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Aktenzeichen
12 B 14.12
Datum
21. August 2014
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 21. August 2014

12 B 14.12

Das Gericht lehnt den Anspruch eines Journalisten auf Zugang zu Informationen einer Rechtsanwaltskammer über das Zulassungsverfahren eines Rechtsanwaltes - der Stasi-Verstrickungen verdächtigt wird - nach dem Informationsfreiheitsgesetz ab. Die Rechtsanwaltskammer ist als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts eine zur Informationsgewährung verpflichtete öffentliche Stelle, ohne dass diese Verpflichtung infolge der Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit nach § 76 BRAO eingeschränkt ist. Diese Norm enthält keine spezielle bereichsspezifische Geheimhaltungspflicht. Dem Anspruch des Klägers steht das Ergebnis der geforderten Abwägung seines Informationsinteresses mit dem Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten entgegen. Die Folgenlosigkeit einer Offenbarung der begehrten Informationen bezogen auf den Zweck des IFG, die Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen, beschränkt das Informationsinteresse des Klägers auf den Gesetzeszweck, die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern. Der mit der Offenbarung verbundene Erkenntnisgewinn für die Allgemeinheit wiegt die einhergehende Beeinträchtigung der Reputation des betroffenen Rechtsanwalts nicht auf. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Drittbetroffenheit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Personenbezogene Daten

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Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL Verkündet am 21. August 2014 OVG 12 B 14.12 Schumann, Justizbeschäftigte, VG 2 K 142.11 Berlin                                 als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache Klägers und Berufungsklägers, bevollmächtigt: gegen die Rechtsanwaltskammer Berlin, Littenstraße 9, 10179 Berlin, Beklagte und Berufungsbeklagte, bevollmächtigt: beigeladen: hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2014 durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann, die Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und Böcker, die ehrenamtlichen Richter Haubenthal und Huth für Recht erkannt: Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Aus- nahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt. -2-
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-2- Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Hö- he des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Der Kläger ist Journalist. Er begehrt Zugang zu Informationen der beklagten Rechtsanwaltskammer über das Zulassungsverfahren des beigeladenen Rechts- anwalts im Wege der Akteneinsicht nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz. Unter dem 19. April 2011 beantragte er unter Hinweis darauf, dass er für die Ta- geszeitung „Die Welt“ zu dem Beigeladenen recherchiere, ihm alle mit dem Zulas- sungsverfahren des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft im Zusammenhang stehenden schriftlichen Informationen in Kopie zur Verfügung zu stellen. Er re- cherchiere seit Jahren über Stasi-Verstrickungen von Persönlichkeiten des öffent- lichen Lebens. Der Beigeladene habe in einer eidesstattlichen Versicherung vom 14. April 2011 eine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter der Abteilung Auslands- spionage der MfS-Bezirksverwaltung Leipzig eingeräumt. Aus den zum Beigela- denen vorhandenen Stasi-Unterlagen, insbesondere aus den darunter befindli- chen Lebensläufen, ergebe sich, dass dieser keine zweijährige Tätigkeit in einem rechtspflegerischen Beruf ausgeübt haben könne. Es bestünden deshalb Anhalts- punkte dafür, dass die von ihm bei seiner Zulassung gemachten Angaben unrich- tig seien. Die Recherche diene der Prüfung, wie seinerzeit mit solchen Fällen um- gegangen worden sei und ob der Beigeladene die Zulassung zur Rechtsanwalt- schaft mit wahren oder mit unwahren Angaben erlangt habe. Der Beigeladene wies die Beklagte mit bei ihr am 18. April und 8. Mai 2011 ein- gegangenen Schreiben darauf hin, dass er jüngst zum Gegenstand einer Presse- berichterstattung in der „Welt am Sonntag“ gemacht worden sei, was wohl auf seinen ehemaligen Geschäftspartner, mit dem er sich im Streit befinde, zurückzu- -3-
