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Aktenzeichen
2 K 254.12
Datum
16. Januar 2014
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 16. Januar 2014

2 K 254.12

Zum Zweck des Arbeitsschutzes erhobene Messwerte über die Belastung von Betrieben mit bestimmten Chemikalien fallen unter den Begriff der Umweltinformationen ("menschliche Gesundheit und Sicherheit"). Die Informationen liegen dem Beklagten im Rahmen einer elektronischen Datenbank vor. Diese kann mittels einer Suchfunktion elektronisch durchsucht werden. Ein unverhältnismäßiger Aufwand ist für ein solches Aussortieren der fraglichen Informationen nicht zu erkennen. Dem Kläger sind die Informationen daher in der von ihm begehrten elektronischen Form zugänglich zu machen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Allgemein zugängliche Quelle Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Missbräuchliche Antragstellung Begriffsbestimmung

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VG 2 K 254.12 Verkündet am 16. Januar 2014 Kelm Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache des Klägers, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen den Beklagten, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2014 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Schulte, den Richter am Verwaltungsgericht Hömig, die ehrenamtliche Richterin Westphal und die ehrenamtliche Richterin Cenowa für Recht erkannt: Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. -2-
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-2- Im Übrigen wird der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2012 ver- pflichtet, dem Kläger Zugang zu den folgenden Informationen unter den la u- fenden Nummern der Anlage B 5 zum Beklagtenschriftsatz vom 8. Januar 2014 betreffend die durch die Berufsgenossenschaften im Zeitraum 2000 bis 2009 durchgeführten Messungen der Chrom(VI)-Verbindungen (in elektroni- scher Form) zu gewähren: Laufende Nummern 1, 2, 7, 9, 10, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 77, 78, 87, 88, 96, 97, 113, 138, 156, 157, 185, 186, 18 7, 188, 193, 194, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 229, 230, 252, 264, 270, 275, 276, 305, 310, 437, 438, 441, 444, 451 und 453 sowie die Gruppenzuordnung zu Branchen- und Arbeitsbereichen aus dem MEGA-Report. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des je- weils zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand Der Kläger, ein Verein zur Wahrung von Einsatz und Nutzung von Chrom(VI) - Verbindungen in der Oberflächentechnik, erstrebt Zugang zu Informationen des Be- klagten, dem Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand mit Sitz in Berlin. Hintergrund des Informationsbegehrens ist, dass der Beklagte im April 2010 - aktua- lisiert im Februar 2012 - durch das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzli- chen Unfallversicherung (IFA) auf der Grundlage von in den Jahren 2000 bis 2009 von den Berufsgenossenschaften vorgenommenen betrieblichen Messungen einen Report mit dem Titel „MEGA-Auswertungen zur Erstellung von REACH-Expositions- szenarien für Chrom(VI)-Verbindungen (2000 bis 2009) in Deutschland“ (im Folgen- den: MEGA-Report) erstellt hatte, welcher sich mit den Auswirkungen von Chrom(VI)-Verbindungen am Arbeitsplatz befasst. Obgleich dessen Ergebnisse durch eine vom Kläger beim Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Autom a- tisierung in Auftrag gegebene gutachterliche Stellungnahme in Zweifel gezogen wor- den war, weil - so heißt es in der Stellungnahme - die Qualität der verwendeten Da- ten nicht nachvollziehbar sei, sah die Europäische Kommission - initialisiert durch die -3-
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-3- Bundesanstalt für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin unter Verweis auf den ME- GA-Report - Anfang 2012 vor, die Substanzen Chromtrioxid und Chromsäure in den Anhang XIV der seit dem Jahr 2007 geltenden europäischen Verordnung zur Regist- rierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (im Fo lgenden: REACH-Verordnung - Ursprungsfassung: Verordnung [EG] NR. 1907/2006 des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 [ABl. L 396/1]) auf- zunehmen mit der Folge, dass die Verwendung und das Inverkehrbringen von Chrom(VI)-Verbindungen damit dem in der REACH-Verordnung geregelten besonde- ren Zulassungsverfahren für Stoffe, die in besonderer Weise Gesundheitsg efahren begründen (z.B. krebserzeugende oder erbgutverändernde Stoffe), unterwo rfen sein würde. Mit Schreiben vom 11. April 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm „gemäß § 3 Umweltinformationsgesetz, hilfsweise § 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsg e- setz, … folgende Daten zugänglich zu machen: … Messwerte der in den Betrieben im Zeitraum 2000 bis 2009 