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Aktenzeichen
2 K 172.12
Datum
15. März 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 15. März 2013

2 K 172.12

Einer Auskunft über die Geschäftsführervergütung bei der Beklagten - ein beliehenes Unternehmen, das öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt - steht der Schutz personenbezogener Daten bzw. die fehlende Einwilligung der Geschäftsführer entgegen. Da es in dem fraglichen Jahr nur zwei Geschäftsführer gegeben hat, entfällt dieser Schutzbedarf nicht durch die Angabe einer Summe der gezahlten Geschäftsführergehälter. Für andere Dokumente fehlt der Beklagten die Verfügungsberechtigung, weil der Informationsberechtigte dieselben Unterlage auch bei der Stelle beantragt hat, die sie erstellt hat. Offenzulegen sind hingegen die Namen der Verfasser von Prüfberichten, soweit es sich um juristische Personen handelt, sowie weitere Dokumente. In Bezug auf diese geht das Verwaltungsgericht auf verschiedene Ausnahmetatbestände des Informationsfreiheitsgesetzes ein, die es jedoch nicht für einschlägig hält. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Personenbezogene Daten Zuständigkeit Urheberrecht

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VG 2 K 172.12 Verkündet am 15. März 2013 Wolter Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache der Frau Klägerin, Verfahrensbevollmächtigte: gegen Beklagte, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2013 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Schulte, den Richter am Verwaltungsgericht Becker, die ehrenamtliche Richterin Meiwes und den ehrenamtlichen Richter Wilk am 15. März 2013 für Recht erkannt: Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen und die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erl e- digt erklärt haben. -2-
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-2- Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2012 sowie unter teil- weiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2012 verpflichtet, 1. der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Namen der Verfasser der Dokume n- te 110 bis 112 der Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012, soweit es sich um juristische Personen handelt 2. der Klägerin Einsicht zu gewähren in folgende Unterlagen der Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012 einschließlich der Namen der Wirtschaftsprüfer, soweit es sich um juristische Personen handelt, aber ohne Be- triebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter und ohne Namen, Anschriften und Te- lekommunikationsdaten von Kreditnehmern oder Beteiligungsinhabern der B_____: - Schreiben der B_____ an die E_____vom 14. Oktober 2002 und Bericht des Wirtschaftsprüfers (Dokument 22) - Schreiben von Herrn D_____an die EdB vom 12. März 2002 (Dokument 42) - Schreiben der E_____ an die B_____ vom 9. Oktober 2002 (Dokument 60) - Schreiben der B_____ an die E_____ vom 26. November 2001 und Schreiben des P_____ vom 31. Juli 2001 (Dokument 79) - Schreiben der B_____ an den P_____ vom 16. Mai 2002 (Dokument 103) - Schreiben der B_____ an die E_____ vom 4. Oktober 2002 (Dokument 109) 3. den Antrag der Klägerin auf Informationszugang zu den Namen der Wirt- schaftsprüfer (natürliche Personen) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheits- leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Tatbestand Die Klägerin begehrt Zugang zu Informationen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Entschädigungsfall der B_____. -3-