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-3- führen sei. Dieser Geschäftspartner habe schon früher eine Rufmordkampagne und üble Nachrede ihm gegenüber betrieben. Wegen des Artikels in der „Welt am Sonntag“ habe er bereits Ansprüche gegen Verlag und Autoren geltend gemacht. Die Beklagte unterliege keinerlei Auskunftsverpflichtungen gegenüber dem Kläger bezüglich Presseanfragen, die ihn, den Beigeladenen, beträfen. Insbesondere dürfe ohne seine vorherige Kenntnis und Zustimmung keine Auskunft erteilt wer- den. Der Kläger verfolge persönliche Interessen des ehemaligen Geschäftspart- ners sowie seine eigenen, die er vorgeschoben als offizielle Rechercheanfrage geltend gemacht habe. Zudem beträfen die Angaben aus dem Rechtsanwaltszu- lassungsverfahren Vorgänge, die bereits zwei Jahrzehnte zurücklägen; es beste- he keinerlei öffentliches Interesse daran, derlei personenbezogene persönliche Daten herauszugeben. Er sei auch keine in der Öffentlichkeit stehende Person. Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf ihre allgemeine Verschwiegenheitspflicht ab. Darüber hinaus stehe einer Akteneinsicht entgegen, dass es sich um personenbezogene Daten handele und das Privatinteresse des Beigeladenen an der Geheimhaltung überwiege. Mit hiergegen erhobenem Widerspruch vom 7. Juni 2011 beschränkte der Kläger sein Begehren auf den Erhalt der Informationen über diejenigen Angaben, die der Beigeladene im Rahmen der Zulassung zur Anwaltschaft zu seiner Tätigkeit als Agent der Spionageabteilung des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicher- heit und hinsichtlich seiner angeblichen zweijährigen juristischen Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf gemacht habe. Soweit der Beigeladene bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft den „Ergänzungsfragebo- gen zum Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für Bewerber mit juristi- scher Ausbildung in der früheren DDR“ ausgefüllt haben sollte, beschränkte der Kläger sein Begehren auf die Antworten zu den Fragen II. 2. b und II. 4 des Fra- gebogens. Gegen den Bescheid der Beklagten machte er geltend: Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht sei keine dem Akteneinsichtsrecht entgegenstehende Geheimhaltungsvorschrift des Bundesrechts, sondern eine Bestimmung, die das Verhalten Einzelner und nicht das Handeln der Beklagten als Behörde regele. Sie richte sich vergleichbar der beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflicht an die einzelnen Vorstandsmitglieder bzw. Mitarbeiter. Das Interesse des Beigeladenen an der Geheimhaltung sei nicht schutzwürdig. Er verfolge auch kein überwiegen- -4-
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-4- des Privatinteresse, sondern begehre die Informationen als Journalist. Bei den begehrten Informationen handele es sich um Angaben gegenüber einer Behörde, die der Beigeladene habe machen müssen, um zur Rechtsanwaltschaft zugelas- sen zu werden. Mit Bescheid vom 20. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus: Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht konkretisiere bereichsbezogen auf die anwaltliche Selbstverwaltung die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit. Sie gelte absolut, wenn es um den Schutz personenbezo- gener Daten gehe, weil es sich hierbei um den Kernbereich geheimhaltungsbe- dürftiger Angelegenheiten handele; es sei insofern ein besonderes Amtsgeheim- nis gegeben. Im Übrigen überwiege das Informationsinteresse des Klägers nicht das Interesse des Beigeladenen an der Geheimhaltung. Der Kläger verlange An- gaben aus der Personalakte eines Kammermitgliedes, die dem besonders ge- schützten Kernbereich personenbezogener Daten unterfielen. Die am 19. August 2011 