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Aktenzeichen
7 C 2.14
Datum
25. Juni 2015
Gericht
Bundesverwaltungsgericht
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Bundesverwaltungsgericht am 25. Juni 2015

7 C 2.14

Der Deutsche Bundestag ist eine informationspflichtige Stelle, soweit es um Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste geht. Bei der Erstellung von Gutachten handelt es sich um der Mandatausübung vorgelagerte Verwaltungsaufgaben. Die Tatsache, dass Abgeordnete diese Unterlagen für ihre parlamentarische Tätigkeit nutzen, steht dem nicht entgegen. Zudem enthält das Urteil ausführliche Darlegungen zum Urheberrecht. Es ist davon auszugehen, dass ein Beamter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend sämtliche Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. Dazu gehört auch die Gewährung von Informationszugangsansprüchen. Ein genereller Vorrang eines der Behörde zugewiesenen Urheberrechts folgt aus dem entsprechenden Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes somit nicht; das Veröffentlichungsrecht kann dem Informationsbegehren in diesem Fall nicht entgegengehalten werden. Das Gerichtet deutet aber an, dass die nutzungsberechtigte Behörde insbesondere im Falle wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten ein anerkennenswertes Interesse am Urheberrechtsschutz haben könnte. Bei der strittigen Unterlage handelte es sich um die Ausarbeitung "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischer Lebensformen". (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Interessenabwägung Begriffsbestimmung Veröffentlichung von Informationen Urheberrecht

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL BVerwG 7 C 2.14 OVG 12 B 3.12 Verkündet am 25. Juni 2015 … als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache
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-2- hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2015 durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp als Vorsitzende, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Keller und Dr. Schemmer für Recht erkannt: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 13. November 2013 wird aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal- tungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 wird zurück- gewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gründe: I 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Deutschen Bundestages. 2 Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 beantragte der Kläger beim Deutschen Bundestag Einsicht in die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste vom 25. November 2009 über "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Um- setzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugob- jekte und extraterrestrischer Lebensformen" sowie in etwaige weitere Unterla- gen zu diesem Thema. Mit Bescheid vom 3. November 2010 lehnte der Deut- sche Bundestag den auf die Ausarbeitung bezogenen Antrag ab. 3 Auf die hiergegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 1. Dezember 2011 zur Ge- währung von Einsicht in die genannte Ausarbeitung: Der Deutsche Bundestag
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-3- nehme bezogen auf die begehrte Ausarbeitung öffentlich-rechtliche Verwal- tungsaufgaben wahr. Dem Informationsbegehren des Klägers stünden auch keine Ausschlussgründe entgegen. Die Beklagte habe schon nicht nachprüfbar dargelegt, dass es sich bei der genannten Ausarbeitung um ein urheberrecht- lich geschütztes Werk handele. Jedenfalls würden durch die begehrte Akten- einsicht keine Urheberrechte der Beklagten verletzt. Das Erstveröffentlichungs- recht nach § 12 Abs. 1 UrhG werde durch eine Akteneinsicht des Klägers nicht verletzt, da damit nur dieser, nicht aber die Allgemeinheit, Zugang zur Ausarbei- tung erhalte. Auch das Verbreitungsrecht nach § 17 Abs. 1 UrhG werde bei einer Einsichtnahme nicht verletzt. 