschließlich auf das Land Brandenburg beziehen, kommt nicht zum Tragen, wenn, wie hier gegeben, die aktenführende Stelle nicht unmittelbar in den Verwaltungsaufbau eingegliedert ist. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Träger besteht vorliegend nicht; die Rechtsaufsicht liegt ohnehin beim Land Brandenburg. Der Schutzzweck der Ausnahmevorschrift, nämlich die Wahrung der Hoheitsrechte der beteiligten Länder, ist somit nicht erfüllt. Eine weitere Ausnahme von der Anwendbarkeit des Gesetzes für Stellen, soweit sie am Wettbewerb teilnehmen, ist eng auszulegen. Die Voraussetzungen liegen nicht bereits dann vor, wenn eine im Wirtschaftsverkehr tätige öffentliche Institution im Wettbewerb mit Dritten steht. Sie ist nicht einschlägig, wenn die erbetene Information keine Wettbewerbsrelevanz hat. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Personenbezogene Daten

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OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL OVG 12 B 33.14                                        Verkündet am 14. Juli 2016 VG 9 K 2044/13 Potsdam                                Schumann, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache Klägers und Berufungsklägers gegen die AOK Nordost - Die Gesundheitskasse, vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstands, Behlertstraße 33a, 14467 Potsdam, Beklagte und Berufungsbeklagte, hat der 12. Senat am 14. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin am Oberver- waltungsgericht Plückelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und Dr. Raabe sowie den ehrenamtlichen Richter Haubenthal und die ehrenamtli- che Richterin Köster-Brons für Recht erkannt: -2-
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-2- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwal- tungsgerichts Potsdam vom 24. September 2014 geän- dert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29. April 2013 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die bei ihr zur B_____ geführten Akten durch Herausga- be von Kopien oder Ausdrucken zu gewähren. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreck- bar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicher- heitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll- streckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Be- trages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners D_____. Letzterer betrieb in Hamburg einen Imbiss. Die Beklagte ist eine als Kör- perschaft des öffentlichen Rechts organisierte gesetzliche Krankenkasse. Sie ver- sicherte zumindest einen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, der bei dem Insolvenzschuldner arbeitete. Der Kläger beantragte bei ihr Akteneinsicht in die zum Insolvenzschuldner geführten Akten im Zusammenhang mit der Anfech- tung von geleisteten Zahlungen. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) nicht für Körperschaften des öffentlichen Rechts gelte. Den dagegen gerich- -3-
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-3- teten Widerspruch vom 2. November 2012 wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2013 zurück. Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das Akteneinsichtsrecht folge aus dem Akteneinsichts- und Informationszugangs- gesetz, dessen Anwendungsbereich nach der Änderung durch Gesetz vom 15. Oktober 2013 auch Körperschaften des öffentlichen Rechts erfasse. Die Be- klagte hat sich demgegenüber auf einen Ausschluss des Akteinsichtsrechts nach § 2 Abs. 3 AIG berufen, da sie für die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklen- burg-Vorpommern zuständig sei, die begehrten Akten aber keinen ausschließli- chen Bezug zu Brandenburg hätten. Der Insolvenzschuldner habe seinen Imbiss in Hamburg betrieben. Ferner stünde einer Einsicht in die Akten § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 AIG entgegen, da diese personenbezogene Daten und Geschäfts- geheimnisse des Insolvenzschuldners enthielten. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 24. September 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Anwendungsbe- reich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes nicht eröffnet sei. Zwar gehöre die Beklagte als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts zu den sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen gegen- über das Akteneinsichtsrecht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG grundsätzlich bestehe. Vorliegend sei dieses jedoch gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG ausgeschlossen, da die Beklagte als Unternehmen am Wettbewerb teilnehme. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes zu, da die Be- klagte keine Einrichtung des Bundes sei. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG sei nicht einschlägig. Er befinde sich mit der Beklagten nicht im Wettbewerb. Zudem könnten nur Daten eine wettbewerbsspezifische Bedeutung haben, die eine größere Zahl von Versicherten beträfen. Ein einzelnes Datum über einen Versicherten könne keine Marktrelevanz besitzen. -4-