eingegangene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem am 27. Juni 2012 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es sich zwar nicht auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht nach der Bundesrechts- anwaltsordnung als Versagungsgrund für den Informationszugang gestützt. Dadurch werde keine auf Bundesrecht beruhende Geheimhaltungspflicht, die nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz unberührt bleibe, begründet. Ein Recht des Klägers auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft bestehe jedoch nicht, soweit der Offenbarung personenbezogener Daten schutzwürdige Belange des Beigeladenen entgegenstünden und das Informationsinteresse das Interesse an der Geheimhaltung nicht überwiege. Vorliegend gehe es zwar nicht um dem In- formationszugang von vornherein entzogene Angaben aus dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung. Es handele sich aber um Daten, die sich in der von der Beklagten geführten Personalakte des Beigeladenen befänden. Hinsichtlich der Vertraulichkeit dieser Personalaktendaten und ihrer Schutzbedürf- tigkeit bestehe kein wesentlicher Unterschied zu Personalaktendaten von Angehö- rigen des öffentlichen Dienstes. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei die ge- setzliche Wertung aus dem Beamtenrecht heranzuziehen, wonach die Vertrau- lichkeit von Personalaktendaten zu wahren sei und eine Ausnahme allenfalls dann in Betracht komme, wenn höherrangige Interessen die Akteneinsicht bzw. die -5-
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-5- Auskunftserteilung zwingend erforderten. Ein Interesse von solchem Rang sei nicht zu erkennen. Das Informationsinteresse des Klägers sei zwar hoch, weil es ihm um die Aufklärung der Umstände gehe, die zur Zulassung des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft geführt hätten, obwohl nach Ansicht des Klägers Anhalts- punkte dafür gegeben seien, dass der Beigeladene keine zweijährige Tätigkeit in einem rechtspflegerischen Beruf ausgeübt haben könne und darüber hinaus als inoffizieller Mitarbeiter beim Ministerium für Staatssicherheit beschäftigt war. Die- ses einfachgesetzlich geregelte Interesse sei aber gegenüber dem grundgesetz- lich geschützten Persönlichkeitsrecht nachrangig, zumal die Tätigkeit des Beige- ladenen für das Ministerium für Staatssicherheit ohnehin bereits bekannt sei. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Das Urteil des Verwaltungsgerichts verwehre den Informationszugang mit der feh- lerhaften Annahme, dem Informationsanspruch des Klägers stünden schutzwürdi- ge Belange des Beigeladenen entgegen. Bereits der verwendete Maßstab des beamtenrechtlichen Personalaktendatenschutzes sei zu beanstanden. Es handele sich dabei um spezifische Sonderregeln des Beamtenrechts, die in einem inneren Zusammenhang mit der aufgrund des Beamtenverhältnisses bestehenden Fürsor- gepflicht des Dienstherrn stünden. Rechtsanwälte seien hingegen Freiberufler und hätten die besondere Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege. Ein ge- nereller Vorrang des Geheimhaltungsinteresses des Beigeladenen ergebe sich nicht aus seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die vorgesehene Einzelfallabwägung des Informationsinteresses des Klägers mit dem Geheimhal- tungsinteresse des Beigeladenen habe das Verwaltungsgericht nicht ansatzweise vorgenommen. Dabei sei grundsätzlich von einem Informationsanspruch auszu- gehen, der nur zurückgewiesen werden dürfe, wenn im Einzelfall das Geheimhal- tungsinteresse des Betroffenen das Informationsinteresse des Antragstellers überwiege. Im konkreten Fall werde der Informationszugang in Ausübung der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit begehrt. Das verleihe dem Anspruch des Klägers im Rahmen der Abwägung von vornherein besonderes Gewicht. Das Aufklärungsinteresse des Klägers könne nur aus Gründen zurückgewiesen wer- den, die auch vor der Pressefreiheit Bestand hätten. Es gehe nicht um eine Schä- digung des Ansehens des Beigeladenen. Die Öffentlichkeit habe jedoch ein be- rechtigtes Interesse daran zu erfahren, welche Maßstäbe bei der Zulassung ehe- maliger Mitarbeiter des MfS zur Rechtsanwaltschaft angelegt und wie diese in der -6-
