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Aktenzeichen
2 K 185.11
Datum
14. September 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Quellcode
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Anspruch auf Zugang zu Dokumenten des Deutschen Bundestages

2 K 185.11

Auch Dokumentationen und Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes umfasst. Ausgenommen ist lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten. Bei der Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste handelt es sich um eine Verwaltungstätigkeit; sie ist Grundlage für die parlamentarische Arbeit der Mandatare, nicht aber bereits selbst parlamentarische Tätigkeit. Auch ist das Erstveröffentlichungsrecht der Bundestagsverwaltung durch eine Herausgabe der Dokumente nicht verletzt, weil nur der Kläger und nicht die Allgemeinheit entsprechende Kopien erhält. Eine Verletzung des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts könnte allenfalls eintreten, wenn der Kläger nach Informationszugang unerlaubt durch Vervielfältigung oder Verbreitung über die (gegebenenfalls) urheberrechtlich geschützten Werke verfügt (siehe Verwaltungsgericht Berlin, Urteil, 2 K 91.11, 01.12.2011). (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung Urheberrecht

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Abschrift

VG 2K 185.11

Verkündet am 14. September 2012
Wolter

Justizbeschäftigte

als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

 

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL

Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache

Klägers,

Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2012 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter,
den Richter am Verwaltungsgericht Schulte,
den Richter am Verwaltungsgericht Becker,

die ehrenamtliche Richterin Raddatz und

den ehrenamtlichen Richter Ahrendt

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundes-
tages vom 4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom

7. November 2011 verpflichtet, dem Kläger Zugang zu folgenden Informatio-
nen durch Überlassung von Ablichtungen zu gewähren:
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- Dokumentation vom 15. Dezember 2005 „Europäische Verfassungsent-
würfe seit 1945" (Reg.-Nr.: WF XII - 268/05),

- Dokumentation vom 28. Oktober 2003 „Europäischer Konvent und der
Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede“ (Reg.-Nr.: WF XIl
- 148/03),

- Übersetzung von Jack Rakove, Der Schlingerkurs der europäischen Ver-
fassungsväter, Foreign Policy, Ausgabe 138/2003, S. 28-38 (15 Seiten),

- Ausarbeitung vom 3. Mai 2004 „Vergleichende Darstellung des Gottes-
und Religionsbezugs in den bisherigen und alternativen Textvorschlägen
für einen europäischen Verfassungsvertrag“ (Reg.-Nr: WF XII - 044/04),

- Ausarbeitung vom 25. Oktober 2005 „Die Rolle der USA im europäischen
Einigungsprozess bis zum Ende des Ost-West-Konflikts* (Reg.-Nr.: WD 1 -
137/05),

- Ausarbeitung vom 24. Oktober 2003 „Einzelfragen zur Abänderbarkeit des
derzeitigen und künftigen europäischen Primärrechts" (Reg.-Nr.: WF XII -
140/03),

- Ausarbeitung vom 21. Oktober 2003 „Der Gottesbezug in den Verfassun-
gen der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Beitrittskandidaten und in den Verfas-
sungen der 16 Bundesländer“ (Reg.-Nr.: WF Ill - 240/03),

- Ausarbeitung vom 13. Mai 2004 „Die Frage nach einem Gottesbezug in
der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme Court zur Tren-
nung von Staat und Religion“ (Reg.-Nr.: WF III - 100/04),

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des je-
weils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein Journalist, begehrt den Zugang zu Dokumenten des Deutschen Bun-
destages.

Im Juni 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die aus dem Tenor er-
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sichtlichen Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste bzw. des Sprachendienstes des
Deutschen Bundestages, die das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages
Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Dissertation verwendet hatte, in Kopien zur
Verfügung zu stellen.

