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Aktenzeichen
4 K 3842/11
Datum
12. Juli 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Stuttgart
Gesetz
Informationsweiterverwendungsgesetz
Informationsweiterverwendungsgesetz

Urteil: Verwaltungsgericht Stuttgart am 12. Juli 2012

4 K 3842/11

Ausschreibungstexte einer Kommune, die zur öffentlichen Bekanntmachung bestimmt sind, fallen unter den Anwendungsbereich des Informationsweiterverwendungsgesetzes. Ihre Herausgabe zur Weiterverwendung durch einen Dritten begründet den Gleichbehandlungsanspruch aller Interessenten. (Quelle: LDA Brandenburg)

Allgemein zugängliche Quelle Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Veröffentlichung von Informationen

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4 K 3842/11

VERWALTUNGSGERICHT STUTTGART

Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung einer Weiterleitungsverpflichtung nach IWG

hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am
Verwaltungsgericht XXX, die Richterin am Verwaltungsgericht YYY und die Richterin
am Verwaltungsgericht ZZZ sowie durch die ehrenamtliche Richterin AAA und den eh-
renamtlichen Richter BBB auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2012

am 12. Juli 2012 für Recht erkannt:

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die zur öffentlichen Bekanntmachung bestimm-
ten Texte über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die sie Dritten zur Weiterverwendung
zur Verfügung stellt, in allen angefragten Formaten, die bei der Beklagten vorliegen, un-
verzüglich zu überlassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Bekanntmachungsportal, auf dem Bekanntmachungen über die
Vergabe öffentlicher Aufträge veröffentlicht werden können. Das Portal bietet interessier-
ten Unternehmen die Möglichkeit, spezifische Suchprofile anzulegen, um über individua-
lisierte Recherchefunktionen beabsichtigte Auftragsvergaben der öffentlichen Hand zu

ermitteln.

Mit Schreiben vom 14.04.2011 und 30.08.2011 bat die Klägerin die Beklagte, ihr die
ausschreibungsbezogenen Bekanntmachungen, zu deren Veröffentlichung die Beklagte

gesetzlich verpflichtet ist und deren Veröffentlichung über Dritte erfolgt, elektronisch zu
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überlassen, um diese auf ihrem Bekanntmachungsportal D. interessierten Unternehmen
zugänglich machen zu können. Die Beklagte lehnte dies unter dem 09.05.2011 ab, da
die Bekanntmachung ihrer Veröffentlichungen über das Vergabeportal XXX, einer

Vergabeplattform der V. GmbH, keine Weiterverwendung durch Dritte sei.

Die Klägerin hat am 25.10.2011 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage trägt sie vor, die Beklagte sei gem. $ 12 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A
(2009) und $ 12 Abs. 1 VOL/A (2009) verpflichtet, öffentliche Ausschreibungen, be-
schränkte Ausschreibungen mit Teilnahmewettbewerb und freihändige Vergaben mit
Teilnahmewettbewerb in Tageszeitungen, amtlichen Veröffentlichungsblättern, Fachzeit-
schriften oder Internetportalen zu veröffentlichen. Entsprechende Verpflichtungen be-
stünden für EU-weite Wettbewerbe, die im Supplement zum Amtsblatt der EU zu veröf-
fentlichen seien, $ 15 EG-VOL/A, $ 12 VOB/A sowie & 9 VOF. Die Beklagte übermittle
ihre Angaben nur der St. GmbH. Dabei handle es sich jedoch nicht um ein bevorzugtes
amtliches oder zentrales Bekanntmachungsorgan des Landes Baden-Württemberg, da
sie 2007 privatisiert worden sei.

