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Aktenzeichen
7 C 1.14
Datum
25. Juni 2015
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Bundesverwaltungsgericht am 25. Juni 2015

7 C 1.14

Der Deutsche Bundestag ist eine informationspflichtige Stelle, soweit es um Gutachten oder sonstige Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sowie des Sprachendienstes geht. Bei der Erstellung von Gutachten und Übersetzungen handelt es sich um der Mandatausübung vorgelagerte Verwaltungsaufgaben. Die Tatsache, dass Abgeordnete diese Unterlagen für ihre parlamentarische Tätigkeit nutzen, steht dem nicht entgegen. Zudem enthält das Urteil ausführliche Darlegungen zum Urheberrecht. Es ist davon auszugehen, dass ein Beamter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend sämtliche Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. Dazu gehört auch die Gewährung von Informationszugangsansprüchen. Ein genereller Vorrang eines der Behörde zugewiesenen Urheberrechts folgt aus dem entsprechenden Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes somit nicht; das Veröffentlichungsrecht kann dem Informationsbegehren in diesem Fall nicht entgegengehalten werden. Das Gerichtet deutet aber an, dass die nutzungsberechtigte Behörde insbesondere im Falle wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten ein anerkennenswertes Interesse am Urheberrechtsschutz haben könnte. Die strittigen Unterlagen wurden für den früheren Bundestagsabgeordneten Karl-Theodor zu Guttenberg angefertigt und von diesem für seine Dissertation verwendet. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Interessenabwägung Begriffsbestimmung Veröffentlichung von Informationen Urheberrecht

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL BVerwG 7 C 1.14 OVG 12 B 21.12 Verkündet am 25. Juni 2015 … als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache
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-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2015 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp als Vorsitzende, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Keller und Dr. Schemmer für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 13. November 2013 wird aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal- tungsgerichts Berlin vom 14. September 2012 wird zu- rückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe: I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Deutschen Bundestages. 2 Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 beantragte der Kläger, ein Journalist, beim Deutschen Bundestag unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Informations- freiheitsgesetz, ihm Kopien von fünf Ausarbeitungen und zwei Dokumentatio- nen der Wissenschaftlichen Dienste sowie eine durch den Sprachendienst er- stellte Übersetzung eines in einer englischsprachigen Zeitschrift erschienenen Aufsatzes zur Verfügung zu stellen. Diese Unterlagen waren für den früheren Bundestagsabgeordneten Karl-Theodor zu Guttenberg angefertigt und von die- sem für seine Dissertation verwendet worden. Mit Bescheid vom 4. Juli 2011 lehnte der Deutsche Bundestag den Antrag ab.
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-3- 3 Auf die hiergegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 14. September 2012 zur Überlassung von Kopien der begehrten Dokumente: Der Deutsche Bundestag nehme bezogen auf die begehrten amtlichen Informationen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr. Der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 IFG stehe dem Informationsbegehren auch in Bezug auf die Ausarbeitungen, bei denen das Gericht die Merkmale einer persönlichen geistigen Schöpfung unterstelle, nicht entgegen. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 13. November 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentli- chen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Informationszugang zu den begehrten Unterlagen. Die Wissenschaftlichen Dienste und der Sprachen- dienst des Deutschen Bundestages nähmen bei der Erstellung von Dokumenta- tionen und Ausarbeitungen bzw. der Anfertigung von Übersetzungen für Abge- ordnete keine Verwaltungsaufgaben im materiellen Sinne wahr. Ihre Tätigkeit sei dem Wirkungskreis der Abgeordneten und damit dem Bereich der Wahr- nehmung parlamentarischer Angelegenheiten zuzuordnen. Dies folge schon aus der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 IFG. Der vom Direktor des Deutschen Bundestages im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Wunsch nach Klarstellung, dass die Unterlagen, die die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste für die Abgeordneten beträfen, generell in den von der Informations- pflicht ausgenommenen spezifischen Bereich parlamentarischer Angelegenhei- ten fielen, sei vom mitberatenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zustimmend zur Kenntnis genommen worden. In den Bericht des federführenden Innenausschusses sei er allerdings nicht übernommen worden; dieser Umstand lasse indessen keine negativen Schlüsse zu. Letztlich handele es sich um beredtes Schweigen, weil der Innenausschuss an keiner Stelle zu erkennen gegeben habe, dass er die Einschätzung des mitberatenden Ausschusses nicht teile. Auch die Funktion der Zuarbeiten der Wissenschaftli- chen Dienste und des Sprachendienstes und die Voraussetzungen für ihre In- anspruchnahme durch Bundestagsabgeordnete, wie sie im einschlägigen Leit- faden geregelt seien, sprächen für ihre Zuordnung zum Bereich parlamentari-
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-4- scher Tätigkeiten. Der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentari- scher Angelegenheiten beschränke sich nicht auf die Tätigkeit des Bundes- tagsabgeordneten selbst, sondern erfasse auch die Zuarbeit durch die Bundes- tagsverwaltung, sofern sie einen hinreichend engen Bezug zur Parlamentstätig- keit aufweise. Dies sei bei Unterlagen der Fall, die wie hier von einem Bundes- tagsabgeordneten unter Berufung auf den Mandatsbezug angefordert worden seien. Unerheblich sei, ob der Abgeordnete zu Guttenberg bei der Anforderung der streitigen Informationen tatsächlich bereits die Absicht verfolgt habe, sie nicht für seine Mandatsausübung zu verwenden, und ob er sie letztlich auch für seine Parlamentsarbeit genutzt habe. Maßgeblich sei zur Wahrung der Garantie des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vielmehr allein, ob es sich - aus der Sicht der Wissenschaftlichen Dienste - um eine Zuarbeit handele. 5 Auch die Tatsache, dass weitere Exemplare der jeweiligen Zuarbeit im Fachbe- reich verblieben und gegebenenfalls anderen Abgeordneten zur Verfügung ge- stellt oder veröffentlicht werden könnten, rechtfertige die Qualifizierung der Zu- arbeiten als Verwaltungsmaßnahme nicht. Schließlich sei für die Qualifizierung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste unbeachtlich, dass diese bei der Erstellung von Zuarbeiten zur strikten politischen Neutralität verpflichtet seien. Denn die Abgeordneten seien zu einer sachgerechten Wahrnehmung ihrer Ge- setzgebungs- und Kontrollfunktion nur in der Lage, wenn sie über objektive und neutrale Informationen verfügten. Dass sie diese sodann einer politischen Be- wertung unterziehen müssten, ändere daran nichts. 6 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger neben dem Verfahrensfehler einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung die Verletzung materiellen Rechts und trägt hierzu im Wesentlichen vor: Das Ober- verwaltungsgericht habe die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 IFG unzu- treffend erfasst. Die Gesetzesbegründung gehe davon aus, dass Tätigkeiten im Bereich der Gesetzesvorbereitung, ganz gleich von welcher Stelle, der grund- sätzlich informationspflichtigen Exekutive zuzuordnen seien. Die Reaktion des Innenausschusses auf das Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag lasse die Annahme eines "beredten Schweigens" nicht zu. Zu Unrecht ordne das Oberverwaltungsgericht die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste und
