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Aktenzeichen
6 A 753/12
Datum
9. Oktober 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Greifswald
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)
Informationsfreiheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (IFG M-V)

Urteil: Verwaltungsgericht Greifswald am 9. Oktober 2014

6 A 753/12

Die Regelung des Informationsfreiheitsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, nach der jede natürliche und juristische Person des Privatrechts Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen hat, muss einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass hiervon solche natürliche und juristische Personen des Privatrechts ausgenommen sind, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen oder denen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben übertragen wurde oder an denen eine oder mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts mit einer Mehrheit der Anteile oder Stimmen beteiligt sind. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, der besseren Beteiligung der Bürger an exekutiven Entscheidungsprozessen zu dienen. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn man den Informationsanspruch staatlich beherrschten Unternehmen zuerkennen würde. (Quelle: LDA Brandenburg)

Antragsberechtigung

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Abschrift

VERWALTUNGSGERICHT
GREIFSWALD

Aktenzeichen:

6 A 753/12

 

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Verwaltungsstreitverfahren

1. der A.,
A-Straße, A-Stadt,

2.derC. ,
A-Straße, A-Stadt,

Proz.-Bev.:
zu 1-2: Rechtsanwälte B.,
Oranienburgerstraße 3, A-Stadt,
- Klägerinnen -

gegen

den Oberbürgermeister der Stadt N-Stadt,
Friedrich-Engels-Ring 53, Stadt N-Stadt,

- Beklagter -
1

-2- 6 A 753/12

beigeladen:

die E., vertr. d.d. Geschäftsführer,
E-Straße, N-Stadt,

Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte F.,
F-Straße, F-Stadt,

wegen

Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Greifswald aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom

9. Oktober 2014

durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Corsmeyer,
den Richter am Verwaltungsgericht Tank und

die Richterin am Verwaltungsgericht Thews

sowie den ehrenamtlichen Richter Krohm

und den ehrenamtlichen Richter Martens

für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen als Gesamtschuldner aufer-
legt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld vorläufig
vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Zugang der Klägerinnen zu Informationen und Dokumen-
ten aus der Zeit bis 1998 im Zusammenhang mit der Veräußerung von 557 Wohnungen

der Beigeladenen in N, die damals erstellt oder der Stadt A-Stadt vorgelegt worden wa-
ren.
2

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Die Klägerinnen stellten unter dem 12.09.2011 beim Beklagten einen entsprechenden An-
trag, den der Beklagte mit Bescheid vom 14.11.2001 zurückwies. Hiergegen legten die
Klägerinnen am 19.12.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, sie hätten
1998 mit der Beigeladenen, einer Eigengesellschaft der Stadt A-Stadt, mehrere Verträge
über einen Teil ihres in A-Stadt belegenen Wohnungsbestandes abgeschlossen, in deren
Rahmen den Klägerinnen Erbbaurechte übertragen worden seien. Die Klägerinnen hätten
im Dezember 2006 Klage gegen die Beigeladene auf Zahlung von Festgeldern erhoben.
Das Landgericht R-Stadt habe der Klage stattgegeben, eine Entscheidung des OLG stehe
aus. Ein beihilferechtliches Beschwerdeverfahren der Beigeladenen bei der Europäischen
Union habe keinen Erfolg gehabt; über die Nichtigkeitsklage der Beigeladenen habe das
Gericht der Europäischen Union noch nicht entscheiden. Der Antrag sei auf die Einsicht-
nahme in die amtlichen Unterlagen zu den Umständen gerichtet, die zum Vertragsschluss
der Klägerinnen mit der Beigeladenen geführt hätten. Ausschlussgründe stünden nicht
entgegen. Die zivilprozessualen Beweisregelungen würden nicht den Rückgriff auf das
IFG sperren. Die die Beweislast treffende Behörde hätte nicht dargelegt, dass der Ablauf
des anhängigen Gerichtsverfahrens durch die Freigabe der Informationen tatsächlich er-
heblich beeinträchtigt werde. Auch sei das Begehren nicht missbräuchlich, weil den Klä-
gerinnen die begehrten Informationen aus den Gerichts- oder Beschwerdeverfahren nicht
bekannt seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.04.2012, am selben Tag zur Post aufgegeben, wies
der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung heißt es, die Klägerinnen seien
bereits mit einer hinlänglichen Auskunft versehen und würden auch bereits über die we-
sentlichen Informationen verfügen, die im Übrigen öffentlich zugänglich seien. Die Gel-
tendmachung des Informationsanspruchs sei nach deutschem Recht missbräuchlich und
europarechtlich unstatthaft. Das Informationsfreiheitsgesetz habe nicht den Zweck, dem
Informationssuchenden die Einarbeitung in die ihm bereits vorliegenden oder ihm die Be-
schaffung öffentlich zugänglicher Materialien zu ersparen. Der Gesetzgeber wolle die
wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen und ihrer Eigengesellschaften nicht der voraus-
setzungslosen Ausforschung beliebiger Dritter über das Instrument des IFG preisgeben.
Die Klägerinnen würden über alle relevanten Unterlagen verfügen. Auch sei ihnen von der
Beklagten und der Beigeladenen Auskunft erteilt worden. Es gehe den Klägerinnen nur
darum, über ein Informationsbegehren einen bisher nur vermuteten Rechtsverstoß aufde-
cken zu können. Das europäische Verfahrensrecht gehe dem IFG vor.

