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Aktenzeichen
12 N 9.12
Datum
26. Februar 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 26. Februar 2013

12 N 9.12

Das Oberverwaltungsgericht weist einen Antrag auf Zulassung der Berufung zurück. Es bestanden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hatte festgestellt, dass auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes kein Anspruch auf Informationszugang gegenüber einer Bundestagsfraktion besteht, da diese nicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit

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Wappen Berlins und Brandenburgs OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG BESCHLUSS OVG 12 N 9.12 VG 2 K 114.11 Berlin In der Verwaltungsstreitsache des , Klägers und Antragstellers, bevollmächtigt: Rechtsanwalt , gegen die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Beklagte und Antragsgegnerin, hat der 12. Senat durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Plückelmann     und   die  Richter   am    Oberverwaltungsgericht    Böcker und Prof. Dr. Möllers am 26. Februar 2013 beschlossen: Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 wird abgelehnt. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger. -2-
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-2- Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt. Gründe Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. 1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens beste- hen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entschei- dung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage als jedenfalls unbegründet beurteilt. Ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG läge nicht vor. Die Beklagte sei keine Behörde oder sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 IFG). Dies ergebe sich aus § 46 Abs. 3 AbgG, der die Fraktionen des Deutschen Bundestages aus- drücklich als nicht der öffentlichen Verwaltung zugehörig definiere. Etwas anderes folge auch nicht aus der materiellen Tätigkeit der Beklagten. Die das Informati- onsbegehren betreffende Verteilung staatlicher Mittel als Funktionszulagen an Mitglieder der Beklagten sei kein Gesetzesvollzug. Vielmehr gelte für die Beklagte nichts anderes als für andere Empfänger staatlicher Leistungen, die als Adressa- ten besonderer öffentlich-rechtlicher Pflichten nicht zu einem Teil der öffentlichen Verwaltung würden. Ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sei gleichfalls nicht gegeben. Dieser schütze nur diejenigen, die durch Akte der öffentlichen Gewalt in ihren Rechten betroffen seien. Ein solcher Akt lie- ge hier aber nicht vor. Zudem garantiere die Rechtsschutzgarantie nur die Eröff- nung des Rechtswegs, nicht dagegen den Erfolg bei Gericht. Diese Garantie sei dem Kläger auch nicht versagt worden. Etwas anderes würde auch dann nicht gelten, wenn das Verhalten der Beklagten im Ergebnis rechtswidrig wäre, weil in keinem Fall ersichtlich sei, wie eine solche objektive Rechtsverletzung eigene subjektive Rechte des Klägers berühren könnte, da dieser mit der Beklagten we- der in einem Beschäftigungs- noch in einem politischen Konkurrenzverhältnis ste- he. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Berliner Pressegesetz, das in sei- -3-
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-3- nem § 4 Abs. 1 nur Behörden im funktionalen Sinne adressiere. Als eine solche sei die Beklagte aber aus den genannten Gründen nicht zu verstehen. Die gegen diese Ausführungen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Aus § 46 Abs. 3 AbgG ergibt sich klar, dass die Beklagte nicht als Verwaltungsbehörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG zu behandeln ist. Damit ist ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ebenso ausgeschlossen wie aus dem Berliner Pressegesetz. § 46 Abs. 3 AbgG unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar ist dem Kläger darin beizupflichten, dass es dem Gesetzgeber nicht freisteht, staatli- ches Handeln, wie es ihm beliebt, einer der drei Staatsgewalten zuzuordnen. Dies allein begründet aber noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum das Handeln der Beklagten in der Sache Verwaltungs- tätigkeit und warum die Zuweisung dieses Handelns zur vollziehenden Gewalt verfassungsrechtlich zwingend geboten sein sollte. Dem Kläger kann zugestanden werden, dass Fraktionen des Deutschen Bundestages sich in einem öffentlich- rechtlichen Regelungszusammenhang bewegen. Auch die Regelungen des Abge- ordnetengesetzes, die der Beklagten in Verbindung mit dem Haushaltsplan des Bundes Mittel zuweisen, gehören dem öffentlichen Recht an. Dies allein macht aus der Fraktion aber keine öffentlich-rechtliche Verwaltung, also einen Teil der die Gesetze vollziehenden Gewalt. Solches würde vielmehr auch voraussetzen, dass die Beklagte an diese gesetzlichen Regeln nicht nur gebunden wäre, son- dern diese auch gegenüber Dritten ausführen und durchsetzen könnte. Beispiele für ein solches Handeln der Beklagten wurden vom Kläger nicht genannt, sie sind auch nicht ersichtlich. Zudem sind die Fraktionen in keiner Weise in die Behör- denstruktur der Bundesverwaltung einbezogen und mit dieser hierarchisch oder dienstrechtlich verknüpft. Dies entspricht im Ergebnis auch den der Vorschrift des § 46 Abs. 3 AbgG zu Grunde liegenden Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/6067, S. 10). Würde man dagegen im Sinne des Klägers die beklagte Fraktion, eine Ver- einigung von Abgeordneten einer oder mehrerer nicht im Wettbewerb stehender Parteien (§ 10 Abs. 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages), als Teil der öffentlichen Verwaltung behandeln, könnten sich hieraus eigenständige ver- fassungsrechtliche Bedenken ergeben. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass eine solche Einordnung gegen die Freiheit des Mandats, Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, Art. 40 Abs. 1 -4-
