Information

Aktenzeichen
3 K 1544/11
Datum
24. April 2013
Gericht
Verwaltungsgericht des Saarlandes
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Saarland (SIFG)
Informationsfreiheitsgesetz Saarland (SIFG)

Urteil: Verwaltungsgericht des Saarlandes am 24. April 2013

3 K 1544/11

Das Gericht verurteilt ein Kreisjugendamt zur Offenlegung von Aktenvorgängen gegenüber den Klägern zu ihrem Pflegekind, soweit sie selbst betreffende Schreiben und Notizen enthalten sind. Die ursprünglich vollumfänglich beantragte Akteneinsicht in beim Kreisjugendamt geführte Akten über das Pflegekind ist nur eingeschränkt zu gewähren, da sie Material enthalten, das einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht unterliegt. Zu den besonderen Amtsgeheimnissen des § 3 Nr. 4 IFG gehört das Sozialgeheimnis. Die in den Akten enthaltenen Sozialdaten sind zumindest teilweise auch personenbezogene Daten i.S.d. § 5 IFG, so dass es zu einer Überschneidung der Anwendungsbereiche beider Vorschriften kommt. Die Kläger haben jedoch ihr Einsichtsbegehren eingeschränkt und einer Schwärzung eventuell schutzbedürftiger Daten zugestimmt. Die Voraussetzungen für eine teilweise Informationsgewährung liegen vor. Das Einverständnis mit der Unkenntlichmachung der Informationen zu Dritten sorgt für eine Verfahrensbeschleunigung, weil das Beteiligungsverfahrem entbehrlich wird. Die Berufung auf einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand dürfte die Informationsgewährung nur dann beschränken, wenn trotz verlängerter Bearbeitungszeiten und zusätzlicher Gebühren die Funktionsfähigkeit der Behörde und die Wahrnehmung der eigentlichen Sachaufgaben dieser blockiert zu werden droht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Drittbetroffenheit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Aussonderungen Personenbezogene Daten Bestimmtheit des Antrags

/ 15
PDF herunterladen
3 K 1544/11 VERWALTUNGSGERICHT DES SAARLANDES IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Verwaltungsrechtsstreit 1. der Frau 2. des Herrn - Kläger - gegen den Landrat - Beklagter - w e g e n Informationsgewährung                          (VR 180) hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Richter am Verwaltungsgericht Schwarz als Einzelrichter am 24. April 2013
1

-2-                            3 K 1544/11 für R e c h t erkannt: Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2011 verpflichtet, den Klägern Akteneinsicht in die beim Kreisjugend- amt geführten Aktenvorgänge, die im Zusammenhang mit ihrem Pflegekind angefallenen sind, in der Weise zu gewähren, dass man ihnen –erforderlichenfalls unter Schwärzung Dritte betref- fender Daten– Ausfertigungen der sie selbst betreffenden Schreiben und Notizen zukommen lässt, wobei ihnen bereits of- fensichtlich vorliegende Schriftstücke außen vor bleiben können. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Be- klagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hin- terlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfest- setzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
2

-3-                            3 K 1544/11 Tatbestand Mit Antrag vom 03.08.2009 beantragten die Kläger beim Beklagten Akteneinsicht nach dem saarländischen Informationsfreiheitsgesetz (SIFG) in die Akten betref- fend Ihr Pflegekind. Diese Akten waren aufgrund früherer Zuständigkeit im Zusam- menhang mit der Gewährung von Hilfe zur Erziehung und des sich anschließenden Adoptionsverfahrens angefallen. Der Beklagte teilte den Klägern unter Bezugnahme auf früheren Schriftverkehr mit, er sei bereit, Fragen zur Identitätsfindung des Kindes mit seiner Herkunftsfamilie, insbesondere Fragen zu den Gründen der Inpflegenahme und der Lebenssituation seiner leiblichen Eltern und Geschwister zu beantworten, sofern diese Umstände anhand der Sozialdienstakte nachvollziehbar und die Fragen beantwortbar seien. Sofern dieser Themenbereich das Anliegen der Kläger auf Akteneinsicht betreffe, wurden sie gebeten, konkrete Fragen schriftlich zu stellen, um anhand der sehr um- fangreichen Akten nachzuforschen, ob es Antworten auf diese Fragen in den Akten gebe. Danach werde man mit den Klägern Kontakt aufnehmen, um ein persönliches Beratungsgespräch zu vereinbaren. Mit Schreiben vom 30.08.2009 teilten die Kläger mit, ihrer Ansicht nach genüge das oben genannte Schreiben nicht den gesetzlichen Vorschriften. Es fehle eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 3 SIFG und der Verweis auf den früheren Schrift- wechsel berücksichtige nicht den im § 1 SIFG aufgeführten Grundsatz dieses Ge- setzes. Mit Bescheid vom 08.10.2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf umfassende Ak- teneinsicht ab. Zur Begründung ist ausgeführt, nach § 1 SIFG bestehe in entspre- chender Anwendung der §§ 1-9 und 11 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bun- des (IFG) grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die- ser Anspruch werde allerdings durch die §§ 3 ff. IFG sowie durch sondergesetzliche Regelungen eingeschränkt. Einem Anspruch auf Akteneinsicht stehe im konkreten Fall insbesondere der in § 65 des Sozialgesetzbuches VIII (SGB VIII) geregelte be- sondere Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe entgegen. Die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 SGB VIII für ein Weitergabeverbot von Sozi- aldaten lägen –wie weiter ausgeführt wird– hinsichtlich der von dem Mitarbeiter des
3