Am 10.05.2012 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Sie tragen vor, die Ausführungen
des Beklagten zum Vorliegen von Ausschlussgründen seien allgemeiner Art und ließen
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eine Auseinandersetzung mit der konkreten Betroffenheit einzelner Unterlagen nicht er-
kennen. Es sei nicht erkennbar, dass sämtliche Informationen im Zusammenhang mit ei-
nem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stünden; auch sei nicht offenkundig, dass sie dem
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unterliegen könnten. An einem schüt-
zenswerten Geheimhaltungsinteresse der Beklagten oder der Beigeladenen fehle es, weil
sich die Beigeladene in den anhängigen Gerichtsverfahren und dem Beschwerdeverfah-
ren selbst eines unionsrechtswidrigen Verhaltens bezichtige. Auch habe die Beigeladene
nicht sämtliche Informationen eingeführt, die mit dem Geschäft mit den Klägerinnen zu-
sammenhängen. Auch sehe das IFG keinen Ausschlussgrund eines missbräuchlichen
Informationsbegehrens vor. Ein Interesse an der Einsicht in die fraglichen Akten ergebe
sich bereits daraus, dass das Informationszugangsrecht dazu dienen solle, der Öffentlich-
keit die Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen. Der Zugang zu den Informationen
könne die Frage klären, ob die Beigeladene — was sie vor dem Oberlandesgericht und der
Europäischen Kommission vertrete — den Klägerinnen rechtswidrige Beihilfen gewährt
habe. Für die Beurteilung des voraussetzungslosen Anspruchs nach dem IFG komme es
allein auf die Vorschriften des IFG an. Hierzu stehe der Vortrag der Beigeladenen zum
beihilferechtlichen Durchführungsverbot nach Art. 108 AEUV in keinem Zusammenhang.
Beschränkungsgründe nach dem IFG seien hingegen nicht einschlägig. In der Rechtspre-
chung sei geklärt, dass Informationszugangsansprüche selbst zur Vorbereitung von Kla-
gen gegen den Staat wegen der Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns dienen könnten.
Der Prozesserfolg der öffentlichen Hand in anderweitig laufenden Gerichtsverfahren wer-
de durch das IFG hingegen nicht geschützt.

Die Klägerinnen beantragen,

1. den Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. November 2011 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. April 2012 zu verpflichten,

a. den Klägerinnen Zugang zu sämtlichen bei der Stadt A-Stadt vorhandenen In-
formationen bzw. Dokumenten zu gewähren, die bis zum Jahr 1998 im Zu-
sammenhang mit der Veräußerung von 557 Wohneinheiten der N. Wohnungs-
gesellschaft mbH in und A-Stadt, dort konkret belegen in der
- Salvador-Allende-Str. 2, 4, 6, 8;

- Robert-Koch-Str. 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50;

- Rudolf-Virchow-Str. 1, 3, 5, 7,9, 11, 13, 15;

