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Aktenzeichen
15 A 97/13
Datum
18. August 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 18. August 2015

15 A 97/13

Das Oberverwaltungsgericht bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz, nach der ein Kooperationsvertrag zwischen einer Universität und einem Unternehmen der Pharma-Industrie dem Bereich von Forschung und Lehre zuzuordnen ist und daher nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen unterfällt. Diese Bereichsausnahme ist deckungsgleich mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit und verstößt nicht gegen das Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten und auch nicht gegen das Demokratieprinzip und den Gleichheitsgrundsatz. Der Rahmenvertrag regelt Forschungs- und Lehrangelegenheiten jedenfalls in Gestalt von unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Einzelne Passagen der Vereinbarung enthalten zudem Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, weil sich daraus für Wettbewerber Rückschlüsse auf Marktstrategie und künftige Forschungsprojekte ziehen lassen. Außerdem ließe sich anhand der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen erkennen, unter welchen Bedingungen das Unternehmen bereit ist, eine Kooperation mit einer Universität einzugehen. Dass aus dem Bekanntwerden ein nicht geringfügiger wirtschaftlicher Nachteil entstünde, ist nachvollziehbar. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Begriffsbestimmung

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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 1 von 24 Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 97/13 Datum:                  18.08.2015 Gericht:                Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:           15. Senat Entscheidungsart:       Urteil Aktenzeichen:           15 A 97/13 Vorinstanz:             Verwaltungsgericht Köln, 13 K 2679/11 Schlagworte:            Informationsanspruch Forschung und Lehre Drittmittelforschung Forschungsvereinbarung Pharmaforschung Normen:                 § 2 Abs. 3 IFG NRW; Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG; § 71a HG NRW Leitsätze:              Mit den Begriffen Forschung und Lehre bezieht sich § 2 Abs. 3 IFG NRW auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Daher schließt die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie Drittmittelverträge über Forschungsvorhaben ein. § 71a HG NRW begründet keinen Informationsanspruch, sondern eine objektiv-rechtliche Informationsverpflichtung der Hochschule. Tenor:                  Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand:                                                                                1 Der Kläger begehrt von der beklagten Universität eine Auskunft nach dem                    2 Informationsfreiheitsgesetz NRW. Am 18. November 2008 beantragte der Kläger, der Geschäftsführer des Vereins                3 Coordination gegen C.-Gefahren e. V. ist, bei der Beklagten, den Kooperationsvertrag ihrer Universitätsklinik mit der Beigeladenen vom 26. März http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 2 von 24 2008 offenzulegen. Die Beklagte sollte dazu im Einzelnen formulierte Fragen - wie z. B. „Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden?“ oder „Wie sind die Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - beantworten. Es solle öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte eine staatliche Einrichtung wie die Beklagte an ein privatwirtschaftliches Unternehmen wie die Beigeladene abtreten dürfe. Mit Schreiben vom 30. März 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein                    4 Informationsanspruch bestehe mit Blick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Die Kooperationsvereinbarung mit der Beigeladenen falle in den Bereich von Forschung und Lehre, der vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen sei. Da die Kooperationsvereinbarung mediale Beachtung gefunden habe, sei die Beklagte jedoch bereit, nach Rücksprache mit der federführenden Medizinischen Fakultät eine detaillierte Auskunft zu erteilen. Die Rahmenvereinbarung zwischen dem Klinikum der Beklagten und der Beigeladenen zur Schaffung der Voraussetzungen für eine „präferierte Partnerschaft“ im Bereich der Forschung und Entwicklung innovativer Therapien diene der bundesweiten, vom Wissenschaftsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft formulierten Zielsetzung, durch „Entwicklungspartnerschaften“ oder „strategische Allianzen“ die deutsche Hochschulmedizin und die international ins Hintertreffen geratene klinische Forschung wieder nachhaltig zu stärken. Zugleich werde die Unabhängigkeit der öffentlichen universitären und der privaten wirtschaftlichen Forschungsinteressen voneinander sichergestellt. „Bevorzugte Partnerschaft“ bedeute