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Aktenzeichen
8 A 8/14
Datum
25. März 2015
Gericht
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
Gesetz
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)
Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG-SH)

Urteil: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht am 25. März 2015

8 A 8/14

Der Herausgabe eines von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen Grundstückswertgutachtens stehen keine Ausschlussgründe des Informationszugangsgesetzes entgegen. Insbesondere liegt kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis in Bezug auf die Beklagte (Stadt) sowie die Beigeladene (Käuferin des Grundstücks) vor. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Bekanntgabe der in dem Gutachten enthaltenen Informationen exklusives kaufmännisches Wissen der Beigeladenen preisgegeben würde. Auch ermöglicht die Offenlegung keine geheimhaltungswürdigen Rückschlüsse auf deren Betriebsführung, Wirtschaft- und Marktstrategie, Kostenkalkulation, Entgeltgestaltung oder Verhandlungsstrategien. Das Gutachten enthält lediglich eine Bewertung des Ist-Zustandes der Fläche bzw. der preisbildenden Umstände unter Berücksichtigung der objektiv erkennbaren und für jedermann zugänglichen Informationen. Dieser gutachterlich festgelegte Wert und damit auch der "Basiskaufpreis" haben keinen Bezug zum Unternehmen der Beigeladenen. Auch bei Annahme eines schutzwürdigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses würde aber das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen überwiegen (Nachvollziehbarkeit der Wirtschaftlichkeit des Grundstücksverkaufs). (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung

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Anonymisierung aktualisiert am: 22. Juni 2015

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES
VERWALTUNGSGERICHT

 

Az.: 8A 8/14

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In der Verwaltungsrechtssache

des Herrn A.,
A-Straße, A-Stadt
Kläger,

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Dr. B.,
B-Straße, B-Stadt, - -

gegen
die Landeshauptstadt Kiel - Der Oberbürgermeister -, Rechtsamt,
Fleethörn 9, 24103 Kiel, - -

Beklagte,

Beigeladen:

F.,
F-Straße, F-Stadt

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte G;;
G-Straße, G-Stadt, - -

Streitgegenstand: Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
1

„d.

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 8. Kammer - auf die mündliche
Verhandlung vom 25. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht
xxx, den Richter am Verwaltungsgericht xxx, den Richter xxx sowie die ehrenamtlichen

Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom
30.09.2013 und des Widerspruchsbescheides vom
30.12.2013 verpflichtet, dem Kläger das streitige Verkehrs-

wertgutachten zugänglich zu machen.

2. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten je zur
Hälfte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstre-
ckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstre-
ckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreck-

baren Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Einsichtnahme in ein von der Beklagten in Auftrag gegebenes
Verkehrswertgutachten.

Die Fa. Xxx AG plant im Stadtgebiet der Beklagten die Ansiedlung eines Möbelhauses
und eines Möbeldiscounters auf einer ca. 18 ha großen Fläche zwischen dem xxx, der
xxx, dem xxx und dem xxx). Diese Fläche wird bislang als Kleingartengelände genutzt
und steht im Eigentum der Beklagten. Für die Realisierung dieses Vorhabens hat die Be-
klagte u.a. die Aufstellung des Bebauungsplans xxx - Möbelmarktzentrum“ beschlossen.
Der Alleingesellschafter der Beigeladenen ist an der Fa. Xxx mehrheitlich beteiligt.

Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Beigeladene an die Kieler Wirtschaftsförderungs-
und Strukturentwicklungs GmbH (nachfolgend: KiWi), deren alleinige Gesellschafterin die

Beklagte ist, mit dem konkreten Wunsch herangetreten, auf dem Vorhabengrundstück
2

a.

zwei Möbelhäuser zu errichten. Die KiWi hat im Auftrag der Beklagten mit der Beigelade-

nen die Verhandlungen über die Veräußerung der Vorhabenfläche geführt.

Die Beschlussvorlage Nr. 0642/2011 des Dezernates Ill (Stadtplanungsamt) der Beklag-
ten für die Sitzungen des Bauausschusses am 18.08.2011, des Wirtschaftsausschusses
vom 14.09.2011 und der Ratsversammlung vom 29.09.2011 mit dem Betreff „Ansiedlung
von Xxx in B-Stadt - Grundsatzbeschluss -“, die auf der Internetseite der Beklagten veröf-
fentlich ist, enthält u.a. folgende Aussagen zu dem geplanten Kaufvertrag (Hervorhebung
durch das Gericht):

„In einem ersten Schritt kauft die Xxx AG das gesamte Grundstück (ca. 17 ha, s. An-
lage 2) zu einem Preis, der von einem gemeinsam bestellten Gutachter ermittelt
wird. Grundlage der Preisbildung ist der derzeitige Zustand des Grundstücks mit den
Darstellungen des Flächennutzungsplans und den vorhandenen Kleingärten. [...]

