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Aktenzeichen
10 S 1695/12
Datum
24. September 2013
Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Gesetz
Informationsweiterverwendungsgesetz
Informationsweiterverwendungsgesetz

Urteil: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 24. September 2013

10 S 1695/12

Die Tatsache, dass Ausschreibungstexte von einer Kommune über eine von Dritten betriebene Vergabeplattform veröffentlicht werden, schränkt deren "Vorhandensein" bei der öffentlichen Stelle im Sinne des Informationsweiterverwendungsgesetzes und damit dessen Anwendbarkeit nicht ein. Ein Gleichbehandlungsanspruch lässt sich auf dieses Gesetz jedoch nicht stützen, da ein Zugangsanspruch an diesen Informationen nicht besteht: Ein eigenständiges Zugangsrecht eröffnet das Informationsweiterverwendungsgesetz nämlich nicht; in Baden-Württemberg besteht (noch) kein Informationsfreiheitsgesetz. Gleichwohl weist der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf das zu erwartende Informationsfreiheitsgesetz des Landes darauf hin, dass eine Weiterverwendung nicht stattfindet, wenn Informationen ausschließlich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (hier im Rahmen des Vergaberechts) genutzt werden und die Beklagte nur von ihrem Recht Gebrauch macht, das Publikationsorgan auszuwählen. Für den Anspruch auf Gleichbehandlung ist die Entscheidung der Beklagten maßgeblich, die Weiterverwendung durch Dritte zu gestatten. (Quelle: LDA Brandenburg)

Allgemein zugängliche Quelle Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung

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10 S 1695/12 VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil In der Verwaltungsrechtssache - Klägerin - - Berufungsbeklagte - prozessbevollmächtigt: gegen Gemeinde Korb, vertreten durch den Bürgermeister, Kirchstraße 1, 71404 Korb - Beklagte - - Berufungsklägerin - prozessbevollmächtigt: wegen Feststellung der Weiterleitungsverpflichtung nach IWG hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Lernhart, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Paur und den Richter am Verwaltungsgerichtshof im Nebenamt Prof. Dr. Schoch auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2013 für Recht erkannt:
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-2- Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2012 - 4 K 3842/11 - wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die Klägerin betreibt ein Bekanntmachungsportal, auf dem Bekanntmachungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge veröffentlicht werden können. Interessierte Unter- nehmen können spezifische Suchprofile anlegen, um über individualisierte Recher- chefunktionen beabsichtigte Auftragsvergaben öffentlicher Auftraggeber zu ermitteln. Mit Schreiben vom 14. April 2011 und vom 30. August 2011 hat die Klägerin die Be- klagte unter Hinweis auf das Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) gebeten, ihr die auf öffentliche Ausschreibungen bezogenen Bekanntmachungen, zu denen die Beklagte gesetzlich verpflichtet ist und deren Veröffentlichung über Dritte erfolgt, elektronisch zu überlassen. Die Beklagte lehnte dies ab, weil sie ihre Bekanntma- chungstexte ausschließlich Dritten zukommen lasse; als Ausschreibungsdienst wer- de insbesondere der Staatsanzeiger eingeschaltet, der seinerseits als paralleles oder alleiniges Veröffentlichungsmedium das Vergabeportal Vergabe24 nutze. Am 25. Oktober 2011 hat die Klägerin Klage erhoben und die gerichtliche Feststel- lung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die zur öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Texte über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die sie Dritten zur Weiterverwendung zur Verfügung stellt, in allen angefragten Formaten, die bei der Beklagten vorliegen, unverzüglich zu überlassen. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, der nach § 43 VwGO zulässigen Feststellungsklage sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG stattzugeben; danach bestehe ein Anspruch auf Gleichbe- handlung mit der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH, der die Beklagte alle Bekanntmachungen über die beabsichtigte Vergabe öffentlicher Aufträge zur Verfügung stelle. Die Weiterverwendung der Bekanntmachungstexte erfolge direkt durch die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH und indirekt über die Verga- be24 GmbH. Bereits durch die Übermittlung der Bekanntmachungen an die Staats- anzeiger für Baden-Württemberg GmbH seitens der Beklagten werde der Tatbestand der Weiterverwendung vorhandener Informationen öffentlicher Stellen erfüllt.