durchgeführten Messungen in sämtlichen Branchengru p- pen für die Substanzen Chromtrioxid und Chromsäure; … Berechnungsmethode für die Ermittlung der in den MEGA-Auswertungen enthaltenen Ergebnisse“. Er verwies dabei auf eine fernmündlich erteilte Zusage des Beklagten, ihm die „für die Erstel- lung des Annex XV-Dossiers … verwendeten Daten in anonymisierter Form zu schi- cken“. Er führte aus, die Daten seien in der Datenbank MEGA enthalten und könnten „in anonymisierter Form“ zugänglich gemacht werden, um „etwaige Betriebs - und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen zu schützen“. Mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung („Widerspruch und Verpflichtungsklage“) ver- sehenen Schreiben vom 8. Mai 2012 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, dem Kläger lägen alle erforderlichen Informationen vor. Es sei fraglich, ob „Expositionsmessungen am Arbeitsplatz“ Umweltinformatio- nen seien. Jedenfalls bestehe nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) kein An- spruch auf Herausgabe von Rohdaten. Gemäß § 3 Abs. 2 UIG i.V.m. § 10 UIG seien Zusammenfassungen von Daten ausreichend. Eine solche Zusammenfassung liege dem Kläger vor. Außerdem handele es sich bei den Expositionsdaten um Sozialda- ten, die dem Sozialgeheimnis unterlägen. Nach Anonymisierung sei aufgrund der in den Rohdaten enthaltenen detaillierten Angaben zu den betrieblichen Verhäl tnissen und Arbeitsverfahren in vielen Fällen eine Reanonymisierung möglich. Den Mit- gliedsunternehmen des Klägers lägen die Daten zudem in Form von Messberic hten vor. Dort könnten sie vom Kläger angefordert werden. Die begehrte Berechnungsm e- -4-
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-4- thode sei im MEGA Pro Handbuch beschrieben. Dieses Handbuch fügte der Beklag- te dem Schreiben als Anlage bei. Gegen die Ablehnung des Informationszugangs widersprach der Kläger mit Schrei- ben vom 6. Juni 2012, wobei er mitteilte, er benötige „Angaben dazu, welche Daten aus welchen Zeiträumen für die Ermittlung der in den MEGA-Auswertungen zur Er- stellung von REACH-Expositionsszenarien enthaltenen Ergebnisse verwendet wor- den“ seien. Mit - erneut mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenem - Schreiben vom 5. September 2012, dem Kläger zugegangen am 6. September 2012, wies der Beklagte diesen Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, der Widerspruch des Klägers sei zwar zulässig, aber unbegründet. Er sei ausschließlich auf das Umweltinformation s- gesetz gestützt worden. Das Umweltinformationsgesetz finde jedoch keine Anwe n- dung. Denn die Messungen dienten nicht dem Schutz der Umwelt, sondern der Beur- teilung der Schadstoffbelastung an einem bestimmten Arbeitsplatz. Zielrichtung sei die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Gesun d- heitsgefahren sowie die Gewährleistung einer wirksamen Ersten Hilfe. Die Rohdaten seien zudem unternehmensbezogene Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die den Sozialdaten gleichgestellt seien. Im Übrigen verfüge der Kläger über ausreiche nde Informationen. Mit seiner am 8. Oktober 2012 (Montag) erhobenen Klage hat der Kläger das Infor- mationsbegehren, gerichtet einerseits auf den Zugang zu den Messwerten und and e- rerseits auf die Information, welche Daten Eingang in den MEGA-Report erhalten haben, weiterverfolgt. Während des Klageverfahrens haben die Beteiligten Vergleichsgespräche geführt, wobei der Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 11. Dezember 2012 den Zugang zu bestimmten „Datensätze(n)“ („… Probenahmedatum; … Teilbetriebsart [d.h. codierte Bezeichnung und Text der Teilbranche, z.B. Hart-Verchromen]; … Arbeitsbereich [codierte Bezeichnung und Text]; … Gefahrstoff; … Messwert; … Verwendungser- kennung [welche Validität das Ergebnis hat]; … Erfassung, d.h. z.B. Absaugung, Lüf- tung o.ä.; … Repräsentativität; … Betriebliche Situation; … Expositionsdauer; … Probenahmedauer; … Probenahmeart“) in Aussicht gestellt hat. Unter dem 24. Juli 2013 haben die Beteiligten sodann - aufschiebend bedingt durch die später nicht vollständig erteilte Zustimmung der Unfallversicherungsträger - eine „Vereinbarung über die Beendigung des Rechtsstreits“ unterzeichnet, nach der der Kläger Zugang -5-