Nach positivem Abschluss des Bebauungsplanverfahrens, wenn also das Vorhaben
nach Art und Maß der baulichen Nutzung zulässig ist, entsteht für die Xxx AG eine
Nachzahlungsverpflichtung auf den bereits gezahlten Kaufpreis. Die Höhe des
nachzuzahlenden Kaufpreises wird ebenfalls wieder von einem gemeinsam bestell-
ten Gutachter ermittelt gemäß den dann geltenden planungsrechtlichen Vorgaben.
Beabsichtigt ist, dass sich die derzeit für ein Möbelhaus dieser Größe fehlende
verkehrliche und technische Erschließung, sowie die zu leistenden Entschädi-
gungs- und Ersatzzahlungen an die Kleingärtner nicht mindernd auf den Nach-
zahlungsbetrags auswirken. |... ]

Die KiWi beauftragte am 22.09.2011 einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachver-
ständigen für die Bewertung von Grundstücken und die Ermittlung von Mietwerten mit der
Erstellung des streitgegenständlichen Grundstückswertgutachtens (nachfolgend: Gutach-
ten). Dem Gutachter wurden die Planungen der Beigeladenen sowie die wesentlichen
Inhalte des geplanten Grundstückskaufvertrages zur Verfügung gestellt. Das Gutachten
wurde am 19.01.2012 fertiggestellt und auf Wunsch der Beigeladenen keinem Dritten zur
Einsichtnahme zur Verfügung gestellt.

Am 23.03.2012 schlossen die Beklagte, vertreten durch die KiWi, und die Beigeladene
einen notariellen Grundstückskaufvertrag über das in $ 1 des Vertrages näher bezeichne-

te Grundstück. Der dritte Absatz der Präambel des Vertrages enthält folgende Regelung:
3

-A-

„Aufgrund der in Abs. I beschriebenen Situation ist es erforderlich, im Rahmen des
Kaufvertrags Regelungen zu treffen, die zeitlich abgestuft wirksam werden. Zu-
nächst wird Xxx das Grundstück zu einem Preis verkauft, der den gutachterlich nach
$ 2 festgelegten Grundstückswert unter Berücksichtigung der derzeitigen Gegeben-
heiten (Nutzung als Kleingartenanlage, für zukünftige Nutzung nicht ausreichend er-
schlossen) widerspiegelt; [...] Nach der erforderlichen Änderung des Fläche-
nnutzungsplans und Rechtskraft des zu erstellenden Bebauungsplans erhält B-Stadt
einen Nachzahlungsanspruch gegen Xxx, der dann alle wertbildenden Faktoren des
Grundstücks und den bereits gezahlten Kaufpreisanteil berücksichtigt und gutachter-
lich festgelegt ist.“

$ 2 Abs. 1 des Kaufvertrages bestimmt den vorläufigen Kaufpreis unter Berücksichtigung
des derzeitigen Zustandes der Kauffläche. $ 2 Abs. 3 des Kaufvertrages verpflichtet die
Beigeladene, einen Nachzahlungsbetrag zu zahlen, wenn der zu erstellende Bebauungs-
plan Nr. 988 und die 32. Änderung des Flächennutzungsplans bestandskräftig werden (1.)
und die Festsetzungen dieses B-Plans die von der Beigeladenen beabsichtigte Art der
baulichen und gewerblichen Nutzung mindestens mit den in $ 13 Abs. IV des Vertrages
genannten Eckpunkten zulassen oder die Beigeladene erklärt, das einseitige Rücktritts-
recht nach $ 13 Abs. IV Ziff. 1 Unterabsatz 2 nicht ausüben zu wollen (2.). Der Wieder-
kaufspreis für den Grund und Boden im Falle eines Rücktritts vom Kaufvertrag entspricht
gem. $ 13 Abs. 2 Nr. 2 des Vertrages dem Kaufpreis und dem Nachzahlungsbetrag gem.

$ 2 des Vertrages, soweit diese durch Xxx bereits bezahlt wurden.