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-3- Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt. Zum Tatsächlichen müsse klargestellt werden, dass Vergabe24 die gemeinsame On- line-Vergabeplattform der Ausschreibungsdienste der Länder und des deutschen Ausschreibungsblatts sei; folglich könne in der Veröffentlichung von Bekanntma- chungstexten auf der elektronischen Plattform des Vergabeportals Vergabe24 keine „Weiterverwendung“ von Informationen öffentlicher Stelle liegen. In der Sache müsse die Feststellungsklage schon deshalb abgewiesen werden, weil sie mangels Eröff- nung des Verwaltungsrechtswegs gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig sei; denn die Klägerin begehre in Wahrheit eine Teilnahme am (Ausschreibungs- )Wettbewerb, indem eine „de facto-Vergabe“ unterhalb der Schwellenwerte des § 100 Abs. 1 GWB behauptet werde, so dass die Zivilgerichte zuständig seien. Die Klage sei aber auch unbegründet. Schon der Anwendungsbereich des Informations- weiterverwendungsgesetzes sei nicht eröffnet, da § 1 Abs. 1 IWG nur die bei öffentli- chen Stellen „vorhandenen“ Informationen erfasse; die Bekanntmachungstexte be- fänden sich auf Grund der Veröffentlichung gerade nicht im Besitz öffentlicher Stel- len, sondern seien jedermann zugänglich. Unabhängig davon liege keine „Weiter- verwendung“ im Rechtssinne vor, weil die Beklagte mit der Veröffentlichung von Be- kanntmachungen im Vergabeverfahren eine öffentliche Aufgabe erfülle. Mit Urteil vom 12. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO) sei eröffnet, da die Klägerin ihren Anspruch ausdrücklich auf § 3 IWG stütze; § 5 IWG bestätige die Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Klage sei nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft; ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liege auf Grund des Streits der Beteiligten um die Anwendung des § 3 IWG auf den vorliegenden Sach- verhalt vor. Auf eine Leistungsklage könne die Klägerin angesichts der geltend ge- machten Dauerrechtsbeziehung nicht verwiesen werden. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsaspekt im Informationsweiterverwendungs- recht, die Klagebefugnis aus dem geltend gemachten Gleichbehandlungsanspruch. Die Klage sei auch begründet, weil der Klägerin der Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 IWG zustehe. Die zur öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Texte über die Vergabe öffentlicher Aufträge seien Informationen einer öffentlichen Stelle; diese würden nicht erst durch die Bekanntgabe generiert. Im Rechtssinne liege auch eine „Weiterver-
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-4- wendung“ vor. Zwar erfülle die Beklagte mit der Übermittlung der Bekanntmachungs- texte an die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH zwecks Veröffentlichung der Ausschreibung eine öffentliche Aufgabe nach Vergaberecht, damit habe es je- doch nicht sein Bewenden. Die Ausschreibung von kommunalen Aufträgen diene durch die Herstellung von Wettbewerb den wirtschaftlichen Interessen der Beklagten; die der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH übermittelten Bekanntma- chungstexte mündeten nicht nur in die Veröffentlichung von Ausschreibungen, son- dern über die Plattform Vergabe24 werde auch die Abwicklung der eVergabe ermög- licht. Die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH stelle Bietern und Vergabe- stellen eine Vergabesoftware zur Verfügung, die die vollständige, vergaberechtskon- forme, vollelektronische Durchführung des kompletten Vergabeverfahrens ermögli- che; weitere ergänzende Dienstleistungen träten hinzu. Folglich finde eine Weiter- verwendung der Ausschreibungsinformation durch die Staatsanzeiger für Baden- Württemberg GmbH und die Vergabe24 GmbH statt. Da die Informationen somit ei- ner kommerziellen Verwertung zugänglich seien, müssten sie gemäß § 3 Abs. 1 IWG allen Interessenten in gleicher Weise zur Verfügung gestellt werden. Die Beklagte hat gegen das ihr am 26. Juli 2012 zugestellte Urteil am 16. August 2012 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen: Die Fest- stellungsklage der Klägerin sei mangels Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs unzu- lässig. Sie sei auch unbegründet, vor allem weil keine „Weiterverwendung“ von In- formationen einer öffentlichen Stelle vorliege, da mit der vom Vergaberecht geforder- ten Veröffentlichung von Bekanntmachungen einer Ausschreibung für einen öffentli- chen Auftrag eine „öffentliche Aufgabe“ erfüllt werde. Unzutreffend sei die Auffas- sung des Verwaltungsgerichts, dass die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH die zur Bekanntmachung vorgesehenen Texte an die Vergabe24 „weiterge- be“; der von der Klägerin erteilte Auftrag umfasse sowohl die Veröffentlichung im An- zeigenblatt als auch auf der Online-Plattform. Eine darüber hinausgehende „Weiter- verwendung“ gebe es nicht. Sei die Bekanntmachung veröffentlicht, könne jeder Marktteilnehmer hiervon Kenntnis nehmen; eine wie auch immer geartete „Weiter- verwendung“ sei nicht mehr möglich. Dass die Ausschreibung von Aufträgen auch den wirtschaftlichen Interessen des öffentlichen Auftraggebers diene, sei selbstver- ständlich, bedeute aber keine „Weiterverwendung“ von Bekanntmachungstexten.