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-6- Praxis umgesetzt worden seien. Die Aufklärung dieser Umstände im Fall des Bei- geladenen liege aber auch ganz konkret im Interesse der einzelnen Mandanten und diene deren Schutz. Diese müssten auf die Redlichkeit und Professionalität des von ihnen gewählten Rechtsanwalts vertrauen können. Hätte der Beigeladene sich die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit unrichtigen Angaben erschlichen, wäre diese Vertrauensgrundlage zerstört. Darüber hinaus sei der Beigeladene nicht nur als Rechtsanwalt tätig, sondern engagiere sich daneben auch als Inves- tor eines (bislang nicht verwirklichten) Schauhallen-Projekts auf dem historischen AEG-Firmengelände in Berlin Oberschöneweide. In diesem Zusammenhang sei er eine Person des öffentlichen Lebens. Das Informationsinteresse des Klägers überwiege das Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen eindeutig: Zum einen sei die Stasi-Tätigkeit des Beigeladenen als solche bereits öffentlich bekannt. An- ders als das Verwaltungsgericht meine, schmälere dies nicht das Informationsin- teresse des Klägers, sondern führe im Gegenteil dazu, dass ein Interesse des Beigeladenen an der Geheimhaltung seiner Tätigkeit für das MfS nicht mehr be- stehe. Ohne die begehrten Informationen sei eine Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich und wäre die wichtige Kontrollfunktion der Presse damit empfindlich eingeschränkt. Der Kläger beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Juni 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 zu verpflichten, dem Kläger Einsicht in die bei der Beklagten geführte Akte des Beigelade- nen zu gewähren, soweit es diejenigen Angaben betrifft, die der Beigela- dene im Rahmen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu seiner Zusam- menarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR und hinsicht- lich seiner zweijährigen juristischen Praxis in der Rechtspflege oder in ei- nem rechtsberatenden Beruf gemacht hat. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Nach Ansicht der Beklagten ist das Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Anspruch werde aber schon durch die allgemeine Verschwiegenheitspflicht der -7-
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-7- Mitglieder des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen. Jedenfalls sei er mit Blick auf den Schutz der personenbezogenen Daten des Beigeladenen zutreffend ausgeschlossen worden. Soweit der Kläger sein Informationsinteresse damit begründe, dass die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran habe, zu erfahren, „welche Maßstäbe die Rechtsanwaltskammern" bei der Zulassungsprü- fung anlegten und „ob diese Maßstäbe in der Praxis auch effektiv umgesetzt wür- den", lasse sich aus den begehrten Informationen dazu nichts herleiten. Die Zu- lassungsentscheidung sei damals nicht von der Beklagten getroffen worden, son- dern von der Justizverwaltung. Über die Maßstäbe, die die Beklagte bei der Zu- lassung von Rechtsanwälten anlege, sage eine 22 Jahre zurückliegende Zu- lassungsentscheidung einer anderen Behörde nichts aus. Insoweit werde auf Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg verweisen, nach der die vor über 20 Jahren getroffene Entscheidung des Landes Brandenburg, auch ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, deren frühere Tätigkeit seiner- zeit als hinnehmbar eingeschätzt wurde, als Richter bzw. Staatsanwälte zu be- schäftigen, unter dem Gesichtspunkt der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht keine Verpflichtung des Landes Brandenburg begründe, deren Identität - jedenfalls wenn kein dienstliches Fehlverhalten vorliege - zu offenbaren. Diese Gewichtung sei auf die hier begehrten Informationen zum Beigeladenen zu übertragen. Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Darüber hinaus hat der Beigeladene sich nicht geäußert. Entscheidungsgründe Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, denn der Kläger kann den Zugang zu den von ihm begehrten Informationen nicht verlangen (§§ 125 Abs. 1, 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). 1. § 3 Abs. 1 Satz 1 Berliner Informationsfreiheitsgesetz - IFG Bln – eröffnet für den Kläger gegenüber den in § 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl -8-
