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Aktenzeichen
10 S 2043/14
Datum
16. Oktober 2014
Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Gesetz
Umweltinformationsgesetz (Bund), Umweltinformationsgesetz (Baden-Württemberg)
Umweltinformationsgesetz (Bund), Umweltinformationsgesetz (Baden-Württemberg)

Beschluss: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 16. Oktober 2014

10 S 2043/14

Der Ablehnungsgrund des Umweltinformationsgesetzes betreffend die Offenbarung personenbezogener Daten ist eine bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelung, die im Rahmen ihres Regelungsbereichs dem Landesdatenschutzgesetz als besondere Rechtsvorschrift vorgeht; die Bestimmungen der Datenschutzgesetze sind aber zur Auslegung und Ergänzung heranzuziehen. Die E-Mail-Postfach-Daten eines Ministerpräsidenten betreffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse - dessen Kommunikation mit Dritten - und sind personenbezogene Daten. Durch die Bekanntgabe personenbezogener Daten werden die Interessen des Betroffenen erheblich beeinträchtigt, wenn dieser nach Wegfall des Speicherungszwecks einen Anspruch auf Löschung der Daten hat, weil andernfalls die strikte Zweckbindung der Datenerhebung durch öffentliche Stellen ins Leere liefe. Ob das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe von Umweltinformationen gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen trotz erheblicher Beeinträchtigung seiner Interessen überwiegt, ist aufgrund einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung zu beurteilen (hier verneint). (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Interessenabwägung Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung Bestimmtheit des Antrags

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10 S 2043/14 VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss In der Verwaltungsrechtssache - Antragsteller - - Beschwerdeführer - prozessbevollmächtigt: gegen Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Staatsministerium Baden-Württemberg, Richard-Wagner-Straße 15, 70184 Stuttgart, Az: - Antragsgegner - - Beschwerdegegner - beigeladen: prozessbevollmächtigt: wegen Zugang zu Umweltinformationen hier: vorläufiger Rechtsschutz
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-2- hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Lernhart, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Dürig und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Paur am 16. Oktober 2014 beschlossen: Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsge- richts Stuttgart vom 26. September 2014 - 4 K 4258/14 - wird zurückgewie- sen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller begehrt im Hauptsacheverfahren u.a. Zugang zu den beim Staatsministerium Baden-Württemberg gespeicherten Sicherungskopien der E-Mail-Account-Daten des Beigeladenen, Ministerpräsident a.D. M., soweit sie umweltbezogene Informationen aus dem Zeitraum vom Januar 2010 bis Mai 2011 enthalten. Mit Bescheid vom 18.01.2013 sowie einem Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 14.05.2013 lehnte der Antragsgegner inso- weit den Antrag des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 LUIG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 UIG sowie § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG ab. Über die hiergegen beim Verwal- tungsgericht Stuttgart erhobene Klage (4 K 2005/13) ist noch nicht entschie- den. Mit rechtskräftigem Urteil vom 30.07.2014 (1 S 1352/13 - juris) entschied der erkennende Gerichtshof, dass dem Beigeladenen ein Anspruch auf Lö- schung der oben genannten Dateien zusteht, diese aber zuvor dem zuständi- gen Archiv zur Übernahme anzubieten sind. Im Hinblick auf die angekündigte alsbaldige Löschung der Daten beantragte der Antragsteller am 24.09.2014, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die sog. „M.-Email-Dateien“ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen
