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Aktenzeichen
7 B 40.15
Datum
23. November 2015
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)
Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG)

Beschluss: Bundesverwaltungsgericht am 23. November 2015

7 B 40.15

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Nichtzulassungsbeschwerde ab. Es begründet dies mit der nicht rechtsgrundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit. Zuvor hatte bereits das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Das Begehren des klagenden Insolvenzverwalters richtete sich auf die Einsichtnahme in die Vollstreckungsakte der Insolvenzschuldnerin. Dabei handelt es sich jedoch um Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung im Sinne der entsprechenden Ausnahmevorschrift des Hamburgischen Transparenzgesetzes. (Quelle: LDA Brandenburg)

Schutz besonderer Verfahren

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS BVerwG 7 B 40.15 OVG 3 Bf 275/13 In der Verwaltungsstreitsache
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-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 23. November 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper beschlossen: Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberver- waltungsgerichts vom 23. Juni 2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer- deverfahren auf 10 000 € festgesetzt. Gründe: I 1 Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. Malereibetrieb GmbH (Schuldnerin). Er begehrt Zugang zu der die Schuldnerin betreffenden finanzbehördlichen Vollstreckungsakte, hilfsweise die Erteilung eines Auszugs aus dem Steuerkonto der Schuldnerin. 2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Einsicht in die Vollstreckungsakte ergebe sich weder aus dem Hamburgischen Transpa- renzgesetz (HmbTG) noch wegen möglicher Anfechtungsansprüche aus Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. § 142 InsO), im Wege einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG oder aus § 18 HmbDSG. Gleiches gelte für die Erteilung eines Kontoauszugs. 3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas- sen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
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-3- II 4 Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. 5 1. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte rechtsgrund- sätzliche Bedeutung. 6 a) Die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Auslegung von § 5 Nr. 4 des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) vom 19. Juni 2012 (HmbGVBl. Nr. 29 S. 271) in Verbindung mit dem Willkürverbot (A.I.1.a) und b), B.I.1.a) und b) der Beschwerdebegründung) können eine grundsätzliche Be- deutung der Rechtssache nicht begründen. Das Hamburgische Transparenzge- setz gehört als Landesrecht nicht zu den gemäß § 137 Abs. 1 VwGO revisiblen Rechtsvorschriften. Das verkennt der Kläger nicht. Er wirft zu verschiedenen Begründungselementen des angefochtenen Urteils jeweils die Frage auf, ob die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts willkürlich sei und seine Ausle- gung des Hamburgischen Transparenzgesetzes damit gegen Bundesverfas- sungsrecht verstoße. Auch dadurch werden die aufgeworfenen Fragen nicht zu solchen des revisiblen Rechts. Das wäre nur dann der Fall, wenn der bundes- rechtliche Maßstab - hier das bundesverfassungsrechtliche Willkürverbot - selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf auf- wiese (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1994 - 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602> und vom 16. Juni 2011 - 9 BN 4.10 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 58 Rn. 7). Einen solchen Klärungsbedarf legt der Kläger nicht dar. 7 Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwiefern die dem Urteil zugrunde lie- gende Auslegung des Hamburgischen Transparenzgesetzes willkürlich sein sollte. Nach § 5 Nr. 4 HmbTG besteht für "Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung" keine Informationspflicht. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass alle Vorgänge erfasst seien, die unmit- telbar die Bestimmung und Durchsetzung der Steuerforderung im konkreten Einzelfall betreffen, mithin auch Informationen in einer Vollstreckungsakte oder einem Auszug aus einem Steuerkonto. Der Gesetzgeber habe die Arbeitsfähig-