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-4- Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. September 2014 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29. April 2013 zu verpflichten, ihm Zugang zu den bei der Beklagten zum Insolvenzschuldner zur B_____ vorhandenen Unterlagen durch Herausgabe von Kopien oder Ausdrucken zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie meint, das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass ein An- spruch auf Akteneinsicht gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG ausscheide, da sie als Un- ternehmen am Wettbewerb mit anderen Krankenkassen teilnehme. Unerheb lich sei, ob sie ein Wettbewerber des Klägers sei. Es sei ferner nicht erforderlich, dass die verlangte Auskunft eine wettbewerbsspezifische Relevanz habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Strei- takte und den von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgang verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entschei- dung gewesen ist. Entscheidungsgründe Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht ab- gewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Einsicht in die zum Insolvenz- schuldner seit dem 11. Mai 2001 bei der Beklagten geführten Akten zu; die ange- fochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes - AIG - vom 10. März 1998 (GVBl. I S. 46), zu- letzt geändert durch Gesetz vom 15. Oktober 2013 (GVBl. I Nr. 30). Danach hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen einen -5-
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-5- Anspruch auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthal- ten. Der Kläger ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als natürliche Per- son tätig und als solche grundsätzlich anspruchsberechtigt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 16. April 2012 - 5 Bf 241/10.Z - ZInsO 2012, 989, juris Rn. 10; OVG Münster, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150/10 - NWVBl 2012, 26, juris Rn. 22 f. je m.w.N.). Die Beklagte ist eine informationspflichtige sonstige Körper- schaft des öffentlichen Rechts des Landes gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG. Andere Rechtsvorschriften enthalten keine bereichsspezifischen Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis. Der insoweit in Betracht kommende § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gewährt lediglich den Beteiligten des Sozialverwaltungsverfahrens einen Anspruch auf Akteneinsicht. § 83 SGB X be- günstigt nur den Betroffenen im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Bera- tungs- und Auskunftsansprüche nach § 14 und § 15 SGB I beziehen sich nicht auf den vorliegend einschlägigen „spezifischen Bereich“. Sie gelten nicht für Angele- genheiten, die keine sozialen Angelegenheiten nach dem SGB darstellen. Dies gilt insbesondere auch für Auskünfte an Dritte, die zur Durchsetzung anderer als der sozialen Rechte nach dem SGB dienen, wie sie hier vom Kläger beansprucht werden (vgl. BSG, Beschluss vom 4. April 2012 - B 12 SF 1/10 R - SozR 4-1720 § 17a Nr. 9, juris Rn. 13). a) Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß § 2 Abs. 3 AIG ausgeschlossen. Danach besteht das Akteneinsichtsrecht gegenüber Verwaltungseinrichtungen des Landes, deren Zuständigkeitsbereich sich auch auf andere Bundesländer er- streckt, nur, soweit sich die Akten ausschließlich auf das Land Brandenburg be- ziehen. Zwar ist die Beklagte nach § 1 Abs. 1 ihrer Satzung für die Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zuständig. Der von ihr allein geltend gemachte Bezug der Akten zu Hamburg steht dem Akteneinsichtsrecht nach Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 AIG jedoch nicht entgegen. Durch die Regelung soll das Akteneinsichtsrecht im „Hinblick auf die Wahrnehmung der Tätigkeiten bezo- gen auf andere Bundesländer und damit auch auf deren Zuständigkeitsbereich e“ eingeschränkt werden (vgl. LT-Drucks. 2/4417, S. 3 der Begründung des Gesetz- entwurfs der Landesregierung). Die Regelung soll mithin die Hoheitsrechte der Länder, mit denen das Land Brandenburg eine gemeinsame Verwaltungseinrich- -6-