- Sponholzer Str. 91, 91a, 91b, 91c, 91d, 93, 95, 97, 99, 101, 103, 107, 107a,
107b, 107c, 107d, 107e, 107f sowie in der
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- Ravensburgstraße 46a, 46b, 46c,

erstellt bzw. der Stadt A-Stadt vorgelegt worden sind, soweit diese Informationen
nicht bereits

- _in.dden vor dem Landgericht Rostock zum Az. 3 O 203/07 und vor dem Ober-
landesgericht Rostock zum Az. 1 U 75/09 geführten Rechtsstreit und/oder

- in das beihilferechtliche Prüfverfahren der Europäischen Kommission (staatli-
che Beihilfe SA. 23129 (2012/C) bzw. das zuvor geführte Beihilfebeschwerde-
verfahren (CP 141/2007) und/oder

- indas vor dem Gericht der Europäischen Union zum Az. T-407/09 und vor dem
Europäischen Gerichtshof zum Az. C-145/12 P geführte Klageverfahren

eingeführt worden sind, sowie

b. den Klägerinnen Zugang zu sämtlichen bei der N. Wohnungsgesellschaft mbH
vorhandenen Informationen bzw. Dokumenten zu gewähren, die bis zum Jahr
1998 erstellt worden sind und Auskunft über die Planung und die Durchführung
der Veräußerung des unter Ziffer 1 a. bezeichneten Wohnungsbestandes zu
geben, soweit diese Informationen nicht bereits

- in.den vor dem Landgericht Rostock zum Az. 3 O 203/07 und vor dem Ober-
landesgericht Rostock zum Az. 1 U 75/09 geführten Rechtsstreit und/oder

- in das beihilferechtliche Prüfverfahren der Europäischen Kommission (staatli-
che Beihilfe SA. 23129 (2012/C) bzw. das zuvor geführte Beihilfebeschwerde-
verfahren (CP 141/2007) und/oder

- indas vor dem Gericht der Europäischen Union zum Az. T-407/09 und vor dem
Europäischen Gerichtshof zum Az. C- 145/12 P geführte Klageverfahren

eingeführt worden sind,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären,

3. den Beklagten zur Tragung der Kosten des Verfahrens zu verurteilen und

4. hilfweise, für den Fall, dass die Gewährung des Zugangs zu den unter den
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Ziffern 1. a. und 1. b. bezeichneten Informationen bzw. Dokumenten wegen darin
enthaltener geheimhaltungsbedürftiger Informationen nicht in vollem Umfang mög-
lich ist,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. November 2011 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. April 2012 zu verpflichten, den Klä-
gerinnen teilweisen Zugang zu den unter den Ziffern 1. a. und 1. b. bezeichneten
Informationen bzw. Dokumenten zu gewähren, z.B. durch das Zurverfügungstellen
von teilweise geschwärzten Dokumenten oder Aktenauszügen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, das IFG gebe keinen Anspruch auf Einsicht in solche Aktenstücke,
die den Klägerinnen bereits bekannt oder sonst zugänglich seien.

Die Beigeladene trägt vor, mit den Klägerinnen durch identische Generalverwaltungsver-
träge und Erbbaurechtsverträge verbunden zu sein, die sich nur durch die darin behandel-
ten Immobilienpakete unterschieden. Die Beigeladene halte diese Verträge für nichtig.
Dem Anspruch der Klägerinnen stünden Rechtsmissbrauch und Schikane entgegen. Die
Klägerinnen seien nicht „Jedermann“. Ihr sei nicht zuzumuten, auswärts gelagerte Unter-
lagenbestände von operativen Fachbereichen aufzuarbeiten. Wegen der dezentralen Ak-
tenführung der Fachbereiche sei die Suche praktisch undurchführbar und unzumutbar.
Die Ablagesystematik harmoniere nicht mit dem Wunsch der Klägerinnen „Unterlagen bis
1997 zu erhalten. Sie habe bereits gegenüber den bisher befassten Zivilgerichten und
der Europäischen Kommission deutlich gemacht, dass wesentliche weitere Dokumente
nicht verfügbar seien. Die Klägerinnen hätten in dem Verfahren vor der Europäischen
Kommission nicht den Rang einer Verfahrenspartei. Sie hätten daher nicht das Recht, die
Dokumente der Verwaltungsakte der Kommission einzusehen. Das Verfahren nach dem
IFG dürfe nicht dazu missbraucht werden, um die deutlich höherrangigen europarechtli-
chen Vorschriften zu umgehen.

