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Aktenzeichen
12 B 3.12
Datum
13. November 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 13. November 2013

12 B 3.12

Entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung nehmen die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages bei der Erstellung von Ausarbeitungen für Abgeordnete keine Verwaltungsaufgaben im materiellen Sinne wahr. Unabhängig von der formellen Einordnung dieser Dienste in die Bundestagsverwaltung ist ihre Tätigkeit dem Wirkungskreis der Abgeordneten und damit dem Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten zuzuordnen, der vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen ist. Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs und der Funktion der Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste (siehe auch Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil, 12 B 21.12, 13.11.2013). (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung

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Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL OVG 12 B 3.12                                 Verkündet am 13. November 2013 VG 2 K 91.11 Berlin                           Schumann, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In der Verwaltungsstreitsache , Klägers und Berufungsbeklagten, bevollmächtigt: gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Deutschen Bundestag - Verwaltung -, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Beklagte und Berufungsklägerin, bevollmächtigt: hat der 12. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann, die Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Möllers und Böcker sowie die ehren- amtlichen Richterinnen Kammler und Köster-Brons für Recht erkannt: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwal- tungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 geändert. Die Klage wird abgewiesen. -2-
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-2- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klä- ger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jewei- ligen Vollstreckungsbetrages leistet. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand Der Kläger begehrt den Zugang zu einem Dokument des Deutschen Bundestages. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 wandte sich der Kläger an den Deutschen Bundestag und beantragte gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), ihm Einsicht in die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bun- destages vom 25. November 2009 „Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischen Lebensformen“ sowie in etwaige weitere Un- terlagen zu diesem Thema zu gewähren. Mit Bescheid des Deutschen Bundestages vom 3. November 2010 lehnte die Be- klagte den auf die Ausarbeitung bezogenen Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein Anspruch auf Übermittlung des be- gehrten Dokuments ergebe sich nicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Der Anwendungsbereich des Gesetzes sei für den Deutschen Bundestag nur eröffnet, soweit er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten hingegen sei vom Informationszugang ausgenommen. Hierzu gehöre die Tätigkeit der Wissenschaft- lichen Dienste. Denn diese arbeiteten den Abgeordneten ausschließlich mandats- bezogen zu. Selbst wenn die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste vom IFG erfasst wären, sei der Informationszugang jedenfalls nach § 6 Satz 1 IFG wegen des Schutzes geistigen Eigentums ausgeschlossen. Der Deutsche Bundestag be- -3-
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-3- halte sich sämtliche Rechte an den Arbeiten vor und der zuständige Abteilungslei- ter habe die erforderliche Freigabe für die streitgegenständliche Ausarbeitung nicht erteilt. Hiergegen hat der Kläger am Montag, den 9. Mai 2011, Klage erhoben und gel- tend gemacht, bei den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages handele es sich um eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 IFG. Die von ihnen er- stellten Ausarbeitungen seien amtliche Informationen, die einem Zugangsan- spruch unterlägen. Etwaige urheberrechtliche Nutzungsrechte der Verfasser der Ausarbeitungen seien auf die Beklagte übertragen worden. Hiervon sei auch das Recht auf Informationsgewährung nach dem IFG erfasst. Davon abgesehen be- dürfe es der Prüfung, ob die begehrte Ausarbeitung die für ein geschütztes Werk erforderliche schöpferische Individualität aufweise. Das Erstveröffentlichungsrecht sei durch die Übergabe der Ausarbeitung an Mitglieder des Deutschen Bundesta- ges verbraucht. Im Übrigen richte sich sein Antrag auf eine auch nach dem Urhe- berrechtsgesetz (UrhG) zulässige Einsichtnahme zum privaten Gebrauch. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 1. Dezember 2011 stattge- geben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die genannte Ausar- beitung zu gewähren. Der Deutsche Bundestag sei ein Bundesorgan im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, das bezogen auf die streitgegenständliche Ausarbeitung öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Diese sei trotz ihres parlamentarischen Bezu- ges den öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben zuzuordnen. Die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste weise schon ihrer Art nach einen größeren Bezug zur Verwaltung als zum Parlament auf. Die Dienste seien in for- meller Hinsicht eine Unterabteilung der Bundestagsverwaltung und damit Teil ei- ner Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Materiell beste- he die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste in der Wissensvermittlung. Zwar bildeten die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste die Grundlage für die spätere parlamentarische Arbeit der Abgeordneten. Ihre Anfertigung könne jedoch nicht selbst bereits als parlamentarische Tätigkeit qualifiziert werden. Sie stelle -4-