in dieser Rahmenvereinbarung, dass man auf Seiten des Unternehmens bei der anstehenden klinischen Testung neuer Substanzen und umgekehrt auf der Seite des Universitätsklinikums bei der Verfolgung neuer aus der Grundlagenwissenschaft stammender Entwicklungsvorhaben möglicherweise therapeutisch wirksamer Substanzen immer zuerst prüfe, ob sich die hierfür erforderlichen Forschungsarbeiten erfolgversprechend in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Partner durchführen ließen, bevor andere sich anbietende Kooperationsbeziehungen für die Verwirklichung der Projekte gesucht und eingegangen würden. Inhaltlich solle sich die Kooperation nach dem derzeitigen Stand der beidseitigen klinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf die Gebiete der Kardiologie, der Onkologie, der Augenheilkunde, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Kinderheilkunde erstrecken. Ein gemeinsamer Lenkungsausschuss („Steering Committee“) mit paritätischer Besetzung treffe die Auswahl unter den in Frage kommenden Einzelprojekten, erstelle den Forschungsplan und kontrolliere in einem geregelten Verfahren die planungsadäquate Umsetzung der Projekte. Die organisatorische Vorbereitung und Sicherstellung aller hierfür erforderlichen Verfahrensschritte obliege dem Geschäftsführer des Lenkungsausschusses („Liaison Officer“). Diese zentrale Funktion übernehme der Leiter des Zentrums für klinische Studien der Medizinischen Fakultät der Beklagten. Als neue partnerschaftlich konzipierte und organisierte Struktur schließe das Kooperationsabkommen ein Graduiertenkolleg für „Pharmakologie und Therapieforschung“ mit ein. Darin würden Graduierten der Fächer Medizin, Chemie, Biologie, Biochemie und Pharmazie zwei- und dreijährige Promotionspfade an der Medizinischen sowie an der Mathematisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung gestellt. Inhaltlich sollten die Doktorarbeiten aus den Forschungsgebieten der Toxikologie, Tiermodell- Entwicklung und Identifikation von Biomarkern bei internistischen und neurologischen Erkrankungen im Vordergrund stehen. Die Einrichtung des Kollegs erfolge nach den etablierten Strukturvorgaben und Gütekriterien unter dem Dach http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 3 von 24 der „Graduate School of Biological Science“ der Beklagten, so dass auch für diesen Bestandteil der Kooperation die Unabhängigkeit von rein wirtschaftlichen Interessen sichergestellt sei. Nach alledem sei gewährleistet, dass die Entscheidungen über die Aufnahme von innovativen Vorhaben oder Dissertationsprojekten frei nach den jeweiligen Entwicklungsperspektiven erfolgten. Sie würden weder direkt noch indirekt durch wirtschaftliche Interessen beeinflusst. Die Vereinbarung enthalte keinerlei Bedingungen, die der für Drittmittelforschung üblichen Publikationsverpflichtung gemäß § 71 HG NRW entgegenstünden. Aus der Rahmenvereinbarung ergäben sich keine Einschränkungen des freien akademischen Austauschs im Allgemeinen und der Publikationsfreiheit im Besonderen. Publikationsentscheidungen, die den Gegenstand und die Ergebnisse der Zusammenarbeit beträfen, würden nach Beratung im Lenkungsausschuss herbeigeführt. Die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich sämtlicher schutzrechtsfähiger und nicht schutzrechtsfähiger Ergebnisse richte sich nach der Sponsoreneigenschaft i.S.v. § 4 Abs. 24 AMG. Sollten gemeinsame Entwicklungserfolge zur Vermarktung von patentrechtlich geschützten Produkten aufgrund von Patenten führen, die im Rahmen der Kooperationsvereinbarung angemeldet und erteilt worden seien, erhielten die jeweils Beteiligten ab Vermarktungsbeginn und für die Laufzeit der betreffenden Patente eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben den Arbeitnehmererfindergesetzes. Der Umgang mit Informationen aus der Forschungs- und Entwicklungskooperation unterliege Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten, die beide Partner wechselseitig eingegangen seien. Industrielle Drittmittel für die Entwicklung und Erprobung neuer Medikamente würden in der Regel nur dann in Anspruch genommen, wenn die betreffenden klinischen Studien mit den Zielsetzungen der fünf an der Medizinischen Fakultät und dem Klinikum der Beklagten etablierten und von unabhängigen wissenschaftlichen Expertenkommissionen fortlaufend evaluierten Forschungsschwerpunkten übereinstimmten. Dafür sorge die Zielvereinbarung der Beklagten mit dem zuständigen Landesministerium. Auftragsforschung außerhalb der Zielgebiete würde Nachteile bei der leistungsorientierten Mittelvergabe des Landeszuschusses und vielen anderen Strukturierungsmaßnahmen der Medizinischen Fakultät mit sich bringen. Die Einwerbung öffentlicher Drittmittel vor allem von Seiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Europäischen Kommission stelle ein ungleich höherwertigeres