Die Klägerinnen seien bereits nicht anspruchsberechtigt, da es sich um öffentliche Unter-
nehmen handele, die vom Land A-Stadt kontrolliert würden. Die Klägerin zu 1. sei mittel-
bar eine Tochtergesellschaft des Landes A-Stadt. Es handele sich bei ihr um eine Objekt-
gesellschaft, die zu 100 % von einem geschlossenen Immobilienfonds gehalten werde,
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der eine 100 %-ige Tochter des Landes A-Stadt sei. Bei der Klägerin zu 2. handele es
sich um eine Objektgesellschaft, die zu 94 % von der Klägerin zu 1. gehalten werde. Öf-
fentliche Unternehmen in Privatrechtsform hätten bei teleologischer Auslegung des 8 1
Abs. 2 IFG M-V keinen Anspruch auf Information nach dem IFG, da das IFG der besseren
Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den exekutiven Entscheidungsprozessen die-
ne.

Auch würden die begehrten Informationen nicht amtlichen Zwecken dienen. Gegenstand
der Information sei die Privatisierung des streitgegenständlichen Immobilienbestandes der
Beigeladenen im Jahr 1998, die allein unternehmerischen Zwecken gedient hätte. Es sei
bei den zwischen den Klägerinnen und der Beigeladenen abgeschlossenen Verträgen
nicht um die Wohnraumversorgung der Bevölkerung gegangen, sondern allein um kom-
merzielle Vereinbarungen, aus denen sich die Vertragsparteien finanzielle Renditen er-
hofft hätten. Informationen würden aber nur dann amtlichen Zwecken dienen, wenn sie
bei der Erfüllung amtlicher Tätigkeiten gewonnen oder verarbeitet würden. Da die Kläge-
rinnen am Zustandekommen der streitigen Verträge selbst beteiligt gewesen seien und
sie auch an den anderweitigen Gerichts- und Verwaltungsverfahren beteiligt seien, in de-
nen die Beigeladene umfassend zur Genese der Verträge vorgetragen und zahlreiche
Beweismittel vorgelegt habe, lägen ihnen die begehrten Angaben und Dokumente unein-
geschränkt vor. Die Klägerinnen hätten es insoweit verabsäumt, der Beklagten und dem
Gericht anzuzeigen, welche Informationen ihnen bereits vorgelegt worden seien, was ih-
nen zumutbar gewesen sei. Demgegenüber sei es dem Beklagten nicht zumutbar, dies
selbst zu ermitteln.

Durch die begehrte Informationsübermittlung würde ein Betriebs- oder Geschäftsgeheim-
nis der Beigeladenen offenbart. Hierin habe die Beigeladene nicht eingewilligt. Die Gene-
se der streitigen Verträge sei maßgeblich geprägt von Fehlern im damals organisierten
Bieterverfahren und erheblichen Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Konsequenzen
für die Beigeladene. Die Offenlegung dieser Fehler, an deren Kenntnis die Klägerinnen
kein rechtlich geschütztes Interesse hätten, würde auch das Vertrauen der städtischen
Bevölkerung in die Beklagte und die Beigeladene untergraben. Ferner drohe ein erhebli-
cher Schaden auch daraus, dass die streitigen Verträge aufgrund ihrer Mehrbelastung
von über 23 Millionen Euro die wirtschaftliche Existenz der Beigeladenen bedrohe. Würde
sich dieses Insolvenzrisiko herumsprechen, hätte die Beigeladene künftig erhebliche
Probleme auf dem Markt.

