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Aktenzeichen
4 K 2911/13
Datum
24. Februar 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Gießen
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Gießen am 24. Februar 2014

4 K 2911/13

Ein Jobcenter fällt unter das Informationsfreiheitsgesetz. Zwar ist fraglich, ob eine unter dem nicht aus der deutschen Sprache herrührenden Begriff "Jobcenter" firmierende Einrichtung eine deutsche Verwaltungsbehörde sein kann, ein Jobcenter geriert sich aber zumindest als Bundeseinrichtung im Sinne des IFG und gibt sich damit den "touch" einer Behörde. Die Durchwahlnummern aller Mitarbeiter eines Jobcenters stellen sich als amtliche Informationen dar, die auf Antrag offen zu legen sind. Ausschlussgründe stehen nicht entgegen. Weder die öffentliche Sicherheit noch die Funktionsfähigkeit des Jobcenters oder Individualrechtsgüter der Mitarbeiter sind (konkret) gefährdet. Die telefonische Kommunikation mit dem Bürger ist selbst Teil behördlicher Aufgabe. Einem Rechtsanwalt als unabhängiges Organ der Rechtspflege steht ein erhöhtes Informationsbedürfnis zur Seite. Die Namen und Telefonnummern der Mitarbeiter sind personenbezogene Daten und die Interessenabwägung geht zu Gunsten des Informationsinteresses aus. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Interessenabwägung Personenbezogene Daten Sicherheitsaspekte

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Geschäftsnummer 4 K 2911/13.GI VERWALTUNGSGERICHT GIESSEN Verkündet am: 24.02.2014 L. S. X. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Im Namen des Volkes Urteil In dem Verwaltungsstreitverfahren Rechtsanwalt A., A-Straße, A-Stadt, -- Kläger, gegen das Jobcenter Gießen, vertreten durch den Geschäftsführer Y., Nordanlage 60, 35390 Gießen, -- Beklagter, wegen       Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat das Verwaltungsgericht Gießen - 4. Kammer - durch Richter am VG Höfer als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2014 für Recht erkannt: 1. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2013 und dessen Wider- spruchsbescheid vom 7. November 2013 werden aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Zugang zur aktuellen Diensttele- fonliste des Beklagten zu gewähren, die die dienstlichen Telefonnum- mern der Fallsachbearbeiter zu enthalten hat. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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-2- 3. Das Urteil ist wegen der außergerichtlichen Kosten des Klägers vorläu- fig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicher- heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Tatbestand Der Kläger begehrt mit seiner Klage Einsicht in die Diensttelefonliste der sachbear- beitenden Mitarbeiter des Beklagten. Mit Schreiben vom 14.01.2013 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Über- sendung der aktuellen Diensttelefonliste mit den Durchwahlnummern der Sachbear- beiter. Mit Bescheid vom 12.07.2013 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Einsicht in die Telefonliste der Mitarbeiter bestehe nicht. Nach § 5 Abs. 4 IFG unterlägen ein- fache Mitarbeiterdaten (Name, Telefonnummer etc.) die Ausdruck und Folge der amt- lichen Tätigkeit seien zwar generell nicht der Geheimhaltung, da es jedoch hier um die Herausgabe von Mitarbeiterdaten (z.B. Namens-, Adress-, Telefonlisten oder Ge- schäftsverteilungsplänen) gehen würde, die aufgrund ihrer Aufschlüsselung nicht un- ter § 11 Abs. 2 IFG (Zugang zu allgemeinen anonymisierten Organisationsplänen) fielen, handele es sich nicht um einen Fall nach § 5 Abs. 4 IFG, sondern nach Abs. 1. Demzufolge müsse eine Abwägung der gegenläufigen Interessen stattfinden bzw. die Einwilligung aller Mitarbeiter eingeholt werden. Eine Einwilligung der Mitarbeiter kön- ne von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Abwägung der Interessen ergebe, dass der Schutz der Mitarbeiter das Informationsinteresse des Klägers überwiege. Insoweit sei in konfliktträchtigen Arbeitsfeldern - wie hier - dem Mitarbeiterschutz Vor- rang zu gewähren, denn die telefonische Erreichbarkeit sei bereits durch das vorhan- dene Service-Center sichergestellt. Eine Herausgabe der Telefonlisten erleichtere auch grundsätzlich nicht die Erreichbarkeit der zuständigen Mitarbeiter. Zudem müs- se zum Schutz der Mitarbeiter gewährleistet sein, dass diese ihre Aufgaben, die meist in der Durchführung von Beratungsgesprächen lägen, störungsfrei ausüben könnten.
