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Aktenzeichen
6 K 3031/14
Datum
22. Juni 2016
Gericht
Verwaltungsgericht Dresden
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Dresden am 22. Juni 2016

6 K 3031/14

Das Verwaltungsgericht verneint den Anspruch auf Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste eines Jobcenters. Zwar handelt es sich bei den Diensttelefonnummern um amtliche Informationen im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes. Auch ist davon auszugehen, dass die Informationen bei der Beklagten vorhanden sind, da die Nummern in einem Computersystem gespeichert sind und lediglich technisch, aber nicht inhaltlich aufbereitet werden müssen. Allerdings ist der Anspruch des Klägers wegen des erforderlichen Schutzes öffentlicher Belange ausgeschlossen. Konkret sieht das Gericht die öffentliche Sicherheit gefährdet und begründet dies mit zu erwartenden Beeinträchtigungen der Gesundheit, des Lebens, der Freiheit und der Ehre der Mitarbeiter. Aufgrund des besonderen Schutzbedarfs dieser Rechtsgüter sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gering anzusetzen. Dasselbe gilt auch, soweit hilfsweise lediglich die Übermittlung der Nummern ohne Nennung der Namen begehrt wird. (Quelle: LDA Brandenburg)

Sicherheitsaspekte

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beglaubigte Abschrift Az.: 6 K 3031/14 VERWALTUNGSGERICHT DRESDEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In der Verwaltungsrechtssache des Herrn S.    F. - Kläger - prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte gegen das J.      D. - Beklagter - prozessbevollmächtigt: Rechtsanwälte wegen Erteilung von Auskünften nach dem IFG, hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden durch die Richterin am Verwaltungsge- richt Diehl als Vorsitzende, den Richter Frenzel und die Richterin am Verwaltungsgericht Burtin sowie die ehrenamtlichen Richter Herr N.    und Herr P. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2016
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2 für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelas- sen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Voll- streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leis- tet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt den Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten. Die telefonische Erreichbarkeit wird beim Beklagten dergestalt gewährleistet, dass Anrufe grundsätzlich in einem Servicecenter entgegen genommen werden, das montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr besetzt ist. Das Servicecenter ist regional für ganz Sachsen zu- ständig. Die Mitarbeiter im Servicecenter nehmen die notwendigen Daten – einschließlich einer etwaigen Bitte um Rückruf des Anrufers – auf und erstellen ein Ticket, welches elektro- nisch an die für die Bearbeitung zuständige Stelle weitergeleitet wird. Mit vorgefertigtem Schreiben vom 23.12.2013 beantragte der Kläger, ihm Zugang zur aktuel- len Diensttelefonliste mit allen Durchwahlnummern der Sachbearbeiter und Vermittler sowie den sachbearbeitenden Mitarbeitern der Widerspruchsstelle zu verschaffen. Er stellte gleich- lautende Anträge im gesamten Bundesgebiet. Mit Bescheid vom 22.1.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, nicht über eine derartige Liste zu verfügen und nicht verpflichtet zu sein, eine solche zu erstellen. Zudem handele es sich bei den begehrten Informationen um personenbezogene Daten, deren Schutz aufgrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsinteresse des Antragstellers habe. Ein überwie- gendes Informationsinteresses des Klägers könne nicht gemäß § 5 Abs. 1 IFG festgestellt werden. § 5 Abs. 4 IFG sei nicht einschlägig. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Klä- ger eine Diensttelefonliste mit allen Durchwahlnummern der Sachbearbeiter und Vermittler sowie der sachbearbeitenden Mitarbeitern der Widerspruchsstelle begehre. Dies beinhalte die Rufnummern aller Arbeitsvermittler/innen, Leistungssachbearbeiter/innen etc. Gegen