4 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage mit Urteil vom 13. November 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentli- chen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Informationszugang zu den begehrten Unterlagen. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages nähmen bei der Erstellung von Dokumentationen und Ausarbei- tungen für Abgeordnete keine Verwaltungsaufgaben im materiellen Sinne wahr. Ihre Tätigkeit sei dem Wirkungskreis der Abgeordneten und damit dem Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten zuzuordnen. Dies folge schon aus der Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 IFG. Der vom Direktor des Deutschen Bundestages im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Wunsch nach Klarstellung, dass die Unterlagen, die die Zuarbeit der Wissenschaftlichen Dienste für die Abgeordneten beträfen, generell in den von der Informations- pflicht ausgenommenen spezifischen Bereich parlamentarischer Angelegenhei- ten fielen, sei vom mitberatenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zustimmend zur Kenntnis genommen worden. In den Bericht des federführenden Innenausschusses sei er allerdings nicht übernommen worden; dieser Umstand lasse indessen keine negativen Schlüsse zu. Letztlich handele es sich um beredtes Schweigen, weil der Innenausschuss an keiner Stelle zu erkennen gegeben habe, dass er die Einschätzung des mitberatenden Ausschusses nicht teile. Auch die Funktion der Zuarbeiten der Wissenschaftli- chen Dienste und des Sprachendienstes und die Voraussetzungen für ihre In- anspruchnahme durch Bundestagsabgeordnete, wie sie im einschlägigen Leit- faden geregelt seien, sprächen für ihre Zuordnung zum Bereich parlamentari-
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-4- scher Tätigkeiten. Der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentari- scher Angelegenheiten beschränke sich nicht auf die Tätigkeit des Bundes- tagsabgeordneten selbst, sondern erfasse auch die Zuarbeit durch die Bundes- tagsverwaltung, sofern sie einen hinreichend engen Bezug zur Parlamentstätig- keit aufweise. Dies sei bei Unterlagen der Fall, die wie hier von einem Bundes- tagsabgeordneten unter Berufung auf den Mandatsbezug angefordert worden seien. 5 Auch die Tatsache, dass weitere Exemplare der jeweiligen Zuarbeit im Fachbe- reich verblieben und gegebenenfalls anderen Abgeordneten zur Verfügung ge- stellt oder veröffentlicht werden könnten, rechtfertige die Qualifizierung der Zu- arbeiten als Verwaltungsmaßnahme nicht. Schließlich sei für die Qualifizierung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste unbeachtlich, dass diese bei der Erstellung von Zuarbeiten zur strikten politischen Neutralität verpflichtet seien. Denn die Abgeordneten seien zu einer sachgerechten Wahrnehmung ihrer Ge- setzgebungs- und Kontrollfunktion nur in der Lage, wenn sie über objektive und neutrale Informationen verfügten. Dass sie diese sodann einer politischen Be- wertung unterziehen müssten, ändere daran nichts. 6 Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger neben Verfahrensfehlern die Verletzung materiellen Rechts und trägt hierzu im Wesentlichen vor: Das Oberverwaltungsgericht habe seine Auslegung des § 1 Abs. 1 IFG zu Unrecht maßgeblich auf einen vermeintlichen gesetzgeberischen Willen gestützt, der sich im Gesetzestext nicht niedergeschlagen habe. Im Übrigen sei die Formulie- rung im Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag unklar; es könnten auch allein Unterlagen gemeint sein, die Aufschluss auf den Auftraggeber ge- ben könnten. Die Frage, ob der Deutsche Bundestag Verwaltungsaufgaben er- fülle, richte sich nach materiellen Kriterien. Als Serviceleistung der Vermittlung von Sach- und Fachkenntnissen übten die Wissenschaftlichen Dienste Verwal- tungstätigkeit aus. Diese könne nicht der parlamentarischen Tätigkeit gleichge- stellt werden. Denn die Wissenschaftlichen Dienste seien zur politischen Neut- ralität verpflichtet und nähmen keine der in der Gesetzesbegründung konkret benannten Tätigkeiten selbst wahr; dies sei den Abgeordneten vorbehalten.