-4-                             3 K 1544/11 Jugendamtes im Zusammenhang mit der in der Vergangenheit gewährten Hilfe zur Erziehung und dem Adoptionsverfahrens empfangenen Informationen vor. Da die Einwilligung derer, die die Daten anvertraut haben, nicht vorliege und die Voraus- setzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VIII offensichtlich nicht gege- ben seien, sei der Jugendamtsmitarbeiter und – mittelbar auch der Beklagte – zur Datenweitergabe nicht befugt. Die Bereitschaft, Fragen zur Identitätsfindung des Kindes mit seiner Herkunftsfamilie, insbesondere Fragen zu den Gründen der In- pflegenahme, der Lebenssituation der leiblichen Eltern und Geschwister zu beant- worten, werde von dieser Entscheidung nicht berührt. Am 11.11.2009 haben die Kläger Widerspruch erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, welche schützenswer- ten Umstände vorliegen. Ein schützenswertes Vertrauensverhältnis in Bezug auf die Tätigkeit des Jugendamtes gebe es bereits seit acht Jahren nicht mehr. Soweit es um andere Personen gehe, sei nicht ersichtlich, dass schützenswerte Umstände vorliegen. Es handelt sich hierbei um eine nicht überprüfbare Aussage, die als Schutzbehauptung anzusehen sei. Mit einer solchen Argumentation könne jedwe- der Informationszugang verweigert werden. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit, die schützenswerten Teile der Akte, beispielsweise durch Schwärzen der entsprechen- den Stellen unkenntlich zu machen. Auch insofern müsse allerdings die Möglichkeit der Überprüfung der Schutzbedürftigkeit gegeben sein, die von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden müsste. Mit Schreiben vom 19.03.2010 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass von ihrer Antragstellung auch Daten von Personen betroffen seien, die im Zusammen- hang mit Adoptions-/Pflegestellenbewertungen, ehemaligen Hilfegewährungen nach dem SGB VIII, sowie der Vormundschaft gestanden hätten. Hinsichtlich der entsprechenden personenbezogenen Daten im Sinne des § 1 SIFG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 IFG werde gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 IFG um Begründung des An- trags gebeten. Weiterhin wurde darauf aufmerksam gemacht, dass den betroffenen Dritten gemäß § 8 Abs. 1 IFG vor der Informationsgewährung zum Schutz ihrer Be- lange rechtliches Gehör gewährt werden müsse. Dieses Beteiligungserfordernis entfalle dann, wenn sie – die Kläger – mit der Abtrennung bzw. Schwärzung der Drittdaten sowie der anvertrauten Sozialdaten vorab einverstanden seien. Zugleich
4

