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Aktenzeichen
12 N 84.13
Datum
4. September 2014
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 4. September 2014

12 N 84.13

Der Antrag einer beklagten Finanzbehörde auf Zulassung der Berufung wird durch das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Allein die Möglichkeit, dass eine Anfechtung des Insolvenzverwalters durchgreifen kann und dadurch Steuerforderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens wieder aufleben, führt nicht dazu, dass das Besteuerungsverfahren im Zeitpunkt der Entscheidung über ein die etwaige Anfechtung erst vorbereitendes Akteneinsichtsverlangen des Insolvenzverwalters noch oder bereits wieder läuft. Die Ablehnung des Antrags eines Insolvenzverwalters auf Zugang zu den Kontoauszügen des Insolvenzschuldners kann somit nicht auf die Ausnahme laufender Verfahren vom Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes gestützt werden. Den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung kommt gegenüber dem voraussetzungslosen eigenständigen Anspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen keine Sperrwirkung zu. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Schutz besonderer Verfahren

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Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 N 84.13 VG 9 K 2398.12 Potsdam In der Verwaltungsstreitsache Klägers und Antragsgegners, gegen Beklagten und Antragsteller, hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann und die Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und Böcker am 4. September 2014 beschlossen: Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das am 2. August 2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsge- richts Potsdam wird abgelehnt. Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt. -2-
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-2- Gründe Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbe- gründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, dem klagenden Insolvenzverwalter Auskunft über die ihm vorliegenden Informationen über den Insolvenzschuldner durch die Herausgabe von Jahreskontoauszügen für die Jahre 2011 und 2012 zu erteilen. Den Einwand des Beklagten, dem Anspruch nach § 1 Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz vom 10. März 1998 (GVBl. I S. 46), in der Fassung des Artikel 2 des Gesetzes vom 23. September 2008 (GVBl. I S. 202, 206) – AIG – stehe die Vorschrift des § 2 Abs. 5 AIG entgegen, wonach in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Ver- fahrensrechts gewährt werde, das hier in Gestalt der Abgabenordnung keinen Anspruch des Klägers vorsehe, hat das Verwaltungsgericht zutreffend mit der Be- gründung zurückgewiesen, es liege hinsichtlich des konkreten Akteneinsichtsbe- gehrens kein laufendes Verfahren vor. Gegen die Richtigkeit dieser Begründung macht der Beklagte geltend, dass das Besteuerungsverfahren nicht beendet sein könne, solange ein Insolvenzver fahren laufe; bei Durchgreifen einer Anfechtung des Insolvenzverwalters seien Anspr ü- che aus dem Steuerverhältnis nachträglich zur Tabelle anzumelden. Das Besteu e- rungsverfahren könne erst beendet sein, wenn auch das Insolvenzverfahren ab- geschlossen und das Verfahren der Restschuldbefreiung abschließend durchge- führt sei. Mit diesem Hinweis ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei kein laufendes Verfahren gegeben, nicht erschüttert. Allein die Möglic hkeit, dass eine Anfechtung des Insolvenzverwalters durchgreifen kann und dadurch Steuer- forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens wieder aufleben und „zur Tabel- le anzumelden“ sein können, führt nicht dazu, dass das Besteuerungsve rfahren im Zeitpunkt der Entscheidung über ein die etwaige Anfechtung er st vorbereitendes Akteneinsichtsverlangen des Insolvenzverwalters noch oder bereits wieder „läuft“. -3-
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-3- Vielmehr bleibt bis zum Durchgreifen der Anfechtung die Wirkung der den geleis- teten Zahlungen zugrundeliegenden Steuerbescheide und die Erfüllungswirkung erbrachter Leistungen bestehen (vgl. zu der in § 2 Abs. 4 AIG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes und zur Auf- hebung des Personalausweisgesetzes vom 15. Oktober 2013 (GVBl. I Nr. 30) neugefassten Vorschrift: Senatsbeschluss vom 4. August 2014 – OVG 12 N 36.14 – Beschlussabdruck S. 3 m.w.N., zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Da das Vorbringen des Beklagten zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtss a- che für die Erheblichkeit der Grundsatzfrage, ob das Finanzamt als Gläubiger in einem Insolvenzverfahren zur Auskunfts- und Informationserteilung nach dem AIG zu einer derart pauschalen Auskunftserteilung, d.h. über sämtliche Vorgänge auf dem Steuerkonto, für Zwecke der Anfechtung im Rahmen des Insolvenzverfah- rens verpflichtet ist, obwohl die für das Handeln der Finanzverwaltung bei laufen- dem Besteuerungsverfahren maßgebliche Abgabenordnung eine derartige Ver- pflichtung nicht vorsieht, ein laufendes Besteuerungsverfahren voraussetzt, ein solches nach den vorstehenden Ausführungen im entschiedenen Rechtsstreit aber nicht vorliegt, würde sich die Frage in einem Berufungsverfahren nicht ste l- len. Abgesehen davon ist die Rechtsfrage auch bereits rechtsgrundsätzlich dahin beantwortet, dass den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung eine Sperrwirkung gegenüber dem voraussetzungslosen eigenständigen Anspruch nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder nicht zu- kommt (vgl. im einzelnen BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 – 7 B 53.11 – NVwZ 2012, 824; juris Rn. 10). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Plückelmann                              Bath                              Böcker
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