Mit Bescheid des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2011 Iehnte die Beklagte den
Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Wider-
spruchsbescheid vom 7. November 2011 zurück. Zur Begründung teilte sie mit, ein
Anspruch auf Informationszugang ergebe sich nicht aus dem Informationsfreiheits-
gesetz (IFG). Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes sei für den Deutschen Bun-
destag nur eröffnet, soweit er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme.
Der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten hin-
gegen sei vom Informationszugang ausgenommen. Hierzu gehöre die Tätigkeit der
Wissenschaftlichen Dienste sowie des Sprachendienstes. Denn diese arbeiteten den
Abgeordneten ausschließlich mandatsbezogen zu. Selbst wenn die Arbeiten vom
IFG erfasst würden, wäre der Informationszugang jedenfalls wegen des Schutzes
geistigen Eigentums ausgeschlossen. Der Deutsche Bundestag behalte sich sämtli-
che Rechte an den Arbeiten vor und der zuständige Abteilungsleiter habe die erfor-
derliche Freigabe nicht erteilt.

Mit der am 7. Dezember 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter. Er bezieht sich auf das Urteil der Kammer vom 1. Dezember 2011 -VG 2K
91.11 - und trägt u.a. vor, die Wissenschaftlichen Dienste seien eine wissenschaftli-
che Hilfseinrichtung des Parlaments und übten daher keine unmittelbare parlamenta-
rische Tätigkeit aus. Insoweit ergebe sich im Übrigen aus den Themen der Ausarbei-
tungen, dass diese in keinem Zusammenhang mit parlamentarischen Angelegenhei-
ten stünden und das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Karl-Theodor
zu Guttenberg habe schon eingeräumt, dass er sie nicht in Zusammenhang mit sei-
ner Mandatsarbeit angefordert habe. Ferner meint der Kläger, es sei unbestritten,
dass es sich bei den fünf „Ausarbeitungen“ um urheberrechtlich geschützte Werke
handele. Der Schutz geistigen Eigentums könne aber nicht dazu führen, dass der
grundsätzlich gewährleistete Informationszugang dadurch aufgehoben werde, dass
sich die Behörde die Veröffentlichung der Information vorbehalte. Im konkreten Fall
sei der Schutz geistigen Eigentums bereits im Vorfeld leergelaufen, weil das ehema-
lige Mitglied des Deutschen Bundestages Karl-Theodor zu Guttenberg die Dokumen-
te ohne Bezug zu seiner parlamentarischen Tätigkeit angefordert und sie bereits für
eine Veröffentlichung verwendet habe. Auch bei der Übersetzung bestehe kein Be-
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zug zum Mandat.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages
vom 4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom

7. November 2011 zu verpflichten, ihm Zugang zu folgenden Unterlagen
durch Überlassung von Ablichtungen zu gewähren:

- Dokumentation vom 15. Dezember 2005 „Europäische Verfassungsent-
würfe seit 1945“ (Reg.-Nr.: WF Xil - 268/05),

- Dokumentation vom 28. Oktober 2003 „Europäischer Konvent und der
Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede“ (Reg.-Nr.: WF XIl
- 148/03),

- Übersetzung von Jack Rakove, Der Schlingerkurs der europäischen Ver-
fassungsväter, Foreign Policy, Ausgabe 138/2003, S. 28-38 (15 Seiten),

- Ausarbeitung vom 3. Mai 2004 „Vergleichende Darstellung des Gottes-
und Religionsbezugs in den bisherigen und alternativen Textvorschlägen
für einen europäischen Verfassungsvertrag“ (Reg.-Nr: WF XII - 044/04),

- Ausarbeitung vom 25. Oktober 2005 „Die Rolle der USA im europäischen
Einigungsprozess bis zum Ende des Ost-West-Konflikts“ (Reg.-Nr.: WD 1 -
137/05),

- Ausarbeitung vom 24. Oktober 2003 „Einzelfragen zur Abänderbarkeit des
derzeitigen und künftigen europäischen Primärrechts“ (Reg.-Nr.: WF XII -
140/03),

- Ausarbeitung vom 21. Oktober 2003 „Der Gottesbezug in den Verfassun-
gen der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Beitrittskandidaten und in den Verfas-
sungen der 16 Bundesländer“ (Reg.-Nr.: WF Ill - 240/03),