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-5- Eine lediglich mandatsbezogene Tätigkeit reiche nicht aus. Der vom Gesetz beabsichtigte Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments werde durch die Weitergabe von Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste an Dritte nicht beeinträchtigt. Die Belange einzelner Abgeordneter würden nicht negativ be- rührt, da auskunftsberechtigte Dritte den Namen des auftraggebenden Abge- ordneten nicht erführen. Auch das Parlament als Ganzes sei nicht beeinträch- tigt, da nicht ersichtlich sei, dass es immer eines Informationsvorsprungs be- dürfte. Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes sprächen für einen weiten Anwendungsbereich der Vorschrift des § 1 Abs. 1 IFG und folglich ein enges Verständnis des Begriffs parlamentarischer Tätigkeit. 7  Schließlich könne er seinen Anspruch auf Zugang zu der Ausarbeitung auch auf das Grundrecht der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sowie völkervertragsrechtliche Bestimmungen stützen. 8  Der Kläger beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin- Brandenburg vom 13. November 2013 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwal- tungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 zurückzuwei- sen. 9  Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. 10 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt zum Vorbringen des Klägers insbesondere aus: Gegen die Verwertung der Entstehungsgeschichte des Ge- setzes durch das Oberverwaltungsgericht bestünden keine Bedenken. Es möge zwar nicht zwingend sein, mit dem Oberverwaltungsgericht von einem "bered- ten Schweigen" auszugehen. Jedenfalls hätten aber die Bundestags- ausschüsse vor dem Hintergrund des Schreibens des Direktors beim Deut- schen Bundestag ersichtlich hinsichtlich der Einordnung der Tätigkeit der Wis- senschaftlichen Dienste und der dort angesprochenen Ausarbeitungen keinen
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-6- Änderungsbedarf gesehen. Die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts liege deshalb nahe. Die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste sei zutreffend dem spezifischen Bereich parlamentarischer Angelegenheiten zugeordnet wor- den. Dies folge aus der spezifischen Funktionen der Wissenschaftlichen Diens- te; insbesondere Abgeordnete der Opposition seien mangels Unterstützung durch die Ministerialbürokratie zur Wahrung ihrer Rechte auf die Ressourcen der Wissenschaftlichen Dienste angewiesen. Die Wissenschaftlichen Dienste seien als Informationsdienstleister eng mit der Tätigkeit der Abgeordneten ver- knüpft. Eine Trennung zwischen den Vorgängen der Abgeordneten und denen der Informationsstelle sei nicht möglich; der Schutz des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG liefe dann leer. Teleologische Überlegungen könnten einen weiten Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 IFG nicht rechtfertigen. Ein Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis gelte, wenn überhaupt, erst im Anwendungs- bereich des Gesetzes. Schließlich sei die behauptete verfassungs- oder völker- rechtskonforme Auslegung nicht geboten. Des Weiteren sei das Urteil auch aus anderen Gründen richtig. Die Ausarbeitung sei ein geschütztes Werk im Sinne von § 2 UrhG. Die Nutzungsrechte, die Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste dem Deutschen Bundestag einräumten, seien gemäß § 31 Abs. 5 UrhG durch die Zwecksetzung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses beschränkt. Eine Nutzung der Ausarbeitungen, die über den Auftrag des Abgeordneten an die Wissenschaftlichen Dienste und die vereinbarte Verwendung hinausgehe, sei daher von der Rechteeinräumung nicht umfasst. Die Erfüllung des Anspruchs mittels der Gewährung von Einsicht in das Werk würde das Erstveröffentli- chungsrecht verletzen. II 11 Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwal- tungsgericht hat den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unzutreffend bestimmt (1.). Das Urteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); auf einen Versagungsgrund kann die Beklagte sich nicht berufen (2.).