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-3- Im Übrigen müsse der Beklagte, als Arbeitgeber, auch teilweise entstandenen bzw. entstehenden Bedrohungslagen für seine Mitarbeiter entgegenwirken. Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 22.07.2013 Wi- derspruch ein. Er begründete seinen Widerspruch damit, dass ihm ein Anspruch auf Zugang zur Telefonliste aus §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 4 IFG zustehe. Bei den Tele- fonnummern handele es sich um amtliche Informationen i.S.d. § 2 Nr. 1 IFG. Aus- schlussgründe nach den §§ 3,4, und 6 IFG seien nicht gegeben. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei nicht gegeben. Insbesondere sei eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Jobcenters nicht ersichtlich, da es sich bei der telefonischen Kommunikation mit dem Bürger um einen Teil behördlicher Aufgaben handele. Die Mitarbeiterdaten, also u.a. Name und Telefonnummer, seien Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeiten, weshalb ein Informationszugang nicht ausgeschlossen sei. Als Teil einer öffentlichen Einrichtung hätten Mitarbeiter im Rahmen ihrer amtlichen Tä- tigkeit auch kein subjektiv öffentliches Recht darauf, dass ihre dienstliche Telefon- nummer geheim gehalten werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zu- rück. Zur Begründung widerholte und vertiefte er sein Vorbringen aus dem Ableh- nungsbescheid vom 12.07.2013. Ergänzend führte er aus, dass die Mitarbeiter auf- grund meist umfangreicher Sachverhalte und Rechtsfragen eine gewisse Zeit bräuch- ten, um sich in die jeweilige Verwaltungsakten einzufinden. Deshalb sei eine direkte Durchwahl zu dem jeweiligen Sachbearbeiter nicht zielführend, da dieser dann zu- nächst die Verwaltungsakte heranziehen müsse, um den Sachverhalt zu prüfen. Das eingerichtete Service-Center diene den Mitarbeitern u.a. als Möglichkeit der Einsicht- nahme für die Dauer der Weiterleitung. Im Übrigen biete das Service-Center ausrei- chende Kommunikationsmöglichkeiten, denn es sei eine Eingangszone für persönli- che Vorsprachen und ein Service-Center für telefonische Anfragen eingerichtet wor- den. Ferner sei durch den Zugang zur Diensttelefonliste des Beklagten ein erhebli- cher Eingriff in dessen Organisationsstruktur zu befürchten.
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-4- Am 13.11.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung widerholt und vertieft er seinen Vortrag zur Widerspruchsbegrün- dung vom 22.07.2013. Zudem führt er aus, die Ablehnung der Bekanntgabe der Diensttelefonliste habe nachteilige Auswirkungen auf die Rechtspflege. Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2013 und dessen Widerspruchs- bescheid vom 07. November 2013 aufzuheben und den Beklagten zu ver- pflichten dem Kläger Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten zu gewähren, aus der die Diensttelefonnummern der sachbearbeitenden Mitarbeiter ersichtlich sind. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er tritt dem Vorbringen des Klägers im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertie- fung der Begründung des Ablehnungs- und des Widerspruchsbescheids entgegen. Seiner Klageerwiderungsschrift hat der Beklagte eine Liste der Durchwahlnummern der Mitarbeiter der Stabstelle Recht beigefügt. Mit Beschluss vom 16.12.2013 hat die Kammer, nachdem den Beteiligten zuvor Ge- legenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten des Beklagten, die allesamt Ge- genstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist begründet. Die Ablehnung der Einsicht in die aktuelle Diensttelefonliste mit den Durchwahlnum- mern der Sachbearbeiter des Beklagten durch den Bescheid vom 12.07.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger
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-5- in seinen Rechten. Der Kläger hat nach §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 4 IFG Anspruch auf Zugang zur aktuellen Diensttelefonliste des Beklagten (§113 Abs.1 Satz1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Streiten die Beteiligten, wie im vorliegenden Fall, um die Frage der Gewährung des begehrten Informationszugangs nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu In- formationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG -), geht es in der Sache um den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG hinsichtlich des „ob“ der Informationsgewährung, so dass statthafte Klageart zur Durchsetzung dieses Anspruchs die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Vari- ante 2 VwGO ist. Diese rechtliche Qualifikation der Entscheidung über den Informati- onszugangsanspruch als Verwaltungsakt findet seine Stütze auch im Gesetz, denn nach § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG ist gegen die eine Informationserteilung ablehnende Ent- scheidung die Verpflichtungsklage statthaft. Nach § 1 Abs. 