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3 dieses nicht schlüssig dargelegte Informationsbegehren spreche eine störungsfreie und da- tenschutzkonforme Beratungsqualität des Beklagten. Ein Vermittler oder Sachbearbeiter, der sich im persönlichen Gespräch mit einem Kunden befinde, dürfe währenddessen kein Tele- fonat mit einem Dritten führen, weil damit der Datenschutz nicht gewährleistet werden könne. Das IFG bezwecke eine erhöhte Transparenz des Verwaltungshandelns gegenüber dem Bürger unter Berücksichtigung des Daten- und Geheimnisschutzes, jedoch nicht die Ein- schränkung oder sogar Lahmlegung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Es liege im organisatorischen Ermessen des Beklagten, wie er seine behördliche und organisa- torische Struktur regele. Er könne dabei auch bestimmen, ob und wie er die Erreichbarkeit seiner Bediensteten sicherstelle. Der Beklagte habe sich bewusst gegen eine Veröffentli- chung von Durchwahlnummern entschieden. Vielmehr habe sich das Modell der telefoni- schen Beantwortung von Anfragen durch das Service Center bewährt. Hiergegen erhob der Kläger am 24.2.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er habe nach §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 4 IFG einen Anspruch auf Zugang zur aktuellen Dienst- telefonliste oder wahlweise auf Übersendung der entsprechenden Daten aus dem Outlook- Adressbuch o.ä. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er die Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid und führte ergänzend aus, der Schutz personenbezogener Daten gemäß § 5 Abs. 1 IFG genieße Vor- rang vor dem Informationsinteresse des Klägers. Die gebotene Mitarbeiterfürsorge sei vor- rangig zu gewährleisten, zumal der Kläger nicht begründet habe, wofür er die Liste benötige. Schließlich liege auch keine Einwilligung aller Mitarbeiter zur Herausgabe der Telefonnum- mern vor. Der Kläger beantragte am 6.6.2014 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Zur Begründung machte er geltend, er habe Interesse an der Herausgabe der Daten, weil er selbst seit ge- raumer Zeit von SGB II Leistungen abhängig und in der Erwerbslosenarbeit engagiert sei. Es komme auch hin und wieder vor, dass er als Beistand andere Arbeitslosengeld II Empfänger begleite. Dies sei bisher überregional aufgrund der fehlenden Telefonlisten nicht möglich gewesen. Zudem wolle er ein politisches Zeichen setzen. Die Kammer hat mit Beschluss vom 23.6.2015 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Beschwerde des Klägers bewilligte das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.12.2015 dem Kläger Prozesskostenhilfe und ordnete ihm seinen Prozessbevollmächtigten bei. Am
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4 21.12.2015 wurde die Übersendung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten des Klägers verfügt. Der Kläger hat am Montag, den 4.1.2016 Klage erhoben und wegen der Versäumung der Klagefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, § 1 Abs. 1 IFG gewähre einen voraussetzungslosen Informationszugang für jedermann. Beim Beklagten handele es sich um eine Gemeinsame Einrichtung i.S.v. § 44 b SGB II, der gemäß § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II verpflichtet sei, Zugang zu amtlichen Infor- mationen zu gewähren. Die begehrten Telefonnummern stellten amtliche Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG dar. Eine Beschränkung auf einen konkreten Verwaltungsvorgang sehe diese Regelung nicht vor. Ausschlussgründe nach den §§ 3, 4 und 6 IFG seien nicht gegeben. Ins- besondere bestehe nicht die Gefahr, dass das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit i.S.v. § 3 Nr. 2 IFG gefährden könne. Es könne nicht angenommen werden, dass die Arbeit einer ganzen Behörde lahm gelegt werde, wenn die Sachbearbeiter direkt telefo- nisch erreichbar seien. Das Interesse der Mitarbeiter des Beklagten überwiege nicht das In- formationsinteresse des Klägers gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 4 IFG. Auf die Einwilligung der Mitarbeiter komme es nicht an. Sie müssten mangels schützenswerter eigener Interessen