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-7- 12 1. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Deutsche Bundestag bei der mandatsbezogenen Unterstützung der Abgeordneten durch Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste nicht nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Rege- lung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722), geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) informationspflichtig ist, trifft nicht zu. 13 a) § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG verpflichtet Behörden des Bundes. Das Gesetz legt keinen organisationsrechtlichen, sondern einen funktionellen Behördenbegriff zugrunde. Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies bestimmt sich nach materiellen Kriterien; auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt es ebenso wenig an wie auf eine recht- liche Außenwirkung des Handelns. § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, wonach sonstige Bundesorgane und -einrichtungen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufga- ben wahrnehmen, hat eine rein deklaratorische Bedeutung. Es wird lediglich klargestellt, dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behörden- eigenschaft zukommt, bezogen auf bestimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Be- hörden im funktionellen Sinne sein können. Eine solche nach der jeweils wahr- genommenen Funktion differenzierende Betrachtungsweise liegt auch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugrunde (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 11, 16 ff. und vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 22 f.). 14 Im vorliegenden Zusammenhang kommt es folglich nicht darauf an, dass die Verwaltung des Deutschen Bundestages als Hilfseinrichtung des Verfassungs- organs Bundestag als oberste Bundesbehörde eingeordnet wird (siehe etwa Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 Rn. 46; Butzer, in: BeckOK GG, Art. 38 Rn. 13.1), dabei aber zugleich deren Sonderstellung gegenüber der übrigen Bundes- oder auch Ministerialverwaltung sowie der "vollziehenden Gewalt" be- tont wird (siehe etwa Zeh, in: HStR III, 3. Aufl. 2005, § 52 Rn. 33; Schindler, in:
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-8- Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 29 Rn. 1 f., 29). 15 Maßgeblich ist demgegenüber, dass der Anwendungsbereich des Informations- freiheitsgesetzes sich allein auf die Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne bezieht. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Verwaltung grundsätzlich negativ im Wege der Abgrenzung zu anderen Staatsfunktionen zu bestimmen. Die Abgrenzung ist dabei nicht, wie der Senat zur Frage der Zuordnung der Regierungstätigkeit zur Verwaltungstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 IFG ent- schieden hat, durch staatsrechtliche Begrifflichkeiten zwingend vorgegeben. Vielmehr kommt es auf das dem Informationsfreiheitsgesetz insbesondere nach dessen Regelungszusammenhang und Entstehungsgeschichte zugrunde liegende Begriffsverständnis an. Danach umschreiben die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG genannten Staatsfunktionen (BT-Drs. 15/4493 S. 8), soweit es um die ihnen zuzuordnenden spezifischen Aufgaben geht, im Wesentlichen die Tätigkeitsbereiche, auf die das Informati- onsfreiheitsgesetz sich nicht erstreckt (BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 Rn. 18 ff. und vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 24). 16 Hiernach ist der Deutsche Bundestag nicht nur in seiner Funktion als Gesetz- geber und bei der Ausübung des Budgetrechts, sondern umfassend im Bereich der Wahrnehmung auch sonstiger parlamentarischer Angelegenheiten nicht informationspflichtig (siehe BT-Drs. 15/4493 S. 8); hierzu zählt neben seiner Kreations- und Repräsentativfunktion insbesondere seine Kontrollfunktion gegenüber der Bundesregierung. 17 b) Zur Ausübung dieser Aufgaben ist das Parlament und somit auch jeder Ab- geordnete auf verlässliche Informationen angewiesen. Diese kann sich der Ab- geordnete auf verschiedenste Art und Weise beschaffen. Er kann sie durch eigene Studien und Ermittlungen sowie sonstige (Such- und Forschungs-)Auf- träge erlangen und sich gegenüber der Regierung auf sein aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgendes Frage- und Informationsrecht berufen (siehe hierzu zuletzt BVerfG, Urteil vom 2. Juni 2015 - 2 BvE 7/11