Weiter würden dem Informationsbegehren öffentliche Belange i.S.v. 85 Nr. 1 IFG M-V
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entgegenstehen. Die Offenlegung der Unterlagen gegenüber dem Land A-Stadt würde
das Verhältnis zwischen dem Land M-V und dem Bund erheblich belasten, da in dem bis-
lang anhängigen Prüfverfahren der Kommission der Bund ungeachtet seiner Neutralitäts-
pflicht seine Erkenntnisse und Stellungnahmen zwar mit dem Land A-Stadt, dem Gesell-
schafter der Klägerinnen, nicht aber mit der Stadt A-Stadt abgeglichen habe. Dem Infor-
mationszugang stehe auch entgegen, dass dieser i.S.v. 85 Nr. 2 IFG M-V den Verfah-
rensablauf der zwischen Klägerinnen und Beigeladener anhängigen Verfahren erheblich
beeinträchtigen würde. Zum Schutz der namentlich benannten Mitglieder der damaligen
Geschäftsführung bzw. des damaligen Aufsichtsrats der Beigeladenen wäre ein Informati-
onszugang allenfalls in summarischer und anonymisierter Form möglich gewesen, so
dass der undifferenziert gestellte Antrag der Klägerinnen insoweit nach 8 7 Nr. 31IFG M-V
abzuweisen gewesen sei.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf
die Gerichtsakte und den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
09.10.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Klage ist zunächst zulässig. Sie ist insbe-
sondere am 10.05.2012 fristgerecht erhoben worden. Nach $ 74 Abs.1 und 2 VwGO war
die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides zu erhe-
ben. Zustellungsmängel - wie etwa eine fehlende Zustellung - hindern, dass die Klagefrist
in Gang gesetzt wird (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., 874 Rdn. 4). Dass der Wider-
spruchsbescheid vom 05.04.2012 den Klägerinnen zugestellt worden ist, lässt sich der
Verwaltungsakte nicht entnehmen. Da somit die Frist nicht zu laufen begonnen hat, ist
unerheblich, dass die Klage erst einen Monat und sechs Tage nach Aufgabe des Wider-
spruchsbescheides zur Post erhoben worden ist,

Die Klage ist aber unbegründet. Die Ablehnung bzw. Unterlassung des begehrten Verwal-
tungsakts ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (8 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO). Sie haben keinen Anspruch auf die begehrte Entscheidung.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerinnen ist $ 1 Abs. 2 IFG M-V. Nach dieser
Vorschrift hat jede natürliche und juristische Person des Privatrechts Anspruch auf Zu-
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gang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Um Informationen im Sinne
des Informationsfreiheitsgesetzes handelt es sich gemäß 8 2 Satz 1 Nr. 1IFG M-V bei
jeder amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnung in Form von Schrift, Bild, Ton oder in
sonstigen Daten. Behörden im Sinne der Vorschrift sind u. a. die Behörden der Gemein-
den (8 3 Abs. 1 IFG M-V). Nach $ 3 Abs. 3 IFG M-V steht einer_Behörde eine natürliche
oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Ver-
waltung wahrnimmt oder dieser Person die Erfüllung öffentlicher Aufgaben übertragen
wurde oder an denen eine oder mehrere der in Absatz 1 genannten juristischen Personen
des öffentlichen Rechts mit einer Mehrheit der Anteile oder Stimmen beteiligt sind. Im Fall
des $ 3 Abs. 3 IFG M-V ist der Antrag auf Informationserteilung schriftlich oder zur Nie-
derschrift an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des
Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient (8 10 Abs. 1 Satz 3
IFGM-V).

Dabei können die Aufzeichnungen sowohl bei der Behörde der Körperschaft des öffentli-
chen Rechts vorhanden sein, an die gemäß $ 10 Abs. 1 Satz 2 IFG M-V der Antrag zu
richten ist, als auch bei der gemäß $& 3 Abs. 3 IFG M-V einer Behörde gleichgestellten na-
türlichen oder juristischen Person des Privatrechts. Mit der Regelung in 8 1 Abs. 2 IFG M-
V, die den Auskunftsanspruch auf alle „bei einer Behörde vorhandenen Informationen"
bezieht, und der Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen des Privat-
rechts mit Behörden nach $ 3 Abs. 3 IFG M-V hat der Gesetzgeber deutlich gemacht,
dass auch die bei den Personen des Privatrechts vorhandenen Informationen solche im
Sinne von $ 1 Abs. 2 IFG M-V sein sollen, sofern die weiteren Voraussetzungen des Aus-
kunftsanspruchs erfüllt sind. Das Gesetz unterscheidet insoweit nur zwischen demjenigen,
bei dem die Informationen vorhanden sind (Auskunftspflichtiger im materiellen Sinne) und
demjenigen, der die begehrten Informationen an den Antragsteller erteilen muss (Aus-
kunftspflichtiger im verfahrensrechtlichen Sinne). Letzterer ist stets die zuständige Behör-
de der juristischen Person des öffentlichen Rechts (8 3 Abs. 1 IFG M-V); ersterer kann in
den Fällen des $ 3 Abs. 3 IFG M-V auch ein Privater sein. Insofern ist unerheblich, ob die
Aufzeichnungen mit den von den Klägerinnen begehrten Informationen bei der Beigela-
denen oder beim Beklagten vorhanden sind oder die Beigeladene die Informationen aus-
gelagert hat.