auch nicht als Dritte nach § 8 IFG vor der Informationsweitergabe angehört werden. Soweit mit dem Hilfsantrag die Telefonnummern ohne Angabe der Mitarbeiternamen begehrt werde, handele es sich um amtlichen Informationen, die keine personenbezogene Daten darstellten, so dass § 5 IFG nicht einschlägig sei. Der Kläger beantragt schriftsätzlich, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.1.2014 in Gestalt des Wi- derspruchsbescheides vom 15.5.2014 zu verpflichten, ihm Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste aller Mitarbeiter des Beklagten mit der Angabe ihrer Zuständig- keitsbereiche unter Unkenntlichmachung der jeweiligen Vornamen der betreffenden Mitarbeiter zu gewähren, hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.1.2014 in Gestalt des Wi- derspruchsbescheides vom 15.5.2014 zu verpflichten, ihm Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste aller Mitarbeiter des Beklagten mit der Angabe ihrer Zuständig- keitsbereiche unter Unkenntlichmachung der jeweiligen Namen der betreffenden Mit- arbeiter zu gewähren. Der Beklagte beantragt,
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5 die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil schon kein gemäß § 5 Abs. 1 IFG erforderliches Informationsinteresse des Klägers ersicht- lich sei. Der Beklagte sei für den in Braunschweig lebenden Kläger nicht zuständig. Das Ab- fordern von Telefonnummern ohne einen auf den Kläger bezogenen Anlass sei willkürlich und widerspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Es sei offensichtlich Ziel des Klägers möglichst viele J.      mit Klagen zu überziehen. Die Klage sei auch unbegründet. § 1 Abs. 1 IFG gewähre einen Informationszugangsanspruch grundsätzlich nur im Zusammenhang mit einem Verwaltungsvorgang. Dies folge bereits aus dem in § 5 Abs. 4 IFG verwandten Begriff des "Bearbeiters". Die begehrte Telefonliste stelle auch keine amtliche Information i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG dar. Selbst wenn diese Liste eine Information darstellen würde, wäre sie keine amtliche Information, weil eine interne Diensttelefonliste gerade nicht amtlichen Zwe- cken diene. Sie stehe nicht in Verbindung mit amtlichen Tätigkeiten und Vorgängen, sondern diene allein als technisches Hilfsmittel zur Erleichterung des Büroalltags der Mitarbeiter. § 5 Abs. 4 IFG sei mangels Bezugs zu einem konkreten Verwaltungsvorgang nicht anwendbar. Der Begriff des "Bearbeiters" knüpfe an einen konkreten Verwaltungsvorgang an, der in Be- zug auf eine Telefonliste nicht gegeben sei. Daher sei eine Interessensabwägung zwischen dem Informationsinteresse des Klägers und dem schutzwürdigen Interesse Dritter, der Mitar- beiter des Beklagten, gemäß § 5 Abs. 1 IFG vorzunehmen, sofern der Dritte nicht eingewilligt habe. Eine Einwilligung der Mitarbeiter liege nicht vor. Sie sei auch nicht erforderlich weil der Beklagte kraft seines Organisationsermessen berechtigt sei, keine Durchwahlrufnummern zu veröffentlichen, sondern den Kontakt zum Bürger über ein Servicecenter sicherzustellen. Insofern würde die Regelung in § 8 Abs. 1 IFG vom Organisationsermessen des Dienstherrn überlagert. Angesichts der Anzahl von ca. 671 Mitarbeitern sei eine schriftliche Anhörung zudem nicht zumutbar. Da der Kläger sein Informationsinteresse nicht dargelegt habe, könne auch keine Abwägung nach § 5 Abs. 1 IFG vorgenommen werden. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG sei der Antrag zu begründen. Schließlich sei ausweislich des Widerspruchsbescheides eine ordnungsgemäße Abwägung erfolgt. Es bestehe ein legitimes Interesse, persönliche Daten von Mitarbeitern zu schützen. Es handele sich um personenbezogene Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG, die dem Datenschutz unterliegen. Zudem sei bei der Abwägung die starke Beeinträchtigung der Arbeitsweise der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Diese seien für 48.000 Leistungsempfänger zuständig. Durch den Telefonservice werde sichergestellt, dass Anlie- gen möglichst schnell und effektiv erledigt würden. Durch die Bekanntgabe der Diensttele- fonliste würde erheblich in die Organisationsstruktur eingegriffen und die Effizienz, Qualität und Vertraulichkeit der Arbeitsweise der Mitarbeiter erheblich beeinträchtigt werden. Schließ-