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-3- Die 1995 gegründete B_____ ist ein ehemals börsennotiertes Kreditinstitut mit Sitz in Dresden. Am 16. Mai 2003 beantragte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung s- aufsicht (BaFin) beim Amtsgericht Dresden die Eröffnung des Insolvenzverfa hrens für die B_____ und stellte am 20. Mai 2003 den Entschädigungsfall fest. Die Beklagte ist die gesetzliche Entschädigungseinrichtung für die Einlagenkreditin- stitute in privater Rechtsform. Sie nimmt als beliehene Unternehmerin die öffentlich - rechtliche Aufgabe wahr, im Entschädigungsfall die Gläubiger eines ihr zugeordn e- ten Instituts für nicht zurückgezahlte Einlagen oder für nicht erfüllte Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu entschädigen. Mit Schreiben vom 12. April 2011 (wiederholt mit gleichlautendem Schreiben vom 10. Mai 2011) beantragte die Klägerin bei der Beklagten u.a. Auskunft zu ihrem Ent- schädigungsfall sowie zu der Frage, welchen Verdienst die Geschäftsführer der Ent- schädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) im Jahre 2003 von der EdB erhielten und welchen Verdienst der Geschäftsführer der EdB, Herr D_____, bislang insgesamt von der EdB erhielt. Die Beklagte wies die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2011 darauf hin, dass sie neben dem Namen die Konto- bzw. Kundennum- mer, das Geburtsdatum und die Anschrift im Zeitpunkt der Feststellung des Entsch ä- digungsfalles benötige, um den Antrag der Klägerin - wie auch die Anträge der ande- ren Mandanten der Verfahrensbevollmächtigten - bearbeiten zu können. Die Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin übersandten der Beklagten mit Schrei- ben vom 9. Juni 2011 eine Tabelle mit Angaben zu ihren Mandanten und führten da- zu aus, sie begehrten eine weitere einfache schriftliche Auskunft über die Kont o- nummer bzw. Kundennummer bei der B_____, soweit in der Liste diese Angabe be- züglich einzelner Mandanten fehle. In der Tabelle war bei der Klägerin keine Konto- bzw. Kundennummer eingetragen. Mit Schreiben vom 19. Juli 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten u. a. Aus- kunft zu folgenden Fragen: 1. Liegen Ihnen Rechtsgutachten, Gutachten, gutachterliche Stellungnahmen oder Berichte mit inhaltlichem Bezug zur B_____ vor, wenn ja, von wel- chem Verfasser stammen diese und welchen Titel tragen sie? 6. Wann wurden der EdB erstmals die bei der B_____, ausweislich des 1. Be- richts des Insolvenzverwalters der B_____ zum Insolvenzverfahrens der B_____ vom 26.09.2003 vorhandenen, dort explizit aufgeführten, auffallen- den Mängel sowohl in der Aufbau- als auch in der Ablauforganisation der -4-
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-4- B_____ erstmals bekannt und wodurch? 7. Wurde die Aufbau- und die Ablauforganisation der B_____ von der BaFin geprüft und wenn ja, wann und durch wen? 8. Gab es eine oder mehrere Sonderprüfungen der BaFin bei der B_____, insbesondere jedoch nicht ausschließlich nach § 44 KWG, und wenn ja, wann? 9. Wenn es keine Sonderprüfungen, insbesondere jedoch nicht ausschließ- lich, nach § 44 KWG gab, warum wurden diese trotz der ausweislich des 1. Berichts des Insolvenzverwalters der B_____ zum Insolvenzverfahren der B_____ vom 26.09.2003 vorhandenen, dort explizit aufgeführten, auffallen- den Mängel in der Aufbau- als auch in der Ablauforganisation der B_____ nicht durchgeführt? sowie Akteneinsicht u.a. in folgende Unterlagen: 12.c) alle internen Stellungnahmen, Berichte, Korrespondenz mit der Bundesa n- stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) zu den Jahresabschlüssen der B_____ für die Geschäftsjahre ab Gründungs- geschäftsjahr der B_____ bis 2003, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der B_____ keine Betriebs- oder Geschäftsgeheim- nisse Dritter enthalten, d) alle Unterlagen, Absprachen, Verträge, Aktennotizen und Schreiben, die zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) der EdB und der B_____ ab Gründungsgeschäftsjahr der B_____ bis 2003 geführt oder vereinbart wurden, soweit sie neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der B_____ keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthalten. Mit Bescheid vom 2. November 2011 beantwortete die Beklagte Frage 1 dahing e- hend, dass ein Gutachten in der Insolvenzantragssache B_____ von Diplom- Volkswirt H_____ an das Amtsgericht Dresden vom 15. Juli 2003 vorliege. Im Übri- gen lehnte sie den Antrag ab mit der Begründung: Die