Gütekriterium für die leistungsorientierte Mittelvergabe dar. Schließlich überprüfe die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät jedes klinische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben vor seiner Einleitung. Die juristische Seite des Abschlusses aller Verträge überprüfe das Rektorat der Beklagten. Unter dem 30. Juni 2009 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass der                 5 Rahmenvertrag aus ihrer Sicht Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalte. Bei einer Veröffentlichung der individuell ausgehandelten Vertragskonditionen würde der Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmen um kooperierende Kliniken sowie der Wettbewerb unter den Kliniken um derartige Kooperationen beeinträchtigt. Gerade im Bereich der Forschungs- und Entwicklungsverträge seien die in Rede stehenden Vertragsregelungen wichtige Elemente der Zusammenarbeit. Zudem eröffne eine detaillierte Veröffentlichung der Forschungskooperation, ihrer Ziele und der exakten Vorgehensweise zur Erreichung dieser Ziele Wettbewerbern Hinweise auf mögliche künftige Forschungs- und Geschäftsfelder. Dadurch entstünden der Beigeladenen Wettbewerbsnachteile. Um diese zu vermeiden, seien Verschwiegenheitsklauseln in Bezug auf alle Informationen im Zusammenhang mit der Kooperation Vertragsbestandteil. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 4 von 24 Nachdem der Kläger mit Schreiben an die Beklagte vom 26. Mai 2009 und vom 15.              6 Juli 2010 - u. a. gestützt auf eine Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW vom 16. Juni 2010 - an seinem Informationsbegehren festhielt, weil § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht einschlägig sei und etliche Fragen trotz der Antwort der Beklagten vom 30. März 2009 offengeblieben seien, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 20. August 2010 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Informationszugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bestehe nicht. Da das klägerische Begehren den Bereich von Forschung und Lehre betreffe, sei das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW unanwendbar. Diese Regelung wolle sicherstellen, dass das Informationsfreiheitsgesetz NRW nicht in den Schutzbereich des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingreife. Dieses schütze auch unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, die sich nicht auf bestimmte Forschungs- und Lehrvorhaben bezögen. In diesem Bereich müsse die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Universitäten vor äußerem Druck - etwa durch unkontrollierte Informationsverbreitung - geschützt werden. Auch der in Rede stehende Vertrag behandle unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Sein Regelungsgehalt - sachliche und organisatorische Beiträge zur Findung und Durchführung von Einzelprojekten, Aufbau eines Graduiertenkollegs, finanzielle Kompensation einzelner Leistungen, Umgang mit Ergebnissen und Verteilung der Nutzungsrechte, Vertraulichkeit, Exklusivität der Kooperation in den Einzelprojekten, Verfahren bei der wissenschaftlichen Veröffentlichung aus Einzelprojekten, Haftung, Laufzeit, vertragstechnische Formalia - entspreche demjenigen jedes anderen Drittmittelvertrags. Unabhängig davon schütze Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die Universität im wissenschaftlichen Wettbewerb. Würde das Informationsfreiheitsgesetz NRW für diesen Rahmenvertrag gelten und einen Auskunftsanspruch gewähren, könnten Wettbewerber die genaue Positionierung der Beklagten erfahren, ohne selbst ihre Positionierung öffentlich machen zu müssen. Sie könnten ihr eigenes Verhalten im wissenschaftlichen Wettbewerb um Forschungsgelder darauf einstellen und damit ihre Position einseitig stärken. Dies könnten die Zugangsbeschränkungen der §§ 8, 9 IFG NRW allein nicht wirksam verhindern. Der Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 war nicht mit einer                             7 Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Kläger hat am 8. Mai 2011 Klage erhoben.                                               8 Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, ihm stehe der geltend                   9 gemachte Informationszugangsanspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW als Privatperson zu, auch wenn er Geschäftsführer eines konzernkritischen Vereins sei. § 2 Abs. 3 IFG NRW schließe die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes NRW vorliegend nicht aus. Die Rahmenvereinbarung sei keine Forschung im engeren Sinn. Sie enthalte ausschließlich organisatorische Regelungen für zukünftige und derzeit noch nicht konkret festgelegte Forschungsprojekte. Nicht unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten wie z. B. die Planung wissenschaftlicher Vorhaben, die Koordinierung wissenschaftlicher Arbeit, die organisatorische Betreuung und Sicherung der Durchführung von Forschungsvorhaben, d. h. insbesondere die haushaltsmäßige Betreuung einschließlich der Mittelvergabe, sowie die Errichtung und der Einsatz von wissenschaftlichen Einrichtungen und Arbeitsgruppen seien nicht von dem Informationsfreiheitsgesetz NRW ausgenommen. Der Freiraum wissenschaftlicher Einrichtungen vor staatlicher Einflussnahme sei insoweit durch §§ 6 ff. IFG NRW hinreichend geschützt. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 5 von 24 Abgesehen davon behandle die Rahmenvereinbarung keine unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten. Der Rahmenvertrag berühre die Forschung nicht unmittelbar. Er bestimme nur in allgemeiner Form, wie zukünftig neue Forschungsfelder ausgewählt und neue Forschungsvorhaben nachfolgend organisatorisch umgesetzt würden. Sobald sich ein Forschungsvorhaben hinreichend konkretisiert habe, müssten die Einzelheiten des jeweiligen Vorhabens also erst noch in einer weiteren gesonderten Vereinbarung ausgehandelt werden. Die Forschungsplanung beginne nicht bereits mit der Schaffung eines allgemeinen Regelungsgerüsts für noch nicht benannte Forschungsprojekte, sondern allenfalls mit der Konkretisierung einzelner Forschungsthemen und -projekte. Es würden auch keine Forschungsstrategien offengelegt. Eine andere Betrachtungsweise würde dem Grundrecht auf freien Informationszugang aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG, dem Willkürverbot der Art. 3 Abs. 1 GG einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG nicht gerecht. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei demgemäß zumindest verfassungskonform auszulegen, wobei diese Möglichkeit in Anbetracht der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben als letztlich nicht gegeben erscheine. Dies gelte gerade auch in dem hier betroffenen Bereich der Forschung und Lehre an Hochschulen, in dem eine weitestgehende Transparenz herzustellen sei. Eine Beschränkung des Informationszugangs gemäß dem voraussetzungslosen § 4 Abs. 1 IFG NRW auf die klassische staatliche Eingriffsverwaltung gebe es nicht. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setze daher auch § 2 Abs. 3 IFG NRW eine Gefahr der Beeinträchtigung öffentlicher Belange bzw. einen mehr als geringfügigen Schaden voraus, der dem Interesse der Allgemeinheit an der Gewährung des Informationszugangs nach einer umfassenden Güterabwägung ähnlich der in § 8 Satz 3 IFG NRW vorgesehenen vorgehe. Diese Gefährdungslage sei konkret darzulegen, weil andernfalls die Begründungslast für Informationszugangsansprüche gesetzeswidrig umgekehrt würde. Ausnahmen vom Informationszugang seien ohnehin eng zu interpretieren. § 2 Abs. 3 IFG NRW verletze auch deshalb ohne sachlichen Grund das Regel-Ausnahme-Prinzip. Abstrakte Auswirkungen auf Forschung und Lehre, wie sie von der Beklagten eingewandt würden, füllten § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht aus. Weder aus den Landtagsprotokollen noch aus dem Gesetzestext ließen sich Hinweise darauf entnehmen, dass im Gesetzgebungsverfahren Überlegungen dazu angestellt worden seien, von welcher Art die Gefährdungen für Forschung und Lehre durch einen Informationszugang sein dürften und warum man solchen Gefährdungen ausschließlich und speziell mit der gesetzlichen Ausnahme einer absoluten Geheimhaltung gerecht zu werden versuche, anstatt dem ansonsten im Informationsfreiheitsgesetz NRW geregelten Prinzip eines freien und voraussetzungslosen Informationszugangs den Vorrang zu geben. Die Informationsfreiheit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip forderten eine umfassende Publizität staatlichen Handelns. Dem komme § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht nach. Er sei in mehrerlei Hinsicht unverhältnismäßig. Bei alledem sei zu berücksichtigen, wie sich die Hochschullandschaft allgemein in Richtung einer zunehmenden Ökonomisierung verändere. Eine „Flucht ins Privatrecht“ dürfe den gesetzlichen Informationsanspruch nicht aushebeln. Dies zeige auch der Blick auf die Rechtslage in Bundesländern, die in Bezug auf Hochschulen einen unbeschränkten Informationszugang eröffneten. Auch dies erfordere eine verfassungsrechtliche Überprüfung von § 2 Abs. 3 IFG NRW. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass den besonderen Gefahren, die im Zusammenhang mit dem Reformkonzept der sog. unternehmerischen Hochschule sowie der damit verbundenen industrienahen Forschung auf der Grundlage von geheimen Kooperationsverträgen drohten, nur dadurch wirksam begegnet werden könne, dass http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 6 von 24 man zwecks hinreichender Kontrolle auch in diesem durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich von Gesetzes wegen und ganz allgemein mehr Transparenz und Öffentlichkeit verlange. Es werde deswegen beantragt, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 2 Abs. 3 IFG NRW mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Ein Verweigerungsrecht nach § 8 IFG NRW bestehe ebenfalls nicht. Die Beigeladene habe nicht substantiiert dargelegt, woraus sich eine Beeinträchtigung im Wettbewerb pharmazeutischer Unternehmen ergäbe, wenn die Rahmenvereinbarung öffentlich gemacht würde. Die einzelnen Forschungs- und Geschäftsfelder müssten aufgrund der Rahmenvereinbarung erst noch durch eine Kommission ausgehandelt werden. Es sei nach erfolgtem Vertragsschluss kaum denkbar, inwieweit mögliche Konkurrenten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung der begehrten Informationen ziehen könnten und der Beigeladenen dadurch ein messbarer Schaden entstehe. Ein hinreichender Schutz der Beigeladenen könne insoweit durch die Schwärzung einzelner Passagen gewährt werden. Demgegenüber habe der Kläger sein überwiegendes Interesse an dem Informationszugang dargetan. Er habe darauf hingewiesen, dass die European Medicines Agency mehr unabhängige Pharma-Forschung fordere, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werde. Da die Beklagte nun eine Kooperation mit der Industrie begonnen habe, müsse öffentlich diskutiert werden, wie viele Rechte sie an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abgetreten habe. Um die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags abschließend zu klären, müsse ggf. ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO eingeleitet werden. Der Kläger hat beantragt,                                                                10 die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010             11 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen. Die Beklagte hat beantragt,                                                              12 die Klage abzuweisen.                                                                    13 Sie hat vorgetragen, § 2 Abs. 3 IFG NRW sei einschlägig und schließe einen               14 Informationszugangsanspruch des Klägers aus. Das Gesetz verwende bewusst eine weite Formulierung, um eine Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung zu vermeiden. § 2 Abs. 3 IFG NRW gehe über den Regelungsgehalt der §§ 6 ff. IFG NRW hinaus. Würden nicht auch die unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten von § 2 Abs. 3 IFG NRW umfasst, wäre er überflüssig, weil der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG außerhalb der unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten erst recht den Ausnahmetatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zuzuordnen wäre. Die §§ 6 ff. IFG genügten allerdings nicht einmal zur Vermeidung eines Eingriffs in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Rahmenvertrag beziehe sich auf Forschung und Lehre bzw. auf unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten. Dies sei im Schreiben vom 30. März 2009 und im Ablehnungsbescheid vom 20. August 2010 umfangreich ausgeführt worden. Darauf werde Bezug genommen. Namentlich sei Forschungsplanung die Planung wissenschaftlicher Vorhaben. Diese sei wesentlicher Gegenstand der Rahmenvereinbarung. An der Unmittelbarkeit dieser Regelungen fehle es nicht. Die Rahmenvereinbarung sei verbindlich. Sie steuere unmittelbar die Auswahl und Vorbereitung von Forschungsvorhaben. Dies sei bei typisierender und wertender Betrachtung unmittelbar wissenschaftsrelevant. Die http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 7 von 24 Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG beeinflussten die Auslegung von § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Überdies sei systematisch zwischen der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW und den Ausschlusstatbeständen der §§ 6 ff. IFG NRW zu unterscheiden. Das Tatbestandsmerkmal einer konkreten Gefährdung könne in § 2 Abs. 3 IFG NRW ebenso wenig hineingelesen werden wie eine Interessenabwägung. Die abweichende Rechtslage in anderen Bundesländern bzw. im Bund sei dafür irrelevant. Dass eine Offenbarung des Rahmenvertrags gleichbedeutend mit einer Offenlage von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW wäre und ihr dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde, habe die Beigeladene hinreichend konkret dargelegt. Der Rahmenvertrag verhalte sich umfangreich zu Vergütungen, finanziellen Beteiligungen und zur Nutzung von Forschungsergebnissen. Durch das Bekanntwerden dieser Informationen würde der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse daran, dass diese Regelungen ihren Konkurrenten nicht bekannt würden, um die Exklusivität der Rahmenvereinbarung zu sichern. Diese werde deswegen durch eine besondere Geheimhaltungsvereinbarung ergänzt. Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,                                                 15 die Klage abzuweisen.                                                                    16 Sie hat vorgetragen, der Kläger sei schon nicht i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW                17 antragsbefugt. Er werde von dem Verein, dessen Geschäftsführer er sei, lediglich mit seinem Informationsbegehren vorgeschoben. Das Informationsbegehren sei auch unbegründet. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW sei nach § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht eröffnet. Dieser wolle bereits Gefährdungen der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung vorbeugen. Diese ließen sich über die Ausschlussgründe der §§ 6 ff. IFG NRW nicht ebenso effektiv und nachhaltig vermeiden. Nur so könne der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Rechnung getragen werden. Eine Differenzierung zwischen Forschung und Lehre sowie unmittelbar wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten habe keine Stütze im Gesetz. Dies bestätige der Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW. Es sei auf die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit durch die Hochschule nicht zugeschnitten, welche keine klassischen staatlichen Aufgaben wahrnehme. Die Rahmenvereinbarung betreffe Forschung und Lehre i.S.d. § 2 Abs. 3 IFG NRW. Der Forschungsbegriff sei weit zu verstehen. Den durch ihn vermittelten Schutz genieße die gesamte praktische Durchführung eines Forschungsprojekts, die Organisation und Planung der Forschung sowie die Auftrags- und Industrieforschung. Der Schutz erstrecke sich auch auf die administrativ notwendige Akzessorietät zu Forschung und Lehre und somit auch auf den Rahmenvertrag. Dieser gebe den Rahmen für die Forschungskooperation der Vertragsparteien verbindlich vor. Er berühre die Forschung unmittelbar, indem er allgemeingültige forschungsrelevante Rahmenbedingungen aufstelle. Die Kooperationspartner zögen nicht zuletzt aus Praktikabilitätsgründen für eine Vielzahl von Projekten bedeutsame Fragen gleichsam vor die Klammer. Ohne eine solche Rahmenvereinbarung sei eine Forschungskooperation der Beklagten mit Dritten rechtlich gar nicht möglich. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei eine Bereichsausnahme. Diese sei nicht verfassungskonform erweiternd auszulegen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG hätten auf seine Anwendung keinen Einfluss. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag sei schon keine allgemein zugängliche Quelle. Andere informationsfreiheitsrechtliche Bestimmungen der Bundesländer bzw. des Bundes http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 8 von 24 seien für diese Frage unergiebig. § 2 Abs. 3 IFG NRW biete auch keinen Raum für eine umfassende Güterabwägung. Hilfsweise werde die Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen i.S.v. § 8 IFG NRW geltend gemacht. Bei einer Offenbarung der Rahmenvereinbarung würden die Konkurrenten der Beigeladenen in die Lage versetzt, die einzelnen Kautelen der Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen genau zu studieren. Sie würden dadurch Kenntnis von wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen erhalten. Dies hätte unmittelbare negative Konsequenzen für deren Situation am Markt und würde die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenten entsprechend stärken. Dies gelte umso mehr, als die Rahmenvereinbarung die Bedingungen für eine Vielzahl künftiger Forschungsprojekte festlegen solle. Außerdem gebe es keinen Marktstandard für derartige Kooperationsverträge. Diese seien immer Gegenstand intensiver Verhandlungen. Würde der streitige Rahmenvertrag öffentlich, wüsste die gesamte Branche, zu welchen Bedingungen die Beklagte und die Beigeladene Forschungskooperationen eingingen. Beide Vertragsparteien hätten darunter auf Jahre hinaus zu leiden. Diese Informationen könnten von Wettbewerbern dazu genutzt werden, um zu Lasten der Beigeladenen bei künftigen Kooperationen mit Hochschulen bessere Angebote vorzulegen und die Beigeladene somit im Wettbewerb um besonders qualifizierte Kooperationspartner auszustechen. Umgekehrt würden potentielle Partner der Beigeladenen in die Lage versetzt, mindestens ein Angebot zu verlangen, das den mit der Beklagten vereinbarten Rahmenbedingungen entspreche. Auch dies würde die wirtschaftliche Situation der Beigeladenen nachteilig beeinflussen. Besonders die Regelungen über die Kompensation ließen Rückschlüsse darauf zu, welchen finanziellen Wert die Beigeladene der Kooperation mit der Beklagten beimesse. Angaben darüber könnten signifikant nachteilige Auswirkungen auf die Beigeladene haben. Denn Informationen über Forschungsausgaben seien höchst sensibel. Sie erlaubten konkrete Schlussfolgerungen auf die konkreten Aktivitäten der Betroffenen. Es sei davon auszugehen, dass Wettbewerber diese