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-3- Zugangsantrag nicht zu löschen und bei sich verfügbar zu halten. Hilfsweise beantragte er, den Antragsgegner zu verpflichten, die betreffenden Dateien nur unter der Bedingung dem Landesarchiv zu übergeben, dass diese jeder- zeit auf Anforderung des Antragsgegners oder eines Gerichts zurückzugeben sind. Mit Beschluss vom 26.09.2014 lehnte das Verwaltungsgericht den An- trag im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Staatsministerium verfüge nicht mehr über die fraglichen Informationen, weil diese von Rechts wegen gelöscht werden müssten. Hinsichtlich des Hilfsantrags fehle bereits die An- tragsbefugnis. II. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 146, 147 VwGO zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prü- fung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in Verfah- ren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass der angefochtene Beschluss abzuändern oder aufzuheben ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Zwar besteht im Hinblick auf die nunmehr für den 17.10.2014 an- gekündigte Löschung der umstrittenen Dateien und das Übernahmeangebot an das Landesarchiv ein Anordnungsgrund. Auch nach Auffassung des Se- nats ist aber ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 3 Abs. 1 UIG, auf den § 3 Abs. 1 LUIG verweist, hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformatio- nen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG verfügt eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereit gehalten werden. Ent- gegen der vom Verwaltungsgericht wohl vertretenen Auffassung kommt es für das „Vorhandensein“ der Information allerdings nicht auf die rechtliche Verfü-
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-4- gungsbefugnis, sondern auf die tatsächliche räumliche Verfügungsmöglichkeit der Behörde an, d.h. darauf, ob sich die Information - wie hier - im räumlichen Verfügungsbereich der in Anspruch genommenen Behörde befindet (vgl. Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2014, § 2 UIG Rn. 53 m.w.N.; Schomerus in Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, Hand- kommentar, 2. Auflage, § 2 Rn. 13; a.A. zur früheren Rechtslage OVG NRW, Urteil vom 15.08.2003 - 21 B 375/03 - NVwZ-RR 2004, 169). Denn Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, 26) - im folgenden Umweltinformationsrichtlinie - definiert den Begriff des Vorhan- denseins dahingehend, dass sich die Umweltinformation im Besitz der Behör- de befindet und von dieser Behörde erstellt oder bei ihr eingegangen ist. Die Berechtigung der Behörde zur Verfügung über die Daten fließt hingegen in die Prüfung eventuell vorliegender Ablehnungsgründe ein (dazu sogleich). Der Senat lässt offen, ob die umstrittenen Dateien Umweltinformationen ent- halten. Nach der hier allein in Betracht kommenden Legaldefinition des § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG, die gemäß § 3 Abs. 1 LUIG auch im Anwendungsbereich des Landesumweltinformationsgesetzes gilt, sind Umweltinformationen unab- hängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über Maßnahmen oder Tätig- keiten, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwe- cken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Pro- gramme. Als Umweltbestandteile werden in Nummer 1 beispielhaft genannt Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräu- me einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen. Zwar ist in Übereinstimmung mit dem weiten Begriffsverständnis der Umwel- tinformationsrichtlinie, zu deren Umsetzung die Bestimmung des § 2 Abs. 3
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-5- UIG dient (vgl. BT-Drucks. 15/3406, S. 11 und 14 f.), auch der Begriff der Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG weit auszulegen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 - 4 C 13.07 -, BVerwGE 130, 223; OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 - 8 A 2861/07 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 12 B 23.07 -, juris; jeweils m.w.N). Insbesondere das in § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG enthaltene Begriffspaar "Maßnahmen oder Tätig- keiten" wird weit verstanden; es soll alle menschlichen Tätigkeiten erfassen. Für die Auswirkungen auf Umweltbestandteile oder Faktoren