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Aktenzeichen
9 L 382/14
Datum
9. Mai 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Potsdam am 9. Mai 2014

9 L 382/14

Das Verwaltungsgericht lehnt den Antrag auf einstweilige Anordnung zur Offenlegung der Prüfberichte des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) ab. Es beruft sich auf einen Ausnahmetatbestand des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes, der den Zugang zu Aufsichtsakten betrifft. Davon dürfte nach Auffassung des Gerichts nicht nur die mit entsprechenden Aufsichtsmitteln versehene staatliche Aufsicht im Rahmen der innerstaatlichen Staatsorganisation geschützt sein, sondern auch, wie hier, eine funktional unabhängige Behörde, die im Auftrag der Europäischen Kommission tätig wird. (Quelle: LDA Brandenburg)

Aufsichtsaufgaben Strafverfolgung

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VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM BESCHLUSS VG 9 L 382/14 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren d_____, Antragstellers, gegen d_____, Antragsgegner, wegen Akteneinsicht; hier: vorläufiger Rechtschutz hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 9. Mai 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski und den Richter am Verwaltungsgericht Weißmann beschlossen: 1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründe:
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-2- Der Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Akteneinsicht in die EFRE-Prüfberichte der Jahre 2011 und 2012 zu gewähren, soweit sich diese zu Fördermaßnahmen bei der Human BioSciences GmbH (HBS) verhalten, hat keinen Erfolg. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Ge- richt, auch schon vor Klageerhebung, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit seines Begehrens (Anordnungsgrund) glaubhaft macht. Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung – wie hier – die Hauptsache vorweg, setzt dies überdies voraus, dass die Regelung schlechterdings notwendig ist, weil die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären, und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht; vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage 2012, § 123 Rn. 14 m.w.N. An einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache fehlt es. Dabei lässt die Kammer dahinstehen, dass der Antragsteller selbst einen entsprechenden Antrag bei dem Antragsgegner gar nicht gestellt hat, dieser vielmehr von einer Journalistin im eigenen Namen, aber unter der Anschrift des Antragstellers gestellt wurde. Denn es kann bei der in diesem Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht davon ausgegangen werden, dass ein An- spruch des Antragstellers auf Akteneinsicht in die in Rede stehenden Prüfberichte -3-
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-3- des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklungen (EFRE) in hohem Grad wahr- scheinlich ist. Sofern sich der Antragsteller als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt auf das von ihm geltend gemachte Akteneinsichtsrecht gemäß § 1 des Akteneinsichts- und In- formationszugangsgesetzes (AIG) berufen kann, zur Frage der Anspruchsberechtigung juristischer Personen des Öffentlichen Rechts vgl. VG Potsdam, Beschluss vom 16. November 1998 - 2 L 873/98 -, Juris Rn. 25; zum IFG Scheel, in: Berger u.a., Informationsfreiheitsgesetz, 2013, § 1 Rn. 21; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2009, § 1 Rn. 58 ff., wonach jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten hat, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten, dürften dem jedenfalls öffentliche Interessen im Sinne von § 4 Abs. 1 AIG entgegenstehen, aufgrund derer die begehr- te Akteneinsicht zwingend abzulehnen ist. Der Antragsgegner hält dem Antrag des Antragstellers entgegen, dass durch die Gewährung von Einsicht in die         EFRE- Prüfberichte Akten offenbart würden, die im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG der Auf- sicht über eine andere Stelle dienen oder gedient haben. Der Antragsgegner ist Prüfbehörde im Sinne von Art. 62 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999. Gemäß Abs. 1 dieser Bestim- mung kommt ihm die Aufgabe zu, zu gewährleisten, dass das effektive Funktionieren des Verwaltungs- und Kontrollsystems für das operationelle Programm geprüft wird, und sicherzustellen, dass Vorhaben anhand geeigneter Stichproben im Hinblick auf die geltend gemachten Ausgaben geprüft werden. Der Antragsgegner hat vorgetra- gen, er prüfe als funktional unabhängige Behörde im Auftrag der EU-Kommission die Recht- und Ordnungsmäßigkeit des dem Fördermittelbescheid zugrunde liegende Verwaltungshandelns der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) und des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten. Hierbei mag es sich zwar nicht um Aufsicht im Rahmen der rein nationalen Staatsorganisation handeln; die Prüfungstätigkeit des Antragsgegners steht vielmehr im Zusammenhang mit der Tä- -4-