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-4- ähnlich wie das Anbieten und Veranstalten von Fortbildungen für Mitarbeiter durch Behörden Verwaltungstätigkeit dar. Die Auslegung des § 1 Abs. 1 IFG nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsge- schichte bestätige dieses Ergebnis. Zwar könne dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 IFG nicht entnommen werden, bei welchen Tätigkeiten von Bundesorganen und -einrichtungen im Einzelnen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrge- nommen würden und ob dies bei der Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste der Fall sei. Auch liefere eine systematische Auslegung des Gesetzes insoweit kein eindeutiges Ergebnis. Die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 IFG lasse jedoch nur den Schluss zu, dass die Wissenschaftlichen Dienste bei der Anfertigung von Ausarbeitungen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnähmen. Der Ge- setzgeber habe bezogen auf den Deutschen Bundestag nur den spezifischen Be- reich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten vom Informationszu- gang ausnehmen wollen. Tätigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste gehörten nicht hierzu. Ein etwaiger gesetzgeberischer Wille, auch die Zuarbeit der Wissen- schaftlichen Dienste vom Anwendungsbereich des IFG auszunehmen, habe in den Gesetzesmaterialien keinen Niederschlag gefunden. Auch nach dem Sinn und Zweck des IFG, der ein weites Verständnis des Begriffs der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben nahelege, würden die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste vom Gesetz erfasst. Es diene dazu, dem Bürger die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten zu ermöglichen, die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten und auf sie Einfluss nehmen zu kön- nen. Anliegen des Gesetzes sei ferner, den Informationsvorsprung des Staates zu beseitigen. All dies rechtfertige nicht, für die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste eine Bereichsausnahme anzunehmen. Etwaigen Geheimhaltungsinteres- sen könne mit den Ausschlussgründen nach §§ 3 bis 6 IFG hinreichend Rechnung getragen werden. Dem Informationsbegehren des Klägers stehe auch kein Ausschlussgrund entge- gen, namentlich nicht derjenige des § 6 Satz 1 IFG, wonach der Anspruch auf In- formationszugang nicht bestehe, soweit der Schutz geistigen Eigentums entge- genstehe. Dem Vorbringen der Beklagten könne bereits nicht entnommen werden, dass die streitgegenständliche Ausarbeitung Merkmale einer persönlichen geisti- -5-
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-5- gen Schöpfung aufweise, also Werkscharakter besitze. Jedenfalls stelle die Ge- währung einer Einsichtnahme durch den Kläger noch keine Veröffentlichung i. S. d. § 12 UrhG dar. Auch das Verbreitungsrecht des § 17 UrhG würde durch eine Akteneinsicht des Klägers nicht verletzt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelasse- nen Berufung. Sie meint, von Bundestagsabgeordneten angeforderte Ausarbeitungen der Wis- senschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterfielen nicht dem An- wendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Bereits die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG spreche gegen die Einbeziehung der Wissenschaftlichen Dienste in den Anwendungsbereich des Gesetzes, soweit sie von Bundestagsabgeordneten genutzt würden. Zu Unrecht gehe das Verwaltungsgericht davon aus, das Schreiben des Direktors beim Deut- schen Bundestag vom 23. Februar 2005, nach dessen Auffassung die Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste nicht unter das IFG falle, sei im weiteren Gesetzge- bungsverfahren nicht berücksichtigt worden. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Tätigkeit der Wissen- schaftlichen Dienste nicht mit einem behördlichen Fortbildungsangebot vergleich- bar; eher liege ein Vergleich mit den Tätigkeiten der wissenschaftlichen Mitarbei- ter der Bundesgerichte nahe. Die Wissenschaftlichen Dienste seien zwar Teil der Bundestagsverwaltung, näh- men aber ganz überwiegend parlamentsspezifische Aufgaben wahr. Auftraggeber der Wissenschaftlichen Dienste seien nahezu ausschließlich die Mitglieder des Deutschen Bundestages, vereinzelt auch Fraktionen und Gremien des Bundesta- ges. Nur ausnahmsweise unterstützten die Wissenschaftlichen Dienste auch an- dere Organisationseinheiten der Bundestagsverwaltung. Trotz ihrer organisatori- schen Einbindung in die Verwaltungshierarchie der Bundestagsverwaltung bilde- ten sie keine typische Verwaltungseinheit, was sich in formaler Hinsicht bereits daran zeige, dass die inhaltliche Verantwortung für die Arbeiten der Wissenschaft- lichen Dienste bei den Verfassern und der jeweiligen Fachbereichsleitung liege. -6-