Dies vorausgesetzt hat die Klage keinen Erfolg. Die Klägerinnen haben schon deswegen
keinen Anspruch auf die begehrten Informationen nach dem IFG M-V, weil sie nach den
Feststellungen des Landgerichts Rostock im Urteil vom 28.11.2008 (Az.: 3 0 203/07) und
9

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dem Geschäftsbericht 2013 der berlinovo Immobilien mittelbare Tochtergesellschaften
des Landes A-Stadt (zu 100 % bzw. zu 94 %) sind. Nach Auffassung der Kammer ist 81
Abs. 2 IFG M-V, wonach jede natürliche und juristische Person des Privatrechts Anspruch
auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen hat, einschränkend da-
hingehend auszulegen, dass hiervon solche natürlichen oder juristischen F Person des Pri-

nun

mehrere der in $ 1 Abs. 1 IFG M-V genannten juristischen Personen des öffentlichen
Rechts mit einer Mehrheit der Anteile oder Stimmen beteiligt sind. Sinn und Zweck des

nennen een,

IFG M-V ist es, der besseren Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger : an den exekutiven

“Entscheidungsprozessen zu dienen. Diesem Zweck dient es, den Bürgerinnen und Bür-

ne

ja

VD

lich staatlichen Institutionen einen Anspruch gegenüber ei derer-staatlichen Einrich-

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gern, gleich, ob es natürliche Personen sind oder sie sich als juristische Personen organi-
siert haben, einen umfassenden gesetzlich gesicherten Informationsanspruch gegenüber
dem Staat zu gewähren. Diesem Zweck würde es aber zuwiderlaufen, wenn man den In-
formationsanspruch — wie im vorliegenden Fall - staatlich beherrschten Unternehmen, die -;

als juristische Person des Privatrechts organisiert sind, zuerkennen würd damit letzt- |

tung zuerkennen würde. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Gleichstellung von natürli-

 

chen und juristischen Personen des Privatrechts mit Behörden nach 83 Abs. 3 IFG M-V
deutlich gemacht, dass solche dort näher definierten Personen den Behörden insgesamt
gleichgestellt werden und sie wie die Behörden allein als Verpflichteter des Informations-
anspruchs anzusehen sind. Diese Wertung des Gesetzgebers macht es notwendig, die
Regelung in $ 3 Abs. 3 IFG M-V auch auf die des $ 1 Abs. 2 IFG M-V zu übertragen, um
das Gesetz nicht systemwidrig erscheinen zu lassen. Ganz offenbar hat der Gesetzgeber
den hier vorliegenden atypischen Fall, dass quasi eine andere Körperschaft des öffentli-
chen Rechts mittelbar durch eine von ihr beherrschte Person des Privatrechts einen In-
formationsanspruch geltend macht, bei der Formulierung des $ 1 Abs. 2 IFG M-V nicht vor
Augen gehabt, weswegen es zu der unstimmigen weiten Formulierung gekommen ist.
Vielmehr kann es keinen Unterschied machen, ob ein Land - hier das Land A-Stadt —
selbst einen Anspruch nach dem IFG geltend macht, der zwanglos nicht gegeben wäre
oder es sich dafür einer von ihr beherrschten Person des Privatrechts bedient. Hierdurch
würde letztlich die skizzierte Wertung des Gesetzes umgangen. Für eine solche weite
Regelung, die einen-Informationsänspruch auch'staatlich"beherrschten Unternehmen und
damit der -öffentlichen-Hand selbst zuerkennen würde, gibt es im Hinblick auf das Prinzip

ee

der Amtshilfe auch kein Bedürfnis. Soweit sich die Klägerinnen zur Begründung ihrer ge-
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