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Be- hörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Der Beklagte ist als sonstige Bundesein- richtung anspruchsverpflichtet. Der Anspruch auf Informationszugang nach § 1 IFG richtet sich zwar originär gegen die Behörden des Bundes. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gilt dieses Gesetz aber auch für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Ver- waltungsaufgaben wahrnehmen. Das tut der Beklagte für den hier fraglichen An- spruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach dem IFG gemäß § 50 Abs. 4 Satz 2 SGB II in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich, also auch für die Aufgaben der kommunalen Träger. Zwar hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei dem Beklagten um eine Behörde oder Bundeseinrichtung handelt. Nach § 23 Abs. 1 VwVfG ist die Amts- sprache und nach § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Bei der Bezeichnung „Jobcenter“ handelt es sich indes gerade nicht um eine aus der deutschen Sprache
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-6- herrührende Begrifflichkeit. Von daher ist mehr als fraglich, ob eine unter dem Begriff „Jobcenter“ firmierende Einrichtung eine deutsche Verwaltungsbehörde sein kann. Dies gilt ungeachtet dessen, dass im Bereich der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung in letzter Zeit vermehrt Anglizismen und andere Fremdworte Einzug gefunden haben, denn einer ordentlichen hoheitlichen deutschen Verwaltung ist auch eine deutsche Begrifflichkeit immanent. So gibt es in Hessen derzeit das „HCC– Hessisches Com- petence Center“, „Hessen Mobil“, „Hessisches Immobilienmanagement“ und auch bundesweit den Begriff „Agentur für Arbeit“, was aber noch nicht belegt, dass hiermit auch tatsächliche deutsche Verwaltungsbehörden gemeint sind; denn diese Bezeich- nungen können auch unschwer mit aussagekräftigen, althergebrachten und einpräg- samen Wörtern der deutschen Sprache belegt werden, etwa mit „Hessische Bu- chungsstelle“, „Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen“, „Hessische Liegenschaftsverwaltung“ oder schlicht „Arbeitsamt“, wie es früher auch üblich und –besser- verständlich war. Einer alten Verwaltungsstruktur einen Fremdnamen zu geben modernisiert weder die Verwaltung noch gibt es andere Notwendigkeiten zur Verwendung fremdsprachlicher Begrifflichkeiten. Auch in der Gerichtsbarkeit findet vermehrt der Ausdruck „E-justice“ Verwendung, was ebenfalls auf ein fehlendes oder aber zumindest fehlerhaftes deutsches Sprachbewusstsein schließen lässt, denn jus- tice bezeichnet gerade den altbewährten Begriff Gerichtsbarkeit. Dankenswerter Wei- se darf das Gericht noch als Verwaltungsgericht entscheiden und muss sich –noch- nicht „administrative court“ nennen und auch der HessVGH muss noch nicht als „hessian administrative court of appeal“ Recht sprechen. Aus Sicht des Gerichts ha- ben derartige Anglizismen oder andere Fremdworte weder in der deutschen Ge- richtsbarkeit noch im deutschen Behördenaufbau einen Platz. Bei weiterem Fort- schreiten derartiger sprachlicher Auswüchse erscheint infolge der verursachten Ver- wirrung die Funktionsfähigkeit des Verwaltungshandelns insgesamt gefährdet (vgl. Die Heilige Schrift, 1. Mose 11, Verse 1, 7-9). Auch die Bezeichnung des Beklagten hätte man besser bei der alten Begrifflichkeit „Sozialamt“ belassen und statt der neu- deutschen Bezeichnung „Kunden“ trifft der Begriff „Antragsteller“ den Kern der Sache besser, denn im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Kunde König, was im Aufga- benbereich des Beklagten wohl nur seltenst der Fall ist. Ungeachtet dieser Zweifel ist