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-5- Sofern die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH weitere Dienstleistungen anbiete, die im Kontext des öffentlichen Auftragswesens stünden, bedeute dies ebenfalls keine „Weiterverwendung“ der Bekanntmachungstexte; es fehle bereits an der vom Informationsweiterverwendungsgesetz insoweit geforderten Zweckbestim- mung. Indessen sei der Anwendungsbereich des Gesetzes gar nicht eröffnet, weil es sich bei der gesetzlich geforderten Veröffentlichung von Bekanntmachungstexten nicht um Informationen handele, die bei öffentlichen Stellen „vorhanden“ seien, son- dern gerade bekanntgemacht würden und somit für jedermann frei zugänglich seien. Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2012 - 4 K 3842/11 - die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Der Verwaltungsrechtsweg sei nach § 5 IWG eröffnet. Der Gleichbehandlungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG sei gegeben. Die Weiterverwendung der Bekanntmachungstexte erfolge direkt durch die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH und zum anderen indirekt über die Vergabe24 GmbH sowie gelegentlich durch Tageszeitungen. Die Beklagte schütze das faktische (Informations-)Monopol in Baden-Württemberg im Interesse der Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH bzw. ihrer privaten Anteilseigner, die die Bekanntmachungen zur Gewinn- bzw. Einnahmeerzielung nutzten und sich folg- lich den möglichst exklusiven Zugang zu öffentlichen Informationen auch für die Zu- kunft sichern wollten. Zweitverwertungsrechte durch Zugang zum Portal Vergabe24 gewährleisteten keine dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechende Möglichkeit zur Weiterverwendung. Der Tatbestand der Weiterverwendung vorhandener Informa- tionen öffentlicher Stellen sei bereits durch die Übermittlung der Bekanntmachungen an die Staatsanzeiger für Baden-Württemberg GmbH erfüllt.
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-6- Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zum Verfahren 4 K 3842/11 und insbesondere auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen. Entscheidungsgründe Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist zulässig (A.), sie ist jedoch nicht begründet (B.). A. Die Zulässigkeit der Klage scheitert weder an der Rechtswegzuweisung noch an der Statthaftigkeit der Feststellungsklage. Auch die besonderen Sachentscheidungs- voraussetzungen sind erfüllt. I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach dem Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2913) eröffnet. § 5 IWG enthält eine spezielle Rechtswegregelung, die hier eingreift. Entgegen der Auffassung der Beklagten han- delt es sich vorliegend nicht um eine wettbewerbsrechtliche oder um eine vergabe- rechtliche Streitigkeit. 1. Maßgebend für die Ermittlung des Rechtswegs ist die Zuordnung des Rechtsver- hältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, Beschl. v. 26.05.2010 - 6 A 5/09 - NVwZ-RR 2010, 682,683; BGH, Beschl. v. 19.09.2012 - V ZB 86/12 - NVwZ 2013, 96). Dabei kommt es auf diejenige Rechts- vorschrift an, auf die der Klageanspruch gestützt wird. Die streitentscheidende Rechtsnorm bestimmt demnach die Rechtswegeröffnung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.04.2010 - 1 E 406/10 - 11 NVwZ-RR 2010, 587). 2. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG. Für Streitigkeiten nach dem Informationsweiterverwendungsgesetz ist gemäß § 5 IWG der Verwal- tungsrechtsweg eröffnet. Diese Vorschrift dient der Rechtssicherheit und der Rechtswegkonzentration bei der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit (Püschel, in: Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Stand: Oktober 2012, A V, § 5 IWG RdNr. 4 ff.). Nach dem ausdrücklich erklärten gesetzgeberischen Willen kommt es für