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-4- tigkeit der Europäischen Kommission. Auch stehen dem Antragsgegner offenbar kei- ne speziellen Aufsichtsmittel zu, wie sie ansonsten im Bereich der staatlichen Auf- sicht bekannt sind. Jedoch ist das grundlegende Merkmal der Aufsicht, nämlich die Kontrolle einer staatlichen Stelle durch eine andere Stelle erfüllt. Dass der Ableh- nungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG nur die mit entsprechenden Aufsichtsmitteln versehene staatliche Aufsicht im Rahmen der innerstaatlichen Staatsorganisation schützen soll – wie der Antragsteller offenbar meint – vermag die Kammer nicht zu erkennen. Jedenfalls ist es nicht in hohem Grade wahrscheinlich, dass der Antrag- gegner dem Akteneinsichtsbegehren des Antragstellers diesen Ablehnungsgrund zu Unrecht entgegenhält. Im Übrigen könnte der begehrten Akteneinsicht auch entgegenstehen, dass das Be- kanntwerden des in Rede stehenden Akteninhalts Belange der Strafverfolgung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 4 AIG beeinträchtigen könnte. Die Fördermaßnahmen bei der HBS, für die sich der Antragsteller interessiert, weisen ersichtlich einen Bezug zu dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen einen Verantwortlichen der HBS und weitere Beschuldigte wegen besonders schweren Falls des Betrugs zum Nach- teil der ILB auf; vgl. Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Potsdam vom 15. Januar 2014 - Ermittlungsverfahren gegen einen Verantwortlichen der Human BioSciences GmbH und weitere Beschuldigte –, Internetauftritt der Staatsanwaltschaft Potsdam. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die in Rede stehende Akteneinsicht durch den Antragsteller Belange der Strafverfolgung beeinträchtigen könnte; immerhin ermittelt die Journalistin des Antragstellers offensichtlich gerade in diesem Zusammenhang; vgl. Beschluss der 11. Kammer des Gerichts vom 7. Mai 2014 – VG 11 L 328/14 –. -5-
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-5- Bei dieser Sachlage besteht für die Annahme eines hohen Grades an Wahrschein- lichkeit dafür, dass nicht auch der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 4 AIG vor- liegt, kein Raum. Sonstige rechtliche Grundlagen, die den geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch stützen könnten, sieht die Kammer nicht. Dies gilt insbesondere für das Pressege- setz des Landes Brandenburg (BbgPG), auf das der Antragsteller sich stützt, denn § 5 Abs. 1 BbgPG begründet grundsätzlich nur einen Anspruch auf Auskunft und nicht auf Akteneinsicht bzw. Herausgabe von Unterlagen; vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 30. Mai 2013 - VG 9 L 34/13 -, Juris Rn. 10; ferner Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, § 4 LPG Rn. 2, 78 m.w.N. Für den rundfunkrechtlichen Auskunftsanspruch gemäß § 9a des Rundfunkstaatsver- trages dürfte das Gleiche gelten. Ebenso wenig kommt – auch insoweit unterstellt, der Antragsteller kann sich hierauf als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt berufen - ein unmittelbarer Anspruch aus Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) in Betracht. Da          die landesrechtlichen Regelungen – jedenfalls soweit hier von Bedeutung – dessen An- forderungen genügen dürften, ist für einen Rückgriff auf Art. 21 Abs. 4 LV kein Raum; vgl. Beschluss der Kammer vom 30. Mai 2013 - VG 9 L 34/13 -, Juris Rn. 13; ferner Breidenbach/Palenda, LKV 1999, 1307 (1308); a.A. Partsch, NJW 1998, 2559 (2560); zur Bedeutung und Einordnung des weitreichenden Maß- gabevorbehalts in Art. 21 Abs. 4 vgl. Iwers, in: Lieber u.a., Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 21 Ziff. 5.1. m.w.N.; Winterhager, Der Anwen- dungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Lan- des Brandenburg, 2001, S. 65 ff. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes; -6-
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-6- von einer Reduzierung des Streitwerts ist angesichts der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberver- waltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Fried- rich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntga- be der Entscheidung schriftlich einzulegen. Sie kann stattdessen auch in elektroni- scher Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam ein- gereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektroni- schen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen ist (s. zu diesem Einrei- chungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorge- legt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenberg- straße 31, 10623 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes auf dem unter www.berlin.de/erv veröffentlichten Kommunikationsweg einzureichen. Sie muss ei- nen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung aus- einander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde. Gegen den Beschluss zu 2. ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Be- schwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätz- licher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen wird. Die Be- schwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam in der genannten Form oder zu Protokoll der Geschäftsstelle innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entschei- dung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig er- ledigt hat, einzulegen; der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Kaufhold                            Stüker-Fenski                       Weißmann
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