-5-                          3 K 1544/11 wurden die Kläger informiert, dass nach dem Allgemeinen Gebührenverzeichnis ei- ne Gebühr von 15 bis 500 € vorgesehen sei, die sich nach dem Verwaltungsauf- wand und dem Nutzen der Amtshandlung für den Schuldner richte. Mit Schreiben vom 19.04.2010 teilten die Kläger mit, sie seien damit einverstanden, dass persönliche Daten geschwärzt werden, sofern die betreffenden Personen dies wünschten. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Diesbezüglich sollte wohl auch nach dem SIFG eine Überprüfung von einer unabhängigen Stelle erfolgen, genaueres entzieht sich allerdings unserer Kenntnisnahme“. Darüber hinaus vertraten sie die Auffassung, es sei mit geringem Aufwand verbunden, eventuell schutzbedürftige Dritte vor der Weiterleitung von schützenswerten Daten um ihr Einverständnis zu bitten. Hinsichtlich der angekündigten Gebührenerhebung machten sie geltend, die bisherigen Angaben seien ungenau. Sie hätten keine Möglichkeit, hohe Gebühren für die Einsichtnahme in die Akten zu zahlen. Unter dem 21.05.2010 wandten sich die Kläger erneut an den Beklagten. Sie be- kräftigten ihre Auffassung, ein Antrag auf Akteneinsicht müsse nicht begründet werden. Des Weiteren baten sie um Mitteilung, was der Beklagte unter dem Begriff „Dritte“ verstehe. Hinsichtlich ihres Einsichtsbegehrens signalisierten sie die Mög- lichkeit einer Einschränkung dahingehend, dass sie keine Schriftstücke benötigten, deren Inhalt Gespräche mit anderen Bewerbern seien, sondern lediglich solche, die sie beträfen einschließlich der Aktennotizen, und den mit ihnen geführten Schrift- verkehr. Darüber hinaus könnten sie auf Vorlage des Gerichtsbeschlusses verzich- ten, in dem ihnen die Vormundschaft zugesprochen worden sei, da ihnen dieser vollständig vorliege. Auch die Aufzeichnungen über die beiden Hilfeplangespräche, die ihnen bereits zugesandt worden seien, könnten vom Akteneinsichtsbegehren ausgenommen werden. Der Beklagte legte diese Eingabe so aus, dass die Kläger vorab einer Abtren- nung/Schwärzung von Drittdaten bzw. der der Regelung des § 65 SGB VIII unterfal- lenden Daten nicht zustimmen und ihren Antrag auf Akteneinsicht nicht näher be- 1 gründen wollten . 1 Vgl. das entsprechende Schreiben an die Kläger vom 25.06.2010
5

-6-                             3 K 1544/11 Im Schreiben vom 15.07.2010 bekräftigten die Kläger ihre Zustimmung zur Schwär- zung von Drittdaten unter eventueller Berücksichtigung ihrer bereits erhobenen Einwände sowie die Möglichkeit einer Einschränkung des Einsichtsbegehrens und vertraten weiter die Auffassung, dass keinerlei Kosten zu erheben seien. Zugleich baten sie noch einmal mitzuteilen, was unter dem Begriff „Dritte“ zu verstehen sei. Die Widerspruchsbehörde wies die Kläger mit Schreiben vom 17.11.2010 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 IFG, der gemäß § 1 SIFG anwendbar sei, noch einmal da- rauf hin, dass ein Antrag dann, wenn er –wie hier– Daten Dritter betreffe, zu be- gründen sei. Weiter wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Begründungser- fordernis entfalle, wenn das Antragsbegehren entsprechend eingeschränkt werde oder auf die Weitergabe von anvertrauten Drittdaten ausdrücklich verzichtet werde. Ein solcher ausdrücklicher Verzicht sei jedoch bislang nicht ausgesprochen worden, denn die Kläger hätten lediglich einer Schwärzung zugestimmt, wenn die betreffen- den Personen dies wünschten. Dies setzte jedoch eine Beteiligung der entspre- chenden Personen voraus, die dann über die Motivation des Einsichtsbegehrens unterrichtet werden müssten, was mangels Begründung des Begehrens nicht mög- lich sei. Die Kläger begründeten ihr Begehren im Schreiben vom 25.11.2010 mit der nicht korrekten Arbeit und Tätigkeit des Jugendamtes gegenüber den Rechten des Kin- des und dem Schutz der Rechte des Kindes. Auf Anfrage durch die Vorsitzende des Kreisrechtsausschusses teilte das Kreisju- gendamt mit, dass bei einer Akteneinsichtnahme an Drittpersonen die leiblichen El- tern und vier Geschwister/Halbgeschwister des Pflegekindes, ein verstorbener Partner der Kindesmutter sowie drei Lebensabschnittsgefährten der Kindesmutter datenschutzrechtlich zu berücksichtigen wären. Darüber hinaus seien auch die Da- ten von zwei Pflege- /Adoptivbewerbern im Vermittlungsverfahren erfasst, insofern hätten die Kläger jedoch bereits mit Schreiben vom 15.07.2010 eine Verzichtserklä- rung abgegeben. Der Widerspruch wurde durch im schriftlichen Verfahren ergangenen Wider- spruchsbescheid vom 22.09.2011 zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten auf ei- ne mündliche Verhandlung verzichtet hatten.
6