Die Klage sei als Feststellungsklage zulässig, die Voraussetzungen des $ 43 Abs. 1
VwGO seien gegeben. Es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die sich
auf die Feststellung des Bestehens der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Überlas-
sung bzw. Gewährleistung der gleichmäßigen elektronischen Verfügbarkeit auf Grundla-
ge des Gesetzes über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen
(IWG) richte. Sie mache einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit der St. GmbH gel-
tend. Nach $ 3 Satz 1 IWG sei jede Person bei der Entscheidung über die Weiterver-
wendung vorhandener Informationen öffentlicher Stellen, die diese zur Weiterverwen-
dung zur Verfügung gestellt hätten, gleich zu behandeln. Die Beklagte stelle einer ande-
ren juristischen Person alle Bekanntmachungen über Ausschreibungen zur Weiterver-
wendung zur Verfügung. Weiterverwendung sei „jede Nutzung von Informationen, die
über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe hinausgeht und in der Regel auf die Erzie-
lung von Entgelt gerichtet ist‘, $ 2 Nr. 2 IWG. Sie überlasse damit einem privaten Dritten
elektronische Informationen zur beabsichtigten Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Es
sei entscheidend, dass sie Informationen an einen privaten Dritten weitergebe. Diese
Informationen könnten nur vom Auftraggeber erstellt und vermittelt werden, da sie den
Bedarf und sonstige Festlegungen zum Vergabeverfahren beträfen, die bereits aus
vergaberechtlichen Gründen nicht an Dritte übertragen werden dürften. Die inhaltliche

Erstellung von Bekanntmachungstexten und die damit verbundenen verfahrensleitenden
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Entscheidungen könnten nicht auf Dritte verlagert werden. Die Vermittlung und Weiter-
verwendung von Informationen, die bei der Beklagten vorhanden seien, sei daher gege-
ben. Es gebe keinen Unterschied zwischen Bekanntmachung und Information, da nichts
mehr entstehen bzw. erstellt werden müsse. Die dem IWG zugrunde liegende RL
2003/98/EG ziele darauf ab, dass Dokumente der öffentlichen Hand, die zur Erfüllung
ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben erstellt würden und aus wirtschaftlichen Gründen
genutzt würden, eine Weiterverwendung darstellten. Die Nutzung von Bekanntma-
chungstexten durch die St. GmbH und V. erfolge aus vornehmlich wirtschaftlichen Grün-
den. Die privatrechtliche Nachfrage der öffentlichen Hand am Markt sei fiskalisches
Handeln auf privatrechtlicher Grundlage. Die Bekanntmachungen seien zugleich per de-
finitionem Informationen öffentlicher Stellen, die Privaten überlassen und zur Weiterver-
wendung zur Verfügung gestellt würden. Die gezielte Weiterverwendung durch Dritte
diene zugleich der Erfüllung haushalts- bzw. wettbewerbsrechtlicher Bekanntma-
chungsobliegenheiten. Eine Weiterverwendung bzw. Nutzung der Bekanntmachungstex-
te erfolge direkt durch die St. GmbH und indirekt über die V. GmbH. Die Beklagte schüt-
ze das faktische (Informations-) Monopol im Interesse der St. GmbH bzw. deren privaten
Anteilseigner. Die mit der Beschränkung der Verwendungsmöglichkeit auf ein Unter-
nehmen erfolgte Einschränkung des Zugangs zu Informationen (Bekanntmachungen)
verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des IWG. Die in Erfüllung einer fiska-
lisch gebotenen Marktansprache erstellten Informationen für die Bekanntmachungstexte
gingen über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe hinaus. Es handle sich nicht um
eine hoheitliche Aufgabe auf Grundlage eines formellen Gesetzes. Die Beklagte handle
insoweit rein privatrechtlich, die Bekanntmachung regle den Inhalt und Gegenstand ei-
nes vorvertraglichen Schuldverhältnisses, so dass die Weiterverwendung und Nutzung
der Bekanntmachungstexte durch die St. GmbH und die V. GmbH über die Erfüllung öf-
fentlicher Aufgaben hinausgehe. Um eine über die Erfüllung öffentlicher Aufgaben hin-
ausgehende Nutzung annehmen zu können, dürfe kein übergeordneter formellgesetzlich
oder verfassungsrechtlich gebotener Zugangsanspruch bestehen, der die wirtschaftli-
chen Interessen Dritter überlagere oder in den Hintergrund treten lasse, wie. z.B. bei
Gesetzen, Verordnungen und amtlichen Mitteilungen, wo es um den Informationszugang
der Bürger zum geltenden Recht gehe. Anders verhalte es sich jedoch, wenn die öffentli-
che Hand auf rein privatrechtlicher Grundlage am Markt auftrete. Die Auswahl des Be-
kanntmachungsmediums (vgl. 8 17 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A) habe unter Beachtung von Art. 3
GG zu erfolgen. Es sei entscheidend, ob die Weiterverwendung der von der Beklagten