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-8- das Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten nach Maßgabe des Gesetzes. Insofern ist die beklagte Rechtsanwaltskammer als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts grundsätzlich eine nach § 2 Abs. 1 IFG Bln zur Informationsgewährung verpflichtete öffentliche Stelle, ohne dass diese Verpflichtung infolge einer bun- desrechtlich angeordneten Geheimhaltungspflicht gemäß § 17 Abs. 4 IFG Bln durch die in § 76 BRAO geregelte Pflicht zur Wahrung der Verschwiegenheit ein- geschränkt ist. Die Beklagte kann den vom Kläger begehrten Informationszugang deshalb nicht mit der Begründung verweigern, der Vorstand, zur Mitarbeit heran- gezogene Rechtsanwälte oder Angestellte der Kammer würden ansonsten ihre Verschwiegenheitspflicht über die Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen bekannt wer- den, verletzen. § 76 Abs. 1 BRAO regelt nur eine personenbezogene Verschwiegenheitspflicht für die Mitglieder des Vorstandes und Personen, die Aufgaben der Kammer für den Vorstand wahrnehmen. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen in § 76 Abs. 2 und 3 BRAO, die sich mit dem Erfordernis ei- ner Aussagegenehmigung und den Voraussetzungen ihrer Erteilung befassen. Damit entspricht die Vorschrift der beamtenrechtlichen Regelung über die Amts- verschwiegenheit (§ 37 BeamtStG, § 50 LBG). Insoweit regelt § 5 IFG Bln aus- drücklich, dass mit der positiven Entscheidung über die Akteneinsicht oder Akten- auskunft auch die Erteilung einer Aussagegenehmigung für die zur Informations- gewährung berufenen Mitarbeiter zu verbinden ist. Mit der gleichsam automatisch vorzunehmenden Entbindung von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die – ebenfalls bundesrechtlich gere- gelte – Amtsverschwiegenheit der Informationsgewährung nicht nach § 17 Abs. 4 IFG Bln bereichsspezifisch entgegenstehen soll. Ein solcher Ansatz würde bewir- ken, dass Akteneinsicht oder Aktenauskunft entgegen dem Zweck des Gesetz auf Ausnahmefälle beschränkt wären, in denen die Informationen nicht der Amtsver- schwiegenheit unterliegen. Nichts anderes gilt für die Verschwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO. Auch sie enthält keine spezielle bereichsspezifische Geheimhaltungspflicht. Entgegen -9-
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-9- der Auffassung der Beklagten rechtfertigt der Wortlaut der Vorschrift, soweit die Verschwiegenheit auf die bekannt gewordenen Angelegenheiten über Rechtsan- wälte, Bewerber und andere Personen bezogen ist, nicht die Annahme, diese An- gelegenheiten unterlägen als solche besonderer Geheimhaltung. Die Vorschrift bezieht sich vielmehr auf die gesamte Tätigkeit des Vorstandes und schließt alle Aufgaben einschließlich des allgemeinen Vollzuges des Gesetzes (§ 33 BRAO) ein und erführe eine nicht gerechtfertigte Einschränkung, wollte man den Begriff der der Verschwiegenheit unterliegenden Angelegenheiten auf die über Rechts- anwälte, Bewerber und andere Personen bekannt gewordenen personenbezoge- nen Daten (§ 4 Abs. 1 BlnDSchG) beschränken. Soweit das Verwaltungsgericht mit der Entstehungsgeschichte der Norm argumentiert und dazu ausgeführt hat, dass die Personalakten über Rechtsanwälte früher bei den Landesjustizverwal- tungen geführt worden seien und man bei Verlagerung der Aktenführung zu den Rechtsanwaltskammern insoweit keine Änderung des § 76 BRAO vorgenommen habe, spreche gegen eine besondere Geheimhaltungspflicht für personenbezoge- ne Daten, ist dies im Lichte der zuvor gezogenen Parallele zur