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-4- Satz 2 GG, und die Freiheit der politischen Parteien, Art. 21 Abs. 1 GG, verstoßen würde. Auch die Ausführungen des Klägers zu Art. 19 Abs. 4 GG greifen nicht durch. Die Rechtsschutzgarantie garantiert ein Verfahren unabhängiger gerichtlicher Kontrol- le eines Hoheitsakts. Dieses ist dem Kläger nicht verwehrt worden. Aus der Rechtsschutzgarantie lassen sich umgekehrt aber keine materiellen subjektiven Rechte herleiten. Die Argumentation des Klägers läuft darauf hinaus, das Tatbe- standsmerkmal der Norm durch ihre Rechtsfolge zu definieren. Vielmehr setzt diese Norm die Betroffenheit eines subjektiven öffentlichen Rechts durch einen Akt der öffentlichen Gewalt gerade tatbestandlich voraus (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 Rn. 69; st. Rspr.). Insbesondere verpflichtet Art. 19 Abs. 4 GG den Gesetzgeber nicht zu einer Ausgestaltung des Informationszugangs in einer Art und Weise, die dem Kläger einen Anspruch auf die von ihm begehrten Informationen geben würde. 2. Die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Ausführungen des Klägers zur Bestimmung der Rechtsnatur der Beklagten und der Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ vermögen besondere rechtliche Schwierigkeiten, die sich signifikant von den in anderen Verwaltungs- streitverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen unterscheiden, nicht zu begrün- den. Die Frage nach der Rechtsnatur der Parlamentsfraktionen kann jedenfalls soweit offen bleiben, wie sie für die Frage der Anwendbarkeit der vom Kläger in An- spruch genommenen Gesetze unerheblich bleibt. Durch die Entscheidung des Gesetzgebers in § 46 Abs. 3 AbgG ist diese Frage soweit eindeutig beantwortet, wie es die Informationsansprüche betrifft, auf die der Kläger sich beruft. Verfas- sungsrechtliche Zweifel, die über den Verweis des Klägers auf Art. 19 Abs. 4 GG hinausgingen, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Sie liegen auch aus Sicht des Gerichts nicht vor. Im Übrigen würde sich die Beurteilung der Rechtsfrage auch nicht anders darstellen, wenn die Norm des § 46 Abs. 3 AbgG nicht erlassen wor- den wäre, denn auch dann würde sich das Handeln der Beklagten nicht als die -5-
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-5- Form des rechtsstaatlichen Gesetzesvollzugs darstellen, die dem materiellen Be- griff der Verwaltung entspricht. Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es neben den überlieferten in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG vorgesehenen Staatsgewalten eine eigene Kategorie der „Parlamentstätigkeit“ gebe, kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles keine Rolle spielen. Denn aus den oben entwickelten Gründen ist diese Tätigkeit jedenfalls nicht auch nur materiell als durch die Verwaltung vorgenommener Ge- setzesvollzug zu verstehen, der unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG fallen könnte. Darüber hinausgehende Fragen der Definitionsmacht des Gesetz- gebers bleiben für die Entscheidung des vorliegenden Falles gleichfalls unerheb- lich. 3. Die Rechtssache hat schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es nach ständiger Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch oberge- richtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfah- ren bedarf. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen nach der Ausle- gung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ und der Gestaltungsmacht des Ge- setzgebers bei der Zuordnung hoheitlichen Handelns zu einer der drei Staatsge- walten sind aus den vorstehend dargelegten Gründen in ihrer Allgemeinheit für die Entscheidung des Falles nicht erheblich. Die Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Gewalt ist ebenso wie die Frage der Gestaltungsmacht des Gesetz- gebers bei der Ausgestaltung der vollziehenden Gewalt Gegenstand einer Fülle verfassungs-, höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen geworden. Dabei kann als gesichert gelten, dass Art. 19 Abs. 4 GG keine Verpflichtung des Ge- setzgebers enthält, solches Handeln als Teil der vollziehenden Gewalt zu behan- deln, das materiell nicht zu dieser gehört. -6-
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-6- Zur Klärung der darüber hinaus aufgeworfenen Frage, „ob Fraktionen des Bun- destages öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG) wahr- nehmen oder Behörden sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG)“, bedarf es nicht der Durch- führung eines Berufungsverfahrens. Die Frage ist aus den bereits unter Ziffer 1 dargelegten Gründen zu verneinen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Plückelmann                          Böcker                     Prof. Dr. Möllers
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