zur Verfügung gestellten Bekanntmachungstexte durch Dritte gestattet werde.
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Die Klägerin beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die zur öffent-
lichen Bekanntmachung bestimmten Texte über die Vergabe öffentlicher
Aufträge, die sie Dritten zur Weiterverwendung zur Verfügung stellt, in al-
len angefragten Formaten, die bei der Beklagten vorliegen, unverzüglich

zu überlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei der Online-Vergabeplattform XXX handle es sich um die gemeinsame Vergabe-
Plattform der Bundesländer und des deutschen Ausschreibungsblatts, die ihre Systeme
den Gesellschaftern lediglich zur Verfügung stellten. Sämtliche Rechte lägen insoweit bei
den Gesellschaftern. In der Veröffentlichung von Bekanntmachungstexten liege keine
Vermittlung oder Weiterverwendung von Informationen vor, sondern es handle sich um
eine Veröffentlichung des Bekanntmachungstextes, zu der die Beklagte gesetzlich ver-
pflichtet sei.

Öffentliche Auftraggeber erfüllten ihre öffentliche Aufgabe (Beachtung des Vergabe-
rechts), zu der sie gesetzlich verpflichtet seien, dadurch, dass die Veröffentlichung einer
Ausschreibungsbekanntmachung entweder im Vergabeportal V. und im St. oder alterna-
tiv ausschließlich im elektronischen Vergabeportal XXX erfolge. Damit scheide eine
Vermittlung bzw. Weiterverwendung von Bekanntmachungstexten durch V. bereits denk-
logisch aus. Die Beklagte erfülle mit der Veröffentlichung über V. oder den St. eine ihr
obliegende gesetzliche Verpflichtung.

Sie hält die Klage bereits für unzulässig, da der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei.
Die Beklagte sei zur Veröffentlichung von Bekanntmachungen gesetzlich (vergaberecht-
lich) verpflichtet. Dieser Verpflichtung habe sie als öffentliche Auftraggeberin durch eine
Veröffentlichung von Bekanntmachungstexten „in Tageszeitungen, amtlichen Veröffentli-
chungsblättern, Fachzeitschriften oder Internetportalen“ nachzukommen (& 12 Abs. 1
VOL/A und & 12 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Da sie dieser Verpflichtung nicht dadurch nach-
kommen könne, dass sie die Bekanntmachung allein auf ihrer Homepage veröffentliche,
weil die geforderte Reichweite nicht hergestellt werde, sei sie gezwungen, sich die erfor-
derlichen Dienstleistungen am Markt zu beschaffen, d.h. sie müsse sich eines Aus-