im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) UIG ist ein potentieller Wirkungszusammenhang aus- reichend; er muss allerdings hinreichend wahrscheinlich sein (OVG NRW, Ur- teil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.). Hinsichtlich § 2 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UIG (Schutz von Umweltbestandteilen) muss der Schutz der Umweltmedien der Zweck - wenn auch nicht der Hauptzweck - der Maßnahme sein. Erfasst werden unmittelbar wie mittelbar den Umweltschutz fördernde Aktivitäten. Er- forderlich ist auch hier lediglich eine hinreichend enge Beziehung zwischen der jeweiligen Tätigkeit oder Maßnahme und dem angestrebten Erfolg für die Umwelt (OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.). Auf der anderen Seite besteht allerdings Einigkeit darüber, dass weder die alte noch die neue Umweltinformationsrichtlinie - und damit auch § 2 Abs. 3 UIG - bezwecken, ein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen zu gewähren, die auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut aufweisen. Vielmehr fallen Informatio- nen nur dann unter das Zugangsrecht, wenn sie zu einer oder mehreren der in der Richtlinie angegebenen Kategorien gehören und einen nicht nur ent- fernten Umweltbezug aufweisen (vgl. zur Richtlinie 90/313/EWG EuGH, Urteil vom 12. Juni 2003 - C- 316/01 - Glawischnig -, juris Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 01.03.2011 a.a.O. m.w.N.). Vorliegend bezieht sich der Antragsteller auf „alle bereitgehaltenen Informati- onen zum Komplex Baumfällungen für Stuttgart 21 im Oktober 2010 und damit zusammenhängenden Vorgänge, Ereignisse, Aktionen und Maßnahmen aller Art“. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat festgestellt, dass der Antragsteller einen   Zusammenhang       zwischen   den   Baumfällungen   und   den   E-Mail-
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-6- Postfachdaten nicht hinreichend substantiiert habe (VG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - juris). Allerdings ist dem Antragsteller zuzugeben, dass der Betroffene den Inhalt der begehrten Informationen noch nicht im Einzelnen kennt, weshalb die Substantiierungspflichten nicht überspannt wer- den dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch nicht unterschieden werden zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Umwelt; dieses Kriterium hat keinen Eingang in die Umweltinformationsrichtlinie gefunden und ist deshalb zur Abgrenzung einer Umweltinformation von anderen, einem Antragsteller nicht zustehenden In- formationen in der Sache untauglich (BVerwG, Urteil vom 21.02.2008 - 4 C 13.07 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. März 1999 - 7 C 21.98 -, BVerwGE 108, 369 = juris Rn. 28 zu § 3 Abs. 2 UIG a.F.) Diese Frage bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, weil dem In- formationsanspruch jedenfalls der Ablehnungsgrund des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG entgegensteht. Danach ist der Antrag auf Zu- gang zu Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt werden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe über- wiegt. Bei der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 LUIG handelt es sich um eine bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelung, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs dem Landesdatenschutzgesetz als besondere Rechtsvorschrift des Bundes oder des Landes gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 LSDG vorgeht (zu den Anforderungen an derartige Rechtsvorschriften vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - a.a.O.). Da § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG allerdings im Wesentlichen eine Generalklau- sel enthält, sind die Bestimmungen der Datenschutzgesetze zum einen als Auslegungshilfe heranzuziehen, zum anderen sind sie unmittelbar ergänzend einschlägig, wenn es sich um präzisierende Bestimmungen handelt, die im Umweltinformationsgesetz nicht enthalten sind (Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 6 m.w.N.) oder sich das Umweltinformationsrecht zu einer bestimmten datenschutzrechtlichen Frage nicht verhält.