- Ausarbeitung vom 13. Mai 2004 „Die Frage nach einem Gottesbezug in
der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme Court zur Tren-
nung von Staat und Religion“ (Reg.-Nr.: WF III - 100/04),

hilfsweise, ihm Einsicht in die 0.g. Unterlagen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages beruft sie sich auf die Gründe der
ergangenen Bescheide. Ergänzend führt sie unter Vorlage eines Leitfadens für die
Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD) vom 3. März 2008 (im Folgenden:
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Leitfaden WD) aus, die fünf Ausarbeitungen und zwei Dokumentationen der Wissen-
schaftlichen Dienste sowie die Übersetzung durch den Sprachendienst des Deut-
schen Bundestags dienten der mandatsbezogenen Arbeit der Abgeordneten und sei-
en daher vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen.
Die Wissenschaftlichen Dienste arbeiteten den Abgeordneten behördenunspezifisch,
eigenständig und vor allem vertraulich zu. Sie seien Teil der spezifisch parlamentari-
schen Tätigkeit des Deutschen Bundestages und sollten nach dem Willen des Ge-
setzgebers bewusst vom Informationszugang ausgenommen werden. Dies ergebe
sich aus dem Schreiben des damaligen Direktors der Wissenschaftlichen Dienste
vom 23. Februar 2003, dem in den Beratungen im Innen- und Geschäftsordnungs-
ausschuss auch hinsichtlich der Einschätzung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen
Dienste des Deutschen Bundestages als spezifisch parlamentarische Angelegenheit
zugestimmt worden sei (BT-Drs. 15/5606 S. 4 und Ausschussdrucksache 15(4)213).
Die Kammer sei in ihrem Urteil vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 - von einem
zu weiten Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgegangen, ha-
be die parlamentsspezifische Arbeit der Verwaltung bei der administrativen, organi-
satorischen und fachlichen Begleitung der Abgeordneten, Ausschüsse und Gremien
in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Aufgaben im Allgemeinen und im Besonde-
ren bezogen auf die Wissenschaftlichen Dienste nicht hinreichend gewürdigt und
habe den Willen des Gesetzgebers nicht berücksichtigt. Auch der Sprachendienst sei
Teil der parlamentarischen Tätigkeit, da er von einem Abgeordneten nur anlassbe-
zogen im Rahmen der Mandatsausübung, d.h. im Interesse des Bundestages als

Ganzem beauftragt werden könne.

Die Ausarbeitungen hätten die Qualität von urheberrechtlich geschützten Werken.
Dem Deutschen Bundestag stehe an diesen Werken das Erstveröffentlichungs- und
Verbreitungsrecht zu, das durch die Herausgabe von Ablichtungen der Werke ver-
letzt würde. Insoweit unterscheide sich das Begehren des Klägers von dem An-
spruch auf Einsichtnahme in ein Werk der Wissenschaftlichen Dienste, der Gegen-
stand des Urteils vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 - war. Es sei auch nicht
richtig, dass aus der Übergabe eines Werkes an eine Behörde im Geltungsbereich
des Informationsfreiheitsgesetzes bereits die Erstveröffentlichung folge. Das VG
Braunschweig habe diese Überlegung im Urteil vom 17. Oktober 2007 - VG 5A
188/06 - zutreffend als Zirkelschluss dargestellt und betont, dass der Schutz geisti-
gen Eigentums auch im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes absolut gewähr-
leistet werde. Ferner müsse das Urheberpersönlichkeitsrecht der Verfasser der Aus-
arbeitungen berücksichtigt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Streitakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Deutschen Bundestages vom
4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2011 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. $ 113 Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat nach $ 1 Abs. 1 IFG einen Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten
der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes des Deutschen Bundes-
tages. Dieser Zugang ist gemäß $ 1 Abs. 2 IFG i.v.m. $ 7 Abs. 4 IFG der Wahl des
Klägers entsprechend in Form von Ablichtungen der amtlichen Informationen zu ge-

währen.