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-6- tung errichtet hat, wahren und einer unmittelbaren Ausübung hoheitlicher Tätigkei- ten durch das Land Brandenburg im grundsätzlichen Zuständigkeitsbereich dieser Länder entgegenwirken. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend nicht gege- ben. Die Zuständigkeit der Beklagten erstreckt sich nicht auf Hamburg; die Be- gründung des bei ihr bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses beruht gera- de nicht darauf, dass sie in Hamburg tätig geworden ist. Selbst wenn sich die streitgegenständlichen Akten auch auf Sachverhalte im Land Mecklenburg-Vorpommern oder im Land Berlin beziehen sollten und der Anwen- dungsbereich des § 2 Abs. 3 AIG daher nicht nach dem Vorstehenden ausge- schlossen wäre, würde die Regelung dem Anspruch auf Akteneinsicht nicht ent- gegenstehen. Sie betrifft entsprechend dem geschilderten Sinn und Zweck nur die Behörden und Verwaltungseinrichtungen, die unmittelbar in den Verwaltungsauf- bau eingegliedert sind und der unmittelbaren Einflussnahme durch das Land un- terliegen (LT-Drucks. 2/4417, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Beklagten nicht vor. Sie ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft Teil der mit- telbaren Landesverwaltung (§ 13 Landesorganisationsgesetz - LOG) und unter- liegt gemäß § 87 Abs. 1 SGB IV der reinen Rechtsaufsicht. Die Möglichkeit, der Beklagten Weisungen in Ausübung der Aufsicht zu erteilen oder Befugnisse der Beklagten selbst auszuüben (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2 LOG), besteht für die Auf- sichtsbehörde nicht (§ 89 Abs. 1 SGB IV). Im Übrigen haben die Länder durch den Staatsvertrag über die Bestimmung aufsichtsführender Länder nach Artikel 87 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Zustim- mungsgesetz vom 9. Juli 1996, GVBl. I S. 289) in Artikel 1 Abs. 1 bestimmt, dass grundsätzlich das Sitzland des sozialen Versicherungsträgers, dessen Zuständig- keit sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hin- aus erstreckt, die Aufsicht über diesen führt. Das damit verbundene Einverständ- nis der Länder mit einer möglichen Einflussnahme des Sitzlandes auf d en sozia- len Versicherungsträger steht der Annahme entgegen, die Beklagte zähle zu den Verwaltungseinrichtungen,     gegenüber      denen     ein  Akteinsichtsrecht   nach § 2 Abs. 3 AIG eingeschränkt ist. Ein Kompetenzkonflikt im Sinne der Vorschrift liegt nicht vor. b) Dem Akteneinsichtsrecht des Klägers steht auch § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht das Einsichtsrecht nicht gegenüber den -7-
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-7- in Abs. 1 Satz 1 genannten Stellen, soweit sie als Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen. Die Vorschrift hat den Schutz von wirtschaftlich tätigen und am Wett- bewerb teilnehmenden Unternehmungen der öffentlichen Hand zum Ziel (LT - Drucks. 5/6428, S. 4 der Begründung des Gesetzentwurfs). Wenn der Staat wie ein privater Dritter im Wirtschaftsverkehr tätig ist, soll er zum Zwecke der Gewähr- leistung eines fairen Wettbewerbs nicht uneingeschränkten Zugang zu Informatio- nen eröffnen müssen, soweit ihm Nachteile im Wettbewerb drohen (vgl. zur ur- sprünglichen Gesetzesformulierung LT-Drucks 2/4417 S. 2 der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung). Die Regelung dient auch dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherungsträger, die Marktteilnehmer im Wettbewerb mit anderen Krankenkassen sind und denen Wettbewerbsnachteile bei einer Ausforschung durch Mitbewerber drohen. § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG nimmt die im Wettbewerb stehenden Stellen der öffentlichen Hand von der Verpflichtung, Akteneinsicht zu gewähren, jedoch nicht gänzlich aus, sondern nach seinem klaren Wortlaut nur, soweit sie am Wettbewerb teil- nehmen (vgl. zum Schutz der Investitionsbank des Landes Brandenburg LT- Drucks. 5/6428, S. 6 der Begründung des Gesetzentwurfs). Angesichts dieser einschränkenden Formulierung liegen die Voraussetzungen des als Ausnahmere- gelung eng auszulegenden § 2 Abs. 5 Nr. 2 AIG nicht bereits dann vor, wenn eine im Wirtschaftsverkehr tätige öffentliche Institution im Wettbewerb mit Dritten steht. Dem Sinn und Zweck der Norm entsprechend, die Unternehmungen der öffentli- chen Hand vor Nachteilen im Wettbewerb zu schützen, ist sie vielmehr nicht ein- schlägig, wenn die erbetene Information bzw. das Akteneinsichtsverlangen keine Wettbewerbsrelevanz hat. Davon ist vorliegend auszugehen. Der Kläger steht nicht im Wettbewerb mit der Beklagten. Ferner ist Gegenstand des hiesigen Ver- fahrens allein die Zugänglichmachung der zur Betriebsnummer des Insolvenz- schuldners vorhandenen Akten. Dass die darin enthaltenen Informationen etwa Rückschlüsse auf die Struktur der Mitglieder der Beklagten, auf die Art der Ver- tragsgestaltung oder auf sonstige Leistungsdaten, die im Wettbewerb der Kran- kenkassen relevant sind, zulassen, macht die Beklagten selbst nicht geltend und kann ausgeschlossen werden (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156/09 - NZI 2010, 357, juris Rn. 32). -8-