beamtenrechtli- chen Amtsverschwiegenheit zu verstehen. Solange die Personalakten der Rechtsanwälte bei der Landesjustizverwaltung geführt wurden, waren sie durch die Pflicht der Mitarbeiter zur Amtsverschwiegenheit vor dem Zugang Dritter ge- schützt; durch die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Rechtsanwaltskammer sollte kein weitergehendes Schutzregime geschaffen, insbesondere keine sach- bezogene Geheimhaltung für diese Personalakten angeordnet werden. Demge- genüber stellt die Annahme der Beklagten, das Unterbleiben einer Rechtsände- rung sei dahin zu verstehen, dass eine solche wegen des Bereichsbezuges der Verschwiegenheitspflicht nicht erforderlich war, eine petitio principii dar. Im Übri- gen hat das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt, dass es für die An- nahme einer Geheimhaltungspflicht im Sinne des § 17 Abs. 4 IFG Bln auch nicht genüge, wenn der (Bundes-)Gesetzgeber die Verschwiegenheitspflicht auf be- stimmte Informationen (hier: personenbezogene Daten) beschränkt. Maßgeblich ist vielmehr der besondere Schutzzweck der Norm. Eine Geheimhaltungspflicht ist nur zu bejahen, wenn die Norm dem (umfassenden) Schutz besonders sensibler Grundrechtsbereiche dient (zum Beispiel: Post- und Fernmeldegeheimnis, Sozial- geheimnis, Steuergeheimnis), wobei eine bloße grundrechtliche Drittbetroffenheit nicht    ausreichend   ist  (vgl. BVerwG,    Beschluss     vom    23.    Juni   2011 – BVerwG 20 F 21.10 – juris Rn. 12 zu § 99 Abs. 1 VwGO und § 9 Abs. 1 KWG). - 10 -
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- 10 - Ein solcher besonderer Schutzzweck ist nach der Natur der unter die allgemeine Verschwiegenheitspflicht fallenden Angelegenheiten und unter Berücksichtigung dessen, dass die BRAO abgesehen von der Regelung der Akteneinsicht in § 58 BRAO keine näheren Bestimmungen hierzu enthält, nicht erkennbar. 2. Dem Anspruch des Klägers steht aber das Ergebnis der nach § 6 Abs. 1 2. Alt IFG Bln geforderten Abwägung seines Informationsinteresses mit dem Interesse des Beigeladenen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten ent- gegen. a) Das Informationsinteresse des Klägers schließt allerdings den Anspruch nicht schon deshalb aus, weil er überwiegend Privatinteressen verfolgen würde (§ 6 Abs. 1 1. Alt IFG Bln); dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere reichen die vom Beigeladenen in seinen Schreiben an die Beklagte geäußerten Mutma- ßungen, der Kläger handele im Interesse eines ehemaligen Geschäftspartners, mit dem sich der Beigeladene überworfen habe, nicht aus. Es fehlt jede Tatsa- chengrundlage für eine Verbindung zwischen dem Kläger und dieser Person und es ist auch nicht ersichtlich, dass und warum sich der Kläger der Verfolgung von Privatinteressen eines ehemaligen Geschäftspartners des Beigeladenen ver- schrieben haben sollte. Vielmehr hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nochmals deutlich ge- macht, dass er journalistische Interessen verfolgt, indem er die Öffentlichkeit über „Seilschaften“ ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und deren berufliche Verankerung im wiedervereinigten Deutschland informieren und aufklären möchte. Teilaspekte dieses Interesses umfassten auch den Umgang der Behörden mit den vom Betroffenen beim Berufszugang zur Verfügung gestellten und zur Verfügung stehenden Informationen sowie im Einzelfall etwa vorliegende Täuschungshandlungen Betroffener, mit denen diese ihr berufliches Fortkommen unter den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen befördert hätten. Der Klä- ger hat überdies bekundet, dass sich für ihn nach Einsichtnahme in zum Beigela- denen vorhandene Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes Anhaltspunkte ergä- ben, dass der Beigeladene insoweit unwahre Angaben gemacht habe, die mög- licherweise auch die Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung gewesen seien, mit der der Beigeladene seine Zulassung erstritten habe. Der Kläger begehrt die - 11 -
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