1. Nach $ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber
den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz gemäß 8 1 Abs. 1
Satz 2 IFG, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Die-

se Voraussetzungen liegen hier vor.

a. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ im Sinne des Gesetzes und damit an-
spruchsberechtigt. Er erstrebt den Zugang zu amtlichen Informationen. Denn bei den
Ausarbeitungen und Dokumentationen der Wissenschaftlichen Dienste und der
Übersetzung des Sprachendienstes handelt es sich um amtlichen Zwecken dienende
Aufzeichnungen im Sinne von &8 2 Nr. 1 Satz 1 IFG.

b. Der Deutsche Bundestag ist ein Bundesorgan im Sinne des $ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG,
das bezogen auf die vorgenannten amtlichen Informationen öffentlich-rechtliche

Verwaltungsaufgaben wahrnimmt.

aa. Die Regelung des $ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG legt schon nach ihrem Wortlaut ein funk-
tionelles Verständnis nahe, indem sie die Anwendbarkeit des Informationsfreiheits-
gesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig macht (vgl. BVerwG,
Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4/11 -, Juris). Ob die Aufgaben dem Be-
reich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind, entscheidet sich nach materiel-

len Kriterien. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt aller-
6

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dings nicht weiter. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die die
Verwaltung mit der vollziehenden Gewalt gleichgesetzt und der Gesetzgebung und
der Rechtsprechung gegenüberstellt. Insoweit ergeben sich auch bei einer Zusam-
menschau der Regelungen in 8 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG Anhaltspunkte für ein um-
fassendes Verständnis der öffentlichen Verwaltung. Dies wird durch Sinn und Zweck
des Gesetzes, die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbes-
serung der Informationszugangsrechte zu stärken und vor allem auf der Grundlage
der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokra-
tie zu dienen (BT-Drucks 15/4493 S. 6), bestätigt (vgl. BVerwG, a.a.0.).

Bei der Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und parlamentarischer Tätigkeit
des Bundestags zeigt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, dass der Gesetzge-
ber durch $ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG bezogen auf den Deutschen Bundestag nur den
spezifischen Bereich der „Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbe-
sondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der
Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder - z. B. in Immunitätsangelegenheiten,
bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten -, parlamentarische Kon-
takte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen)“ vom Informationszu-
gang ausnehmen wollte (BT-Drs. 15/4493, S. 8). Dieser Wille des Gesetzgebers wird
durch das Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23. Februar
2005 nicht in Frage gestellt (a. A. Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, 8 1 Rn. 35;
Heuner/Küpper, JZ 2012, S. 801 ff. <S. 803>; wohl auch Schoch, IFG, 2009, $ 1 Rn.
97). Denn dieses Schreiben wurde in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des
Innenausschusses (BT-Drs. 15/5606 S. 4) zwar als Beratungsgegenstand angespro-
“ chen und die zustimmende Kenntnisnahme durch den mitprüfenden Ausschuss für
Wahlprüfung, Immunität und Gesehäftsordnung erwähnt, sein Inhalt aber nicht in den
Bericht des federführenden Ausschusses übernommen. Somit hat das Schreiben des
Direktors im weiteren Gesetzgebungsverfahren keinen Niederschlag gefunden. Hin-
gegen wurde die Anregung in diesem Schreiben, Informationen über Abgeordnete
und Amtsträger denjenigen über Angehörige des öffentlichen Dienstes in 85 Abs. 2
IFG gleichzustellen, in dem Bericht aufgegriffen und insoweit erläutert, dass das
Mandat selbst und seine Ausübung verfassungsrechtlich geschützt sind und nicht in
den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen (BT-Drs. 15/5606 S. 6). Auch das
zeigt, dass nur das Mandat als solches und die eigentliche parlamentarische Tätig-

keit vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden sollten.