begehrten Informati onen ent- hielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter und unterlägen den Ver- schwiegenheitspflichten nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädi- gungsgesetz (EAEG). Einer Auskunftserteilung stünden auch die „Allgemeinen Au f- tragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ en t- gegen. Am 2. Dezember 2011 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. November 2011 ein und bestritt das Vorliegen von Ausschlussgründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2012 verpflichtete die BaFin die Beklagte u.a., die mit Schreiben vom 19. Juli 2011 gestellten Akteneinsichtsanträge in Num- -5-
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-5- mer 12 c) und d) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Widerspruchsbe- hörde neu zu bescheiden und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Am 6. August 2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Im Laufe des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 Einsicht in 57 in der Anlage zu diesem Bescheid aufgeführte Dokumente g ewährt. Im Übrigen hat sie den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt: Es handele sich um U n- terlagen der BaFin, in die sie keine Akteneinsicht gewähren könne, da ihr insoweit die Verfügungsbefugnis fehle. Im Übrigen stünden der Akteneinsicht Ausschlus s- gründe entgegen. Die Offenlegung habe nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll - und Aufsichtsaufgaben der BaFin bzw. der Beklagten und verletze die Verschwie- genheitspflichten nach dem Kreditwesengesetz (KWG) und dem EAEG. In den D o- kumenten seien personenbezogene Daten enthalten. Die Preisgabe der Informati o- nen verletzte zum Teil das geistige Eigentum sowie Betriebs- und Geschäftsgeheim- nisse Dritter einschließlich der B_____. Dies gelte trotz der Erklärung des Insolvenz- verwalters der B_____ gegenüber der Beklagten, dass kein Bedürfnis an der Ge- heimhaltung der die B_____ betreffenden Informationen bestehe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre Klage teilweise zurückgenom- men, teilweise haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache überei n- stimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte Auskunft erteilte oder Aktenei n- sicht gewährte. Zur Begründung der noch aufrechterhaltenen Klage führt die Klägerin im Wesentli- chen an: Die begehrten Informationen dienten der Prüfung der Erfolgsaussichten von Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüchen. Sie wollten wissen, wie die Mittel der Entschädigungseinrichtung verwendet worden seien. Verlangt werde nur die Auskunft darüber, welchen Verdienst die Geschäftsführer der Beklagten zusammen im Jahre 2003 erhalten hätten. Die Angabe des Gesamtbetrages des Verdienstes aller Geschäftsführer sei keine Einzelangabe. Die Besoldungstabellen für die Bea m- ten seien auch veröffentlicht. Im Übrigen sei die formelhafte und pauschale Verwe i- gerung der Auskünfte nicht geeignet, ihren Anspruch zu Fall zu bringen. Der Schutz geistigen Eigentums scheide aus. Ein mögliches Urheberrecht bestehe nicht, da die Nutzungsrechte auf die Beklagte übergegangen seien. Die Regelungen im KWG und im EAEG seien nicht einschlägig. Insgesamt sei nicht erkennbar, inwiefern die Erte i- lung von Auskünften und die Gewährung von Akteneinsicht nachteilige Auswirku n- -6-
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-6- gen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der BaFin haben könnten. Der pauscha- le Vortrag der Beklagten werde bestritten. Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 2. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2012 sowie unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23. Oktober 2012 zu verpflichten, 1. ihr Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen: a) Welchen Verdienst erhielten die Geschäftsführer der EdB im Jahre 2003 von der EdB? b) Welchen Verdienst erhielt der Geschäftsführer der EdB, Herr D_____, bis- lang insgesamt von der EdB? c) Wie lauten die Namen der Verfasser der Dokumente 110 bis 112 der Anl a- ge zum Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012? d) - e) Wann und durch wen wurde die Aufbau- und die Ablauforganisation der B_____ von der BaFin geprüft? f) Gab es eine oder mehrere Sonderprüfungen der BaFin bei der B_____, ins- besondere jedoch nicht ausschließlich nach § 44 KWG, und wenn ja, wann? g) - 2. ihr Akteneinsicht in folgende Unterlagen zu gewähren: a) Alle internen Stellungnahmen, Berichte, Korrespondenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (bzw. deren Vorgängerbehörde) zu den Ja h- resabschlüssen der B_____ für die Geschäftsjahre ab Gründungsgeschäfts- jahr der B_____ bis 15. Juli 2003, soweit sie, neben den Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnisse der B_____, keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter sowie Namen, Anschriften und Telekommunikationsdaten von Kredit- nehmern oder Beteiligungsinhabern der B_____ enthalten. b) Die Dokumente 22, 42, 60, 79, 98, 103, 109 (nebst der jeweiligen Anlagen) der Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2012, ohne Be- triebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter - aber mit den Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnissen der B_____ - und ohne Namen, Anschriften und Tele- kommunikationsdaten von Kreditnehmern oder Beteiligungsinhabern der B_____, soweit Akteneinsicht nicht bereits in der mündlichen Verhandlung gewährt worden ist. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie trägt im Wesentlichen vor: Die Klage sei wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Das prozessuale und außerprozessuale Verhalten des Klägervertreters stelle sich -7-
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-7- als eine bewusste und zielgerichtete Schädigung und Belastung der Beklagten und eine Belästigung des erkennenden Gerichts dar. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der Klägervertreter in sogenannten Werbeschreiben an mögliche Geschädigte der Insolvenz der B_____ die Durchsetzung des Informationsanspruchs als Teil eines Auszahlungserzwingungsverfahrens sehe. Tatsächlich seien die mit der Klage ange- strebten Informationen jedoch gänzlich ungeeignet, einen Entschädigungsa nspruch nach dem EAEG zu begründen. Der Klägervertreter habe in ca. 640 Fällen bei der Beklagten gleichlautende Anträge auf Informationszugang gestellt, obwohl die paral- lele und teilweise sogar zeitgleiche Antragstellung weder erforderlich noch sachge- recht, sondern allein von dem Ziel getragen sei, die Beklagte und das Gericht über- mäßig zu belasten. Zudem habe der Klägervertreter in mehreren hundert Verfahren bei der BaFin dieselben Anträge gestellt wie bei der Beklagten und verfolge sie im Klagewege vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main weiter. Dies könne nur als Schikane gewertet werden. Der Klägerin gehe es tatsächlich gar nicht um den Informationszugang. Denn bislang habe sie die im Bescheid vom 23. Oktober 2012 gewährte Akteneinsicht nicht genommen. Das Informationsfreiheitsrecht werde dazu missbraucht, durch die beliebige Vervielfältigung unnötiger, die Verwa ltung und die Gerichte stark belastender Massenklagen, Anwaltshonorare zu generieren, die außer Verhältnis zu dem erzielbaren Rechtsschutzeffekt der Klägerin stünden. Die sachlich unbegründete Weigerung der Klägerin bzw. des Klägervertreters, Musterverfahren zu führen, sei allein mit der Absicht verbunden, die Beklagte einem Übermaß an ei- genen Verfahrenskosten sowie einem unzumutbaren Prozesskostenrisiko auszuset- zen. Die Klage sei hinsichtlich der Klageanträge zu 1 a) und b) auch unzulässig, weil sie der Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2011 geantwortet und diese die erforderli- chen Angaben zur Sachverhaltsaufklärung als Voraussetzung für die Beantwortung der Fragen zu ihrem Entschädigungsfall nicht gemacht habe. Eine gesonderte Be- antwortung des Antrages mit den Fragen aus vorgenannten Klageantr ägen habe die Klägerin offenkundig nicht begehrt; dies zeige auch der Antrag vom 19. Juli 2011 mit gänzlich anderen Auskunftsfragen. Die Klägerin sei bezogen auf die Klageanträge 2 a) und b) nicht zur Klage befugt, denn die BaFin habe die ursprüngliche Ablehnung des Antrags auf Ein sicht im Wi- derspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte insoweit zur Neubescheidung verpflichtet. Darüber hinaus fehle der Klägerin auch das Rechtsschutzbedürfnis. Da die Klägerin gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2012 keinen Widerspruch einge- -8-