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-4- keit der Steuerverwaltung schützen wollen; die Gewährung von Informationszu- gang wäre regelmäßig mit erheblichem Aufwand verbunden, weil es sich ganz überwiegend um personenbezogene Daten handele (UA S. 9). Dass § 5 Nr. 4 HmbTG nur für die Informationspflicht, nicht aber für Auskunftsansprüche gelten soll, liegt im Hinblick auf § 2 Abs. 9 HmbTG - nach dieser Vorschrift umfasst die Informationspflicht die Auskunfts- und die Veröffentlichungspflicht - und den dargelegten Zweck der Vorschrift fern. Jedenfalls ist die gegenteilige Auffas- sung des Oberverwaltungsgerichts nicht willkürlich. Ob und inwieweit die hier in Streit stehende Vollstreckungsakte und der begehrte Kontoauszug schutzbe- dürftige personenbezogene Daten enthalten, ist für die generalisierende Be- trachtung, die das Oberverwaltungsgericht der Auslegung des § 5 Nr. 4 HmbTG zugrunde gelegt hat, ohne Bedeutung. Soweit der Kläger meint, der Schutz der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung könne für die Auslegung des Hamburgischen Transparenzgesetzes kein maßgebender Belang sein, jedenfalls müsse er kon- kreter und präziser gefasst sein, geht die Beschwerdebegründung über im Lan- desrecht wurzelnde Überlegungen nicht hinaus. Woraus der Kläger entnimmt, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung von § 5 Nr. 4 HmbTG von einem bundesrechtlich vorgegebenen Begriff der "Steuerfestsetzung und Steu- ererhebung" oder einem bestimmten Verständnis von § 80 InsO ausgegangen sein könnte, und warum es willkürlich sein sollte, auch Auszüge aus Steuerkon- ten als erfasst anzusehen, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dass es einen Ermes- sensanspruch auf Informationszugang nach dem Hamburgischen Transparenz- gesetz bei Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes verneint hat, ist nicht will- kürlich. 8 b) Soweit das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf pflicht- gemäße Ermessensentscheidung über seine Begehren aus dem Rechtsstaats- prinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verneint hat (UA S. 10 f., 14), möchte der Klä- ger in einem Revisionsverfahren geklärt wissen, ob es für diesen Anspruch da- rauf ankommen kann, dass die begehrte Auskunft der Wahrnehmung von Rechten im bestehenden Steuerverhältnis dient bzw. die Einsicht während eines Verwaltungsverfahrens genommen werden soll (A.I.1.c) und B.I.1.c) der Beschwerdebegründung). Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revi- sionsverfahren. In der Abgabenordnung ist ein allgemeiner Auskunftsanspruch
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-5- nicht vorgesehen. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bun- desgerichtshofs ist geklärt, dass ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ent- scheidung über ein Auskunftsbegehren nur besteht, wenn ein Steuerpflichtiger während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsucht (BFH, Be- schluss vom 4. Juni 2003 - VII B 138/01 - BFHE 202, 231 = juris Rn. 6) oder die Auskunft der Wahrnehmung von Rechten in einem bestehenden Steuerrechts- verhältnis dienen kann (BFH, Beschluss vom 14. April 2011 - VII B 201/10 - BFH/NV 2011, 1296 = juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 58/06 - ZIP 2009, 1823 = juris Rn. 9). Inwiefern ein Auskunftsanspruch gegen- über den Steuerbehörden außerhalb eines Steuerrechtsverhältnisses für die Ausübung von Grundrechten von Bedeutung sein könnte und die dargelegte Rechtsprechung deshalb der Überprüfung bedürfen sollte, zeigt der Kläger nicht auf. 9  Soweit es um den Kontoauszug geht, wirft der Kläger zusätzlich die Frage auf, warum er - wie vom Oberverwaltungsgericht verlangt (UA S. 14) - ein konkretes Interesse oder einen Grund für sein Begehren vortragen müsse; die Beklagte werbe damit, dass jeder voraussetzungslos einen Kontoauszug erlangen könne (B.I.1.c) der Beschwerdebegründung). Die Darlegung eines konkreten Interes- ses hat das Oberverwaltungsgericht nicht verlangt, soweit sich der Kläger auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit der Verwal- tungspraxis der Beklagten beruft, sondern soweit er einen Anspruch aus dem Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG geltend macht. Dass insoweit für die erforderliche Prüfung des Einzelfalls die Darlegung des konkreten Interes- ses an der begehrten Information erforderlich ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. 10 Die Frage, ob die Einsetzung einer Partei kraft Amtes eine Schlechterstellung gegenüber der juristischen Person, für die die Partei kraft Amtes eingesetzt wurde, rechtfertigen kann (B.I.1.c) der Beschwerdebegründung), würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat eine solche Ungleichbehandlung nicht festgestellt; die Beklagte nehme im Falle der Insolvenz eine Einzelfallprüfung auch bei Anträgen von Steuerpflichtigen und Steuerberatern vor (UA S. 14). Soweit der Kläger meint, dass der Steuerpflich-