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-5- des Sprachendienstes in den Bereich parlamentarischer Tätigkeiten ein, obwohl sie in der Gesetzesbegründung gerade nicht erwähnt würden. Hierfür könne auf den innerbehördlichen Leitfaden nicht abgestellt werden. Im Übrigen zeige eine Gesamtschau der Regelungen des Leitfadens, dass der Kreis der Antragsbe- rechtigten weit über die Abgeordneten hinausgehe; der Schluss auf den parla- mentarischen Charakter der Tätigkeiten gehe deswegen fehl. Informationsleis- tungen seien, auch soweit es um mandatsbezogene Zuarbeiten gehe, materiell der Verwaltung des Deutschen Bundestages zuzurechnen. Soweit die Zuarbei- ten in den Besitz der Abgeordneten gelangten und von diesen zur Wahrneh- mung ihres freien Mandats verwendet würden, seien die Unterlagen in den spe- zifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten einbe- zogen. Soweit diese jedoch - in gleicher Weise wie bei externen Verwaltungs- stellen - als eigenständige Vorgänge auch im Besitz des Fachbereichs verblie- ben, sei eine getrennte Bewertung angezeigt und insoweit ein Informationszu- gang gegeben. Der Abgeordnete könne allerdings im Einzelfall die vertrauliche Behandlung vereinbaren und so eine Veröffentlichung verhindern. Die Systema- tik und der Zweck des Gesetzes erforderten, dessen Anwendungsbereich im Grundsatz weit zu verstehen. Durch die Gewährung des im Verfassungsrecht wurzelnden Informationszugangs werde die Wahrnehmung des freien Mandats nicht beeinträchtigt. Der Abgeordnete könne die Informationen weiterhin für seine eigene Meinungsbildung verwenden. Jedenfalls dürfe sich der Ausschluss des Informationszugangsrechts nur auf objektiv mandatsbezogene Unterstüt- zungsleistungen beziehen. Es komme nur auf die objektive Situation, nicht je- doch auf die Vorstellungen der Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste an. Letztlich müsse die Bereichsausnahme aber zeitlich begrenzt werden. Eine Be- einträchtigung der Mandatsausübung sei jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Abgeordnete die Information im Rahmen der Mandatswahrnehmung verwendet und diese damit ihren Zweck erfüllt habe. 7 Das Urteil sei schließlich auch nicht aus anderen Gründen richtig. Einem An- spruch auf Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 IFG nicht entgegen. Es handele sich bei den Zuarbeiten nicht um urheberrechtlich geschützte Werke. Des Weiteren hätten die Verfasser dem Deutschen Bundes- tag sämtliche Rechte an den Arbeiten eingeräumt. Schließlich führe der Infor-
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-6- mationszugangsanspruch nicht zu einer Verletzung der Erstveröffentlichungs-, Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte. 8  Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 13. November 2013 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal- tungsgerichts Berlin vom 14. September 2012 zurückzu- weisen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Zu- gang zu den streitigen Informationen durch Einsichtnahme zu gewähren, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. September 2012 im Übrigen zurückzuweisen. 9  Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt insbesondere vor, dass bei der Frage des Anwendungsbereichs des Informationsfreiheitsgesetzes von einem Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis nicht auszugehen und demnach für eine enge Auslegung von Ausnahmetatbeständen kein Raum sei. Die Informationen der Abgeordneten durch die Wissenschaftlichen Dienste könnten nicht künstlich aufgespalten werden in einen Vorgang beim Abgeordneten und einen bei der Informationsstelle; vielmehr bedürfe es einer Gesamtbetrachtung, weil ansons- ten der Schutz des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG leer laufe. Der Einwand, dass der Kreis der Auftragsberechtigten über die Abgeordneten hinausreiche, treffe nicht die streitigen Zuarbeiten, die zu den 97 % der Arbeiten zählten, die im Auftrag von Abgeordneten erstellt würden. Ein objektiver Mandatsbezug sei nicht erfor- derlich. Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs sei maßgeblicher Zeit- punkt für den Mandatsbezug der Tätigkeit der Zeitpunkt der Prüfung des Ausar- beitungsauftrags durch die Wissenschaftlichen Dienste. Eine Rechenschafts- pflicht des Abgeordneten über die Verwendung der Arbeiten der Wissenschaft- lichen Dienste beträfe den Kernbereich des freien Mandats. Es sei verfassungs- rechtlich und auch aus Praktikabilitätsgründen geboten, die Vermutung aufzu-