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6 lich sei durch das Zugänglichmachen der direkten Daten der Mitarbeiter eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit i.S.v. § 3 Nr. 2 IFG zu besorgen. Insbesondere Freiheit, Ehre, Leben und Gesundheit der Mitarbeiter könnten hierdurch konkret gefährdet werden. Dies zeige sich bereits nach der Veröffentlichung der Diensttelefonliste von Mitarbeitern des Jobcenters Leipzig durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Nachgang zu dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu der Veröffentli- chung seien Mitarbeiter dieses Jobcenters im Internet massiv beleidigt und bedroht worden. Diese veröffentlichten Daten eröffneten umfangreiche weitere Recherchemöglichkeiten zu den privaten Lebensumständen der Mitarbeiter. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch sein Pro- zessbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung erschienen sind, weil hierauf in der ord- nungsgemäßen Ladung hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO). Dem Kläger war wegen Versäumung der einmonatigen Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 VwGO). Er war ohne Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO verhindert, die Klagefrist des § 74 VwGO einzuhalten, weil er aufgrund seiner Mittellosigkeit zunächst einen isolierten Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat. Nach Bewilligung von Pro- zesskostenhilfe durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 14.12.2015, der am 21.12.2015 zur Post gegeben wurde, hat der Kläger innerhalb von zwei Wochen fristgemäß die Klageerhebung am Montag, den 4.1.2016 nachgeholt (§ 60 Abs. 2 VwGO). Die zulässige Klage ist in ihrem Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 22.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.5.2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung des Zugangs zur Diensttelefonliste (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Grundlage des klägerischen Anspruchs ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch
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7 auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Norm gewährt als Grundnorm des IFG jeder- mann einen freien, voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch (BT-Drs. 15/4493, S. 7). Die Geltendmachung eines rechtlichen oder berechtigten Interesses an den begehrten Informationen verlangt das Gesetz grundsätzlich nicht (BT-Drs. 15/4493, S. 6). Für sonstige Bundesorgane und Einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwal- tungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG). Der Beklagte gehört zum Kreis der auskunftsverpflichteten Stellen, denn er stellt eine gemeinsame Einrichtung im Sinne von § 44b SGB II dar, auf die gemäß § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II das IFG Anwendung findet. Die hier streitgegenständlichen Diensttelefonnummern stellen entgegen der Auffassung des Beklagten auch amtliche Informationen dar. Hierunter ist gemäß § 2 Nr. 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung zu verstehen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Ausgenommen sind Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sol- len. Der Begriff der amtlichen Information ist weit zu verstehen und umfasst prinzipiell jegli- che Information, die im Zusammenhang mit einer amtlichen Tätigkeit angefallen ist (Schoch, IFG, § 2 Rn. 40). Sie erfasst alle Formen von festgehaltener und gespeicherter Information, die auf einem Informationsträger gespeichert ist. Dies umfasst nicht nur Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder und Pläne etc., sondern auch elektronisch und optisch gespeicherte In- formationen. Nicht erfasst werden lediglich private Informationen sowie solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen (BT-Drs. 15/4493, S. 8 f.). Die