Erkenntnisse im eigenen Interesse verwerten würden. Dasselbe gelte für die Klauseln des Rahmenvertrags über die Verwertung und Veröffentlichung, die Ziele der Zusammenarbeit und die Haftung. Nach alledem würde der Beigeladenen durch den Informationszugang ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil sich ihre Situation am Markt erheblich verschlechtern würde. Die bloße Schwärzung der Zahlenangaben im Rahmenvertrag könne diesen Schadenseintritt nicht verhindern. Auch aus den nicht unkenntlich gemachten Informationen über die Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Beigeladenen und der Beklagten könnten Erkenntnisse über die wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen der Beigeladenen gewonnen werden. Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. 18 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW darauf, dass ihm die Beklagte den Inhalt der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen zur Verfügung stelle. Die Beklagte sei bei Abschluss der Rahmenvereinbarung zumindest weitgehend im Bereich der Forschung tätig geworden. Daher gelte das Informationsfreiheitsgesetz NRW gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht. Diese Vorschrift, die nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen einschränkend auszulegen sei, beziehe sich auf das verfassungsrechtliche Begriffsverständnis des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasse auch vorbereitende und begleitende Tätigkeiten, die einen wesentlichen Teil des Forschungsprozesses darstellten. Dazu zählten die Forschungsplanung und das Einwerben von Drittmitteln, die dem einzelnen Wissenschaftler die Durchführung konkreter http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfreihei... Seite 9 von 24 Forschungsvorhaben ermöglichten. Dieser Bereich sei vorliegend betroffen. Soweit der Rahmenvertrag Regelungen enthalte, die ausschließlich die wirtschaftliche Verwertung etwaiger Forschungsergebnisse beträfen, könne der Antrag auf Informationszugang nach § 8 IFG NRW abgelehnt werden. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.                                      19 Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Berufung gegen das ihm am 13. Dezember               20 2012 zugestellte Urteil eingelegt. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger ergänzend im Wesentlichen vor,           21 das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt. Um den Inhalt der Rahmenvereinbarung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO aufzuklären, hätte das Verwaltungsgericht ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO durchführen müssen. Nur so könne der Vertragsgegenstand rechtlich bewertet werden. Dies gelte umso mehr, als die Beklagte sich im Hinblick auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Rahmenvertrags widersprüchlich verhalten habe. So habe eine Pressesprecherin der Beklagten in einem Zeitungsinterview am 21. November 2012 erklärt, der Rahmenvertrag enthalte keine geheimhaltungspflichtigen („kritischen“) Informationen. Das Verwaltungsgericht habe in der Konsequenz auch die materielle Rechtslage unzutreffend beurteilt. Es hätte sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 IFG NRW auseinandersetzen müssen. Das Informationsfreiheitsgesetz NRW diene wie die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer und des Bundes dazu, dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 GG und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG umfassend Rechnung zu tragen. Daran müsse sich die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW messen lassen. Die Freiheit von Forschung und Lehre werde in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet. Sie könne aber aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht eingeschränkt werden. Dazu müsse allgemein eine Abwägung aller Einzelfallumstände erfolgen, wobei insbesondere Grad und Schwere der jeweils festzustellenden Grundrechtsbeeinträchtigung den Ausschlag gäben. Dabei sei auch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen, zumal sich die Drittmittelfinanzierung immer weiter ausweite. Es sei nicht nachvollziehbar, warum durch die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW eine vergleichbare Geheimhaltungspflicht sowie eine darauf beruhende Begrenzung des Anspruchs auf voraussetzungslosen Informationszugang Gültigkeit haben solle wie bei anderen verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Belangen z. B. der Landesverteidigung, des Verfassungsschutzes und der öffentlichen Ordnung nach § 6 IFG NRW. Der Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und der Beigeladenen verstoße seinerseits gegen Art. 5 Abs. 3 GG, weil die insoweit eingebundenen Wissenschaftler mit hoher Wahrscheinlichkeit Regeln unterworfen würden, die ihnen die für ihre Tätigkeit elementare Freiheit der Bewertung der erzielten Forschungsergebnisse ebenso entzögen wie die Freiheit der Methodenwahl und der Publikation. Einer derartigen Gefahr lasse sich nur durch ein Mehr an Transparenz begegnen. Im Interesse eines Mindestmaßes an Sicherheit und zur Vereinheitlichung der Gesetzeslage erscheine es als unverzichtbar, für die Informationsverweigerung generell die Darlegung einer konkreten Gefährdung für das betreffende Schutzgut zu verlangen. Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen. Allgemeine Verweise auf eine angebliche Gefährdung der Grundrechtspositionen von Wissenschaft und Forschung reichten nicht aus. § 2 Abs. 3 IFG NRW verstoße weiterhin gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sei ohne jede http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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Oberverwaltungsgericht NRW, Informationsbegehren nach dem Informationsfrei... Seite 10 von 24 nachvollziehbare Begründung und damit willkürlich von einer Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit durch den freien Informationszugang ausgegangen worden. Ein Geheimnisschutz im Wege der Ausschlusstatbestände der §§ 6 ff. IFG NRW habe ohne Weiteres ausgereicht. Auch ansonsten sei § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht verhältnismäßig. Dies gebiete eine Vorlage der Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Schließlich greife der Ablehnungsgrund des § 8 IFG NRW nach wie vor nicht ein. Der Kläger beantragt,                                                                  22 das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres               23 ablehnenden Bescheids vom 20. August 2010 zu verpflichten, ihm eine Kopie der Rahmenvereinbarung mit der Beigeladenen vom 26. März 2008 über Forschungsprojekte und die Errichtung eines Graduiertenkollegs zu überlassen. Die Beklagte beantragt,                                                                24 die Berufung zurückzuweisen.                                                           25 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der gerügte            26 Verfahrensfehler liege nicht vor. Der Pressebericht vom 21. November 2012, auf den der Kläger verweise, enthalte keine zutreffende Wiedergabe der Erklärung der Pressesprecherin der Beklagten. Dass die Offenlegung des Rahmenvertrags dem Kläger Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zugänglich machen würde, habe das Verwaltungsgericht auf der Grundlage u. a. der Beschreibungen der Beklagten erkennen können. Im Einzelnen lasse sich der Inhalt der Rahmenvereinbarung wie folgt umschreiben: Die Präambel beschreibe in allgemeiner Form die auf die Herstellung einer präferierten Partnerschaft gerichteten Zielsetzung. Abschnitt 1 benenne als Gegenstand der Vereinbarung die Kooperation bei Forschungs- und Entwicklungsvorhaben insbesondere auf beispielhaft bezeichneten medizinischen Gebieten sowie die Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung junger Wissenschaftler. Außerdem werde das „Steering Committee“ geregelt, dessen Mitglieder in einem Anhang namentlich bezeichnet seien und dass für bestimmte Entscheidungen zuständig sei. Abschnitt 2 regle Einzelheiten der Durchführung der Zusammenarbeit. Dazu gehörten die Gründung des Graduiertenkollegs und die Bestimmung, dass die Beklagte den „Liaison Officer“ benenne und welche Aufgaben diesem oblägen. Abschnitt 3 verhalte sich zur Information der Beigeladenen über den Fortgang der Zusammenarbeit, insbesondere die laufenden Einzelprojekte. Abschnitt 4 normiere die finanzielle Kompensation der Zusammenarbeit durch die Beigeladene. Abschnitt 5 treffe Regelungen zu der Verwendung der Forschungsergebnisse und zu den Nutzungsrechten. Abschnitt 6 beziehe sich unter Verweis auf eine als Anlage beigefügte Geheimhaltungsvereinbarung auf die Geheimhaltungspflichten. Abschnitt 7 regle in einem Satz die Informationspflicht der Beklagten gegenüber der Beigeladenen bei einer Zusammenarbeit mit Dritten über vereinbarte Einzelprojekte, wenn dadurch Interessenkollisionen entstehen könnten. Abschnitt 8 betreffe die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Abschnitt 9 regle Haftung und Garantie, Abschnitt 10 Laufzeit und Kündigung der Vereinbarung, Abschnitt 11 enthalte sonstige Bestimmungen wie z.B. die Anwendung deutschen Rechts und die Schriftformklausel. § 2 Abs. 3 IFG NRW sei verfassungsgemäß. Aus dem Demokratieprinzip ergebe sich keine Verpflichtung des Staates zur Offenlegung von Verwaltungsvorgängen. Bei der Gestaltung gesetzlicher Regelungen habe der Gesetzgeber einen weiten Spielraum. Ein Verfassungsverstoß folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG oder dem http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/15_A_97_13_Urteil_20150818.ht... 29.09.2015
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