schreibungsdienstes bedienen, der diese Dienstleistung anbiete. Es bestehe keine Ver-
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pflichtung, bei Auftragsbekanntmachungen einen bestimmten Dienst zu benutzen. Die
Klägerin wolle im vorliegenden Verfahren ihre Marktposition im Wettbewerb verbessern.
Da sie sich gegen die exklusive Beauftragung des St. wende, trage sie letztendlich vor,
dass diese Beauftragung eine de facto-Vergabe darstelle. Da sich die Auftragswerte hier
erheblich unterhalb der Schwellenwerte für die Anwendbarkeit des europäischen Verga-
berechts bewegten, greife der im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgese-
hene Primärrechtsschutz nicht. Für Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte des
8 100 Abs. 1 GWB sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet (BVerwG, B. v.
02.05.2007 - 6 B 10/07 -, NVwZ 2275, Kallerhoff NZBau 2008, 97, Burgi NVwZ
2007,737). Dies sei verfassungsrechtliich nicht zu beanstanden (BVerfG, B. v.
13.06.2006 - 1 BvR 1160/03, NZBau 2006, 791). Die Klage sei auch unbegründet, denn
die Veröffentlichung bei V. bzw. im Anzeigenblatt des St. stelle keine Weiterverwendung
im Sinne IWG dar. Mit dem IWG solle die EU Richtlinie 2003/98/EG vom 17.11.2003
über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors umgesetzt wer-
den, damit für mehr Transparenz und fairen Wettbewerb gesorgt und die Weiterverwen-
dung von Informationen öffentlicher Stellen erleichtert werden. Die gen. Richtlinie ziele
darauf ab, für die diskriminierungsfreie Möglichkeit, Informationen öffentlicher Stellen
weiterzuverwenden, europaweit gleiche Bedingungen zu schaffen. Gegenstand der
Richtlinie seien daher Dokumente, die öffentliche Stellen erheben, erstellen, reproduzie-
ren und verbreiten würden, um ihren Öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Anknüpfungspunkt
seien somit Dokumente, die bei öffentlichen Stellen vorhanden seien. Es müsse jedoch
der für den Anwendungsbereich der Richtlinie entscheidende Aspekt, nämlich die „Wei-
terverwendung“ dieser Dokumente hinzutreten (Vgl. Erwägungsgrund 8 der RL
2003/98/EG), wonach die Nutzung dieser Dokumente aus anderen Gründen (als der Er-
füllung einer Öffentlichen Aufgabe) eine Weiterverwendung darstelle. Das stelle klar,
dass eine Weiterverwendung von Informationen nur stattfinden könne, wenn eine über
die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe (RL: öffentlicher Auftrag) hinausgehende weitere
Verwendung solcher Informationen vorliege. Erwägungsgrund 9 bestätige diese Ein-
schätzung, indem er klarstelle, dass die RL keine grundsätzliche Verpflichtung zur Ge-
stattung der Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen schaffe. Die erst-
malige Entscheidung, ob eine Weiterverwendung gestattet werde, sei Sache der Mit-
gliedsstaaten bzw. der betreffenden öffentlichen Stelle. Erst wenn eine Weiterverwen-
dung von Informationen erstmals gestattet worden sei, sei die Weiterverwendung in
nichtdiskriminierender Weise auf Antrag auch jedem Dritten zu gestatten. Daraus ergebe
sich zum einen, dass die Weiterverwendung von Daten bzw. Informationen strikt von

deren Erstellung im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags zu trennen sei und zum ande-
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ren, dass die Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Weiterverwendung bestimmter
Informationen stattfinde, bei der jeweiligen öffentlichen Stelle selbst liege. Da die Be-
kanntmachung von Ausschreibungen eine gesetzliche Verpflichtung darstelle, handle es
sich um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die einer öffentlichen Stelle keine Mög-
lichkeit lasse, autonom zu entscheiden, ob bestimmte Informationen weiterverwendet
werden sollen oder nicht. Das IWG schaffe zur Umsetzung der RL über die Weiterver-
wendung von Informationen einen rechtlichen Rahmen für die Weiterverwendung von
Informationen Öffentlicher Stellen, die diese im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags er-
stellt und für eine Weiterverwendung zur Verfügung gestellt hätten. In der Gesetzesbe-
gründung zum IWG heiße es hierzu, dass das IWG kein eigenständiges Zugangsrecht
zu Informationen öffentlicher Stellen begründe. Es knüpfe vielmehr an solche Informatio-
nen an, die öffentliche Stellen bereits zur Verfügung gestellt hätten und baue auf beste-
henden Zugangsregelungen von Bund und Ländern auf. Es regle nicht das „Ob“ des Zu-
gangs und begründe keine Verpflichtung der öffentlichen Stelle, Informationen zur Wei-
terverwendung zur Verfügung zu stellen. Nur soweit bereits eine Weiterverwendung von
Informationen öffentlicher Stellen stattfinde, sei auch Dritten in nichtdiskriminierender
Weise die Weiterverwendung dieser Informationen zu gestatten (so BT-Drs. 16/12453,
S. 11). Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übermittlung von Bekanntmachungstex-
ten über die Vergabe öffentlicher Aufträge, denn es sei weder der Anwendungsbereich
nach $ 1 Abs. 1 IWG erreicht noch bestehe ein Gleichbehandlungsanspruch gemäß 8 3
Abs. 1 IWG. Bei den Veröffentliichungen von Bekanntmachungstexten handle es sich
weder um bei öffentlichen Stellen vorhandene Informationen, noch finde durch deren
Veröffentlichung eine Weiterverwendung statt. In Umsetzung von Art. 1 der RL 2003/98
EG seien vom Anwendungsbereich des IWG alle Informationen ausgenommen, an de-
nen kein Zugangangsrecht bestehe (8 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG). Die Klägerin habe nicht vor-
getragen, aus welchem Grund ihr ein Zugangsrecht an Inhalten und Bekanntma-
chungstexten zustehe, die von der Beklagten gerade erst in Kooperation mit V. und/oder
dem St. erstellt würden. $ 1 Abs. 2 Nr. 3 IWG verdeutliche, dass vom IWG nur solche
Aufgaben erfasst seien, die Öffentliche Stellen im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabener-
füllung bereits erstellt hätten und die ab dem Zeitpunkt der Erstellung bei der betreffen-
den öffentlichen Stelle vorhanden seien. Es fehle vorliegend aber an dem notwendigen
Zwischenschritt. Die Bekanntmachungstexte stellten die Erstellung der Information selbst
dar und könnten erst hiernach bei der betreffenden öffentlichen Stelle vorhanden sein.
Die Klägerin begehre somit, dass sie die Bekanntmachungen in Kooperation mit der Be-
klagten erstellen könne. Sie begehre somit keine Nutzung bzw. Weiterverwendung von