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-7- die Anwendbarkeit des § 5 IWG nicht darauf an, ob eine öffentliche Stelle (§ 2 Nr. 1 IWG) öffentlich-rechtlich handelt oder sich privatrechtlicher Organisations- bzw. Handlungsformen bedient (BT-Drucks. 16/3003, S. 4, Beschlussempfehlung des BT- Ausschusses für Wirtschaft und Technologie). Danach sind die von der Beklagten für die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit an- gestellten Überlegungen unerheblich. Entscheidend ist die positiv-rechtliche Vorgabe des § 5 IWG. Die Klägerin macht einen Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG gel- tend, dessen Erfüllung von der Beklagten abgelehnt wird. Folglich handelt es sich im Sinne des § 5 IWG um eine „Streitigkeit nach diesem Gesetz“. Ob der geltend ge- machte Anspruch gegeben ist, ist keine Frage des zulässigen Rechtswegs, sondern der Begründetheit der Klage. Welche Motive die Klägerin mit dem geltend gemachten Gleichbehandlungsanspruch verfolgt, ist unerheblich. II. Die Klage ist in der Rechtsschutzform der Feststellungsklage statthaft (1.). Die Klägerin muss sich nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verweisen lassen (2.). 1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO setzt rechtliche Beziehungen zwi- schen zwei Rechtssubjekten voraus, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben (Senat, Urt. v. 09.01.2007 - 10 S 1386/06 - NJW 2007, 1706, 1708 = VBlBW 2007, 270, 271). Gegenstand der Fest- stellungsklage ist ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis; ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt vor, wenn zwischen den daran Beteiligten ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlas- sen der anderen Seite verlangen zu können (BVerwG, Urt. v. 25.03.2009 - 8 C 1/09 - NVwZ 2009, 1170). Diese Anforderungen sind erfüllt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklag- te auf Grund der Anträge der Klägerin vom 14. April 2011 und vom 30. August 2011 gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG verpflichtet ist, der Klägerin die zur öffentlichen Be- kanntmachung bestimmten Texte über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die die Be-
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-8- klagte Dritten zur Verfügung stellt, in allen angefragten Formaten, die bei der Beklag- ten vorliegen, unverzüglich zu überlassen. Umrissen ist damit ein konkreter Sachver- halt; die streitigen rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten bestehen auf Grund der Meinungsverschiedenheiten zu § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG, wonach strittig ist, ob die Klägerin von der Beklagten ein bestimmtes Tun verlangen kann. Ein feststel- lungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist folglich zu beja- hen. 2. Die Klägerin ist nicht gehalten, ihre Rechte durch eine Leistungsklage zu verfolgen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Nach der gesetzlich angeordneten Subsidiarität sollen unnötige Feststellungsklagen vermieden werden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (BVerwG, Urt. v. 12.7.2000 - 7 C 3/00 - E 111, 306, 308). Seinem Zweck entsprechend ist § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO einschränkend auszulegen und anzuwenden; droht eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Vorschriften über Fristen und Vorverfahren nicht, ist die Feststellungsklage ebenso wenig subsidiär wie in Fäl- len, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (BVerwG, Urt. v. 5.12.2000 - 11 C 6/00 - E 112, 253, 256). In dem Streit zwischen den Beteiligten bietet die Feststellungsklage den wirksamsten Rechtsschutz. Das Begehren der Klägerin zielt auf eine Art Dauerrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten: Wann immer die Beklagte eine öffentliche Ausschreibung für eine Auftragsvergabe auf den Weg bringt, soll sie verpflichtet sein, den Be- kanntmachungstext – auch – der Klägerin unverzüglich zu übermitteln. Eine Leis- tungsklage könnte – falls sie nicht ohnehin regelmäßig zu spät käme und daher wirk- samen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht zu gewährleisten vermag – immer nur punktuell wirken und eine abschließende Klärung zu den Rechtspflichten der Beklagten aus § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG nicht bewirken. Dagegen kann die Feststel- lungsklage den Meinungsstreit zwischen den Beteiligten zu der von der Klägerin be- haupteten Dauerrechtsbeziehung endgültig beenden. III. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert auch nicht an dem Feststellungs- interesse (1.) und an der Klagebefugnis (2.).