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-6- In materieller Hinsicht dienten die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste der unmittelbaren Vorbereitung und Begleitung der parlamentarischen Arbeit der je- weiligen Abgeordneten. Hinsichtlich ihrer Funktion für die Abgeordneten seien sie mit den Arbeiten der Abgeordneten- und Fraktionsmitarbeiter vergleichbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts diene die Zuarbeit der Wis- senschaftlichen Dienste für fraktionslose Abgeordnete als Ausgleich für die feh- lende Unterstützung aus der Fraktion. Finde § 1 Abs. 1 IFG auf die mandatsbezogenen Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste keine Anwendung, komme die Gewährung von Zugang nur nach Maßga- be des Leitfadens für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (Leitfaden WD) in Betracht. Danach könne eine Zuarbeit innerhalb der ersten vier Wochen nach Absendung an den Abgeordneten nur mit seiner Zustimmung weitergegeben werden. Sei Vertraulichkeit vereinbart, scheide eine Weitergabe an andere Abge- ordnete und an Dritte aus. Die Weitergabe an Dritte bilde einen Ausnahmefall. Auch in diesen Ausnahmefällen werde der Kern der Abgeordnetentätigkeit ge- schützt, indem nicht bekannt gemacht werde, welcher Abgeordnete die Ausarbei- tung beauftragt habe. Dies gelte auch bei der Weitergabe an andere Abgeordnete. Im Übrigen stünden dem Informationsbegehren des Klägers geistige Eigentums- rechte in Form von Urheberrechten entgegen, weshalb die Beklagte an der Ertei- lung der Information gemäß § 6 Satz 1 IFG gehindert sei. Ergänzend beruft sich die Beklagte auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten von P_____ vom 17. Dezember 2012 zur Frage der Anwendung des IFG auf die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 zu än- dern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, -7-
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-7- die Berufung zurückzuweisen. Er meint, das Verwaltungsgericht habe zu Recht die Tätigkeit der Wissenschaftli- chen Dienste dem Anwendungsbereich des IFG unterworfen und den Ausschluss- grund des § 6 IFG nicht für einschlägig befunden. Ausweislich der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber nur den spezifischen Bereich der „Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten“ vom Informati- onszugang nach § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG ausnehmen wollen. Das Schreiben des Direktors des Deutschen Bundestages vom 23. Februar 2005 enthalte lediglich eine vorläufige Arbeitsthese. Dies rechtfertige entgegen der Beklagten nicht die Annahme, der Gesetzgeber habe auch die Tätigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste vom Anwendungsbereich des IFG ausnehmen wollen. Der Wortlaut des Gesetzes gebe dafür nichts her. Dass Auftraggeber der Wissen- schaftlichen Dienste nahezu ausschließlich Mitglieder des Deutschen Bundesta- ges seien, eigne sich nicht für eine Qualifizierung im Sinne des IFG. Die Willens- bildung zur Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten finde beim Bun- destagsabgeordneten selbst statt. Die Wissenschaftlichen Dienste leisteten hierzu wissenschaftliche Vorarbeiten. Deren Offenlegung sei zu verlangen, um die Prü- fung zu ermöglichen, ob der jeweilige Abgeordnete tatsächlich in freier politischer Willensbildung nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gehandelt habe und sich nicht etwa durch ein möglicherweise fehlerhaftes oder unvollständiges wissenschaftliches Gutachten habe beeinflussen lassen. Ein besonderes Beratungsgeheimnis komme den Wissenschaftlichen Diensten nicht zu. Ihre Zuarbeit sei mit der Zuarbeit durch eigene wissenschaftliche Mitar- beiter der Abgeordneten oder der Fraktion nicht vergleichbar. Auch das Bundes- verfassungsgericht habe zwischen der politisch neutralen Tätigkeit der Wissen- schaftlichen Dienste und der spezifischen Parlamentsarbeit der Abgeordneten unterschieden. Allein der Umstand, dass ein sensibles Thema behandelt werde, rechtfertige weder die Annahme eines Ausschlussgrundes noch den Ausschluss der Wissenschaftlichen Dienste vom Anwendungsbereich des Gesetzes. Ein mög- licher Zugang zu den Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste nach Maßgabe des -8-
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-8- Leitfadens WD ersetze den voraussetzungslosen Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG nicht. Das von der Beklagten vorgelegte Rechtsgutachten sei nicht geeignet, die zutref- fenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zu entkräften. Es missachte die gesetzlich geltenden und den parlamentarischen Staat bindenden Hierarchien sowie die Zielsetzung des IFG, den Zugang zu Informationen und die Transparenz behördlicher Entscheidungen zu gewährleisten. Auch berücksichtige es die euro- pa- und völkerrechtlichen Vorgaben nur unzureichend. Entgegen der Beklagten stünden dem Anspruch des Klägers auch Urheberrechte nicht entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbrin- gens der Beteiligten wird auf die Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und, soweit wesentlich, Ge- genstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Senats gewesen sind. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Einsicht- nahme in die streitgegenständliche Ausarbeitung nicht zu; die ablehnenden Be- scheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. I. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 IFG. Nach Satz 1 der Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber Behör- den des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Re- gelung liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kein organisati- onsrechtlicher, sondern ein funktioneller Behördenbegriff zugrunde (BVerwG, Ur- teil vom 15. November 2012 – BVerwG 7 C 1.12 –, NVwZ 2013, 431 Rn. 22; Urtei- le vom 3. November 2011 – BVerwG 7 C 3.11 – BVerwGE 141, 122 Rn. 11 ff. – -9-