Informationen, die bei einer öffentlichen Stelle vorhanden seien und über die Erfüllung
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der entsprechenden öffentlichen Aufgabe hinausgehe, sondern sie wolle, dass die Be-
klagte ihre öffentliche Aufgabe (die Bekanntmachung von öffentlichen Aufträgen) zumin-
dest auch mit ihr durchführe. Das IWG stelle jedoch keine Anspruchsgrundlage für eine
Verbesserung der allgemeinen Wettbewerbssituation von Unternehmen dar, sondern
solle ausschließlich gewährleisten, dass Informationen, die im Rahmen der Erfüllung
einer Öffentlichen Aufgabe bereits bei öffentlichen Stellen vorlägen, von jedem Interes-
senten genutzt und weiterverwendet werden könnten. Wenn es wie vorliegend erst um
die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe selbst gehe, sei der Anwendungsbereich des IWG
bereits denklogisch nicht erfasst. Im Gegensatz zur RL verwende das IWG in Anlehnung
an das IFG, das den Zugang zu staatlichen Informationen regle, den Begriff „Information“
statt „Dokument“. Ein inhaltlicher Unterschied bestehe nicht (vgl. BT-Drs. 16/2453, S.
14). Information sei laut der Gesetzesbegründung jede Aufzeichnung, unabhängig von
der Art der Speicherung. Hierunter falle „jede im Besitz öffentlicher Stellen befindliche
Darstellung von Handlungen, Tatsachen oder Informationen sowie jede Zusammenstel-
lung solcher Handlungen“. Bekanntmachungstexte könnten demzufolge keine solchen
Informationen sein. Sie befänden sich gerade nicht im Besitz öffentlicher Stellen, son-
dern sie sollten sich nach dem Verordnungszweck der Vergabe- und Vertragsordnungen
gerade nicht im Besitz öffentlicher Stellen befinden. Die öffentlichen Stellen erfüllten ihre
öffentliche Aufgabe im Zusammenhang mit der Durchführung von Vergabeverfahren
dadurch, dass sie eine Bekanntmachung in Online- oder Printmedien vornähmen. Das
zeige, dass Bekanntmachungstexte sich niemals im Besitz öffentlicher Stellen befänden.
Deren Erstellung erfolge in Kooperation mit Ausschreibungsdiensten, die hierin enthalte-
nen Informationen würden durch die Veröffentlichung gerade dem relevanten Markt zu-
gänglich gemacht. Es liege auch keine Weiterverwendung gem. $ 2 Nr. 3 IWG vor. Diese
Vorschrift verstehe unter Weiterverwendung: „Jede Nutzung von Informationen, die über
die Erfüllung einer öffentlichen. Aufgabe hinausgehe und in der Regel auf die Erzielung
von Entgelt gerichtet sei; die intellektuelle Wahrnehmung einer Information und die Ver-
wertung des dadurch erlangten Wissens stellen regelmäßig keine Weiterverwendung
dar.“ Da die Beklagte durch die Veröffentlichung von Bekanntmachungen gerade eine
öffentliche Aufgabe erfülle, könne hierin keine Weiterverwendung im Sinne des IWG lie-
gen. Die Form der Veröffentlichung spiele keine Rolle. Es sei auch kein Gleichbehand-
lungsanspruch gegeben. 8 3 Abs. 1 IWG solle gewährleisten, dass öffentliche Stellen
alle Marktteilnehmer gleich behandelten. Das setze voraus, dass überhaupt eine Ent-
scheidung über die „Weiterverwendung“ von bei der betreffenden öffentlichen Stelle
„vorhandenen Information“ erfolgt sei. Die Veröffentlichung von Auftragsbekanntma-

