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Aktenzeichen
15 O 58/14
Datum
11. Februar 2014
Gericht
Landgericht Berlin
Gesetz
Sonstige
Sonstige

Beschluss: Landgericht Berlin am 11. Februar 2014

15 O 58/14

Die Entscheidung des (Zivil)Gerichts beschäftigt sich mit der Frage eines urheberrechtlichen Verbots der Veröffentlichung eines nach dem IFG (Bund) herausgegebenen Dokuments. Hintergrund war die Abmahnung der Betreiber der Plattform Frag den Staat durch das Bundesinnenministerium, welches die Veröffentlichung eines internen Vermerks als Urheberrechtsverstoß ansah. Das Rechtsgutachten des Bundesinnenministeriums betreffend das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der 5%-Sperrklausel unterfällt nicht dem Schutz des Urheberrechtsgesetzes. Die Urheberrechtsfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials. Die in dem Vermerk enthaltenen Schlussfolgerungen sind danach nicht schutzwürdig. (Quelle: LDA Brandenburg)

Begriffsbestimmung Veröffentlichung von Informationen Urheberrecht

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Landgericht Berlin Beschluss Geschäftsnummer: 15 O 58/14                                         11.02.2014 In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnn , Antragstellerin, - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte nnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnn ,- gegen 1. nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnnnn , 2. nnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn nnnnnnnnnnnnnnnnn , Antragsgegner, - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte nn nnnnnnnnnnnnnnnnnn ,- hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin am 11. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht nnnnnnn und die Richter am Landgericht nnn und nnnn beschlos- sen: 1. Der Antrag der Antragstellerin vom 6. Februar 2014 auf Erlass einer einstwei- ligen Verfügung wird zurückgewiesen. AVR1
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2 2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Der Verfahrenswert beträgt 6.667,00 Euro. Gründe: Die Antragstellerin begehrt ein urheberrechtliches Verbot, die als Anlage AST 3 beigebrachte Vor- lage vom 16. November 2011, auf deren Inhalt verwiesen wird, öffentlich zugänglich zu machen. Die Vorlage wurde durch den Regierungsdirektor nnnnnnnnnn und den Ministerialrat nnnnn verfasst. Beide versichern an Eides statt, „alle Nutzungs- und Verwertungsrechte“ an dieser Vorla- ge im Rahmen ihres Dienstverhältnisses mit Übergabe der Vorlage dem Bundesministerium des Innern übertragen zu haben (Anlagenkonvolut AST 4). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil kein Verfügungsan- spruch besteht. Die Antragstellerin stützt ihr Begehren ausschließlich auf das Urheberrecht. Ein Unterlassungsan- spruch nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG setzt unter anderem voraus, dass der betroffene Text urhe- berrechtlich schutzfähig ist. Das ist bei dem streitgegenständlichen Text auch unter Anlegung des Maßstabs der kleinen Münze nicht der Fall. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UrhG Sprachwerke wie Schriftwerke, soweit es sich dabei um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Die streitgegenständliche Vorlage beinhaltet eine rechtsgutachterliche Befassung mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer 5-Prozent-Sperrklausel im Hin- blick auf eine 2,5-Prozent-Sperrklausel. Das Schriftwerk ist daher dem (rechts-) wissenschaftli- chen Bereich zuzuordnen. Bei wissenschaftlichen Werken findet der erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Nie- derschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anord- nung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne weiteres auch, wie meist bei literarischen Werken, in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich
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3 gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinander- reihung des Materials (BGH - I ZR 213/83 -, Urteil vom 17. April 1986 - Anwaltsschriftsatz; OLG München - 29 W 2325/07 -, Beschluss vom 16. Oktober 2007). Dabei beschränkt sich der urhe- berrechtliche Schutz wissenschaftlicher Werke grundsätzlich auf die Formgestaltung, während die inhaltlichen Elemente ungeschützt bleiben. Die in der Vorlage enthaltenen inhaltlichen Schlussfol- gerungen sind nicht schutzfähig, sondern jeder ist frei, dieselben rechtswissenschaftlichen Ge- danken zu pflegen und Schlüsse zu ziehen, Art. 5 Abs. 3 GG. Eine urheberrechtlich geschützte Leistung kann daher nur in der eigentümlichen Auswahl, Anordnung, Einteilung und / oder Darstel- lung des behandelten Stoffes liegen. Die Antragstellerin hat nicht dargetan und es ist auch sonst nicht festzustellen, dass der streitge- genständliche Text diesen Anforderungen genügt. Die Unterteilung des Textes in Votum, Sachverhalt und Stellungnahme ist üblich und nicht eigen- tümlich, dazu trägt die Antragstellerin auch nichts Gegenteiliges vor. Der Text ist von herkömmlichen Denkkategorien geprägt. Aufbau und Einordnung des Tatsa- chenmaterials und der rechtlichen Gesichtspunkte folgen nach einem für rechtswissenschaftliche gutachterliche Stellungnahmen üblichen Schema. Die Verfasser haben in ihrer Stellungnahme eine einschlägige Norm wiedergegeben und sich unter Berufung auf eine Literaturfundstelle mit der Reichweite dieser Norm befasst, um sich sodann mit dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts und der vorgegebenen Frage, was sich daraus für eine 2,5-Prozent-Sperrklausel ergibt, auseinanderzusetzen. Dazu haben die Verfasser das Urteil auf eine systematisch und darstelle- risch routinemäßige Weise ausgewertet, indem sie sich zunächst mit den Obersätzen und sodann mit den Einzelbegründungen und einzelnen Ausführungen des Urteils befassten und dabei jeweils Teile des Urteils zitierten und durch eigene Hervorhebungen und verbindende Anmerkungen die eigenen Schlussfolgerungen zogen und begründeten. Die Stellungnahme ist nach Sprache, Ge- dankenführung und Gliederung alltäglich, ohne dass die Ausnutzung eines individuellen Gestal- tungsspielraums zu erkennen ist. Die Verfasser haben in der gebräuchlichen Fachsprache formu- liert und sich üblicher Formulierungen bedient, ohne dass in dem Text eigenschöpferische Züge zu erkennen sind. Dem Gericht sind aus der ständigen Befassung mit eigenen und fremden gut- achterlichen Auswertungen von einzelnen Urteilen in Bezug auf konkrete Fragestellungen viele nach Inhalt und Zweck vergleichbare Schriftwerke bekannt. Im Vergleich mit solchen vorbeste- henden Gestaltungen ist eine schöpferische Eigenheit der streitgegenständlichen Vorlage und
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4 deren deutliches Überragen des Alltäglichen und Handwerksmäßigen hier nicht festzustellen. Die- se ist auch nicht damit zu begründen, dass die Verfasser der Vorlage etwa aus einer umfangrei- chen Materialsammlung und komplizierten Materie eine übersichtlich und eingängige Darstellung geschaffen hätten. Die Vorlage lässt eine Auseinandersetzung mit anderen Gerichtsentscheidun- gen oder rechtswissenschaftlichen Äußerungen nicht erkennen, sondern sie beschränkt sich auf eine Auswertung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2011 und konzent- riert sich dabei auf eine Auswahl einschlägiger Zitate aus diesem Urteil, um damit Schlussfolge- rungen für die konkrete Fragestellung zu ziehen und zu begründen. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei der streitgegenständlichen Vorlage daher nicht um ein Werk im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs war bereits aus diesem Grunde zu verneinen, ohne dass es hier noch auf dessen weitere Voraussetzungen ankam, so dass es dazu keiner näheren Ausführungen bedarf. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und legt den von der Antragstellerin in ihrer Abmahnung mit 10.000,00 € angesetzten Gegenstandswert zu Grunde. Der Gegenstandswert entspricht einem Streitwert in der Hauptsache, von dem für das nur vorläufige Eilverfahren zwei Drittel anzusetzen sind. nnnnnnn                                    nnn                                         nnnn
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