-7-                            3 K 1544/11 Zur Begründung ist ausgeführt, an der grundsätzlichen Anspruchsberechtigung der Kläger bestünden zunächst keine Zweifel. Sie begehrten amtliche Informationen nach § 2 IFG und der Beklagte sei Behörde im Sinne des §§ 1 Satz 1 SIFG. Aller- dings sei der Zugang zu amtlichen Informationen nicht unbeschränkt zu gewähren. Bei den von dem Akteneinsichtsbegehren der Kläger betroffenen Informationen in den über das Pflegekind geführten Akten handele es sich um Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I, so dass dem Informationsbegehren im Wege der Akteneinsicht der Ausschlussgrund vom Informationszugang gemäß § 3 Nr. 4 IFG entgegenstehe. Danach bestehe kein Anspruch auf Informationszugang, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum mate- riellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhal- tungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsge- heimnis unterlägen. Bei dem vom Beklagten dargelegten Datenmaterial handele es sich um Sozialdaten im Sinne des § 35 SGB I, also gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X um Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimm- ten oder bestimmbaren natürlichen Person, nämlich um Angaben zu dem Pflege- kind selbst sowie – im weitesten Sinne – der Personen aus dessen näherem Um- feld und der Pflege- und Adoptionsbewerber, die von dem Beklagten als einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf dessen Aufgaben nach dem SGB VIII erhoben, verarbeitet oder genutzt wurden. Sozialdaten unterlägen gemäß § 35 SGB I einem besonderen Schutz. Gemäß § 35 Abs. 2 SGB I sei die Erhebung, Verarbei- tung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig. Sei eine Übermittlung nicht zulässig, bestehe keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung und oder Aus- lieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateien und nicht automatisiert erhobenen, verarbeiteten oder genutzten Sozialdaten. Bei den Regelungen zum Sozialgeheimnis handele es sich um eine gesetzliche bereichsspezifische Geheim- haltungsregelung, welche mit dem IFG nicht außer Kraft gesetzt worden sei. Diese gesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften gelten absolut und seien einer Relativie- rung nicht zugänglich. Eine Abwägungsklausel sehe das IFG nicht vor. Eine Über- mittlung komme daher ohne weitere Abwägungspflicht nicht in Betracht. Eine Übermittlungsbefugnis öffneten auch die Sozialgesetze nicht. Es bestehe auch kei- ne Auskunftspflicht. Daneben stehe auch § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG der Gewährung von Akteneinsicht entgegen. Die Vorschrift trage dem Umstand Rechnung, dass der
7

-8-                            3 K 1544/11 Staat über die Gewährung eines Informationszugangs zu personenbezogenen Da- ten nicht beliebig verfügen könne. Er stehe insofern zwischen dem Geheimhal- tungsinteresse des Dritten und dem Auskunftsinteresse des Anfragenden. Zwi- schen diesen Interessen müsse ein Ausgleich gefunden werden. Insoweit stehe sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbin- dung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz und das Recht auf und das Recht auf Informati- onsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gegenüber. Bei dieser Interessenlage sei eine Abwägung zu treffen, wobei ein Informationszugang nur bei einem überwie- genden Interesse des Begehrenden gewährt werden dürfe. Ein solch überwiegendes Interesse der Kläger sei nicht ersichtlich. Diese hätten in dem bereits mehrere Jahre zurückliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren Einsicht in die über das Pflegekind geführten und dem Verwaltungsgericht vorge- legten Akten nehmen können. Da nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ei- ne Hilfegewährung durch den Beklagten nicht mehr erfolgt sei, das Verwaltungsver- fahren vielmehr sodann und folglich seit dem Jahr 2007 abgeschlossen sei, könne davon ausgegangen werden, dass sich an der Aktenlage seit dem Zeitpunkt der Ak- teneinsichtnahme keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten. Dies gelte ins- besondere vor dem Hintergrund der Interessenlage der Kläger, die ihr Einsichtsbe- gehren mit der Untätigkeit des Beklagten trotz dessen – nach ihrem Dafürhalten – fortbestehender Zuständigkeit für das Pflegekind begründen. Einem Informationsin- teresse der Kläger stehe auch entgegen, dass nach Kenntnis des Kreisrechtsaus- schusses sowie nach eigenem Vortrag der Kläger das Landesjugendamt für das Pflegekind als Jugendhilfeträger zuständig sei und diese Zuständigkeit auch von dort ausgeübt werde. Von daher sei eine Einholung der ausdrücklichen Einwilligung der von der Akteneinsicht betroffenen Dritten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 IFG nicht geboten. Der hiermit verbundene Verwaltungsaufwand stehe insofern in keinem Verhältnis zu dem – wie dargelegt – als gering einzustufenden Informationsinteres- se der Kläger. Schließlich komme auch eine nur teilweise Informationsgewährung im Sinne des § 7 Abs. 2 IFG nicht in Betracht, denn eine Unkenntlichmachung (Schwärzung) von Daten sowie Informationen der Betroffenen oder die Heraus- nahme einzelner Blätter könne nicht dazu führen, dass die Belange der Dritten aus- reichend geschützt seien. Die Daten der Dritten seien mit den nicht schutzwürdigen Daten in einer Art untrennbar verbunden, dass eine Unkenntlichmachung so um-
8

