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Aktenzeichen
2 K 142.11
Datum
27. Juni 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)
Quellcode
Informationsfreiheitsgesetz Berlin (IFG)

Zugang zu Informationen der Rechtsanwaltskammer

2 K 142.11

Der Kläger, ein Journalist, hat keinen Anspruch auf Zugang zu Informationen einer Rechtsanwaltskammer über das Zulassungsverfahren eines Rechtsanwalts, dessen frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit in Rede stand. Zwar ist der Anwendungsbereich des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes auf die Kammer eröffnet. Auch lässt sich der Bundesrechtsanwaltsordnung nur eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht entnehmen, die dem Informationszugangsanspruch auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes nicht entgegensteht. Der entsprechende Ausnahmetatbestand des Informationsfreiheitsgesetzes wäre nur erfüllt, wenn die spezielle Geheimhaltungsvorschrift dem Schutz besonders sensibler Grundrechtsbereiche diente. Eine bloße Drittbetroffenheit reicht hierfür nicht aus. Der Akteneinsicht steht jedoch der erforderliche Schutz personenbezogener Daten entgegen. Es handelt sich um Personalaktendaten, an deren Bekanntgabe das Gericht kein höherrangiges Interesse sieht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Personenbezogene Daten

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VG 2 K 142.11 Verkündet am 27. Juni 2012 Neumann Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache Klägers, Verfahrensbevollmächtigte(r): gegen Beklagten, Verfahrensbevollmächtigte(r): beigeladen: Verfahrensbevollmächtigte(r): hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2012 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, -2-
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-2- den Richter am Verwaltungsgericht Tegtmeier, den Richter am Verwaltungsgericht Schulte, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtl i- chen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Der als Journalist bei der Tageszeitung „D_____“ tätige Kläger begehrt Zugang zu Informationen der Beklagten betreffend das Zulassungsverfahren zur Rechtsanwalt- schaft des beigeladenen Rechtsanwaltes S_____ im Wege der Akteneinsicht. Mit E-Mail vom 19. April 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Verweis darauf, dass er für die Tageszeitung „D_____“ zu dem Beigeladenen recherchiere, gestützt auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz, die Zurverfügungstellung aller mit dem Zulassungsverfahren des Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft im Zusam- menhang stehender schriftlichen Informationen in Kopie. Mit bei der Beklagten am 18. April und 8. Mai 2011 eingegangenen Schreiben wies der Beigeladene die Beklagte darauf hin, dass er jüngst zum Gegenstand einer Presseberichterstattung in der „W_____“ gemacht worden sei, was wohl auf seinen ehemaligen Geschäftspartner, mit dem er sich in Rechtsstreitigkeiten befinde, z u- rückzuführen sei. Dieser Geschäftspartner habe bereits in der Vergangenheit eine Rufmordkampagne und üble Nachrede ihm gegenüber betrieben. Wegen des Artikels in der „W_____“ habe er bereits Ansprüche gegen den Verlag und die Autoren gel- tend gemacht. Die Beklagte unterliege keinerlei Auskunftsverpflichtungen gegenüber dem Kläger bezüglich möglicher Presseanfragen, die ihn beträfen. Insbesondere dürfe ohne seine vorherige Zustimmung und Inkenntnissetzung keine Auskunft erteilt -3-
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-3- werden. Bei der Anfrage des Klägers handele es sich um die Verfolgung persönlicher Interessen des ehemaligen Geschäftspartners sowie des Klägers selbst, die dieser vorgeschoben als offizielle Rechercheanfrage geltend gemacht habe. Zudem beträ- fen die Angaben aus dem Rechtsanwaltszulassungsverfahren Vorgänge, die bereits zwei Jahrzehnte zurücklägen; es bestehe keinerlei öffentliches Interesse daran, der- lei personenbezogene persönliche Daten herauszugeben. Er sei auch keine in der Öffentlichkeit stehende Person. Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Z ur- verfügungstellung der Unterlagen im Wesentlichen unter Verweis auf ihre Ver- schwiegenheitspflicht nach § 76 Abs. 1 BRAO ab. Darüber hinaus stehe einer Ak- teneinsicht auch § 6 Abs. 1 IFG Bln entgegen. Es überwiege das Privatinteresse des Beigeladenen an der Geheimhaltung, da es sich um personenbezogene Daten han- dele. Dies sei im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes sogar ausdrücklich in § 5 Abs. 2 IFG normiert. Diese gesetzgeberische Wertung auf Bundesebene g ebe auch Hinweise für die nach § 6 Abs. 1 IFG Bln vorzunehmende Abwägung bei berufsbe- zogenen Daten mit der Folge, dass das Privatinteresse des Beigeladenen überwi e- ge. Ein zugunsten des Klägers zu berücksichtigendes Regelbeispiel nach § 6 Abs. 2 IFG Bln liege nicht vor. Mit hiergegen erhobenem Widerspruch vom 7. Juni 2011 verfolgt der Kläger sein Begehren beschränkt auf den Erhalt folgender Informationen fort: „1. Informationen über diejenigen Angaben, die Herr S_____ im Rahmen der Zulassung zur Anwaltschaft zu seiner Tätigkeit als Agent der Spionageabte i- lung des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit gemacht hat und 2. Informationen über diejenigen Angaben, die Herr S_____ im Rahmen der Zulassung zur Anwaltschaft hinsichtlich seiner angeblichen zweijährigen juri s- tischen Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf ge- macht hat.“ Soweit der Beigeladene bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft den „Ergänzungs- fragebogen zum Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft für Bewerber mit juri s- tischer Ausbildung in der früheren DDR“ ausgefüllt haben sollte, schränkte der Klä- ger sein Begehren auf die Übermittlung der vom Beigeladenen gemachten Antworten zu den Fragen II. 2. b und II. 4 des Fragebogens ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: § 76 Abs. 1 BRAO sei nicht einschlägig, da es sich nicht um eine dem Akteneinsichtsrecht entgegenstehende Geheimhaltungsvorschrift des Bunde s- rechts handele, sondern um eine Bestimmung, die das Verhalten Einzelner regele. Sie betreffe nicht das Handeln der Beklagten als Behörde, sondern richte sich an die -4-
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-4- einzelnen Vorstandsmitglieder bzw. Mitarbeiter. Sie sei der beamtenrechtlichen Ver- schwiegenheitspflicht des § 67 BBG nachgebildet. Der Anspruch sei auch nicht nach § 6 Abs. 1 IFG Bln ausgeschlossen, da kein schutzwürdiges Interesse des Beigel a- denen an der Geheimhaltung bestehe. Es liege auch kein überwiegendes Privatinte- resse auf seiner Seite vor, da er Journalist sei. Zudem sei § 6 Abs. 2 Nr. 1 b IFG Bln einschlägig, da es sich bei den begehrten Informationen um Angaben g egenüber einer Behörde gehandelt habe, die der Beigeladene habe machen müssen, um zur Rechtsanwaltschaft zugelassen zu werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Einem Akteneinsichtsrecht stehe § 17 Abs. 4 IFG Bln in Verbindung mit § 76 BRAO entgegen. Die hierin nor- mierte Verschwiegenheitspflicht betreffe den Vorstand der Rechtsanwaltskammer als Behörde. Es handele es sich um eine drittbezogene Verschwiegenheitspflicht. Die Norm konkretisiere bereichsbezogen auf die anwaltliche Selbstverwaltung die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und gelte im Rahmen des § 17 Abs. 4 IFG Bln absolut, wenn es um den Schutz personenbezogener Daten gehe, weil es sich hierbei um den Kernbereich geheimhaltungsbedürftiger Angelegenheiten handele; es sei inso- fern ein besonderes Amtsgeheimnis gegeben. Dem Auskunftsanspruch stehe aber auch § 6 Abs. 1 IFG Bln entgegen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung überwiege das Informationsinteresse des Klägers nicht das Interesse des Beigela- denen an der Geheimhaltung. Es handele sich um personenbezogene Daten, die für den Betroffenen von elementarer Bedeutung seien, da der Kläger nicht lediglich pe r- sonenbezogene Daten im weiteren Sinne verlange, sondern Angaben aus der Pe r- sonalakte eines Kammermitgliedes, die dem besonders geschützten Kernbereich von personenbezogenen Daten unterfielen. Dies verdeutliche auch § 58 BRAO, wo- nach der Rechtsanwalt das Recht auf Einsicht in seine Personalakte nur persö nlich oder durch einen anderen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt ausüben könne. Ein Akteneinsichtsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 6 Abs. 2 IFG Bln, da der Beigeladene sich in seinem Schreiben vom 8. Mai 2011 gegen eine Preisgabe der begehrten Informationen verwahrt habe und das Regelbeispiel des § 6 Abs. 2 Nr. 1 b IFG Bln nicht einschlägig sei, da mit der Information weitere personenbezogene D a- ten offenbart würden. Am 19. August 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er ergä n- zend aus: Die von der Beklagten angenommene Anwendung des § 76 Abs. 1 BRAO, der dem § 67 BBG entspreche, hätte zur Folge, dass auch Beamte keinerlei Inform a- tionen nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgeben dürften. Das sei vom G e- -5-