streitgegenständlichen Diensttelefonnummern dienen – jedenfalls intern – der Erreichbarkeit der Mitarbeiter des Beklagten und stehen im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit. Sie stellen damit amtliche Informationen dar. Es ist auch davon auszugehen, dass die vom Kläger begehrten Informationen beim Beklag- ten vorhanden sind und nicht erst beschafft werden müssen. Grundsätzlich trifft die Behörde keine Informationsbeschaffungspflicht und sie ist nicht gehalten, die begehrte Information erst zu generieren. Vielmehr bezieht sich der Informationsanspruch lediglich auf den bei der informationspflichtigen Behörde vorhandenen Bestand (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.2014 – 7 C 20.12 -, juris). Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid zwar ausgeführt, nicht über die vom Kläger begehrte Liste mit den Diensttelefonnummern zu verfügen und dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung weiter vertieft. Nach den Darlegungen des Be- klagten in der mündlichen Verhandlung sind die Diensttelefonnummern jedoch in einem Computersystem gespeichert, so dass nach Überzeugung der Kammer die begehrte Infor- mation grundsätzlich beim Beklagten vorhanden ist und lediglich technisch aber nicht inhalt-
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8 lich aufbereitet werden muss, was angesichts leistungsfähiger Computerprogramme auch technisch durchführbar ist. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund des Schutzes besonderer öffentlicher Belange gemäß § 3 Nr. 2 IFG ausgeschlossen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann Das ist hier der Fall. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass dieser Ausnahmetatbestand wie die auch übrigen in §§ 3 bis 6 IFG enthaltenen Ausnahmetatbestände eng auszulegen ist (BT-Drs. 15/4493, S. 9). Der in dieser Regelung verwandte Begriff der öffentlichen Sicherheit ist nach der Ge- setzesbegründung wie im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht auszulegen und bedeutet die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltun- gen des Staates sowie die Unversehrtheit von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum, infor- mationeller Selbstbestimmung und sonstigen Rechtsgütern der Bürger. Das Tatbestands- merkmal der öffentlichen Sicherheit soll damit gewährleisten, dass neben dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes (vgl. § 99 VwGO und § 96 StPO) auch Individual- rechtsgüter geschützt werden (BT-Drs. 15/4493, S. 10). Das Gesetz verlangt eine konkrete Gefährdung eines der genannten Schutzgüter, mithin muss mit hinreichender Wahrschein- lichkeit bei Gewährung des begehrten Informationszugangs ein Schaden für das Schutzgut eintreten (ebenso Schoch, IFG, § 3 Rn. 109). Eine Beeinträchtigung im erforderlichen Sinn liegt daher vor‚ wenn aufgrund einer auf kon- kreten Tatsachen beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlich- keit zu erwarten ist‚ dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 22.11.2014, 7 C 12/13, juris). Je höherrangig das betroffene Rechtsgut ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen. Bei der Beurteilung der Frage, ob die öffentliche Sicherheit durch die Herausgabe der be- gehrten Telefonliste gefährdet wird, ist nicht lediglich auf den Kläger und den von ihm beab- sichtigten Gebrauch der Liste abzustellen. Der Gesetzgeber hat jedem das Zugangsrecht eingeräumt und keine Unterscheidung zwischen möglicherweise besonders vertrauenswür- digen Personen - wie etwa Organen der Rechtspflege - und allen anderen Personen getrof- fen. Die informationspflichtige Stelle kann nur für alle Anträge einheitlich beurteilen, ob ein Ablehnungsgrund nach § 3 Nr. 2 IFG vorliegt. Maßgeblich ist insoweit, ob das Bekanntwer-
