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Aktenzeichen
2 K 61.13
Datum
10. September 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 10. September 2013

2 K 61.13

Das Verwaltungsgericht lehnt die Klage auf Herausgabe der Richtlinie für das Nachrichtendienstliche Informationssystem durch das Bundesministerium des Inneren unter Verweis auf dessen nicht vorhandene Verfügungsberechtigung ab. Der entsprechende Passus des Informationsfreiheitsgesetzes bezweckt, die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde zu konzentrieren, der die größte Sachnähe zum Verfahren zukommt bzw. die die Verfahrensführung innehat. Zwar besteht im Regelfall eine Übereinstimmung zwischen Besitz und Verfügungsberechtigung, doch ist vorliegend das vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommene Bundesamt für Verfassungsschutz Urheber der Richtlinie. Eine Übertragung der Verfügungsberechtigung auf andere Behörden, die auch im Besitz des Dokuments sind und dem Anwendungsbereich unterfallen, würde dem Zweck der Ausnahmebestimmung zuwiderlaufen und ist ausgeschlossen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Sicherheitsaspekte

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VG 2 K 61.13                          Abschrift Mitgeteilt durch Zustellung an a) Kl.          am 19.9.2013 b) Bekl.        am 19.9.2013 Kelm Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Klägers, gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium des Innern, Alt-Moabit 101 D, 10559 Berlin, Beklagte, hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2013 durch den Richter am Verwaltungsgericht Becker als Einzelrichter für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckba- ren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung S i- cherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. -2-
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-2- Tatbestand Der Kläger begehrt von dem Bundesministerium des Inneren (BMI) der Beklagten den Informationszugang zu den „NADIS-Richtlinie". Die Richtlinie für das Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) der Ver- fassungsschutzbehörden (NADIS-Richtlinie) wurde vom Bundesamt für Verfassungs- schutz (BfV) in Zusammenarbeit mit den Landesämtern für Verfassungsschutz ent- wickelt und von der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Län- der (IMK) mit Beschluss vom 6. Mai 1994 gebilligt. Diese Richtlinie ist die Grundlage für die Nutzung des vom BfV betriebenen elektronischen Informationssystems gewe- sen. Sie wurde durch eine vom BfV im Zusammenwirken mit den Landesämtern ver- einbarte Neufassung der Dateianordnung NADIS WN nebst den Durchführungsbe- stimmungen zur Prüfung und Löschung von personenbezogenen Daten abgelöst, denen das BMI mit Erlass vom 20. Juni 2012 vorläufig zustimmte. Auf dieser Grun d- lage nahm das BfV am 24. Juni 2012 das neue Informationssystem NADIS WN in Betrieb. Das BMI stimmte mit Erlass vom 20. September 2012 der geänderten Date i- anordnung (Stand 3. September 2012) vorläufig zu. Die IMK hob mit Beschluss vom 6./7. Dezember 2012 die NADIS-Richtlinie vom 6. Mai 1994 auf und stellte fest, dass die Regelungen und Durchführungsbestimmungen NADIS WN durch die Tagung der Leiterin und Leiter der Verfassungsschutzbehörden im Einvernehmen mit dem Le n- kungskreis neu zu erlassen sind. Die NADIS-Richtlinie vom 6. Mai 1994 und die Da- teianordnung NADIS WN nebst den Durchführungsbestimmungen sind nach der Ver- schlusssachenanweisung als „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Der Kläger beantragte am 4. November 2012 den Informationszugang zu der NADIS- Richtlinie nebst allen Änderungen. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid des BMI vom 22. November 2012 mit der Begründung ab, der Informationszugang sei ausgeschlossen, weil die begehrten Informationen nach der Verschlusssache n- anweisung als vertraulich eingestuft seien. Den Widerspruch des Klägers vom 4. Dezember 2012 wies die Beklagte durch W iderspruchsbescheid vom 25. Februar 2013 zurück. Am 19. März 2013 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, die gesamte Tätigkeit des Verfassungsschutzverbundes verstoße gegen Kontrollratsgesetze und daher könne sie auch nicht als vertraulich geschützt sein. -3-
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-3- Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer L a- dung nicht erschienen. Seinem Vorbringen lässt sich der Antrag entnehmen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BMI vom 22. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2013 zu verpflichten, ihm den Informationszugang durch Überlassung von Ablichtu n- gen der NADIS-Richtlinie nebst allen Änderungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, die begehrten Informationen müssten nach der Verschlusssa- chenanweisung geheim gehalten werden, weil eine Offenlegung für das Staatswohl nachteilig wäre. Denn aus diesen Informationen seien Rückschlüsse sowohl auf Auf- bau, Funktion und Zusammenwirken, wie auf mögliche systemimmanente Schwä- chen des elektronischen Informationssystems möglich. Dadurch könne die Aufga- benerfüllung der Verfassungsschutzbehörden beeinträchtigt werden. Jedenfalls sei der Informationszugang gegenüber den Nachrichtendiensten des Bundes ausge- schlossen. Dies führe dazu, dass das BMI nicht verfügungsbefugt sei. Die Verf ü- gungsbefugnis liege allein bei dem BfV, das Urheber der fraglichen Information sei. Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 12. August 2013 dem Berich- terstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren Einzel- heiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und der Verwal- tungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegen- stand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Entscheidungsgründe Der Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Entscheidung übertragen hat, konnte trotz des Ausbleibens des Klägers verhan- deln und entscheiden, da die Beteiligten in der Ladung auf diese Möglichkeit hing e- wiesen worden sind (§ 102 Abs. 2 VwGO). -4-