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-5- setzgeber nicht gewollt. Auch § 6 Abs. 1 und 2 IFG Bln schließe einen Informations- anspruch nicht aus. Er verfolge mit seinem Informationsbegehren nicht lediglich Pr i- vatinteressen, sondern recherchiere seit Jahren über Stasi-Verstrickungen von Per- sönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Der Antrag sei im Zusammenhang mit se inen journalistischen Recherchen gestellt worden. Er habe Anhaltspunkte für die Annah- me, dass die vom Beigeladenen bei seiner Zulassung gemachten Angaben unrichtig seien. Er habe bei der Stasi-Unterlagen-Behörde die Akten zum Beigeladenen ein- gesehen; aus den dort vorgefundenen Lebensläufen ergebe sich, dass der Beigela- dene keine zweijährige Tätigkeit in einem rechtspflegerischen Beruf ausgeübt h aben könne. Er wolle nun prüfen, wie die Beklagte damals mit solchen Fällen umg egangen sei und ob der Beigeladene die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit wahren oder mit unwahren Angaben erhalten habe. Die Abwägung der Beklagten sei fehlerhaft unter Heranziehung von Gesichtspunkten zu § 5 IFG des Bundes vorgenommen worden, denn § 6 IFG Bln habe eine wesentlich weitergehende Regelung getroffen. Dem Informationsanspruch könne auch nicht mit dem bloßen Hinweis auf das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung entgegengetreten werden. Vielmehr müsse das Schutzbedürfnis der in Anspruch genommenen personenbezo- genen Daten mit dem entgegenstehenden Informationsinteresse abgewogen werden. Es komme auf die Art der in Rede stehenden personenbezogenen Angaben an. Es sei schlicht nicht vorstellbar, welches Schutzbedürfnis der Beigeladene an der G e- heimhaltung der von ihm im Rahmen der Zulassung zur Anwaltschaft gemachten Angaben zu seiner früheren MfS-Tätigkeit haben solle. § 6 IFG Bln habe ersichtlich nicht zum Ziel, eine frühere Tätigkeit für den SED-Geheimdienst weiter geheim hal- ten zu können. Es bestehe aber auch deshalb kein Schutzbedürfnis, da der Beigela- dene seine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter der Abteilung Auslandsspionage der MfS-Bezirksverwaltung Leipzig eingeräumt habe, wie dies die eidesstattliche Vers i- cherung des Beigeladenen vom 14. April 2011 belege. Auch aus der gesetzgeberi- schen Wertung des § 6 Abs. 2 IFG Bln ergebe sich, dass das Informationsinteresse überwiege. Es liege hier das gesetzliche Regelbeispiel des § 6 Abs. 2 Nr. 1 b IFG Bln vor, da es um Angaben zu den beruflichen Funktionen des Beigeladenen gehe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Mai 2011 in der G estalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 zu verpflichten, ihm Einsicht in die bei der Beklagten geführte Akte des Beigeladenen zu gewähren, soweit es diejenigen Angaben betrifft, die der Beigeladene im Rahmen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu seiner Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatss i- cherheit der DDR und hinsichtlich seiner zweijährigen juristischen Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf gemacht hat. -6-
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-6- Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Die Beklagte trägt ergänzend vor: § 76 Abs. 1 BRAO stelle wie die Regelungen in § 8 WpHG oder § 9 KWG eine bereichsspezifische Verschwiegenheitspflicht dar, die einer Auskunftserteilung entgegenstehe. Diese Verschwiegenheitspflicht gelte abs o- lut und sei einer Relativierung nicht zugänglich, wie dies bereits das Verwaltungsge- richt Frankfurt a. M. und der Verwaltungsgerichtshof Kassel entschieden hätten. Bei § 76 BRAO handele es sich auch nicht um eine mit § 67 BBG vergleichbare allg e- meine Vorschrift zur Amtsverschwiegenheit, da die Verschwiegenheitspflicht des § 76 Abs. 1 BRAO nur die Informationen „über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen“, mithin nur personenbezogene Daten betreffe. Auch § 6 Abs. 1 IFG Bln stehe einer Auskunftserteilung entgegen, da es sich unzweifelhaft um personenb e- zogene Daten handele, die Teil der Personalakte des Beigeladenen seien. Personal- akten unterlägen grundsätzlich der Geheimhaltung. Weiter sei zu berücksichtigen, dass Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR nach dem St a- si-Unterlagen-Gesetz grundsätzlich nur für den Zweck verarbeitet werden dürften, für die sie übermittelt worden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Akte der Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt – soweit erheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einsicht in die Akten der Beklagten, in denen sich die Angaben des Beigeladenen befinden, die dieser im Rahmen seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemacht hat. Rechtsgrundlage für das Akteneinsichtsbegehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 Satz 1 -7-