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-9- [ECLI:DE:BVerfG:2015:es20150602.2bve000711] - Rn. 103 m.w.N.). Als be- sonderer interner "Dienstleister für die Abgeordneten, Denkfabrik des Parla- ments, Wissensmanager" (so die Selbstdarstellung des Deutschen Bundes- tages auf www.bundestag.de/bundestag/verwaltung) im Sinne einer internen Politikberatung (Hölscheidt, DVBl 2010, 78 <79>) stehen ihm insoweit die Wis- senschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur Verfügung. Ist die Zuarbeit - wie dies bei einer nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen (siehe Leitfaden für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste <WD> vom 3. März 2008, Nr. 1.1) ordnungsgemäßen Inanspruchnahme der Wissenschaftlichen Dienste vorauszusetzen ist - zum Zwecke der Verwendung für die Ausübung parlamentarischer Tätigkeiten, etwa im Hinblick auf die Formulierung von An- fragen an die Regierung oder zur Entwicklung politischer Strategien, geleistet worden, steht sie zwar in einem Zusammenhang mit Tätigkeiten, die als solche dem Informationszugang nicht unterliegen. Dieser Mandatsbezug rechtfertigt es aber nicht, den Deutschen Bundestag jedenfalls insoweit von der Informations- pflicht auszunehmen (vgl. Schoch, NVwZ 2015, 1 <6>). 18 Die sachgerechte Aufgabenwahrnehmung baut auf einem hierauf ausgerichte- ten Wissensfundament auf. Die Informationsaufbereitung und Wissensgenerie- rung, die als solche Verwaltungsaufgabe ist, liegt der mandatsbezogenen Auf- gabenerfüllung voraus. Erst in der Umsetzung des Wissens in durch politische Erwägungen geleitetes Handeln zeigt sich das Spezifikum des parlamentari- schen Wirkens der Abgeordneten. Die Kenntnisgrundlage und die zu ihrer Herausbildung beschafften Informationen sind gegenüber diesem politisch- parlamentarischen Wirken der Abgeordneten indifferent. Sie erhalten eine spe- zifisch parlamentarische Bedeutung erst durch die von einem eigenen Erkennt- nisinteresse geprägte Verarbeitung und Bewertung durch den Abgeordneten. Das wird nicht zuletzt dadurch verdeutlicht, dass die von den Wissenschaft- lichen Diensten aufgrund eines Auftrags des Abgeordneten erstellten Ausarbei- tungen und Dokumentationen politisch neutral sein müssen (siehe Leitfaden Nr. 3.6.1). Die Wissenschaftlichen Dienste dürfen "über die Lieferung und Auf- arbeitung von Material hinaus" keine "gewissermaßen gebrauchsfertige Ausar- beitung für die politische Auseinandersetzung" fertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Juni 1989- 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188 <232>); die Ausarbeitungen sind
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- 10 - im Prinzip vielmehr so abzufassen, "dass der inhaltlich gleiche Auftrag, von einem Abgeordneten der 'gegnerischen' Fraktion erteilt, mit einer Kopie erledigt werden kann" (Schindler, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlaments- praxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, Rn. 73). 19 c) Dieser Bewertung des Mandatsbezugs steht bei Beachtung des gesamten Regelungskonzepts des Informationsfreiheitsgesetzes der Status des Abgeord- neten, wie er durch die Garantie des freien Mandats nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ausgeformt wird, nicht entgegen. Denn jedenfalls der Informationszugang zu den Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste als solchen ist nicht geeignet, die parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten nachteilig zu beein- flussen. 20 Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das hierdurch garantierte freie Mandat gewährleistet die freie Wil- lensbildung des Abgeordneten, die gegenüber unzulässigen Einflussnahmen aus verschiedenen Richtungen - durch Interessengruppen, durch Parteien und Fraktionen und durch die Exekutive - geschützt werden soll (siehe zu Letzterem BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 - 2 BvE 6/08, 2 BvR 2436/10 - BVerfGE 134, 141 Rn. 92 f.). Ob eine unbefangene Willens- und Entschei- dungsbildung des Abgeordneten in rechtlich relevanter Weise gestört werden kann, wenn der Abgeordnete sich bei zeitgleicher Kenntnisnahme der Zuarbei- ten der Wissenschaftlichen Dienste seitens Dritter einer dauernden Beobach- tung durch eine - angesichts der Möglichkeiten der modernen Kommunikations- und Informationstechnik - breiten Öffentlichkeit in Bezug auf seine Interessen- gebiete und daraus zu entwickelnde politische Positionen und Strategien aus- gesetzt sieht, kann dahinstehen. Denn solche Beeinträchtigungen sind nicht zu besorgen, wenn - wie hier - nur Zugang zu den Arbeiten als solchen, die nicht mit Hinweisen auf den Auftraggeber verbunden sind, und ohne das Anforde- rungsformular gewährt wird. Diese Beschränkung folgt jedenfalls aus § 5 Abs. 2 IFG, der den Schutz personenbezogener Daten, die mit dem Mandat in Zu- sammenhang stehen, durch einen abwägungsresistenten Ausschlussgrund
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