Nach $ 6a des Vertrages (Ausgleichsmaßnahmen für Umwelteingriffe) verpflichtet sich
Xxx, im Rahmen eines abgestimmten Konzepts sämtliche mit Umwelteingriffen verbunde-
ne Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen oder erforderliche Kosten nach einer nachfol-
gend dargestellten abgestuften Priorität zu übernehmen. $ 7 des Vertrages enthält detail-
lierte Regelungen zu der Übernahme noch bestehender Dauerschuldverhältnisse (u.a.
Pachtverträge mit Kleingärtnern) und etwaigen Entschädigungszahlungen, zu denen sich
die Beigeladene verpflichtet. 8 10 des Kaufvertrages enthält u.a. folgende Regelungen zur
Erschließung:

„I. Zur Sicherstellung der Erschließung wird Xxx entsprechend einem noch gesondert
zu entwickelnden Erschließungskonzept einen städtebaulichen Vertrag mit B-Stadt
abschließen, der insbesondere die im Folgenden näher bezeichneten Punkte zum
Gegenstand haben wird. [...]

2. Die Erschließung der Kauffläche hinsichtlich der Schmutz- und Regenwasserent-

sorgung ist für die von Xxx geplanten Bebauung und Nutzung ausreichend. Xxx ver-
4

5%

pflichtet sich, die für das Bauvorhaben notwendige Schmutz-/Regenwasserentsorgung
einschließlich erforderlicher Grundstücksanschlusskanäle nach näherer Maßgabe des
abzuschließenden städtebaulichen Vertrages auf eigene Kosten zu planen und auch
herzustellen. [...]

Ill. Die Kosten für den Anschluss an die Versorgungsnetze für Gas, Wasser und elekt-
rische Energie einschließlich des Netzkostenbeitrags sind von Xxx zu tragen; |...]

IV. Die nach den Absätzen I. bis IV. von Xxx zu übernehmenden Kosten für die Er-
schließung sind auf etwaige öffentliche Gebühren und Beiträge (Erschließungs- und
Ausbaubeiträge) anzurechnen, sofern diese überhaupt anfallen und von B-Stadt ge-
genüber Xxx abgerechnet werden dürfen (vgl. $ 129 Abs. 1 Satz 2 BauGB) und soweit
dies rechtlich zulässig ist. Das Nähere wird gegebenenfalls durch einen noch geson-
dert abzuschließenden öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt.

Nach $ 11 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages verpflichtet sich Xxx im Wege eines städtebauli-
chen Vertrages nach den dort näher bezeichneten Bestimmungen, sämtliche Kosten zu
tragen, die die Aufstellung eines Bebauungsplanes mit der Nr. 988 und die 32. Änderung
des Flächennutzungsplans erfordern.

Die wesentlichen Inhalte des Kaufvertrages, inklusive des ermittelten Preises, wurden den
„Gremien“ der Beklagten erläutert. Die Ratsversammlung hat im nichtöffentlichen Teil ei-
ner Sitzung dem Abschluss des Kaufvertrags zugestimmt. Der Grundstückskaufvertrag ist
in einer sog. „gläsernen Akte“ unter http://www.kiel.de/xxx abrufbar. Der Inhalt des Vertra-
ges ist auf Wunsch der Beigeladenen in Teilen geschwärzt worden. Hierzu gehört u.a. der
nach $ 2 vereinbarte Kaufpreis. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Kopie zur
Gerichtsakte genommen Kaufvertragsurkunde Bezug genommen. Unter der benannten
Internetadresse sind zudem diverse Unterlagen für das Ansiedlungsvorhaben eingestellt

worden. Hierzu gehören beispielsweise:

- Entwurf der 32. Änderung des Flächennutzungsplans der Beklagten (Fassung
2000);

- Entwurf und Begründung des Bebauungsplans Nr. 988 (mit Umwelltbericht);
- folgende Gutachten und Untersuchungen: Städtebauliche und räumliche Analyse
zum Ansiedlungsvorhaben Xxx in B-Stadt: Standortalternativenprüfung für die An-
siedlung eines Möbelmarktzentrums in B-Stadt; Einzelhandelsverträglichkeitsgut-

achten zur Ansiedlung eines Möbelmarktzentrums in B-Stadt; Verkehrs- und Er-
5

os

schließungsgutachten zum Neubau eines Möbelmarktes und eines Möbeldis-
countmarktes im Zuge des Westrings (K10); Immissionstechnische Untersuchung;
Immissionstechnische Untersuchung nach 16. BlmschV; Luftschadstoffgutachten
für die Ansiedlung von zwei Möbelhäusern in B-Stadt: Bericht zur Baugrundvorun-
tersuchung; Grünordnerischer Fachbeitrag zum B-Plan Nr. 988; Artenschutzrecht-
licher Fachbeitrag; Boden- und Baugrundgutachten

Der Kläger bat mit einem an das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein gerich-
teten Schreiben vom 07.08.2013 um Mitteilung, ob im Rahmen des Informationsfreiheits-

gesetzes das streitgegenständliche Wertgutachten eingesehen werden könne.