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-7- aber der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts richtiger Beklagter und materiell passivlegitimiert, denn er geriert sich zumindest als Behörde bzw. Bundeseinrichtung mit der Folge, dass ihn auch der Anspruch aus dem IFG trifft. Der Beklagte handelt innerhalb der deutschen Rechtsordnung wie eine Behörde und gibt sich, um einmal in der Begrifflichkeit des Beklagten zu bleiben, auch den „touch“ einer Behörde. Er agiert hoheitlich und mittels Verwaltungsakt und ist damit im Rechtsverkehr demzu- folge auch wie eine Behörde zu behandeln. Bei den hier streitigen Telefonnummern handelt es sich um amtliche Informationen i. S. v. § 2 Nr. 1 IFG. Danach ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken die- nende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Sie erfasst alle For- men von festgehaltener und gespeicherter Information, die auf einem Informations- träger akustisch oder anderweitig gespeichert ist. Dieser sehr weit gefasste Begriff ist damit auch auf die dienstlichen Durchwahlnummern der Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des Beklagten anwendbar, die im Übrigen auch in § 5 Abs. 4 IFG erwähnt wer- den, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 05.08.2011 -2 K 765/11-; VG Leipzig, Urteil vom 10.01.2013 -5 K 981/11-; VG Aachen, Urteil vom 17.07.2013, -8 K 532/11- zu dem vergleichbaren § 4 IFG- NRW; VG Berlin, Urteil vom 23.10.2013, -2 K 294/12-). Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil es im vorliegenden Fall nicht um die dienstliche Telefonnummer eines einzelnen Mitarbeiters im Zusammenhang mit ei- nem konkreten Verwaltungsvorgang, sondern losgelöst hiervon um die Telefondurch- wahlliste aller Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter mit Außenkontakt geht. § 2 Nr. 1 IFG selbst enthält keine Einschränkung des Informationsanspruches auf einen konkreten Verwaltungsvorgang. Eine solche stünde auch nicht in Einklang mit dem Grundsatz des § 1 Abs. 1 IFG, der gerade keine weiteren Einschränkungen auf eine besondere Betroffenheit oder auf konkrete Verwaltungsvorgänge enthält. Insbe- sondere genügt es auch nicht, dass der Beklagte in seiner Klageerwiderung eine Te- lefonliste mit den Durchwahlnummern der Mitarbeiter der Stabstelle Recht beifügt. Dies genügt dem Informationsanspruch des Klägers insoweit nicht, als er einen An-
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-8- spruch auf Zugang zu sämtlichen Durchwahlnummern der Mitarbeiter des Beklagten hat, da auch die sonstigen Sachbearbeiter dienstlich in Außenkontakt stehen. Dem Informationsfreiheitsgesetz lässt sich auch sonst keine Einschränkung dahin entnehmen, die Telefonlisten amtlicher Stellen seien als solche keine amtlichen In- formationen i. S. v. § 2 Nr. 1 IFG. In § 11 Abs. 2 IFG ist zwar geregelt, dass Organi- sations- und Aktenpläne ohne Angabe personenbezogener Daten allgemein zugäng- lich zu machen sind. Telefonlisten kommen einem solchen Organisationsplan gleich. Denn sie sind um ihrer Handhabbarkeit willen üblicher- und sinnvollerweise nach der Organisation der Behörde strukturiert. § 11 Abs. 2 IFG lässt sich aber nur ein Hand- lungsgebot an die Behörden zu einem Mindeststandard an Transparenz entnehmen, ohne deren Personalisierung auszuschließen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2007 - 2 A 10413/07-). Eine Beschränkung des Informationsanspruchs zu Las- ten des Bürgers im Sinne eines Ausschlusstatbestands zum Informationsanspruch enthält § 11 Abs. 2 IFG hingegen bereits dem Wortlaut nach nicht. Dies lässt sich auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493 S. 16 zu § 11 Abs. 2 IFG) entneh- men, in der es heißt, dass Geschäftsverteilungspläne, die Namen, dienstliche Ruf- nummer und Aufgabenbereich des einzelnen Mitarbeiters enthalten, nicht der Offen- legungspflicht des § 11 Abs. 2 IFG unterlägen. Sie seien als sonstige amtliche Infor- mation - vorbehaltlich etwaiger Ausnahmetatbestände - nur auf Antrag mitzuteilen. Der Gesetzgeber hat die vorliegende Problematik also nicht nur gesehen, sondern geht zudem davon aus, dass Listen mit amtlichen Durchwahlnummern dem allgemei- nen Informationsanspruch des § 1 Abs. 1 IFG i. V. m. § 2 Nr. 1 IFG unterliegen, wenn auch nur auf Antrag. Ferner stehen dem Anspruch des Klägers auf Auskunft über die Diensttelefonliste der Mitarbeiter des Beklagten keine Ausschlussgründe nach den §§ 3 ff. IFG entgegen. Insbesondere greift auch nicht der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG, in dem es heißt, dass das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden könnte, worauf sich der Beklagte beruft. Öffentliche Sicherheit bedeutet die Unver- sehrtheit der Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstal-