bb. Der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes fehlt der
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erforderliche enge Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit der Mitglie-
der des Deutschen Bundestages. Diese Dienste sind in formeller Hinsicht eine Un-
terabteilung der Bundestagsverwaltung und damit Teil einer Stelle, die Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Ihre Mitarbeiter sind Beschäftigte des Deut-
schen Bundestages oder von anderen Dienststellen abgeordnet. Dienstrechtlich un-
terstehen sie dem Präsidenten des Deutschen Bundestags ($ 7 Abs. 4 GO BT). Ma-
teriell besteht die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste in der Wissensvermitt-
lung. Sie unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandats-
bezogenen Tätigkeit mit aktuellen und parlamentsgerechten Informationen (vgl. Nr.
1.1.1 des Leitfadens WD). Der Umstand, dass die Informationen in der Regel einen
Bezug zum Mandat haben, macht die Arbeiten der Dienste nicht automatisch zum
Gegenstand des Mandats der Abgeordneten. Der Auftraggeber erhält zwar das un-
terschriebene Original einer Arbeit, und die Weitergabe einer Ausfertigung an Dritte
ist innerhalb einer Sperrfrist von 4 Wochen nach der Absendung von der Zustim-
mung des Auftraggebers abhängig, wenn nicht die Abteilungsleitung eine Ausnahme
zulässt (vgl. Nr. 6.3.1 und 5.2 des Leitfadens WD). Weitere Exemplare der Arbeit
verbleiben im Fachbereich bzw. gehen bei Ausarbeitungen und Sachständen an die
Unterabteilungsleitung und die „Hotline W* (vgl. Nr. 6.3.1 des Leitfadens WD). Der
Deutsche Bundestag behält sich sämtliche Rechte an den Arbeiten der Wissen-
schaftlichen Dienste vor und macht deren Veröffentlichung und Verbreitung von der
Zustimmung der Äbteilungsleitung abhängig (vgl. Nr. 5.4 des Leitfadens WD). Die
Wissenschaftlichen Dienste sind ferner zur strikten politischen Neutralität verpflichtet
(vgl. Nr. 3.6.1 des Leitfadens WD). Auch insoweit unterscheiden sie sich von den
persönlichen Mitarbeitern der Abgeordneten und den Beschäftigten der Fraktionen
im Deutschen Bundestag (vgl. dazu Hölscheidt, DVBi. 2010, S. 78 ff. <S. 79 f.>). Die
Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste ist es demnach, die Abgeordneten in objek-
tiver Weise mit Hintergrundinformationen bezogen auf einen für die Ausübung des
Mandats relevanten Themenkomplex zu versorgen. Die Ausarbeitungen der Wissen-
schaftlichen Dienste können damit zwar die Grundlage für die spätere parlamentari-
sche Arbeit der Abgeordneten bilden; ihre Anfertigung kann jedoch nicht selbst be-
reits als parlamentarische Tätigkeit qualifiziert werden. Sie stellt vielmehr - ähnlich
wie das Änbieten und die Veranstaltung von Fortbildungen für Mitarbeiter durch Be-
hörden - Verwaltungstätigkeit dar (vgl. Urteil der Kammer vom 1. Dezember 2011 -
VG 2K 91.11 -, Juris).

c. Dem Informationsbegehren des Klägers steht auch kein Ausschlussgrund entge-

gen. Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist zunächst, ob deren Vorlie-
8

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gen plausibel dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass
Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so ein-
leuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen ge-
prüft werden kann (vgl. z.B. Urteil der Kammer vom 10. September 2008 - VG 2 A
167.06 - m.w.N.).

Die Beklagte hat sich hinsichtlich der „Ausarbeitungen“ auf den Ausschlussgrund des
$ 6 Satz 1 IFG berufen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht,
soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. An der Information muss folg-
lich geistiges Eigentum bestehen (aa.) und dessen Schutz muss dem Anspruch ent-
gegenstehen (bb).