Nach Weiterleitung des Schreibens an die Beklagte lehnte diese das als Antrag nach dem
IZG-SH ausgelegte Begehren des Klägers mit Bescheid vom 30.09.2013 ab. Zur Begrün-
dung führte sie aus, der Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen sei gem.
$ 10 Abs. 3 Nr. 3 IZG-SH abzulehnen, weil die begehrten Informationen Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse der Fa. Xxx AG enthielten. Es liege weder die insoweit nötige Zu-
Stimmung der Fa. Xxx AG vor noch überwiege das öffentliche Interesse an der Bekannt-
gabe der Informationen.

Das Gutachten weise eine Beziehung zum Unternehmen Xxx auf und dessen Inhalt sei
auch nicht offenkundig. Die Xxx AG könne sich auch auf ein berechtigtes Geheimhal-
tungsinteresse berufen, da das Gutachten Rückschlüsse auf ihre Geschäftspolitik zulas-
se. Es beinhalte Informationen, deren Offenbarung die Marktposition der Beigeladenen
bzw. der Xxx AG schwächen könne. Die Kenntnis vom Inhalt des Gutachtens und die da-
mit verbundene Kenntnis von dem Grundstückskaufpreis würden Rückschlüsse auf die
Wirtschaftsstrategie und die Betriebsführung der Xxx AG zulassen. Es bestehe auch kein
das Informationsinteresse des einzelnen Antragstellers überwiegendes allgemeines öf-
fentliches Interesse an der begehrten Bekanntmachung. Eine Offenbarung des Betriebs-
und Geschäftsgeheimnisses könne nur dann in Betracht kommen, wenn dies zum Schutz
eindeutig höherer Rechtsgüter der Allgemeinheit erforderlich sei. Dies sei hier jedoch
nicht ersichtlich. Durch die Zurückhaltung des Gutachtens drohten der Allgemeinheit keine
Nachteile in einem so hohen Ausmaß, dass sie das Zugänglichmachen der Informationen
rechtfertigten.
6

te

Der Kläger legte gegen den Ablehnungsbescheid mit Schreiben vom 10.10.2013 Wider-

spruch ein und begründete diesen wie folgt:

Die Beigeladene könne sich nicht auf den Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheim-
nissen berufen. Das Gutachten selbst enthalte keine Informationen zu ihrem Geschäftsbe-
trieb. Geschäftspartnern öffentlicher Stellen sei bekannt, dass ihre Vertragspartner erhöh-
ten Transparenz- und Rechtfertigungsanforderungen unterliegen würden. Insoweit könn-
ten sie die rechtlichen Verpflichtungen ihres Vertragspartners nicht vertraglich ausschlie-
Ren. Aus diesem Grund könnten öffentliche Stellen — wie die Beklagte - die in der Privat-
wirtschaft übliche weitreichende Vertraulichkeit nicht zusagen. Insbesondere bei Haf-
tungs- und Entgeltfragen sei typischerweise kein Geheimnis anzunehmen, da die öffentli-
che Verwaltung an objektive Kriterien bei der Vertragsgestaltung gebunden sei. Es sei
auch nicht zu erkennen, dass die Marktposition der Beigeladenen geschwächt würde.
Rückschlüsse auf ihre Betriebsführung, Wirtschafts- oder Marktstrategie und/oder Kos-
tenkalkulation und Entgeltgestaltung ließen sich nicht ziehen. Derartige Rückschlüsse
seien auch nicht in Bezug auf die Fa. Xxx AG möglich, da hierzu Informationen über die
Verflechtung der Beigeladenen mit der Fa. Xxx AG benötigt würden, die aber weder der
Beklagten noch einer sonstigen informationspflichtigen Stelle zugänglich sein dürften. Im
Übrigen würde auch das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe des Gutachtens über-
wiegen. Die Beklagte sei nach haushalts- und vergaberechtlichen Vorschriften angehal-
ten, Grundstücke nur zum Verkehrswert zu veräußern. Die Einhaltung haushalts- und
vergaberechtlicher Bestimmungen habe im Hinblick auf die Sparsamkeit und Wirtschaft-
lichkeit der Haushaltswirtschaft der öffentlichen Hand sowie aus Gründen der Transpa-
renz staatlichen Handelns eine hohe Bedeutung. Die Beklagte selbst könne sich als öf-
fentliche Stelle nicht auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berufen. Der Schutz dieser
Geheimnisse beruhe auf den grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 12 Abs. 1 GG
und Art. 14 Abs. 1 GG.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2013 zurückge-
wiesen und trägt mit diesem ergänzend Folgendes vor:

