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Aktenzeichen
5 E 12.1895
Datum
21. Dezember 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Regensburg
Gesetz
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch
Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch

Beschluss: Verwaltungsgericht Regensburg am 21. Dezember 2012

5 E 12.1895

Das Gericht untersagt im Wege der einstweiligen Anordnung die Veröffentlichung von Informationen über Verstöße eines Gaststättenbetriebs auf einer Liste des Bayrischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Internet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Veröffentlichung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch liegen nicht vor, da der Bezug zu konkreten Lebensmitteln fehlt. Es bedarf näherer Ausführungen, warum Mängel als schwerwiegend einzustufen sind und ob mit hinreichender Sicherheit die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,00 Euro zu erwarten ist. Die erforderliche Anhörung muss sich auf die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen (konkret betroffene Lebensmittel) beziehen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Veröffentlichung von Informationen

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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... --- kein Dokumenttitel vorhanden --- Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet VG Regensburg 5. Kammer, Beschluss vom 21.12.2012, RN 5 E 12.1895 § 40 Abs 1a LFGB Tenor I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Antragsteller auf der „Liste der Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht nach § 40 Abs. 1 a LFGB“ des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit den dort seit 26.11.2012 eingestellten Informationen zu führen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner. III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- € festgesetzt. Gründe I. 1      Am 17.9.2012 führte ein Lebensmittelüberwachungsbeamter des Landratsamtes Passau eine Kontrolle in dem Gaststättenbetrieb des Antragstellers durch. 2      Bei der Kontrolle wurden folgende Mängel festgestellt: 3      1. Bierkühlung Erdgeschoß 4      Die Anschlussvorrichtung zur Anlagenreinigung war verschimmelt. 5      Die Kabelkanäle waren verunreinigt. 6      2. Fleischkühlung Erdgeschoß 7      Es wurden Lebensmittelbehälter auf dem Boden gelagert, die üblicherweise im Arbeitsprozess auch auf den Arbeitsflächen abgestellt werden. 8      Die vorhandene Kühlkapazität war nicht ausreichend. 9      Es hingen zum Teil angeschnittene Wurstwaren über einem Kalbsviertel. 10     Unter einem anderen Viertel lagerte ein Eimer mit frischem Fleisch, ein Schutz vor herabtropfendem Fleischsaft war nicht gegeben. 11     Im Regal standen mehrere Behälter mit frischem Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch, direkt daneben ein Behälter mit Forellen und offene Wurstwaren. Seite 1 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... 12     Für die leichtverderblichen, zum Teil sehr leichtverderblichen Lebensmittel war kein ausreichender Warenschutz gewährleistet. 13     3. Gefrierraum 14     Der Raum befand sich insgesamt in keinem guten baulichen Zustand. 15     Die Decke im Eingangsbereich musste bereits unterstützt werden. 16     Es wurden Lebensmittelbehälter auf dem Boden gelagert, die üblicherweise im Arbeitsprozess auch auf den Arbeitsflächen abgestellt werden. 17     4. Lagerraum 18     Die Wände waren mit Schimmel verunreinigt. 19     Die Decke war mit Spinnengewebe verunreinigt. 20     Es wurden Lebensmittelbehälter auf dem Boden gelagert, die üblicherweise im Arbeitsprozess auch auf den Arbeitsflächen abgestellt werden. 21     In dem Lagerraum wurde ein Eimer Semmelbrösel offen gelagert. 22     Die Kantenumleimer der Einrichtung waren teilweise beschädigt. 23     5. Molkereiprodukte Erdgeschoß 24     In unmittelbarer Nähe von unverpackten leicht verderblichen Lebensmitteln wurden mikrobiologisch problematische Produkte gelagert, eine nachteilige Beeinflussung der leicht verderblichen Lebensmittel war nicht auszuschließen. 25     Es wurden Lebensmittelbehälter auf dem Boden gelagert, die üblicherweise im Arbeitsprozess auch auf den Arbeitsflächen abgestellt werden. 26     6. Salatkühlung Erdgeschoß 27     In unmittelbarer Nähe von unverpackten leicht verderblichen Lebensmitteln wurden mikrobiologisch problematische Produkte gelagert, eine nachteilige Beeinflussung der leicht verderblichen Lebensmittel war nicht auszuschließen. 