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-9- tungen des Staates sowie die Unversehrtheit von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigen- tum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl. Schoch, IFG-Kommentar, 2009, § 3 Rdnr. 103). Entgegen der Ansicht des Beklagten spricht nichts dafür, dass die Funktionsfähigkeit des Beklagten bei Bekanntgabe der dienstlichen Telefonnummern infrage gestellt wäre, insbesondere, dass die Arbeit einer ganzen Behörde lahm gelegt wird, wenn ihre Mitarbeiter direkt telefonisch erreichbar sind. Die telefonische Kommunikation mit dem Bürger ist selbst Teil behördlicher Aufgabe. Es ist Ausdruck modernen staatli- chen Selbstverständnisses, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen un- mittelbar sicherzustellen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a. a. O.), und zwar auch in so- genannten Massenverfahren und auch und gerade in Bereichen, wo es um die sozi- ale Existenz gehen kann. Der Rest ist eine Frage der Organisation, etwa soweit er- forderlich über Telefonzeiten. Bereits die Tatsache, dass andere Jobcenter sowie ei- ne Vielzahl anderer Behörden in Deutschland die Liste der Durchwahlnummern ihrer amtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Internet zur Verfügung stellen, spricht gegen eine solche Gefahr der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Beklagten. Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit gewährleistet zudem, dass ne- ben dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes auch Individualrechtsgüter geschützt werden (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 10 zu § 3 Nr. 2 IFG). Hinsichtlich der Gefährdung eines Schutzguts, unter welches auch die Individual- rechtsgüter der Mitarbeiter fallen würden, sind jedoch keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer konkreten Gefahrenlage ersichtlich. Für eine Gefährdung des Schutz- guts durch das Bekanntwerden der Informationen genügt keine abstrakte Gefahr, da es bei der Gesetzesanwendung um die Beurteilung eines Einzelfalles geht. Eine Ge- fahr ist nur gegeben, wenn aus der Sicht ex ante bei ungehindertem Geschehensab- lauf, d.h. im Falle der Gewährung des begehrten Informationszugangs, unter verstän- diger Würdigung der Sachlage in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlich- keit ein Schaden für das Schutzgut einträte (vgl. Schoch, IFG-Kommentar, 2009, § 3 Rdnr. 108). Ein Hinweis seitens des Beklagten, dass es solche Fälle bereits in der
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- 10 - Vergangenheit gegeben habe, die in tragischen Einzelfällen bis hin zu Tötungsdelik- ten reichten, genügt nicht zur Begründung einer solchen Gefahrenlage. Dieser Hinweis des Beklagten ist vom Gericht bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil es echte Gefahrenlagen infolge bloßer Telefonanrufen nicht geben kann. Es ist weder möglich, telefonisch einen Anschlag auf die Behörde als solche zu verüben noch auf einzelne Mitarbeiter der Behörde. Zwar mögen Mitarbeiter durch Telefonan- rufe genervt und in ihrer täglichen Arbeit beeinträchtigt sein, indes genügt dies nicht für die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und erst Recht nicht für die Annahme, eine derartige Gefahr habe sich bereits zum Schadens- eintritt verdichtet oder könne sich zum Schadenseintritt verdichten. Hierbei verkennt der Beklagte des Weiteren, dass es sich bei dem Kläger um einen Rechtsanwalt handelt, dem ein erhöhtes Informationsbedürfnis zur Seite steht. Nach § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung ist nämlich ein Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Diese einfachgesetzliche Regelung sowie die weiteren Re- gelungen über das Berufsbild des Anwalts in §§ 2, 3 der Bundesrechtsanwaltsord- nung verfügen über eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG, so dass sich das rechtliche Interesse des Klägers – auch – aus seiner Stellung als Organ der Rechtspflege ergibt. Der Beruf des Rechtsanwalts ist ein staatlich gebundener Vertrauensberuf, der eine auf Wahrheit und Gerechtigkeit verpflichtete amtsähnliche Stellung beinhaltet. Der Rechtsanwalt übt seinen Beruf selbstbestimmt, frei und unreglementiert aus, soweit dies nicht durch verfassungs- konforme Regelungen im Sinne des Grundrechts der Berufsfreiheit beschränkt wird. Er hat die Aufgabe zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen und das Gericht vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und diesen vor verfassungswidriger Beeinträchtigung oder staatlicher Machtüberschrei- tung zu schützen, was auch und insbesondere in einem behördlichen Verwaltungs- verfahren gilt. Er soll dabei insbesondere die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes bewahren. In dieser Stellung des Rechtsanwalts spiegeln sich die Verfahrensgrundrechte der von ihm vertretenen Rechtssuchenden. Das Recht des Bürgers, sich eines Rechtsanwalts bei der Durchsetzung seiner Ansprüche zu bedienen, ist eine wesentliche Folgerung aus dem Rechtsstaatsprinzip und grund-
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