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-8- 2. Auf Ausschlussgründe gemäß §§ 4 und 5 AIG kann sich die Beklagte gleichfalls nicht mit Erfolg berufen. a) Gesetzliche Geheimhaltungspflichten im Sinne des § 4 Abs. 3 AIG stehen dem Informationsanspruch des Klägers nicht grundsätzlich entgegen. Nach § 35 SGB 1 hat zwar jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Abs. 1 SGB 10) von den Leistungsträgern nicht Unbefugten zugänglich gemacht werden. Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Sozi- algeheimnis wird durch die Gewährung von Akteneinsicht vorliegend jedoch nicht berührt. Der Kläger will durch die Einsichtnahme in die zur Betriebsnummer des Insolvenzschuldners geführten Akten Aufschluss über dessen Zahlung von Sozi- alversicherungsbeiträgen und deren etwaige Anfechtbarkeit erhalten. Es ist be- reits zweifelhaft, ob durch die Zuordnung von Zahlungen zu einzelnen Arbeitneh- mern überhaupt Sozialdaten entstanden sind (vgl. OVG Koblenz, a.a.O. Rn. 31). Jedenfalls ist deren Weitergabe an den Kläger zulässig. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenz- schuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Ver- hältnisse (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung - InsO), mithin auch über alle Um- stände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Da der Schuldner danach dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Sozialversicherungsbeiträge für seine Arbeitnehmer erteilen muss, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. zum Steuergeheimnis Beschluss des Senats vom 4. August 2014 - OVG 12 N 36.14 - ZInsO 2014, 2174, juris Rn. 14; OVG Münster, a.a.O. Rn. 99; zum Sozialgeheimnis OVG Koblenz, a.a.O. Rn. 31). Im Übrigen ist aus § 97 InsO eine Verpflichtung des Insolvenzschuldners herzuleiten, auf Anfor- derung des Insolvenzverwalters Dritte von Geheimhaltungspflichten zu befreien, so dass es als übertriebene Förmelei erschiene, den Insolvenzverwalter zunächst auf die Durchsetzung dieser Pflicht zu verweisen und danach die erbetene Akten- einsicht zu gewähren (Gröner/Lang, in: Opuscula honoraria für Egon Müller zum 65. Geburtstag, Die höchstpersönlichen Rechte des Schuldners in der Insolvenz, S. 96). Da die Grenzen der sich aus § 97 InsO ergebenden Befugnis des Insolvenzver- walters dort liegen, wo sein Tätigkeitsbereich und seine Zweckbestimmung im -9-
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-9- Insolvenzverfahren enden, konkretisiert sich der Akteneinsichtsanspruch vorlie- gend mit Blick auf das Sozialgeheimnis auf die seit dem 11. Mai 2001 geführten Akten. Das etwaige Anfechtungsrecht des Klägers gem. § 133 Abs. 1 InsO er- streckt sich auf die seit diesem Tag vorgenommenen Rechtshandlungen, da der Insolvenzantrag am 11. Mai 2011 gestellt worden ist. b)  Schließlich   rechtfertigt  der  Schutz  personenbezogener     Daten   gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AIG es nicht, den Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen. Hierzu kann auf die Darlegungen zu § 4 Abs. 3 AIG und die sich aus § 97 InsO ergebenden Folgen verwiesen werden. Dies gilt auch für den Ausschluss des An- spruchs auf Akteneinsicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AIG, soweit durch diese Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Insolvenzschuldners zugänglich ge- macht werden sollten. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Rechtsmittelbelehrung Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten we rden. Die   Beschwerde     ist  bei  dem   Oberverwaltungsgericht   Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung die- ser Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzulegen. Die Be- schwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. - 10 -
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- 10 - Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entsche i- dung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht schrift- lich oder in der bezeichneten elektronischen Form einzureichen. Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmäch- tigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staat- lichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäi- schen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäi- schen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zuge- lassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Rich- ter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angele- genheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgeset- zes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelasse- ner Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Be- fähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Plückelmann                                 Bath                         Dr. Raabe
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