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-9- 1. Als besondere Sachentscheidungsvoraussetzung verlangt § 43 Abs. 1 VwGO, dass die Klägerin „ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat“. Aner- kanntermaßen ist das Feststellungsinteresse nicht gleichbedeutend mit einem „recht- lichen Interesse“, sondern umfasst jedes als schutzwürdig anzusehende Interesse auch wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 32/94 - E 99, 64, 65 f.; BVerwG, Urt. v. 26.1.1996 - 8 C 19/94 - E 100, 262, 271). Das wirtschaftli- che Interesse der Klägerin an der begehrten gerichtlichen Feststellung liegt auf der Hand; unter dem von ihr verfolgten Aspekt der Gleichbehandlung mit der Staatsan- zeiger für Baden-Württemberg GmbH steht ihr aber auch ein rechtliches Interesse zu. Die Klägerin hat überdies im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ein berechtigtes Interesse an der „baldigen“ gerichtlichen Feststellung. Es geht der Klägerin nicht etwa um die Klärung einer Rechtsfrage für eine zukünftige Fallkonstellation (vgl. dazu Senat, Urt. v. 9.1.2007 - 10 S 1386/06 - NJW 2007, 1706, 1708 = VBlBW 2007, 270, 271: unzu- lässiger vorbeugender Rechtsschutz). Vielmehr besteht gegenwärtig der Meinungs- streit zwischen den Beteiligten um die Weitergabe aller anstehenden Bekanntma- chungstexte für öffentliche Ausschreibungen. Dies betrifft nicht etwa eine „ferne Zu- kunft“, sondern zeitnah zu erwartende und gegebenenfalls laufende Ausschreibun- gen der Beklagten. Das Interesse der Klägerin an der baldigen gerichtlichen Feststel- lung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Rechtsverhältnisses mit der Beklag- ten ist demnach berechtigt. 2. Die zur Vermeidung von Popularklagen nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 32/94 - 99, 64, 66; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2006 - 8 S 1706/04 - VBlBW 2006, 425, 426; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.01.2013 - 9 S 2180/12 - VBlBW 2013, 214) geforderte entsprechende Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO auf die Feststellungsklage ist hier nicht problematisch. Die Klagebefugnis ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG; die Klägerin kann geltend ma- chen, entgegen dieser Gesetzesbestimmung mit der Staatsanzeiger für Baden- Württemberg GmbH von der Beklagten nicht gleich behandelt zu werden. Der Vor- trag der Klägerin in diesem Verfahren genügt den Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO (analog).
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- 10 - B. Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Aus dem zwischen den Beteilig- ten bestehenden Rechtsverhältnis folgt der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 IWG geltend gemachte Anspruch nicht. Die zwischen den Beteiligten besonders kontrovers erör- terte Frage, ob eine „Weiterverwendung“ von Informationen vorliegt, kann letztlich offen bleiben (II.), weil das Informationsweiterverwendungsgesetz in der vorliegenden Fallkonstellation nicht anwendbar ist (I.). I. Der Anwendungsbereich des Informationsweiterverwendungsgesetzes erstreckt sich auf alle „bei öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen“ (§ 1 Abs. 1 IWG). Von Bedeutung ist daneben der Negativkatalog des § 1 Abs. 2 IWG; danach gilt das Gesetz für bestimmte Informationen nicht. 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht bereits an der fehlenden Anwendbarkeit des Informations- weiterverwendungsgesetzes aus Gründen des § 1 Abs. 1 IWG. Die Beklagte meint, die zur Bekanntmachung bestimmten Informationen seien gerade durch die öffentli- che Bekanntmachung zur Auftragsvergabe nicht mehr bei der betreffenden öffentli- chen Stelle „vorhanden“, sondern für jedermann frei zugänglich. Das „Vorhanden- sein“ im Sinne des § 1 Abs. 1 IWG meine nur solche Informationen, die bei der öf- fentlichen Stelle in Akten lagerten oder digital gespeichert seien und somit keiner freien Zugänglichkeit durch jedermann unterlägen. a) Diese Rechtsauffassung steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Nach der Geset- zesbegründung stellt die Formulierung „vorhandenen Informationen“ klar, dass ein Informationsverschaffungsanspruch gegenüber öffentlichen Stellen nicht besteht (BT- Drucks 16/2453, S. 12). Sodann entspricht § 1 Abs. 1 IWG europarechtlichen Vorga- ben nach der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen des öffentli- chen Sektors (ABlEU vom 31. Dezember 2003 Nr. L 345/90). Danach sind öffentliche Stellen nicht verpflichtet, Informationen zu erstellen oder die Erstellung von bestimm- ten Informationen zwecks Weiterverwendung fortzusetzen (Art. 5 Abs. 2 RL 2003/98/EG); dem trägt die Beschränkung auf „vorhandene“ Informationen durch § 1 Abs. 1 IWG Rechnung (Altmeppen/Kahlen, MMR 2006, 499, 500).
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