28     Es wurden Lebensmittelbehälter auf dem Boden gelagert, die üblicherweise im Arbeitsprozess auch auf den Arbeitsflächen abgestellt werden. 29     7. Personaltoilette 30     Der für Ver- bzw. Entsorgungsleitungen entstandene Wanddurchbruch war nicht verschlossen worden. 31     Die Decke war mit Spinnengewebe verunreinigt. 32     8. Küche 33     Die Dunstabzugshaube war verunreinigt. 34     In den Wänden befanden sich nicht verschlossene Dübellöcher. Seite 2 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... 35     Die Wandfliesen waren teilweise beschädigt, nicht mehr wasserundurchlässig und nicht mehr leicht zu reinigen. 36     Die Wände waren verunreinigt. 37     Von der Decke löste sich Farbe. 38     Das Arbeitstischuntergestell war verunreinigt. 39     Die Oberfläche des Arbeitstisches war verunreinigt. 40     Die Silikonfugen waren teilweise mit einem schwarzschimmelähnlichen Belag verunreinigt. 41     Der Fußboden war insbesondere in den Rand- und Eckbereichen sowie unter und hinter der Einrichtung verunreinigt. 42     Die Hackbockfläche wies keine leicht zu reinigende Oberfläche auf, die Oberfläche war rau und hatte eine ca. 5 cmn tiefe Abnutzung im Randbereich. 43     Die Kantenumleimer der Einrichtung waren teilweise beschädigt. 44     Die Decke war mit Spinnengewebe verunreinigt. 45     Die Armatur des Handwaschbeckens war verunreinigt. 46     Das Schneidebrett war beschädigt (mehrfach eingekerbt), so dass es nicht mehr leicht zu reinigen war. 47     Die Gemüseschneidemaschine war am Messer und am Gehäuse verunreinigt. 48     Der Sahnebläser war mit augenscheinlich verdorbenen Sahneresten verunreinigt. 49     In einem landratsamtinternen Schreiben erläuterte der Lebensmittelkontrolleur hinsichtlich der Betriebskontrolle u.a., daß hinsichtlich der Bierkühlung aufgrund der Verunreinigungen eine negative Beeinflussung der Getränkeleitungen und dadurch der Getränke nicht ausgeschlossen werden könne. Betreffend die Fleischkühlung im Erdgeschoss hätten zum Teil angeschnittene Wurstwaren (Leberstreichwurst, Brühwurstaufschnitt) über einem Kalbsviertel gehangen, unter einem anderen Viertel habe ein Eimer mit frischem Fleisch ohne Abdeckung gelagert. Ein Schutz vor herabtropfendem Fleisch sei nicht gegeben gewesen. Im Regal hätten mehrere Behälter mit frischem Geflügel-, Rind- und Schweinefleisch gestanden, direkt daneben ein Behälter mit Forellen und offenen Wurstwaren. Für die leicht verderblichen, zum Teil sehr leicht verderblichen Lebensmittel sei kein ausreichender Warenschutz gewährleistet gewesen. Eine negative Beeinflussung habe nicht ausgeschlossen werden können. Auch im Hinblick auf die offene Lagerung eines Eimers Semmelbrösel in dem Lagerraum habe wegen der Mängel im Lagerraum (Schimmel, Spinnengewebe) eine negative Beeinflussung der Semmelbrösel nicht ausgeschlossen werden können. Des Weiteren seien im Bereich Molkereiprodukte Erdgeschoss in unmittelbarer Nähe von unverpackten, leicht verderblichen Lebensmitteln (Rohkostsalate, Dressing) mikrobiologisch problematische (Kartonagen, Glaskonserven, rohe Eier) Produkte gelagert worden. Eine negative Beeinflussung der leicht verderblichen Lebensmittel sei nicht auszuschließen gewesen. Betreffend die Salatkühlung im Erdgeschoss seien in unmittelbarer Nähe von unverpackten, leicht verderblichen Lebensmitteln (unverpackter aufgeschnittener Käse, fertige Salate, Dressings, geputztes Seite 3 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... Gemüse) mikrobiologisch problematische Produkte (erdige Kartoffeln in einer schwarzen Kunststoffwanne, Pilze mit Druckstellen und Verfärbungen, ungeputztes Gemüse, ungeputzter Salat, ungeputztes Obst in Holzkisten, Kartons oder Kunststoffkisten) gelagert worden. Eine negative Beeinflussung der leicht verderblichen Lebensmittel sei nicht auszuschließen gewesen. In der Küche sei der Sahnebläser mit augenscheinlich verdorbenen Sahneresten verunreinigt gewesen. Die im Sahnebereiter unter unhygienischen Bedingungen vorrätig gehaltene Sahne sei entsorgt worden. Unter anderem seien in der Küche unter unhygienischen Bedingungen folgende Lebensmittel gelagert, hergestellt oder vorbereitet worden: Salate, Dressings, Soßen, Braten, Klöße, Röstzwiebeln, Steaks, Fruchtsalat. 50     Unter dem 16.10.2012 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller jeweils unter Zwangsgeldandrohungen an, die Mängel abzustellen. 