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-9- und BVerwG 7 C 4.11 – NVwZ 2012, 251 ff. Rn. 11 ff.). Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, was sich wiederum nach materiellen Kriterien bestimmt. Dabei kommt es weder auf den Anwendungsbereich des Ver- waltungsverfahrensgesetzes noch auf eine rechtliche Außenwirkung des Han- delns an (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 22). Bei diesem Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG kommt Satz 2 der Norm keine konstitutive, sondern allein deklaratorische Bedeutung zu (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 23). Danach gilt das Gesetz auch für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungs- aufgaben wahrnehmen. Damit soll lediglich klargestellt werden, dass auch Bun- destag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichte sowie Bun- desbank vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind, soweit sie öffentlich- rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (BT-Drs. 15/4493, S. 7); zugleich wird damit klargestellt, auf welchen Bereich der Staatstätigkeit sich die Informati- onspflicht nach dem IFG nicht erstreckt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 24; Urteile vom 3. November 2011 a. a. O. jeweils Rn. 18). Bei der hiernach gebotenen Abgrenzung nehmen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages bei der Erstellung von Ausarbeitungen für Abgeord- nete keine Verwaltungsaufgaben im materiellen Sinne wahr (so aber Schoch, NVwZ 2013, 1033, 1035; Berger/Partsch/Roth/Scheel, IFG, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 63). Unabhängig von der formellen Einordnung der Dienste in die Verwaltung des Bundestages ist ihre Tätigkeit dem Wirkungskreis der Abgeordneten und damit dem Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten zuzuordnen, der vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen ist (so Rossi, DÖV, 2013, 205 ff.) 1.      Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht bereits die Ge- nese des § 1 Abs. 1 IFG dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die man- datsbezogene Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste nicht dem Anwendungs- bereich des Gesetzes unterfallen soll (ebenso Rossi, Rechtsgutachten zur An- wendung des IFG auf die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundesta- ges vom 17. Dezember 2012, S. 29 f.; derselbe, DÖV 2013, 205, 209; Heu- - 10 -
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- 10 - ner/Küpper, JZ 2012, 801, 803; Jastrow/Schlatmann, IFG, § 1 Rn. 35; wohl auch Schoch, IFG, § 1 Rn. 97; anders nunmehr NVwZ 2013, 1033, 1035). Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs. 1 IFG soll, soweit es die Legislative betrifft, vom Anwendungsbereich des IFG ausgenommen sein „nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten“, dieser indes, wie die nicht abschließende Aufzählung der einzelnen Aufgaben des Parlaments in der Gesetzesbegründung zeigt, umfassend (BT-Drs. 15/4493 S. 8). Allerdings genügt auch nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs allein die Unterstützung einer parlamentarischen Aufgabe durch eine außenstehende Institution, namentlich die Vorbereitung von Gesetzentwürfen in den Bundesmini- sterien (a. a. O. S. 7), für den Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 IFG nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a. a. O. Rn. 31). Um die Unterstützung der Abgeordneten durch eine außenstehende, dem Bereich der Exekutive zuzurechnende Institution, die ihrerseits informationspflichtig ist, geht es hier aber nicht. Andererseits lässt bereits die Begründung des Gesetzentwurfs erkennen, dass etwa nicht nur die Tätigkeit des Bundespräsidenten selbst, sondern auch die Vor- bereitung präsidentieller Akte im Bundespräsidialamt dem Anwendungsbereich des Gesetzes nicht unterfallen soll (a. a. O. S. 8). Auf die formale Stellung der Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes als Beamte oder Angestellte einer Behörde kommt es insoweit nicht an. Anhaltspunkte dafür, dass für die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, insbesondere der Wissenschaftlichen Dienste, soweit sie unmittelbar die Tätigkeit der Bundestagsabgeordneten unterstützen, etwas anders gelten sollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Zudem wer- den in der Begründung des Gesetzentwurfs die Wissenschaftlichen Dienste expli- zit für geeignet gehalten, die nach § 14 des Entwurfs vorgesehene Evaluierung durchzuführen (a. a. O. S. 17). Da damit eine „Exekutivlastigkeit“ der Evaluierung vermieden werden sollte (vgl. Schoch, IFG, § 14 Rn. 19 m. w. N.), spricht auch dies eher für die Annahme, dass die Zuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste für die Abgeordneten dem Anwendungsbereich des Gesetzes entzogen sein sol- len (so auch Heuner/Küpper, a. a. O.; Rossi, a. a. O. S. 209). - 11 -
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