-9-                              3 K 1544/11 fangreich wäre, dass der Informationszugang auf diesem Wege praktisch nicht er- folgen könne bzw. dem eingeschränkt berechtigten Zugang ein unverhältnismäßi- ger Verwaltungsaufwand auf Seiten des Beklagten gegenüberstehe. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern durch Einschreiben mit Rückschein am 05.10.2011 zugestellt. Mit der am 20.10.2011 bei Gericht eingegangenen Klage haben die Kläger ihr Be- gehren weiter verfolgt. Zur Begründung machen sie geltend, der Bescheid sei für sie nicht vollständig lesbar. Begriffe wie "i.d.S.“ und „i.d.R.“ seien keine gebräuchli- chen deutschen Begriffe. Ihnen stehe ein Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht zu. Der Beklagte habe dieses Akteneinsichtsbegehren abzuwehren versucht. Sie hätten der Schwärzung von Daten Dritter zugestimmt. Es gehe ihnen lediglich um die Ausfertigungen „der sie selbst mit dem besagten Amt betreffenden Schreiben“ und Notizen. Somit sei eindeutig eine Eingrenzung des Einsichtsbegehrens zur Ent- lastung der Behörde erfolgt. Ihnen bereits vorliegende Schreiben – wie zum Bei- spiel das Urteil des Amtsgerichts – seien von dem Begehren ausgenommen. Zu- dem habe man ihnen nicht konkret angeben können, welche Kosten möglicher- weise entstehen. Aus Unkenntnis über den Akteninhalt sei es ihnen auch nicht möglich, konkrete Angaben dazu zu machen, welche Teile der Akten Ihnen zuge- sandt werden sollten. Aufgrund eigener Nachforschungen hätten sie persönlichen Kontakt zu einer ganzen Reihe der mit dem Wort "Dritte" bezeichneten Personen gehabt. Keine dieser Personen habe einen Einwand gegen ihr Akteneinsichtsbe- gehren geäußert. Aus ihrer Sicht hätte die Klage vermieden werden können, wenn die Verwaltung beispielsweise mitgeteilt hätte: "Das Befragen und die unabhängige Stelle ist uns leider nicht möglich, aber die Kosten für Ihr Einsichtsbegehren betra- gen (beispielsweise) 55 Euros.“ Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2011 zu verpflichten, ihnen Aktenein- sicht in die beim Kreisjugendamt geführten Akten- vorgänge, die im Zusammenhang mit ihrem Pflege- kind angefallenen sind, in der Weise zu gewähren,
9

- 10 -                         3 K 1544/11 dass man ihnen –erforderlichenfalls unter Schwär- zung Dritte betreffender Daten– Ausfertigungen der sie selbst betreffenden Schreiben und Notizen zu- kommen lässt, wobei ihnen bereits offensichtlich vorliegende Schriftstücke außen vor bleiben kön- nen. Der Beklagte hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbe- scheid schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kläger hätten mit Schreiben vom 03.12.2009 bzw. 09.03.2010 einer Schwär- zung von Drittdaten nur für den Fall zugestimmt, dass die Betroffenen Dritten dies wünschen und die Schutzbedürftigkeit der Daten und Angaben dieser Personen nach Überprüfung durch eine unabhängige Stelle festgestellt worden sei. Eine Ein- grenzung des Akteneinsichtsbegehrens im nunmehr im Klageverfahren vorgenom- menen Umfang sei im Verwaltungsverfahren nicht erfolgt. Die Kläger haben sich mit Schreiben vom 05.01.2013 mit der vom Gericht vorge- schlagenen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt und keine Bedenken gegen eine Übertragung auf den Einzelrichter geäußert. Der Be- klagte hat ebenfalls auf mündliche Verhandlung verzichtet und keine Bedenken ge- gen eine Übertragung auf den Einzelrichter. Durch Beschluss vom 19.04.2013 hat die Kammer den Rechtsstreit zur Entschei- dung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten und des Kreisrechtsausschusses verwiesen. Entscheidungsgründe Die Klage, über die im Einverständnis mit den Beteiligten (§ 101 Abs. 2 VwGO) oh- ne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist als Verpflichtungsklage
10

Zur nächsten Seite