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9 den der Information objektiv, also beispielsweise erst in der Hand anderer, geeignet ist, die behördlich vorgesehenen effektiven Arbeitsabläufe nicht unerheblich zu erschweren. Die informationspflichtige Stelle darf deshalb bereits bei dem ersten gestellten Antrag die mögli- chen Auswirkungen einer Freigabe der Information umfassend in Betracht ziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2009, 7 C 22.08; BayVGH, Urt. v. 5.8.2015, 5 BV 15.160, jeweils ju- ris). In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer aufgrund der Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit der Überzeugung, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch Bekanntwerden der streitgegenständlichen Informationen zumindest die Schutz- güter Gesundheit, Leben, Freiheit und Ehre der Mitarbeiter des Beklagten beeinträchtigt werden. Wie der Beklagte in seiner Klageerwiderung geschildert hat, dient die Entscheidung, Namen und Durchwahlnummern der Beschäftigten der J.               nicht allgemein bekannt zu geben und die telefonische Erreichbarkeit durch ein speziell dafür zuständiges Service- Center sicherzustellen, auch dem Schutz der genannten Individualrechtsgüter der Mitarbei- ter. Die Besorgnis des Beklagten, die Bekanntgabe der Liste könnte zu verstärkten und nicht kontrollierbaren Angriffen und Diffamierungen gegenüber den Mitarbeitern auch in deren persönlicher Sphäre führen, ist nicht nur eine fernliegende Möglichkeit. Vielmehr zeigen die vom Beklagten im Gerichtsverfahren vorgelegten anonymen, in sozialen Netzwerken einge- stellte Kommentierungen nach der Veröffentlichung der Telefonliste des Jobcenters Leipzig, dass es mindestens zu Bedrohungen und Beleidigungen von Mitarbeitern gekommen ist. Aufgrund der veröffentlichten Namen ist es auch leicht möglich, über das Internet weitere persönliche Daten einzelner Mitarbeiter zu ermitteln. Der Vertreter des Beklagten hat auch in der mündlichen Verhandlung eindringlich geschildert, wie er regelmäßig von Bombendro- hungen sowie seine Mitarbeiter von verbalen und sogar körperlichen Attacken persönlich betroffen sind. Dies deckt sich auch mit entsprechenden Presseberichten und zurückliegen- den Angriffen auf Mitarbeiter durch Kunden der J.         (z.B. 2015: Angriff in Zittau; 2013: Leipzig). Die Konflikte sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Mitarbeiter der J.       es mit Menschen zu tun haben, die arbeitslos und frustriert sind, sich in einer Aus- nahmesituation befinden und für die es um die Existenzsicherung, ums tägliche Überleben geht. Viele der Kunden der J.         haben keine realistische Vorstellung vom Umfang der gesetzlich vorgesehenen Unterstützungsleistungen. Kommt es dann aufgrund der Überlas- tung der Fallmanager zu längeren Bearbeitungszeiten oder werden die Leistungen gar we- gen Regelverstößen gekürzt, sind Konflikte – vor allem mit verbalen Entgleisungen gegen- über den Mitarbeitern – vorprogrammiert (vgl. BayVGH, a.a.O.). Die davon ausgehende Ge- fahr und Belästigung für die einzelnen Mitarbeiter ist daher gegenwärtig als konkret einzu-
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10 schätzen. Aufgrund der Betroffenheit der besonders schutzwürdigen Rechtsgüter wie Ehre, Gesundheit, Leben und Freiheit sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ohnehin geringer anzusetzen. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag lediglich die Übermittlung der Diensttelefonnum- mern ohne Nennung der Namen der Mitarbeiter begehrt, vermag dies keine andere Ein- schätzung zu begründen. Auch insoweit ist eine konkrete Gefahr für die Mitarbeiter gegeben, weil bereits durch einen Anruf der zur Nummer gehörende Name des Mitarbeiters und auf dieser Grundlage unschwer weitere persönliche Daten des Betroffenen zu ermitteln wären. Daher hat die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrages keinen Erfolg. Ob darüber hinaus eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Beklagten i.S.v § 3 Nr. 2 IFG durch die Herausgabe einer Telefonliste vorliegt, kann aufgrund der festgestellten Gefährdung dahingestellt bleiben. Dies gilt auch für die Frage, ob die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes gemäß § 5 Abs. 1 IFG erfüllt sind. Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht gestellt werden.
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