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-8- legt hätte, sei dieser Komplex bestandskräftig außerhalb des vorliegenden Verfah- rens abgeschlossen worden. Die Klage sei zudem unbegründet. Dem Anspruch auf Informationszugang stünden Versagungsgründe entgegen. Der mit den Klageanträgen 1 a) und b) begehrten Auskunft zum Verdienst der Geschäftsführer stehe der Schutz personenbezogener Daten entgegen. Eine Einwilligung der Geschäftsführer zur Übermittlung der Daten liege nicht vor. Zum Klageantrag 1 c) könnten die Namen der Verfasser nicht mitg e- teilt werden, da sowohl personenbezogene Daten als auch Betriebs- und Geschäfts- geheimnisse preisgegeben sowie das geistige Eigentum der Wirtschaftsprüfer ve r- letzt würde. Es könne Nachteile für die Marktstellung des Wirtschaftsprüfers haben, wenn bekannt werde, dass dieser für eine bestimmte Bank oder die BaFin tätig ge- worden sei. Möglicherweise würde eine andere Bank ihn dann nicht mehr beauftr a- gen. Der Mandantenstamm des Wirtschaftsprüfers stelle exklusives kaufmännisches Wissen dar. Zudem stünden die „Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschafts- prüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“ einer Offenlegung entgegen. Für die mit den Klageanträgen 1 e) und f) begehrten Informationen fehle d er Beklagten die Verfügungsbefugnis; diese liege allein bei der BaFin. Für die Klageanträge 2 a) und b) werde auf die in der Anlage zum Bescheid vom 23. Oktober 2012 angegebenen einzelnen Versagungsgründe verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte in diesem Verfahren und der Streitakte VG 2 K 108.12 sowie der Ver- waltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Das Verfahren ist gemäß bzw. entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzuste llen, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage zulässig (I.), teilweise begründet (II.) und teilweise unb e- gründet (III.). I. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht der von der Beklagten geltend gemachte Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Im Hinblick auf die Garantie des effekt i- -9-
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-9- ven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG kommt eine solche Verweigerung von Rechtsschutz nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht, beispielswei- se für Klagen, die allein dazu dienen, den Gegner zu schädigen oder das Gericht zu belästigen (vgl. Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Auflage 2010 § 42 Rn. 360 m.w.N. und VGH Kassel, Beschluss vom 24. März 2010 - 6 A 1832.09 - juris Rn. 8). Dabei muss die Schädigungsabsicht des Klägers eindeutig erkennbar sein. Hieran fehlt es. Selbst die Beklagte beruft sich nicht auf eine Schädigungsa b- sicht der Klägerin, sondern sieht allein das Verhalten des Klägervertreters als einen der Klägerin zuzurechnenden Rechtsmissbrauch an, da er für eine Vielzahl von Mandanten eine Vielzahl gleichlautender Anträge gestellt und zahlreiche Klagen e r- hoben habe. Dies genügt jedoch nicht für die Annahme einer Schädigungsabsicht der Klägerin. Massenklagen sind nicht per se rechtsmissbräuchlich. Der Gesetzge- ber hat das Phänomen von Massenklagen gesehen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8) und den Behörden verschiedene Möglichkeiten eingeräumt, damit umzugehen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 IFG in Verbindung mit §§ 17 ff. VwVfG; § 1 Abs. 2 Satz 3 IFG). Dar- über hinaus gibt es keine Anhaltspunkte für eine schädigende Absicht der Kläger in. Diese will vielmehr in Erfahrung bringen, wie die Mittel der Beklagten verwendet worden sind und wie die Beklagte ihre Aufgaben erfüllt hat, um ggf. Schadensersatz- oder Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte oder Dritte prüfen zu können. Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), da ihr der begehrte Informations- zugang noch nicht gewährt worden ist. Dies gilt auch für die Klageanträge 2 a) und b). Denn insoweit hat die BaFin die Anträge lediglich zur Neubescheidung an die Beklagte zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihr nach Klageerhebung ergangener B e- scheid vom 23. Oktober 2012 nicht bestandskräftig geworden. Die Klägerin hat mit Erhebung der Verpflichtungsklage ihr Begehren auf Informationszugang anhä ngig gemacht und den Bescheid vom 23. Oktober 2012 ausdrücklich in das anhängige Klageverfahren einbezogen. Der Durchführung eines erneuten Vorverfahrens nach § 68 VwGO und der Einhaltung einer Klagefrist bedurfte es nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 24.94 - juris Rn. 26; VGH München, Urteil vom 22. Juni 2007 - 4 B 06.1224 - juris Rn. 36). Die Verpflichtungsklage ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1 a) und b) ohne Durch- führung des Vorverfahrens zulässig, weil die Beklagte über die den Klageanträgen entsprechenden Fragen aus den Anträgen vom 12. April 2011 bzw. 10. Mai 2011 bis zur Erhebung der Klage am 6. August 2012 ohne zureichenden Grund in angemes- - 10 -
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- 10 - sener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 75 Satz 1 VwGO). Bei Klageerhebung war die Frist von drei Monaten aus § 75 Satz 2 VwGO abgelaufen und die von der Beklagten geforderten Angaben waren für die Bescheidung der Anträge nicht er for- derlich. Die Klägerin hat ihr Klagerecht auch nicht verwirkt. Die Verwirkung als Hauptanwe n- dungsfall des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Ge l- tendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen; der reine Zeitablauf als solcher kann indes die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2005 - BVerwG 8 C 15/04 - juris, Rn. 25, m.w.N.). Über den Zeitablauf hinaus fehlt es hier an einer hinreichenden Vertrauensgrundl a- ge. Aus dem für eine Vielzahl von Verfahren verfassten Schreiben vom 9. Juni 2011 ergibt sich, dass die jeweiligen Antragsteller, zu denen auch die Klägerin zählt, in den Verfahren, in denen sie bestimmte Angaben nicht gemacht haben, an dem A n- trag (hier vom 12. April 2011 bzw. 10. Mai 2011) festhielten und zunächst weitere Auskünfte begehrten, zu denen sich die Beklagte nicht geäußert hat. Soweit die Klä- gerin mit Schreiben vom 19. Juli 2011 kommentarlos Anträge gestellt hat, die sich jedenfalls teilweise mit dem Antrag vom 12. April 2011 bzw. 10. Mai 2011 übe r- schneiden, lässt sich daraus bei objektiver Betrachtung nur ableiten, dass der frühe- re Antrag nunmehr in anderer Form weiterverfolgt wird, hinsichtlich der weiteren, früher gestellten Anträge, ergibt sich daraus jedoch nichts. II. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Kläger in hat Anspruch auf Auskunft über die Namen der Verfasser der Dokumente 110 bis 112 der Anlage zum Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 2012, soweit es sich um juristische Personen handelt (1.); sie hat Anspruch auf Einsicht in die im Tenor unter Nr. 2 näher bezeichneten Unterlagen (2.) sowie Anspruch auf Neubescheidung ihres Auskunfts- bzw. Akteneinsichtsantrags, soweit es um Namen von Wirtschafts- prüfern geht, die natürliche Personen sind (3.). Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Hiernach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen A n- spruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist als natürliche Personen „jeder“ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Behörde im Sinne - 11 -
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