51     In der Akte befindet sich ein Schreiben des Lebensmittelüberwachungsbeamten ohne Datum an das Sachgebiet „41 V“ des Landratsamtes, in dem heißt, es werde um Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gebeten. Es handele sich zum Teil um schwer- bis mittelgradige Mängel. Aufgrund der Mängel sei die Bußgeldprognose über 350,-- € (im unteren vierstelligen Bereich). 52     Unter dem 17.10.2012 teilte das Landratsamt dem Antragsteller die festgestellten Mängel mit und hörte ihn zu einer beabsichtigten Veröffentlichung der Mängel im Internet an. 53     Der Vertreter des Antragstellers bat daraufhin das Landratsamt um Entschuldigung und wies auf eine sehr schwere Erkrankung der Ehefrau hin. 54     Unter dem 7.11.2012 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass nunmehr folgende Informationen der Öffentlichkeit auf der Internet-Plattform des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bereitgestellt würden: 55     Behörde: Landratsamt Passau. 56     Produkt: Gaststätte. 57     Grund der Beanstandung: Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel, Verschmutzungen im Produktionsbereich, Verschmutzungen bzw. Schimmelbildung in Kühl- und Lagerräumen, Verschmutzungen von Gerätschaften im Produktionsbereich, Kontamination von Lebensmitteln, bauliche Mängel, einsturzgefährdete Decke im Gefrierraum. 58     Betrieb: ...“, ..., ..., Geschäftsführung: Herr .... 59     Art des Verstoßes: Sonstiger Verstoß. 60     Hinweise: Gegebenfalls erfolgte Mängelbeseitigung. 61     Hingewiesen wurde auf die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht Regensburg. 62     Das Schreiben wurde dem Antragsteller am 9.11.2012 zugestellt. 63     Am 26.11.2012 stellte daraufhin das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit für die Behörde Landratsamt Passau folgende Informationen ein: 64     Produkt: Gaststätte. Seite 4 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... 65     Beanstandung: bauliche Mängel, Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel. 66     Betrieb: ..., ..., ..., Inhaber: Herr .... 67     Art des Verstoßes: Sonstiger Verstoß. 68     Mit bei Gericht am 10.12.2012 eingegangenem Schriftsatz begehrt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO. 69     Er beantragt, 70         dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, im Internetauftritt seines Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit das Ergebnis einer Betriebskontrolle des Betriebs des Antragstellers am 17.9.2012 (weiterhin) zu veröffentlichen, hilfsweise ihn zu verpflichten, die Veröffentlichung dahingehend abzuändern, dass in der Veröffentlichung verdeutlicht wird, dass die amtlich dargestellten Mängel aktuell nicht vorhanden sind. 71     Der Antragsteller habe durch die öffentliche Bekanntmachung erhebliche Nachteile. Alle Mängel seien nunmehr unstreitig behoben. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 a LFGB seien nicht gegeben. Entgegen dem Wortlaut der genannten Vorschrift solle hier die Öffentlichkeit nicht über ein konkretes Lebensmittel, das unter Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gelangt sei, informiert werden, sondern darüber, dass bei einer Betriebskontrolle anderweitige Mängel im Betriebsablauf festgestellt worden seien. Eine Auslegung der Gesetzesvorschrift über den Wortlaut hinaus sei unzulässig. Im Übrigen verstoße die Veröffentlichung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 72     Der Antragsgegner beantragt, 73         den Antrag abzuweisen. 74     Die behördlich festgestellten Mängel seien nur teilweise abgestellt worden. Im Kontrollbericht des zuständigen Lebensmittelüberwachungsbeamten sei auf eine Vielzahl von Lebensmitteln Bezug genommen, welche zumindest einer negativen Beeinflussung durch die mangelhafte Betriebshygiene ausgesetzt gewesen seien. Dies sei in der Veröffentlichung als „Kontamination von Lebensmitteln“ aufgeführt worden. 75     Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen. II. 76     Der Antrag des Antragstellers, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner die bereits durchgeführte Internet-Veröffentlichung zu untersagen, ist zulässig und begründet. 77     1. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft. Denn die Untersagung der Internetveröffentlichung kann nicht über das nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Eilrechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden. Ersichtlich unstreitig handelt es sich bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 7.11.2012 um keinen Verwaltungsakt (ebenso VG Karlsruhe, 7.11.2012, Az. 2 K 2430/12 - juris - ). Auch der Veröffentlichung im Internet fehlt der Regelungscharakter und damit ein wesentliches Merkmal eines Verwaltungsaktes (ebenso bereits die Kammer mit Beschluss vom Seite 5 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... 10.11.2011, RN 5 E 11.1628 - juris -). Die Veröffentlichung ist als Realakt zu qualifizieren, deren Verhinderung in der Hauptsache mit einer allgemeinen Leistungsklage über einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch möglich ist. 78     2. Der Antrag ist auch begründet: 79     Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) sind glaubhaft zu machen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen. Hinsichtlich des Inhalts ist das Gericht nicht an den gestellten Antrag gebunden. Es kann vielmehr hinter dem Antrag zurückbleiben oder auch eine geeignete andere Regelung treffen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Aufl. 2011, § 123 VwGO Rdnrn. 24, 28). 80     Im vorliegenden Fall möchte der Antragsteller die Unterlassung einer behaupteten Beeinträchtigung seiner Rechtsposition, die nach seinem Vortrag bereits eingetreten ist, erreichen. Gegeben ist ein Fall der Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. 81     Ferner besteht hier die Besonderheit, dass der Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung das gleiche beantragt, was er auch in einem Hauptsacheverfahren beantragen müsste, nämlich die Unterbindung der Veröffentlichung der festgestellten Mängel. Mithin begehrt er eine Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer entsprechenden Entscheidung in der Hauptsache, dasjenige gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch dann nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d. h., wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 17. Aufl. 2011, § 123 VwGO, Rdnrn. 13 ff). 82     Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Antrag in der Sache Erfolg. 83     a) Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist unstreitig gegeben. Der Antragsgegner hat die nach Vortrag des Antragstellers belastende Internetveröffentlichung bereits vorgenommen. Dem Antragsteller ist daran gelegen, die nach seinem Vortrag dadurch entstehenden wesentlichen Nachteile sofort durch eine Unterbindung der Internetinformationen abzuwenden. 84     b) Glaubhaft gemacht ist auch ein Anordnungsanspruch: 85     - Die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch, der als alleinige Rechtsgrundlage hier in Betracht kommt, sind gegeben. Der auf die Bewahrung des „status quo“ gerichtete öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird entweder auf eine analoge Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB gestützt oder aber aus der Seite 6 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... Abwehrfunktion der Grundrechte – hier Art. 12 GG – abgeleitet (vgl. BVerwG vom 29.4.1988, BVerwGE 79, 254 und vom 7.10.1983, BVerwGE 68, 62). Unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieses Anspruches setzt er voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in ein subjektiv öffentlich-rechtliches Recht bevorsteht oder noch andauert. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, denn der durch die Veröffentlichung der Mängel möglicherweise hervorgerufene Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit ist hier bei summarischer Prüfung im Grundsatz rechtswidrig. Dies folgt daraus, dass zwar für bestimmte Veröffentlichungen im Internet mit dem seit 1.9.2012 in Kraft befindlichen § 40 Abs. 1 a LFGB eine Rechtsgrundlage und Befugnisnorm für die Antragsgegnerin besteht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 a LFGB liegen hier aber ersichtlich nicht vor. 86     - Gemäß § 40 Abs. 1 a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen ... hinreichend begründete Verdacht besteht, dass 1. ... oder 2. gegen sonstige im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Gemäß § 40 Abs. 2 LFGB ist eine Information der Öffentlichkeit nach Abs. 1 durch die Behörde u.a. nur zulässig, wenn andere ebenso wirksame Maßnahmen, insbesondere eine Information der Öffentlichkeit durch den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden oder die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erreichen. § 40 Abs. 3 LFGB schreibt eine hier erfolgte Anhörung vor. 87     - Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 a Nr. 2 LFGB liegen hier ersichtlich nicht vor: 88         -- Nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 a LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit beim hinreichend begründeten Verdacht bestimmter Verstöße „unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist.“ Dem Wortlaut des Gesetzes ist mithin zu entnehmen, dass der hinreichend begründete Verdacht bestimmter Gesetzesverstöße auf bestimmte Lebensmittel oder Futtermittel bezogen sein muss. Nicht von der Befugnisnorm gedeckt erscheinen Angaben, bei denen nicht ersichtlich ist, auf welche Lebensmittel oder Futtermittel sie sich beziehen sollen. In Anbetracht des Wortlauts des § 40 Abs. 1 a LFGB muss erkennbar sein, welche Lebensmittel oder Futtermittel von etwaigen Verstößen betroffen sind (so bereits Beschluss der Kammer RO 5 E 12.1580 vom 23.10.2012 - juris -). 89         -- Ebenso wie das VG Karlsruhe (a.a.O.) ist auch die Kammer bei summarischer Prüfung der Auffassung, dass auch bei Heranziehung der Gesetzesmaterialien nicht ersehen werden kann, § 40 Abs. 1 a LFGB über den Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass unabhängig von einem konkreten Bezug zu Lebensmitteln oder Futtermitteln bestimmte Verstöße gegen Vorschriften des Lebensmittel- oder Futtermittelrechts veröffentlicht werden dürfen. Dies bedeutet andererseits aber nicht, dass § 40 Abs. 1 a LFGB nur zu sogenannten Produktwarnungen befugt (so aber VG Karlsruhe a.a.O.). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass für „Produktwarnungen“ § 40 Seite 7 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... Abs. 1 LFGB nach Maßgabe des Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Regelungen zur Information der Öffentlichkeit enthält. Die Information der Öffentlichkeit (hier im Internet) unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 a LFGB dient – unter Zugrundelegung der Gesetzesmaterialien – hingegen der Transparenz, einer aktiven Information der Öffentlichkeit, der Ermöglichung überlegter Konsumentscheidungen durch Bürgerinnen und Bürger sowie dem Interesse der Verbraucher an verlässlichen behördlichen Informationen über das Marktumfeld. 90       -- Dies bedeutet: 91       Der Antragsgegner hat bei der Kontrolle vom 17.9.2012 eine Vielzahl von Mängeln festgestellt, die in keinem konkreten Bezug zu einem Lebensmittel stehen. Allein der Umstand, dass die Mängel (teilweise) in Räumen festgestellt wurden, die in Zusammenhang mit der Herstellung von Speisen oder Getränken für eine Gaststätte stehen, stellt noch keinen konkreten Bezug zu bestimmten Lebensmitteln her, die – dies fordert ersichtlich der Wortlaut des § 40 Abs. 1 a LFGB – von etwaigen Verstößen betroffen sind. Dementsprechend befugt § 40 Abs. 1 a LFGB nicht zu der bereits getätigten Internetveröffentlichung der Beanstandungen „Bauliche Mängel; Mängel bei der Betriebshygiene/Reinigungsmängel“ 92       -- Soweit bei der Kontrolle festgestellt wurde, dass eine negative Beeinflussung von Getränken nicht habe ausgeschlossen werden können, im Bereich der Fleischkühlung u.a. für Fleisch- und Wurstwaren kein ausreichender Warenschutz gewährleistet gewesen sei, in einem verunreinigtem Lagerraum ein Eimer Semmelbrösel offen gelagert worden sei, bei den Molkereiprodukten und im Bereich der Salatkühlung unverpackte, leicht verderbliche Lebensmittel in unmittelbarer Nähe von mikrobiologisch problematischen Produkten gelagert worden seien, in der Küche Sahne unter unhygienischen Bedingungen vorrätig gehalten worden sei und dort zudem eine Reihe von Lebensmitteln unter unhygienischen Bedingungen gelagert, hergestellt oder vorbereitet worden sei, ist festzuhalten, dass zwar ersichtlich zumindest ein gesetzeswidriges „Behandeln“ von Lebensmitteln vorliegt, darüber aber in der Internetveröffentlichung gerade nichts ausgesagt wird: 93           --- Grundsätzlich hat das Lebensmittelunternehmen des Antragstellers hier im Sinne des § 40 Abs. 1 a LFGB ersichtlich durch Aufbewahren und Lagern gesetzeswidrig Lebensmittel „behandelt“ (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, März 2005, Art. 3 EG-VO 178/2002 Rnr. 13). Es ist zudem nicht ausgeschlossen – dies kann nach dem Inhalt der Behördenakte nicht eindeutig festgestellt werden – dass hier auch Lebensmittel bereit in den Verkehr gebracht wurden. Dazu genügt bereits das Bereithalten von Lebensmitteln für Verkaufszwecke (vgl. die Definition des Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Erforderlich