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-5- zu sämtlichen in der IFA-Expositionsdatenbank MEGA enthaltenen Daten zu Chrom(VI)-Messungen nach vorheriger Anonymisierung hätte erhalten sollen. Mit Schreiben vom 2. Januar 2014 hat das Gericht den Beklagten um Mitteilung ge- beten, aus welchen Einzelinformationen sich die vom Kläger begehrten Messwerte zusammensetzen. Der Beklagte hat daraufhin eine Aufstellung von 477 möglichen Informationsgruppen und -einheiten übersandt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Anlage B 5 zum Schriftsatz des Beklagten vom 8. Januar 2014 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014 hat der Kläger daraufhin konkretisiert, zu welchen 71 dieser Informationsgruppen und -einheiten er Zugang erstrebt. In der mündlichen Verhandlung ist mit den Beteiligten erörtert worden, bezogen auf welche der vom Kläger gewünschten Informationsgruppen und -einheiten der Be- klagte Bedenken hinsichtlich einer möglichen Preisgabe von personenbezogenen Daten bzw. von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen habe. Der Kläger hat sodann unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten unter - vollständigem bzw. teilweisem - Verzicht auf und unter Aufnahme neuer Informationsgruppen und -ein- heiten sein Klagebegehren neu gefasst. Er hat dabei nur solche Gruppen und Einhei- ten in den von ihm formulierten Antrag aufgenommen, zu denen der Beklagte keine Bedenken erhoben hatte. Außerdem hat der Beklagte zugesagt, dem Kläger die 28 Informationseinheiten, die für den MEGA-Report verwendet worden sind, in abstrakter Form bekannt zu geben. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger ist der Meinung, ein Anspruch auf Zugang zu den von ihm (noch) begehr- ten Informationen folge aus § 3 Abs. 1 UIG. Bei den beantragten Daten handele es sich um Umweltinformationen. Auf anderweitig zugängliche Informat ionen könne er nicht verwiesen werden. Der Kläger beantragt zuletzt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 8. Mai 2012 in Ge- stalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2012 zu verpflichten, ihm folgende Informationen in elektronischer Form zugänglich zu machen: Die nachfolgend aufgeführten Informationseinheiten zu den durch die Beruf s- genossenschaften im Zeitraum 2000 bis 2009 durchgeführten Messungen der Chrom(VI)-Verbindungen und zwar folgende laufende Nummern der Anlage B 5 zum Beklagtenschriftsatz vom 8. Januar 2014: -6-
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-6- Laufende Nrn. 1, 2, 7, 9, 10, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 77, 78, 87, 88, 96, 97, 113, 138, 156, 157, 185, 186, 187, 188, 193, 194, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 229, 230, 252, 264, 270, 275, 276, 305, 310, 437, 438, 441, 444, 451, 453 und 12 sowie die Gruppe n- zuordnung zu Branchen- und Arbeitsbereichen aus dem MEGA-Report. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält die Klage für teilweise unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Er führt aus, der Kläger könne sich an seine Mitglieder wenden, soweit es ihm um deren „Rohdaten“ gehe. Denn den Mitgliedern des Klägers seien die entsprechenden Messberichte zugeleitet worden. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, weil dem b e- gehrten Informationszugang das Sozialdatengeheimnis sowie der Ablehnungsgrund des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bzw. von personenbezoge- nen Daten entgegen stehe. Eine Anonymisierung sei nicht möglich bzw. unverhäl t- nismäßig. Die betroffenen Unternehmen hätten der Offenlegung der streitgege n- ständlichen Informationen nicht zugestimmt. Mit Verordnung (EU) Nr. 348/2013 der Kommission vom 17. April 2013 zur Änderung von Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chem i- scher Stoffe (ABl. L 108/1) sind Chromtrioxid und Säuren, die sich aus Chromtrioxid bilden (u.a. Chromsäure), in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte Bezug genommen, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Entscheidungsgründe Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit bezogen auf die Bekanntgabe der abstrakten Informationseinheiten, die für den MEGA-Report verwendet worden sind, in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog). Im Übrigen hat die Klage Erfolg. Dabei legt die Kammer das Klagebegehren so aus (vgl. § 88 VwGO), dass es sich von Anfang an nur auf die Messwerte der durch die Berufsgenossenschaften im Zeitraum 2000 bis 2009 durchgeführten Messungen der -7-
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-7- Chrom(VI)-Verbindungen mit den einzelnen vom Kläger in seinem schließlich gestell- ten Klageantrag genannten Unterinformationsgruppen und -einheiten richtete. Eine teilweise Klagerücknahme bzw. eine teilweise Klageerweiterung sieht die Kammer in den diversen Umstellungen des (angekündigten) Klageantrags nicht. Vielmehr hat der Kläger hiermit sein ursprüngliches Klagebegehren lediglich konkretisiert. Denn er hat von Anfang an - schon in seinem Informationsantrag vom 11. April 2012 - zu er- kennen gegeben, dass es ihm nur um den Zugang zu anonymisierten Daten ging, er insbesondere keine Informationen erhalten wollte, die Betriebs- und Geschäftsge- heimnissen enthalten. Angesichts des ihm unbekannten genauen Inhalts der in der MEGA-Datenbank enthaltenen Daten, war er allerdings anfänglich nicht in der Lage gewesen, sein eigentliches Informationsbegehren konkret zu fassen. Erst durch die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung wurde ihm dies abschließend ermö g- licht. 