Das Gutachten sei zur Grundlage des Grundstückskaufvertrages gemacht worden. Daher
stelle es eine auf das Unternehmen der Fa. Xxx bezogene Tatsache dar. Tatsachen in
diesem Sinne umfassten alle Arten von wirtschaftlichen Unternehmungen in Abgrenzung
zum privaten und rein wissenschaftlichen Bereich. Das Gutachten sei als Teil einer wirt-
schaftlichen Unternehmung, nämlich des hier geschlossenen Kaufvertrags, anzusehen.

Es sei geeignet, über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Fa. Xxx und seine Marktstrate-

ih
7

=

gien Aufschluss zu geben. Mit dem Gutachten könne der dem Kaufvertrag zugrunde lie-
gende Kaufpreis ermittelt werden. Die in dem Gutachten enthaltenen Informationen seien
nicht öffentlich, weil sie sich im Bereich der Fa. Xxx befänden und weder für Dritte leicht
zugänglich noch allgemein bekannt seien. Es bestehe auch kein überwiegendes öffentli-
ches Interesse an einer Bekanntmachung. Für einen Verstoß gegen vergabe- oder haus-

haltsrechtliche Vorschriften bestünden keinerlei Anhaltspunkte.

Der Kläger hat am 21.01.2014 Klage erhoben und trägt unter Vertiefung seines Vortrags

aus dem Verwaltungsverfahren Folgendes vor:

Das Gutachten sei nicht mit den von der Rechtsprechung als Geschäftsgeheimnisse an-
erkannten Informationen gleichzusetzen. Geschäftsgeheimnisse der Beklagten seien hier
von vornherein nicht betroffen. Auch die Beigeladene könne sich nicht auf einen Geheim-
nisschutz berufen. Durch das Gutachten könnten die wirtschaftlichen Verhältnisse des
Betriebes nicht bestimmt werden. Bei dem Kaufpreis handele es sich um einen einmal
fälligen Posten, der nicht den laufenden Geschäftsbetrieb betreffe. Der Kaufpreis betreffe
zudem den Marktpreis des Kaufgegenstandes, der noch nicht zum Betrieb der Beigelade-
nen gehöre. Es könne auch nicht unterstellt werden, dass der in dem Gutachten genannte
Kaufpreis mit dem tatsächlich bezahlten Kaufpreis übereinstimme. Es bestehe auch kein
berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Ein solches liege dann vor, wenn die Offenlegung
der Information geeignet sei, den Marktkonkurrenten exklusives kaufmännisches Wissen
zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu
beeinflussen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, inwieweit die Kenntnis vom Inhalt des Gut-
achtens Rückschlüsse auf bestimmte Wirtschaftsstrategien der Beigeladenen zulassen
könne. Rückschlüsse auf ein Wirtschaftskonzept könnten allenfalls Tilgungspläne oder

Zahlungsmodalitäten zulassen.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 30.09.2013 und den Widerspruchsbescheid vom
19.12.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger das streitige

Verkehrswertgutachten zugänglich zu machen.
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und verweist zur Begründung ihres Antrags auf die Ausfüh-
rungen in den angefochtenen Bescheiden.
8

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass durch die Herausgabe des Gutachtens in weitem Umfang Ge-
schäftsgeheimnisse von ihr im Sinne des & 10 Nr. 3 IFG-SH zugänglich gemacht würden.
Die Herausgabe des Gutachtens würde Rückschlüsse auf den im Kaufvertrag zugrunde
gelegten Kaufpreis für das Grundstück ermöglichen, sodass sowohl der von der Beigela-
denen gezahlte Kaufpreis als auch der monetäre Wert der von der Beigeladenen über-

nommenen Investitionsverpflichtungen offengelegt würde.