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-4- Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugang zu den streitbefangenen Informationen (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 S. 1 des Inform a- tionsfreiheitsgesetzes (IFG). Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes g e- genüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Info r- mationen. Der Kläger zählt zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis und das BMI ist eine anspruchsverpflichtete oberste Behörde des Bundes. Bei der vom Klä- ger begehrten NADIS-Richtlinie vom 6. Mai 1994 und der Dateianordnung NADIS WN nebst den Durchführungsbestimmungen in allen vorliegenden Fassungen han- delt es sich auch um amtliche Informationen, da sie der Aufgabenerfüllung des BMI im Rahmen seiner Rechts- und Fachaufsicht (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 und § 14 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) und damit amtlichen Zwecken dienen (vgl. § 2 Nr. 1 IFG). Dem Anspruch steht jedoch entgegen, dass das BMI über die vom Kläger begehrten Informationen nicht verfügungsberechtigt ist. Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über den Informationszugang, der die Ver - fügungsberechtigung zusteht. Verfügungsberechtigt über eine Information ist grun d- sätzlich deren Urheber (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14). Demjenigen, der die Informati- on im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst g e- schaffen hat, ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie dem- nach an mehreren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberecht i- gung eine sachangemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der u m- fangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, aufgrund derer diese in gro- ßem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren z u- kommt bzw. die die Verfahrensführung innehat. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll maßgebend sein, ob die Behörde ein Verfügungsrecht kraft G e- setzes oder - gegebenenfalls stillschweigender - Vereinbarung erhält (vgl. BVerwG, -5-
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-5- Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 - NVwZ 2012, S. 251). Liegt eine Information bei mehreren informationspflichtigen Stellen vor, sind grundsätzlich be i- de Stellen zur Verfügung berechtigt. Denn im Regelfall besteht eine Übereinsti m- mung zwischen Besitz und Verfügungsberechtigung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 15. März 2013 - VG 2 K 108.12 -; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 7 Rn. 29). Der Annahme eines Regelfalles steht jedoch entgegen, dass es sich um Informati o- nen handelt, deren Urheber das BfV ist. Diese Behörde, die eine Dateianordnung dem BMI zur Zustimmung gemäß § 14 Abs. 1 BVerfSchG vorlegen muss, zählt zu den Nachrichtendiensten des Bundes, die durch die Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG besonders geschützt werden. Nach der vorgenannten Vorschrift besteht der In- formationsanspruch nicht gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes - SÜG - wahrnehmen. Der Schutz- zweck des § 3 Nr. 8 IFG steht der Annahme einer stillschweigenden oder gesetzl i- chen Übertragung der Verfügungsberechtigung entgegen (vgl. Urteil der Kammer vom 30. Mai 2013 - VG 2 K 57.12 -). Es würde dem Sinn und Zweck der Bestimmung zuwiderlaufen, wenn - vorbehaltlich des Bestehens anderer Versagungsgründe - ein Anspruch auf Informationszugang in dem Augenblick bestünde, in dem sich die jeweilige Unterlage nicht mehr au s- schließlich im Besitz der in § 3 Nr. 8 IFG bezeichneten Behörden, sondern bestim- mungsgemäß auch im Besitz anderer Behörden befindet. Ein effektiver Schutz der Unterlagen lässt sich nur erreichen, wenn für den engen Bereich von Informationen der Nachrichtendienste des Bundes oder sonstigen Behörden in sicherheitsempfind- lichen Bereichen die Verfügungsberechtigung anderer Behörden ausgeschlossen ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläuf i- gen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Obe r- verwaltungsgericht zugelassen wird. -6-
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-6- Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechts- verkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7 , 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Ber- lin, einzureichen. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevoll- mächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Beru- fung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Un i- on, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirt- schaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichts- ordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmäch- tigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durc h Beschäftig- te mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Becker BESCHLUSS Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostenge- setzes auf 5.000,00 Euro festgesetzt. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Ber- lin-Brandenburg zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, -7-
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-7- 10557 Berlin, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektroni- schen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen. Sie ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Recht s- kraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht. Becker
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