1. Die so verstandene Klage ist zulässig. Richtige Klageart für das - jedenfalls zuletzt hinreichend bestimmt gefasste - Begehren des Klägers ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 2. Fall VwGO). Zwar handelt es sich bei dem Beklagten um einen eing e- tragenen Verein und damit um eine juristische Person des Privatrechts. Der Beklagte ist jedoch gleichwohl befugt, über das Informationsbegehren des Klägers durch Ve r- waltungsakt zu entscheiden (vgl. § 6 Abs. 2 UIG, § 9 Abs. 4 Satz 1 IFG). Denn er ist Beliehener, soweit ihm durch die §§ 14 Abs. 4, 15 Abs. 1, 20 Abs. 2 Satz 2, 31 Abs. 2 Satz 2, 32 Abs. 4, 34 Abs. 3 Satz 1, 40 Abs. 5, 41 Abs. 4 und 43 Abs. 5 SGB VII gesetzlich bestimmte hoheitliche Aufgaben zugewiesen worden sind (vgl. BT-Drs. 16/9154, S. 26; vgl. ferner Fattler in: Hauck/Noftz, SGB IV, Stand: Juli 2013, Rn. 3d zu § 87 SGB IV; Bulla, VSSR 2008, 351 ff.; Kranig/Timm in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: August 2013, Rn. 2b und 44 f. zu § 14). Das Informationsbegehren betrifft auch gerade einen der Bereiche, für den dem Beklagten Hoheitsrechte übertragen worden sind. Denn der MEGA-Report befasst sich mit der Ermittlung von arbeitsbe- dingten Gesundheitsgefahren im Sinne von § 14 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SGB VII. Der Klage fehlt entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht das Rechts- schutzinteresse. Der Einwand, der Kläger könne seine Mitglieder nach den Messbe- richten fragen und er habe die für das von ihm betriebene Verfahren vor dem Euro- päischen Gerichtshof erforderlichen Daten bereits erhalten, rechtfertigt diese An- nahme nicht. Entscheidend ist, dass der Kläger die genauen von ihm mit der Klage begehrten Informationen - nämlich gerade die einzelnen Messwerte mit den von ihm -8-
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-8- aufgeführten Einzelinformationen - bisher noch nicht erhalten hat und ein einfacherer Weg als die vorliegende Klage, Zugang zu ihnen zu erhalten, nicht zu erkennen ist. 2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen An- spruch auf Zugang zu den von ihm noch begehrten Informationen; insoweit ist der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. Mai 2012 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 5. September 2012 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). a. Der Anspruch auf Informationszugang folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG. Danach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Um- weltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. b. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG liegen vor. Der Kläger fällt als juristische Person des Privatrechts in den Kreis der Anspruchsberechtigten („jede Person“). Bei den vom Kläger erstrebten Messwerten handelt es sich auch um Umweltinforma- tionen. Gemäß § 2 Abs. 3 UIG gehören hierzu unabhängig von der Art ihrer Speiche- rung alle Daten über (1.) den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmo- sphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechse lwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; (2.) Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strah- lung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; (3.) Maßnahmen oder Tätigkeiten, die a) sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Fakt oren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder b) den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen geh ö- ren auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme; (4.) Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; (5.) Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analy- sen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und (6.) den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltb e- -9-
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-9- standteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkei ten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette. Die vom Kläger erstrebten Messwerte fallen bei der gebotenen weiten Auslegung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2012 - OVG 12 S 12.12 -, juris Rn. 6) jedenfalls unter § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG. Denn mit dem dort genannten Be- griff der „menschlichen Gesundheit und Sicherheit“ ist in Übereinstimmung mit Art. 2 Nr. 3 Buchst. c) der Aarhus-Konvention auch der Schutz vor gesundheitsgefährden- den Substanzen (z.B. Chemikalien), Faktoren (z.B. Strahlung) oder anderen natürl i- chen oder menschlich erzeugten Bedingungen gemeint, die die menschliche Ge- sundheit durch die Einwirkung auf Umweltgüter beeinträchtigen (vgl. Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, Rn. 50 zu § 2 UIG; vgl. fe r- ner UN/ECE, The Aarhus Convention: An Implementation Guide, 2000, S. 38). Die vorliegend im Streit stehenden - zum Zwecke des Arbeitsschutzes erhobenen - Messwerte betreffen gerade in diesem Sinne den Schutz der menschlichen Gesund- heit vor Chemikalien. Der Beklagte ist als Beliehener eine informationspflichtige Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG. Denn er gehört zu den dort genannten „andere(n) Stellen der öf- fentlichen Verwaltung“. Sowohl der erforderliche Zusammenhang der Tätigkeit des Beklagten mit der Umwelt als auch der erforderliche Bezug des Informationsantrags zu der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung des Beklagten (vgl. hierzu BT-Drs. 15/3406, S. 14) ist gegeben, da das Informationsbegehren gerade den Bereich be- trifft, in dem der Beklagte zum Zwecke des Arbeitsschutzes öffentlich-rechtlich tätig geworden ist. Der Beklagte ist weiter als „Beliehener auf Bundesebene“ anzusehen, so dass das Umweltinformationsgesetz des Bundes Anwendung findet. Denn dem Beklagten sind durch Bundesgesetz länderübergreifende Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen worden (vgl. zum Spitzenverband Bund der gesetzl i- chen Krankenkassen in Deutschland Urteil der Kammer vom 11. April 2013 - VG 2 K 145.11 -, juris Rn. 80). Er unterliegt zudem der Aufsicht einer Bundesbehörde (vgl. § 87 Abs. 3 SGB IV). Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob der Be- klagte außerdem eine informationspflichtige Stelle nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UIG ist. Der Beklagte verfügt schließlich im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 UIG über die vom Kläger begehrten Informationen. Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG verfügt eine inform a- tionspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Vorliegend sind die fraglichen Informationen - 10 -
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- 10 - beim Beklagten vorhanden. Denn der Beklagte führt die MEGA-Datenbank, welche u.a. die vom Kläger begehrten Informationen enthält. Das gilt auch für die beantragte Gruppenzuordnung zu Branchen- und Arbeitsbereichen aus dem MEGA-Report, die der Beklagte bereits für den MEGA-Report erstellt hat und die sich durch teilweise Schwärzung von inhaltlich weitergehenden Informationsgruppen und -einheiten ge- winnen lässt. Darauf, ob die einzelnen Berufsgenossenschaften als Urheber der In- formationen mit der Informationspreisgabe einverstanden sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. c. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dem Informationsbegehren des Kl ä- gers stünden Ablehnungsgründe entgegen. aa. Der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG greift nicht zugunsten des Be- klagten ein. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag, der offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, abzulehnen, es sei denn das öffentliche Interesse an der B ekanntga- be überwiegt. Ein Missbrauch im Sinne dieser Bestimmung liegt nicht vor. Er setzt voraus, dass das Informationsbegehren nicht den Zwecken des Umweltinformation s- gesetzes unterliegt, wie sie insbesondere im ersten Erwägungsgrund der Umweltin- formationsrichtlinie zum Ausdruck kommen (vgl. Reidt/Schiller in: Landmann/Roh- mer, a.a.O., Rn. 53 zu § 8 UIG), wobei insoweit zwischen einem behördenbezoge- nen und einem verwendungsbezogenen Missbrauch unterschieden werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 7 C 2.09, juris Rn. 35 f.). Weil nach dem ersten Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie der erwei- terte Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und die Verbrei- tung dieser Informationen dazu beitragen sollen, das Umweltbewusstsein zu schär- fen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlich- keit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern, liegt ein verwendungsbezogener Missbrauch vor, wenn ein Antrag anderen als diesen Zwecken dient; ein behördenbezogener Miss- brauch ist gegeben, wenn durch den Informationsantrag lediglich die Arbeitsfähigkeit und -effektivität einer Behörde beeinträchtigt werden soll (vgl. BVerwG, a.a.O.), etwa weil der Antragsteller bereits über die beantragten Informationen verfügt (vgl. BT- Drs. 15/3406, S. 29). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben. Dem Kläger geht es nicht um einen Missbrauch des Informationsanspruches; vielmehr will er ge- rade in eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem MEGA-Report eintreten und sich mit der Frage der Umweltschädlichkeit von Chrom(VI)-Verbindungen auseinan- dersetzen, wofür er die von ihm beantragten und ihm nicht anderweitig zur Verfü- - 11 -
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