ist insoweit allerdings, dass sich die Ware in verkaufsfertigem Zustand befindet, der Herstellungsprozess muss abgeschlossen sein (Zipfel/Rathke, a.a.O., März 2004, Rnr. 43 m.w.N.). Ersichtlich hat der Antragsteller daher gesetzeswidrig Lebensmittel behandelt, gegebenenfalls auch in den Verkehr gebracht. Allerdings enthält dazu die Internetveröffentlichung gerade keine Aussage. Die vom Antragsgegner angekündigte Veröffentlichung „Kontamination von Lebensmitteln“ wurde gerade nicht realisiert. Dahin stehen kann, ob eine derartige Formulierung zur Darstellung einer gesetzeswidrigen „Behandlung“ oder eines gesetzeswidrigen „In den Verkehr Bringens“ von Lebensmitteln nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 a LFGB zulässig ist. 94           --- Hinzu kommt: Seite 8 von 9
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http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?printview=true&doc.id=JURE1... 95            Als weitere Tatbestandsvoraussetzungen nennt § 40 Abs. 1 a Nr. 2 LFGB, dass gegen dort genannte Bestimmungen in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen wurde und dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Zu der Frage, ob die hier allein relevanten Verstöße, welche einen konkreten Bezug zu bestimmten Lebensmitteln haben, ein nicht nur unerhebliches Ausmaß erreichten, befinden sich in der vorgelegten Behördenakte keine Angaben. Insoweit bedürfte es hier näherer Ausführungen des Antragsgegners, warum diese Mängel z.B. als schwerwiegend einzustufen sind. Auch kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ob hinsichtlich der behaupteten Gesetzesverstöße, die einen konkreten Bezug zu bestimmten Lebensmitteln haben, die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350,-- € zu erwarten ist. Dazu hat das Landratsamt bislang konkrete Überlegungen nicht angestellt. Es fehlt insoweit eine nachvollziehbare Begründung der für das Ordnungswidrigkeitenverfahren zuständigen Stelle. Festzuhalten ist, dass § 40 Abs. 1 a LFGB zu einer Information der Öffentlichkeit befugt, ohne dass rechtskräftige Bußgeldbescheide vorliegen müssen. Eine derartige Veröffentlichung, die eine zügige Publikumsinformation in den Vordergrund stellt, ist nur dann angemessen, wenn eine ausreichende Richtigkeitsgewähr hinsichtlich der zu veröffentlichenden Tatbestände gegeben ist. Dies gilt insbesondere auch für die Höhe der hier zu erwartenden Bußgelder. 96            --- Anzumerken bleibt schließlich, dass die Behörde gemäß § 40 Abs. 3 LFGB vor einer Information der Öffentlichkeit „den Hersteller oder den Inverkehrbringer“ anzuhören hat. Unabhängig von der Frage, dass nach dem Wortlaut der genannten Vorschriften ein „Behandler“ nicht anzuhören ist, muss jedenfalls festgehalten werden, dass sich eine Anhörung auf die für eine Entscheidung erheblichen Tatsachen beziehen muss (vgl. Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Hier hat das Landratsamt den Antragsteller in seiner Anhörung nur teilweise über die konkret betroffenen Lebensmittel informiert. Ein Hinweis auf „Leberstreichwurst“, „Brühwurst“, „Brühwurstaufschnitt“, „Rohkostsalat“, „Dressing“, „rohe Eier“, „aufgeschnittener Käse“, „fertige Salate“, „Dressings“, „geputztes Gemüse“, „vorrätig gehaltene Sahne“ sowie „Salate, Dressings, Soßen, Braten, Klöße, Röstzwiebeln, Steaks, Fruchtsalat in der Küche“ erfolgte nicht. Insoweit befinden sich Hinweise lediglich in der Behördenakte. Ob dem Anhörungsgebot angesichts dessen genügt wurde, bleibt offen. Anzumerken ist, dass das Bundesverwaltungsgericht der Heilung etwaiger Anhörungsmängel ebenso wie der Anwendung des Art. 46 VwVfG enge Grenzen setzt (Urteil vom 22.3.2012, 3 C 16.11, NJW 2012.2823). 97     Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO. 98     Streitwert: §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Zwar kann gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327), dessen Empfehlungen die Kammer folgt, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache ganz oder zum Teil vorweggenommen wird, bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes angehoben werden. Allerdings setzt hier die Kammer im Anschluss an eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 9.1.2012 (12 CS 11.2685) im Eilrechtsschutzverfahren lediglich die Hälfte des im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Regelstreitwertes an. Seite 9 von 9
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