chungen in anerkannten Bekanntmachungsmedien stelle jedoch keine Weiterverwen-
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dung im Sinne des IWG dar, sondern beinhalte die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe.
Es würden durch die Veröffentlichung auch keine Informationen erhoben oder erstellt,
die anschließend bei ihr „vorhanden“ seien, sondern die Veröffentlichung solle gerade
gewährleisten, dass ein möglichst großer Kreis von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kön-
ne. Eine Weiterverwendung erfordere somit das ausdrückliche „zur Verfügung stellen“,

das über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe hinausgehe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die umfangreichen Rechtsausführungen in den

Schriftsätzen der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist entgegen der von der Beklagten vertretenen
Auffassung der Verwaltungsrechtsweg (8 40 Abs. 1 VwGO) gegeben. Denn die Klägerin
stützt den geltend gemachten Anspruch ausdrücklich auf 8 3 des Gesetzes über die Wei-
terverwendung von Informationen öffentlicher Stellen - IWG - vom 13.12.2006, BGBl. |
2006, 2913. Ob dieses Begehren darüber hinaus der Teilnahme am Markt dienen soll, ist
unbeachtlich, da der primär geltend gemachte Informationsherausgabeanspruch zur
Weiterverwendung im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen ist, wie sich schon aus

der gesetzlichen klar formulierten Regelung in $ 5 IWG entnehmen lässt.

Die Klage ist auch als Feststellungsklage zulässig. Nach $ 43 Abs. 1 VwGO kann durch
Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses
begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung

hat (Feststellungsklage).

Ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten liegt vor. Als Rechtsverhältnis
im Sinne des $& 43 Abs. 1 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die
sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden
öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder
einer Person zu einer Sache ergeben. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis setzt
voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit
besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen
der anderen Seite verlangen zu können (exemplarisch und umfassend Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 23.01.1992 - 3 C 50/89 -, BVerwGE 89, 327 - 334 mit weit-
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gehenden und umfassenden Hinweisen auf die vorausgegangene Rechtsprechung). Der
Streit der Beteiligten muss in Beziehung zu Bedeutung und Tragweite einer Vorschrift
des öffentlichen Rechts im Hinblick auf einen konkreten Sachverhalt bestehen (so
BVerwG, Urt. v. 26.11.1996 - 8C 19/94 -, BVerwGE 100, 262 - 275).

Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Klägerin hat auch das nach $ 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an
der erstrebten Feststellung. Dieses Interesse schließt über ein rechtliches Interesse hin-
aus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher oder ideeller
Art ein, wobei jedoch zur Vermeidung der dem Verwaltungsprozess fremden Popularkla-
ge die Vorschrift des $42 Abs. 2 VwGO entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu
BVerwG, Urt. v. 29.06.1995, BVerwGE 99, 64 - 69). Das bedeutet, dass auch eine auf
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete
Klage gemäß 8 43 Abs. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn es dem Kläger dabei um die
Verwirklichung seiner Rechte geht, sei es, dass er an dem festzustellenden Rechtsver-
hältnis selbst beteiligt ist, sei es, dass von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte des Klä-
gers abhängen. Der Klägerin kommt schon deshalb ein berechtigtes Interesse an der
begehrten Feststellung zu, da der Gesetzgeber, wenn einmal eine Information weiter-
verwendet worden ist, diesen Anspruch anderen in gleicher Weise einräumt und der Klä-

gerin deren Vermarktung ermöglicht wird.

Die Klägerin ist auch nicht auf eine Leistungsklage zu verweisen, nachdem die Beklagte
nicht erklärt hat, sie wolle sich nicht rechtstreu verhalten. Da somit die zwischen den Be-
teiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung
tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, verbietet es sich, die Klägerin
über $ 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in de-
ren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung sie ein berech-
tigtes Interesse hat, einerseits nur Vorfrage wäre, andererseits die weiteren Elemente
des geltend zu machenden Anspruchs nur untergeordnete Bedeutung hätten (vgl. v. Al-
bedyli in Bader, VwGO, 5. Aufl. 8 43 RdNr. 34 m. w. N.).

2. Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte

Feststellung.
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Der Anspruch der Klägerin folgt aus 8 3 Abs. 1 IWG. Danach ist jede Person bei der Ent-
scheidung über die Weiterverwendung vorhandener Informationen öffentlicher Stellen,
die diese zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt haben, gleich zu behandeln. Ein

Anspruch auf Zugang zu Informationen wird durch dieses Gesetz nicht begründet.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Bei den von der Beklagten herausgegebenen und zur öffentlichen Bekanntmachung be-
stimmten Texte über die Vergabe öffentlicher Aufträge handelt es sich um Informationen,
denn eine Information ist jede Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung,
8 2 Nr. 2 IWG. Damit stellen die Texte, die bekanntzumachen sind, bereits die entspre-
chenden Informationen einer öffentlichen Stelle dar. Entgegen der Auffassung des Be-
klagten wird die Information nicht erst durch die Bekanntgabe der Ausschreibung selbst
generiert, vielmehr stellt die normativ geforderte Veröffentlichung erst sicher, dass die
Textinformation einem relevanten Adressatenkreis zugänglich wird. Darauf, ob die Tex-
tinformation schon vor ihrer Veröffentlichung (irgendwelche) Rechtswirksamkeit erlangt,
kommt es dagegen nicht an; auch die Übermittlung von Gesetzestexten vor der normativ
erforderlichen Verkündung ist eine Informationsübermittlung (so auch VG Köln, U. v.
26.05.2011 - 13 K 5747/07 -, juris).

Diese Informationen sind von der Beklagten der St. GmbH, die sie ihrerseits auch an die
V. GmbH weitergibt, zur Verfügung gestellt worden. Nach der gesetzlichen Definition in &
2 Nr. 3 IWG ist Weiterverwendung jede Nutzung von Informationen öffentlicher Stellen,
die über die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe hinausgeht und in der Regel auf die
Erzielung von Entgelt gerichtet ist. Es kommt im Hinblick auf den Wortlaut des $& 3 Abs. 1
Satz 1 IWG nicht entscheidend darauf an, ob eine Weiterverwendung der Informationen
im Sinne der der vorgenannten Definition zu irgendeinem Zeitpunkt stattgefunden hat
oder künftig stattfinden wird. Indem das Gesetz verlangt, dass die öffentliche Stelle die
bei ihr vorhandenen Informationen zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt haben
muss, muss die Weitergabe der Informationen gerade zu dem Zweck erfolgt sein, dass
mit diesen eine über die Erfüllung öffentlicher Aufgaben hinaus gehende Nutzung statt-
findet (vgl. hierzu VG Köln, aaO).

Die Beklagte übergibt die für die Öffentliche Bekanntmachung vorgesehenen Texte an
die St. GmbH, die sie der V. GmbH weitergibt, und bedient sich dieser Publikationsorga-

ne, um damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung nachzu-
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