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-7- Danach handelt es sich bei den streitgegenständlichen Dateien um personen- bezogene Daten, die durch die Bekanntgabe offenbart würden. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönli- che oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürli- chen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Beigeladenen be- treffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten, und sind daher personenbezogene Daten (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - juris; ebenso schon VG Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2013 - 2 K 3249/12 - a.a.O.). Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des 1. Senats der erkennenden Gerichtshofs an. Durch die Bekanntgabe würden die Interessen des Betroffenen erheblich be- einträchtigt. Die Erheblichkeit setzt voraus, dass dem Geheimhaltungsinteres- se ein gewisses Gewicht zukommt; dieser Begriff ist mithin im Lichte des Da- tenschutzrechts auszulegen. So entfällt die Erheblichkeit etwa dann, wenn die personenbezogenen Daten ohnehin bekannt oder allgemein zugänglich sind oder wenn es in Bezug auf die persönlichen Verhältnisse lediglich um Daten wie Name, Beruf, Dienststellung und Ähnliches geht (Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 14 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung liegt hier ersichtlich nicht vor. Den Interessen des Beigeladenen kommt aber insbesondere auch deshalb ein erhebliches Gewicht zu, weil er nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG einen Anspruch auf Löschung der umstrittenen Dateien hat. Denn die Kenntnis der umstrittenen Dateien ist nicht mehr notwendig zur Erfüllung der Zwecke des § 15 Abs. 4 LDSG, zu dem sie gespeichert worden sind (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - a.a.O.). Der Senat sieht keinen Anlass, von der eingehend begründeten Rechtsauffassung des 1. Senats des erkennenden Gerichtshofs abzuweichen, der die Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten ist. Zwar macht der Antragsteller zutreffend geltend, dass das genannte Urteil ihm gegenüber keine Rechtskraft entfaltet. Bei der im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gebotenen Gewich- tung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen kann aber nicht außer Acht gelassen werden, dass mit dem Vorliegen eines rechtskräftig festgestell- ten Löschungsanspruchs des Beigeladenen ein auch grundrechtlich gestützter
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-8- gewichtiger datenschutzrechtlicher Belang vorliegt. Danach besteht ein indivi- duelles Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, weil andernfalls sein Löschungsanspruch vollständig ent- wertet würde. Die Datenerhebung unterlag einer strikten Bindung an die in § 15 Abs. 4 LDSG genannten Zwecke. Der Löschungsanspruch besteht, weil diese strikte Zweckbindung entfallen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - a.a.O.). Nach dem Umweltinformationsgesetz werden die Daten jedoch zweckfrei weitergegeben; die antragstellende Per- son ist mithin nicht gehindert, die erlangten Daten ohne jede Zweckbindung weiterzuverwenden (vgl. Karg in Gersdorf/Paal, Informations- und Medien- recht, Kommentar, 2014, § 9 UIG Rn 12 f. m.w.N.). Bei Bekanntgabe der um- strittenen personenbezogenen Dateien nach dem Umweltinformationsgesetz liefen die durch § 15 Abs. 4 LDSG gesetzten Grenzen für die Erhebung und Verwendung der genannten Sicherungskopien mithin ins Leere. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG i.V.m. § 3 Abs. 1 LUIG begründet auch keine neue Zweckbestimmung, die dem Löschungsanspruch des Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG entgegenstehen könnte. Zwar ist gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 LSDG die Nutzung personenbezogener Daten auch für andere als die ursprünglichen Zwecke zulässig, wenn eine Rechtsvor- schrift dies vorsieht. § 15 Abs. 4 LSDG schließt aber als Spezialregelung die Anwendung des § 15 Abs. 2 und Abs. 3 LSDG aus (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2014 - 1 S 1352/13 - a.a.O.). § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG geht allerdings dem allgemeinen Datenschutzrecht in- soweit vor, als die Bestimmung über das Landesdatenschutzgesetz hinausge- hend die Übermittlung und Weitergabe von personenbezogenen Daten er- laubt, sofern hieran ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Entge- gen der Auffassung des Antragsstellers sieht der Senat aber kein überwie- gendes öffentliches Interesse an der Bekanntgabe im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz UIG gegeben. Dieses öffentliche Interesse überwiegt nur, wenn mit dem Antrag ein Interes- se verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits
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-9- jeden Antrag rechtfertigt. Es genügt nicht das allgemeine Interesse der Öf- fentlichkeit, Zugang zu Informationen über die Umwelt zu erhalten. Anderen- falls überwöge das öffentliche Interesse stets; die Abwägung im Einzelfall wä- re entbehrlich (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 7 C 2.09 - juris). Zwar macht der Antragsteller zu Recht geltend, dass für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen ein rechtliches Interesse nicht dargelegt werden muss (vgl. § 3 Abs. 1 UIG) und dass er als Repräsentant des öffentli- chen Interesses agiert. Im Rahmen der in § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG gebotenen Abwägung zwischen dem Bekanntgabeinteresse und dem Geheimhaltungsin- teresse ist das öffentliche Informationsinteresse aber gleichwohl zu gewich- ten. Bei der Gewichtung ist zu berücksichtigen, dass - selbst dann, wenn Umweltinformationen in Rede stehen - der Bezug des Auskunftsersuchens zu den mit der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Zwecken gering ist. Dem Vorbringen des Antragstellers lässt sich entnehmen, dass es ihm in erster Li- nie um die Aufklärung der Rolle des Beigeladenen bei dem sog. „Schwarzen Donnerstag“ geht, d.h. bei dem Polizeieinsatz zur Räumung des Stuttgarter Schlossparks im Zusammenhang mit den Bauarbeiten für das Projekt Stutt- gart 21, während die Umweltinformationsrichtlinie und die zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Gesetze durch den erweiterten Zugang zu umweltbe- zogenen Informationen das Umweltbewusstsein schärfen und u.a. durch einen freien Meinungsaustausch letztlich den Umweltschutz verbessern wollen (vgl. etwa Erwägungsgrund 1). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverwal- tungsgerichts wird insoweit der Nutzen der Bekanntgabe für den Umwelt- schutz in die Abwägung eingestellt (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 7 C 2.09 - a.a.O.). Demgegenüber kommt dem Geheimhaltungsinteresse des Bei- geladenen ein besonderes Gewicht zu, weil die datenschutzrechtlichen Best- immungen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG i.V.m. § 15 Abs. 4 LDSG eine Ausprä- gung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind. Hinzu kommt, dass das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen kein rein privates Interesse ist; vielmehr besteht an der Wahrung des Datenschutzes im Rah- men einer geordneten Datenerhebung und -verwendung sowie am Schutz der Grundrechte auch ein hohes Allgemeininteresse, das zugunsten des Geheim- haltungsinteresses streitet (vgl. Reidt/Schiller a.a.O. § 9 UIG Rn. 1 m.w.N.).
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- 10 - Demgegenüber stehen Grundrechte des Antragstellers nicht in Rede. Soweit er sich auf ein unionsrechtlich geschütztes Informationszugangsrecht beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass auch das Unionsrecht diesen Informationszu- gang nicht unbedingt und uneingeschränkt gewährt. Die Umweltinformations- richtlinie berechtigt die Mitgliedstaaten vielmehr, die Bekanntgabe von Um- weltinformationen zum Schutz der Vertraulichkeit personenbezogener Daten abzulehnen und verpflichtet sie, die Anforderungen der Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung per- sonenbezogener Daten und zum Datenverkehr einzuhalten (Art. 4 Abs. 2 Buchst. f), UA 2 und 3 RL 2003/4/EG). Auch das Unionsrecht erkennt somit an, dass datenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen einer einzelfallbezoge- nen Abwägung Vorrang zukommen kann. Der vom Antragsteller in Bezug ge- nommene Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12.12.2007 befasst sich mit dem Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union und ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig. Schließlich ist in die Abwägung einzustellen, dass sich das Umweltinformati- onsgesetz zu der Frage der Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und - speicherung nicht verhält, sondern nur die Berechtigung zur Übermittlung der Daten an Dritte betrifft. Insoweit kommt den Bestimmungen des Umweltinfor- mationsgesetzes kein spezialgesetzlicher Vorrang im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz1 LDSG vor einem eventuellen Löschungsanspruch zu. Zwar wird eine gewisse Vorwirkung des Zugangsanspruchs einer Person insofern anzuneh- men sein, als sich die Behörde dem Informationszugangsanspruch nicht durch Datenlöschung faktisch entziehen darf. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor; vielmehr wurde die Behörde zur Löschung rechtlich verpflich- tet. Insoweit streitet das öffentliche Interesse an der Umsetzung rechtskräfti- ger Urteile ebenfalls zugunsten des Geheimhaltungsinteresses des Beigela- denen. In Bezug auf die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Bundesge- richtshofs vom 30.09.2014 - I ZR 490/12 - liegen noch keine Entscheidungs- gründe vor. Aus der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 137/2014
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