aa. Der Begriff des „geistigen Eigentums" erfasst u.a. das Urheberrecht (vgl. BT-Drs.
15/4493, S. 14). Das Urheberrecht schützt nach den 88 1 und 2 des Gesetzes über
Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz - UrhG) Werke der
Literatur, Wissenschaft und Kunst, insbesondere auch Sprachwerke ($ 2 Abs. 1 Nr. 1
UrhG). Voraussetzung für die Annahme eines „Werkes“ in diesem Sinne ist das Vor-
liegen einer persönlichen geistigen Schöpfung ($ 2 Abs. 2 UrhG). Eine persönliche
geistige Schöpfung kann einerseits in der Gedankenformung und -führung liegen,
andererseits aber auch in der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und An-
ordnung des dargebotenen Stoffs (BGH, Urteil vom 12. Juni 1981 - I ZR 95/79, Juris,
Rn. 22; vgl. außerdem KG, Beschluss vom 11. Mai 2011 - 24 U 28/11 -, Juris, Rn. 4
ff.). Die Ausarbeitungen können daher grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz ge-
nießen. Bei der Beurteilung eines wissenschaftlichen Werkes ist allerdings zu beach-
ten, dass die wissenschaftliche Lehre, ihr Sprachgebrauch und die Ergebnisse, zu
denen sie gelangt, urheberrechtlich frei und jedermann zugänglich sind (vgl. Urteil
der Kammer vom 21. Oktober 2010 - VG 2K 89.09 - m.w.N.), ihr Schutz muss sich
daher aus der Gestaltung und Formgebung ergeben (vgl. Lenski, NordÖR 2006, S.
89 ff. <S. 93>).

Die Kammer unterstellt hinsichtlich der „Ausarbeitungen“, dass diese Merkmale einer
persönlichen geistigen Schöpfung aufweisen, auch wenn die formale Gestaltung der
Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste durch die Anlage 1 des Leitfadens WD vor-
gegeben ist. Bei den „Dokumentationen“ und der Übersetzung geht die Beklagte
selbst davon aus, dass diese den Anforderungen an ein geschütztes Werk nicht ge-

nügen.

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bb. Die der Beklagten zustehenden Urheberrechte stehen dem Anspruch des Klä-
gers auf Informationszugang nicht entgegen. Aus $ 6 Satz 1 IFG ergibt sich nicht
unmittelbar, in welchen Fällen das geistige Eigentum dem Anspruch auf Informati-
onszugang entgegensteht. Dies muss jeweils auf der Grundlage des Inhaltes des

einschlägigen Schutzrechtes ermittelt werden (vgl. Schoch, IFG, 2009, 8 6 Rn. 17;
Berger/Roth/Scheel, IFG 2009, 8 6 Rn. 6).

(1) Nach $ 12 Abs. 1 UrhG hat der Urheber das Recht zu bestimmen, ob und wie
sein Werk zu veröffentlichen ist. Ihm ist es gemäß $ 12 Abs. 2 UrhG außerdem vor-
behalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, so-
lange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Wer-
kes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist. Dieses sogenannte Erstveröffentli-
chungsrecht steht der Beklagten zu, wenngleich nicht sie, sondern die jeweiligen
Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste Urheber der Werke sind.

(a) Urheber ist nach $ 7 UrhG der Schöpfer des Werkes. Das ist hier der jeweilige
Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste, der bei Erschaffung des Werkes in Erfül-
lung seiner Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis tätig wird. Soweit sich aus dem
Inhalt oder dem Wesen des Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt, sind gemäß 8
43 UrhG auch in einem solchen Fall die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes
über die Einräumung von Nutzungsrechten (88 31 ff. UrhG) anzuwenden (BGH, Ur-
teil vom 12. Mai 2010 - | ZR 209/07 - Juris). Haben die Parteien eines Vertrages
nicht ausdrücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so
bestimmt sich gemäß $ 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Partnern zu-
grunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt
worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungszweck-
gedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungs-
rechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im All-
gemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für
das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind. Bei Anwendung dieses Grund-
satzes auf Dienstverhältnisse ist dem berechtigten Interesse des Dienstherrn an ei-
ner rechtlich gesicherten Verwertung der Werke Rechnung zu tragen, die seine Be-
diensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten geschaffen haben. Deshalb ist davon
auszugehen, dass ein Beamter bzw. Bediensteter, der in Erfüllung seiner Dienst-
pflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend sämtliche
Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt (BGH,
a.a.0.).

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