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-6- tige nach Insolvenzeröffnung nicht mehr verfügungsbefugt sei, legt er einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht dar. 11 c) Ansprüche des Klägers aus § 18 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG) vom 5. Juli 1990 (HmbGVBl. 1990 S. 133) hat das Oberverwal- tungsgericht verneint, weil weder er selbst noch die Schuldnerin als juristische Person betroffen im Sinne dieser Vorschrift sei. Für eine erweiternde Auslegung bestehe kein Anlass; ein verfassungsrechtliches Gebot, einer insolventen Ge- sellschaft (bzw. dem Insolvenzverwalter) unabhängig von der Darlegung eines Interesses einen datenschutzrechtlichen Anspruch auf Auskunft über die in fi- nanzbehördlichen Vollstreckungsakten enthaltenen Daten zu verleihen, bestehe nicht (UA S. 11, 14). In Bezug auf diese Begründung zeigt der Kläger einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. 12 Er wirft die Frage auf, ob ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch seine Rechtfertigung in Art. 2 Abs. 1 GG finde; Insolvenzverwaltern juristischer Per- sonen könne das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Basis selbst- bestimmter Entscheidungen nicht abgesprochen werden (A.I.1.d) aa) und B.I.1.d) aa) der Beschwerdebegründung). Bereits das Oberverwaltungsgericht hat dargelegt, dass der Kläger nicht Auskunft über seine eigenen persönlichen Daten begehre, und dass das durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht auf in- formationelle Selbstbestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts juristischen Personen - wie hier der Schuldnerin - nicht in glei- chem Umfang wie natürlichen Personen zustehe (UA S. 11). Der Kläger legt nicht dar, inwiefern es erforderlich sein sollte, diese Begründung in einem Revi- sionsverfahren zu überprüfen. 13 Ausgehend von den Unterschieden zwischen natürlichen und juristischen Per- sonen im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist auch nicht ersichtlich, warum es willkürlich sein sollte, natürlichen betroffenen Perso- nen den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch voraussetzungslos, dem Insolvenzverwalter einer juristischen Person hingegen nur bei Darlegung eines Interesses zu gewähren (A.I.1.d) bb) der Beschwerdebegründung).
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-7- 14 Soweit der Kläger meint, es sei widersprüchlich und damit willkürlich, wenn das Oberverwaltungsgericht einerseits schützenswerte Daten der Schuldnerin in den Akten der Beklagten vermute, ihr aber andererseits den Status als Be- troffene abspreche (A.I.1.d) cc) und B.I.1.d) bb) der Beschwerdebegründung), entbehrt diese Annahme einer tatsächlichen Grundlage. Vermutungen zur Schutzbedürftigkeit personenbezogener Daten im vorliegenden Fall hat das Oberverwaltungsgericht nicht angestellt. 15 2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch. 16 a) Der Kläger rügt Verstöße gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Das Ober- verwaltungsgericht habe weder den Haupt- noch den Hilfsantrag abweisen dür- fen, ohne zu klären, ob und gegebenenfalls wessen personenbezogene Daten in der Vollstreckungsakte bzw. im Kontoauszug enthalten seien und ob und ge- gebenenfalls inwieweit diese Daten nach § 4 HmbTG zu schützen seien (A.II und B.II der Beschwerdebegründung). 17 Maßgebend für den Umfang der Aufklärungspflicht ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Gerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. No- vember 2013 - 7 B 16.13 - juris Rn. 9). Nach der Rechtsauffassung des Ober- verwaltungsgerichts sind finanzbehördliche Vollstreckungsakten und Auszüge aus Steuerkonten generell, d.h. unabhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls, von Ansprüchen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz ausgenommen. Ausgehend hiervon waren die aufgeworfenen Fragen nicht ent- scheidungserheblich. 18 b) Der Kläger rügt ferner, das Berufungsurteil sei im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, soweit es auf Seite 13 des Urteilsabdrucks anstatt einer eigenen Begründung bloß auf die Begründung in dem - im Paral- lelverfahren eines anderen, wenn auch von denselben Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägers ergangenen - Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungs- gerichts vom 23. Juni 2015 - 3 Bf 274/13 - Bezug nehme. Diese Rüge greift nicht durch, weil das Berufungsgericht zu dem betreffenden Verteidigungsmittel - dem Ausschlussgrund des § 5 Nr. 4 HmbTG - im angefochtenen Urteil eine
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-8- eingehende Begründung geliefert und sich hierbei mit Einwänden des Klägers auseinandergesetzt hat (UA S. 13 i.V.m. S. 9 f.). Die Bezugnahme auf das Ur- teil im Parallelverfahren erfolgte also nur ergänzend und ist deshalb unter dem Blickwinkel des § 138 Nr. 6 VwGO unbeachtlich. 19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset- zung auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Dr. Nolte                           Dr. Philipp                          Schipper
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