Das Gutachten enthalte Informationen, die einen unmittelbaren Bezug zum Unternehmen
der Beigeladenen hätten und sei gerade mit Blick auf das konkrete Erwerbsvorhaben er-
stellt worden. In das Gutachten hätten Einzelheiten des zwischen der Beklagten und der
Beigeladenen geschlossenen Kaufvertrages, insbesondere Investitions- und sonstige
Verpflichtungen, welche die Beigeladene im Kaufvertrag konkret übernommen habe, Ein-
gang gefunden. Das Gutachten würde es insbesondere nicht dabei belassen, die Ver-
pflichtungen der Beigeladenen wie z.B. die Übernahme der Erschließungskosten pau-
schal zu umreißen, sondern würde diese bewerten und beurteilen, inwieweit diese Aus-
wirkungen auf den Wert des Grundstücks hätten. Sowohl der Kaufpreis als auch die von
der Beigeladenen übernommenen Erschließungs- und Investitionsverpflichtungen seien
nicht offenkundig. Der im Verkehrswertgutachten festgestellte Wert der Investitionsver-
pflichtungen werde im Kaufvertrag ebenfalls nicht genannt. Die Beigeladene habe auch
ein berechtigtes Interesse an der Zurückhaltung des Gutachtens. Es sei nach einer prog-
nostischen Einschätzung mit nachteiligen Auswirkungen auf ihren Geschäftsbetrieb zu
rechnen. Ein sicherer Nachweis nachteiliger Auswirkungen sei nicht notwendig. Durch die
Herausgabe des Gutachtens würde zum einen mittelbar die Höhe des Kaufpreises offen-
gelegt. Jedenfalls wären Rückschlüsse darauf möglich, da die Ergebnisse des Gutachtens
maßgeblich für die Kaufpreisbildung gewesen seien. Zugleich würde der Wert der zusätz-
lich übernommenen Leistungen und Investitionen offenbart. Da das Gutachten allein mit
Blick auf die Vertragsverhandlungen erstellt worden sei, sei die gutachterliche Festlegung
des Werts des Grundstücks in Anknüpfung an diese Investitionsverpflichtungen, die vom
Gutachter ihrer Höhe nach bewertet worden seien, erfolgt. Somit könnten mithilfe des
Gutachtens zumindest mittelbar Rückschlüsse auf Strategien und Kalkulationen der Bei-

geladenen bei Projektentwicklungen und insbesondere darauf gezogen werden, welche

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-jG-

finanziellen Mittel sie für Projekte ähnlichen Umfangs einzusetzen bereit sei. Die Offenle-
gung des Gutachtens entfalte somit Wettbewerbsrelevanz. Künftige private Vertragspart-
ner der Beigeladenen könnten die hinter dem Kaufpreis ersichtliche Kalkulation verwen-
den, um die Vertragsgestaltung anlässlich eines Grundstückskaufs in ihrem Sinne zu be-
einflussen, da sie mit Hilfe des Wertgutachtens in der Lage wären, Rückschlüsse auf die
wirtschaftliche Investitionsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu ziehen.
Dies hätte zur Folge, dass die Beigeladene künftig bei Projektentwicklungen spürbare
Beeinträchtigungen erfahren würde. Die insoweit schutzwürdigen Informationen würden
sich im gesamten Verkehrswertgutachten befinden. Insoweit sei auch eine bloße Schwär-
zung der Informationen nicht möglich bzw. ausreichend. Es müssten weite Teile des Gut-
achtens geschwärzt werden, da bereits nicht zugänglich gemacht werden könne, welche
Investitionsverpflichtungen überhaupt als bedeutsam für den Wert des Grundstücks ange-

sehen worden seien.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 24.03.2015 ergänzend Stellung genommen. Wegen

der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes Bezug genommen.

Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung die
Gewährung eines Schriftsatznachlasses für eine Erwiderung auf den Schriftsatz des Klä-
gers vom 24.03.2015 beantragt. Ferner hat der Prozessbevollmächtige der Beigeladenen
in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, zur Aufklärung der Tatsache, dass
es sich bei dem Grundstückswertgutachten um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der
Beigeladenen handele, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Kiwi-GmbH bei-
zuziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm be-

gehrte Zugänglichmachung des Grundstückswertgutachtens vom 19.01.2012, 8 113

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