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-7- stellen, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages die angeforderten Ar- beiten der Wissenschaftlichen Dienste für ihre Abgeordnetentätigkeit verwende- ten. Nur für offensichtliche Missbrauchsfälle könne etwas anderes gelten. Im vorliegenden Fall sei der Abgeordnete zu Guttenberg als Mitglied des Auswärti- gen Ausschusses mit den Themen der angeforderten Arbeiten befasst gewe- sen. Eine zeitliche Begrenzung der Bereichsausnahme komme schon deswe- gen nicht in Betracht, weil lediglich vorübergehend wirkende Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Systematik des Informationsfreiheitsgesetzes fremd seien; hier sei vom fortwirkenden Schutz des freien Mandats auszugehen. Schließlich sei das Urteil auch aus anderen Gründen richtig. Sowohl die fünf genannten Ausarbeitungen als auch die Übersetzung seien geschützte Werke im Sinne von § 2 UrhG. Die Nutzungsrechte, die Mitarbeiter der Wissenschaftli- chen Dienste dem Deutschen Bundestag einräumten, seien gemäß § 31 Abs. 5 UrhG durch die Zwecksetzung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses be- schränkt. Eine Nutzung der Ausarbeitungen, die über den Auftrag des Abge- ordneten an die Wissenschaftlichen Dienste und die vereinbarte Verwendung hinausgehe, sei daher von der Rechteeinräumung nicht umfasst. Eine Erfüllung des Anspruchs mittels der Gewährung von Einsicht in die Werke würde das Erstveröffentlichungsrecht, bei Überlassung von Ablichtungen der Werke dar- über hinaus auch die Verwertungsrechte in Form des Vervielfältigungs- und des Verbreitungsrechts verletzen. II 11 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwal- tungsgericht hat den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unzutreffend bestimmt (1.). Das Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); auf einen Versagungsgrund kann die Beklagte sich nicht berufen (2.). 12 1. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Deutsche Bundestag bei der mandatsbezogenen Unterstützung der Abgeordneten durch Zuarbeiten
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-8- der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes nicht nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) informationspflichtig ist, trifft nicht zu. 13 a) § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG verpflichtet Behörden des Bundes. Das Gesetz legt keinen organisationsrechtlichen, sondern einen funktionellen Behördenbegriff zugrunde. Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies bestimmt sich nach materiellen Kriterien; auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt es ebenso wenig an wie auf eine recht- liche Außenwirkung des Handelns. § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, wonach sonstige Bundesorgane und -einrichtungen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufga- ben wahrnehmen, hat eine rein deklaratorische Bedeutung. Es wird lediglich klargestellt, dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behörden- eigenschaft zukommt, bezogen auf bestimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Be- hörden im funktionellen Sinne sein können. Eine solche nach der jeweils wahr- genommenen Funktion differenzierende Betrachtungsweise liegt auch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugrunde (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 11, 16 ff. und vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 22 f.). 14 Im vorliegenden Zusammenhang kommt es folglich nicht darauf an, dass die Verwaltung des Deutschen Bundestages als Hilfseinrichtung des Verfassungs- organs Bundestag als oberste Bundesbehörde eingeordnet wird (siehe etwa Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 46; Butzer, in: BeckOK GG, Art. 38 Rn. 13.1), dabei aber zugleich deren Sonderstellung gegenüber der übrigen Bundes- oder auch Ministerialverwaltung sowie der "vollziehenden Gewalt" be- tont wird (siehe etwa Zeh, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 52 Rn. 33; Schindler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 29 Rn. 1 f., Rn. 29).
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-9- 15 Maßgeblich ist demgegenüber, dass der Anwendungsbereich des Informations- freiheitsgesetzes sich allein auf die Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne bezieht. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Verwaltung grundsätzlich negativ im Wege der Abgrenzung zu anderen Staatsfunktionen zu bestimmen. Die Abgrenzung ist dabei nicht, wie der Senat zur Frage der Zuordnung der Regierungstätigkeit zur Verwaltungstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 IFG ent- schieden hat, durch staatsrechtliche Begrifflichkeiten zwingend vorgegeben. Vielmehr kommt es auf das dem Informationsfreiheitsgesetz insbesondere nach dessen Regelungszusammenhang und Entstehungsgeschichte zugrunde lie- gende Begriffsverständnis an. Danach umschreiben die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG genannten Staatsfunktionen (BT-Drs. 15/4493 S. 8), soweit es um die ihnen zuzuordnenden spezifischen Aufgaben geht, im Wesentlichen die Tätigkeitsbereiche, auf die das Informationsfreiheits- gesetz sich nicht erstreckt (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 18 ff. und vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 24). 16 Hiernach ist der Deutsche Bundestag nicht nur in seiner Funktion als Gesetz- geber und bei der Ausübung des Budgetrechts, sondern umfassend im Bereich der Wahrnehmung auch sonstiger parlamentarischer Angelegenheiten nicht informationspflichtig (siehe BT-Drs. 15/4493 S. 8); hierzu zählt neben seiner Kreations- und Repräsentativfunktion insbesondere seine Kontrollfunktion gegenüber der Bundesregierung. 17 b) Zur Ausübung dieser Aufgaben ist das Parlament und somit auch jeder Ab- geordnete auf verlässliche Informationen angewiesen. Diese kann sich der Ab- geordnete auf verschiedenste Art und Weise beschaffen. Er kann sie durch eigene Studien und Ermittlungen sowie sonstige (Such- und Forschungs-)Auf- träge erlangen und sich gegenüber der Regierung auf sein aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgendes Frage- und Informationsrecht berufen (siehe hierzu zuletzt BVerfG, Urteil vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 [ECLI:DE:BVerfG:2015:es20150602.2bve000711] - Rn. 103 m.w.N.). Als be- sonderer interner "Dienstleister für die Abgeordneten, Denkfabrik des Parla- ments, Wissensmanager" (so die Selbstdarstellung des Deutschen Bundes-
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- 10 - tages auf www.bundestag.de/bundestag/verwaltung) im Sinne einer internen Politikberatung (Hölscheidt, DVBl 2010, 78 <79>) stehen ihm insoweit die Wis- senschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sowie der Sprachendienst zur Verfügung. Ist die Zuarbeit - wie dies bei einer nach Maßgabe der Nut- zungsbedingungen (siehe Leitfaden für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste <WD> vom 3. März 2008, Nr. 1.1) ordnungsgemäßen Inanspruchnah- me der Wissenschaftlichen Dienste vorauszusetzen ist - zum Zwecke der Ver- wendung für die Ausübung parlamentarischer Tätigkeiten, etwa im Hinblick auf die Formulierung von Anfragen an die Regierung oder zur Entwicklung politi- scher Strategien, geleistet worden, steht sie zwar in einem Zusammenhang mit Tätigkeiten, die als solche dem Informationszugang nicht unterliegen. Dieser Mandatsbezug rechtfertigt es aber nicht, den Deutschen Bundestag jedenfalls insoweit von der Informationspflicht auszunehmen (vgl. Schoch, NVwZ 2015, 1 <6>). 18 Die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung baut auf einem hierauf ausgerichte- ten Wissensfundament auf. Die Informationsaufbereitung und Wissensgenerie- rung, die als solche Verwaltungsaufgabe ist, liegt der mandatsbezogenen Auf- gabenerfüllung voraus. Erst in der Umsetzung des Wissens in durch politische Erwägungen geleitetes Handeln zeigt sich das Spezifikum des parlamentari- schen Wirkens der Abgeordneten. Die Kenntnisgrundlage und die zu ihrer Herausbildung beschafften Informationen sind gegenüber diesem politisch- parlamentarischen Wirken der Abgeordneten indifferent. Sie erhalten eine spe- zifisch-parlamentarische Bedeutung erst durch die von einem eigenen Erkennt- nisinteresse geprägte Verarbeitung und Bewertung durch den Abgeordneten. Das wird nicht zuletzt dadurch verdeutlicht, dass die von den Wissenschaft- lichen Diensten aufgrund eines Auftrags des Abgeordneten erstellten Ausarbei- tungen und Dokumentationen politisch neutral sein müssen (siehe Leitfaden Nr. 3.6.1). Die Wissenschaftlichen Dienste dürfen "über die Lieferung und Auf- arbeitung von Material hinaus" keine "gewissermaßen gebrauchsfertige Ausar- beitung für die politische Auseinandersetzung" fertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188 <232>); die Ausarbeitungen sind im Prinzip vielmehr so abzufassen, "dass der inhaltlich gleiche Auftrag, von einem Abgeordneten der 'gegnerischen' Fraktion erteilt, mit einer Kopie erledigt
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