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-7- IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gege nüber den in § 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Ei nsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 IFG Bln liegen vor. Der Kläger gehört als natürliche Person zum anspruchsberechtigten Personenkreis. Die Rechtsanwalt s- kammer ist als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts des Landes Berlin (§ 62 BRAO, § 28 Abs. 2 lit. b AZG) eine nach § 2 Abs. 1 S. 1 IFG Bln infor- mationspflichtige öffentliche Stelle. Bei den Angaben des Beigeladenen im Ra hmen seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft handelt es sich auch um Bestan dteile von Akten im Sinne des § 3 Abs. 2 IFG Bln. Akten im Sinne dieses Gesetzes sind u. a. alle schriftlich festgehaltenen Gedankenverkörperungen und sonstige Aufzeichnu n- gen, soweit sie amtlichen Zwecken dienen. Die Angaben dienten der Pr üfung, ob der Beigeladene die Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erfüllte; sie befinden sich in der von der Beklagten über den Beigeladenen geführten Pers o- nalakte (vgl. §§ 6 ff., 58 BRAO). Der vom Kläger erstrebten Akteneinsicht steht – entgegen der Auffassung der Be- klagten – nicht der Versagungsgrund des § 17 Abs. 4 IFG Bln i.V.m. § 76 Abs. 1 BRAO entgegen. Zwar bleiben nach § 17 Abs. 4 IFG Bln auf Bundesrecht beruhe nde Geheimhaltungspflichten unberührt. Dem § 76 Abs. 1 BRAO lässt sich eine solche Geheimhaltungspflicht aber nicht entnehmen. Nach § 76 Abs. 1 BRAO haben die Mitglieder des Vorstandes über Angelegenheiten, die ihnen bei ihrer Tätigkeit im Vorstand über Rechtsanwälte, Bewerber und andere Personen bekannt werden, Verschwiegenheit gegen jedermann zu bewahren. Das gleiche gilt für Rechtsanwäl- te, die zur Mitarbeit herangezogen werden, und für Angestellte der Rechtsanwalt s- kammer. Wortlaut, Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift legen den Schluss nahe, dass es sich hier nur um eine allgemeine Verschwiegen- heitspflicht handelt. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut sehr allgemein gehalten. Sie postuliert eine Pflicht des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer zur Verschwi e- genheit über personenbezogene Daten gegen jedermann. Damit ist der Tatbestand der Geheimhaltungspflicht im Sinne des § 17 Abs. 4 IFG Bln aber noch nicht erfüllt. Es genügt auch nicht, dass der Gesetzgeber die Verschwiegenheitspflicht auf be- stimmte Informationen (hier: personenbezogene Daten) beschränkt. Maßgeblich ist vielmehr der besondere Schutzzweck der Norm. Eine Geheimhaltungspflicht ist nur zu bejahen, wenn die Norm dem Schutz besonders sensibler Grundrechtsbereiche dient (zum Beispiel: Post- und Fernmeldegeheimnis, Sozialgeheimnis, Steuerge- -8-
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-8- heimnis), wobei eine bloße grundrechtliche Drittbetroffenheit nicht ausreichend ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 – BVerwG 20 F 21.10 – juris Rn. 12 zu § 99 Abs. 1 VwGO und § 9 Abs. 1 KWG). Einen solchen besonderen Bezug weist § 76 Abs. 1 BRAO nicht auf. Nach ihrem Sinn und Zweck zielt die Regelung darauf ab, eine gedeihliche Arbeit des Kammervorstandes zu ermöglichen. Aufgrund der Vie l- zahl der Aufgaben des Vorstandes wie Zulassungssachen, Aufsichts- und Be- schwerdesachen und Zulassungswiderrufsverfahren fallen eine Fülle von Informati o- nen über einzelne Kammermitglieder an. Die Betroffenen haben ein berechtigtes Interesse daran, dass diese personenbezogenen Daten und Erkenntnisse nicht zur Kenntnis Unbefugter gelangen. Müssten sie dies befürchten, dann wären sie ihre r- seits mit Informationen an den Kammervorstand, auf die dieser aber zur Erfüllung seiner Aufgaben angewiesen ist, zumindest zurückhaltend. Sie machen ihre Ang a- ben gegenüber dem Vorstand im Vertrauen darauf, dass diese nur für die Aufgabe n- erfüllung des Kammervorstandes verwendet werden (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO- Kommentar, 7. Auflage 2008, § 76 Rn. 2 ff. unter Verweis auf die amtliche Begrü n- dung). Damit ist diese Pflicht zur Verschwiegenheit weitgehend vergleichbar mit der beamtenrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 37 BeamtStG und § 67 BBG (vgl. Feuerich/Weyland, a.a.O., § 76 Rn. 9; Hartung in Henssler/Prütting, BRAO - Kommentar, 2. Auflage 2004, § 76 Rn. 5 ff.), die ebenfalls keine Geheimhaltungs- pflicht im Sinne des § 17 Abs. 4 IFG Bln darstellt. Auch die Entstehungsgeschichte der Regelung des § 76 BRAO spricht gegen eine solche Geheimhaltungspflicht für personenbezogene Daten. Die Norm stammt aus dem Jahre 1959 und damit aus einer Zeit zu der die Personalakten mit den personenbezogenen Daten noch bei den Landesjustizverwaltungen geführt wurden, die eine Einsicht in diese Akten nicht un- ter Verweis auf die allgemeine Verschwiegenheitspflicht ihrer Mitarbeiter hätten a b- lehnen können. Nach der Übertragung der Zuständigkeit für die Führung von Perso- nalakten auf die Rechtsanwaltskammern blieb die Vorschrift des § 76 BRAO unver- ändert; entgegen der Auffassung der Beklagten kann ihr daher nicht eine Bedeutung als „Personalakten-Geheimhaltungsvorschrift“ beigemessen werden. Der erstrebten Akteneinsicht steht aber der Ausschlussgrund des § 6 Abs. 1 IFG Bln entgegen. Hiernach besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten verö f- fentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass übe r- wiegend Privatinteressen verfolgt werden (1. Alternative) oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsint e- resse (§ 1) das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt (2. -9-
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-9- Alternative). Die Angaben des Beigeladenen zu einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR sowie seine Angaben zu seiner mindestens zweijährigen juristischen Praxis in der Rechtspflege oder einem rechtsberatenden Beruf sind pe r- sonenbezogene Daten im oben genannten Sinne, da es sich um Einzelangaben über persönliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person handelt (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 BlnDSG). Die erste Alternative des § 6 Abs. 1 IFG Bln ist nicht erfüllt. Nach dem Vorbri ngen des Klägers bestehen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, dass über- wiegend Privatinteressen verfolgt werden. Der Kläger benötigt die Informationen im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit. Er recherchiert seit Jahren über Stasi- Verstrickungen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und er hat dargelegt, dass nach seiner Auffassung und nach Durchsicht der Akten beim Bundesbeauftrag- ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR der Beige- ladene bei seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft keine zweijährige Tätigkeit in einem rechtspflegerischen Beruf ausgeübt haben kann. Er will nun prüfen, wie die Beklagte damals mit solchen Fällen umgegangen ist und ob der Beigeladene die Zu- lassung zur Rechtsanwaltschaft mit wahren oder mit unwahren Angaben erhalten hat. Damit nimmt er ein dem Zweck des Gesetzes entsprechendes Informationsint e- resse (vgl. § 1 IFG Bln) in Anspruch, das sich nicht in der überwiegenden Verfolgung von Privatinteressen erschöpft. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine vom Kläger oder einem ehemali- gen Geschäftspartner des Beigeladenen initiierte „Rufmordkampagne“, wie es der Beigeladene geltend macht, liegen nicht vor. Allein der Hinweis des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, sein ehemaliger Geschäftspartner und die A_____, bei der der Kläger beschäftigt sei, hätten sich von derselben Rechtsanwaltskanzlei ver- treten lassen, reicht hierfür nicht aus. Der Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht ist aber nach der zweiten Alternative des § 6 Abs. 1 IFG Bln ausgeschlossen. Dem Informationszugang stehen zunächst schutzwürdige Belange des Beigeladenen entgegen. Der Beigeladene hat der Offen- barung der in Frage stehenden Daten nicht zugestimmt (§ 6 Abs. 2 S. 1, 1. Alt. IFG Bln); seine Angaben zu einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR und zu einer mindestens zweijährigen juristischen Pr axis - 10 -
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- 10 - in der Rechtspflege oder einem rechtsberatenden Beruf im Rahmen seiner Zula s- sung zur Rechtsanwaltschaft unterfallen auch nicht den Regelbeispielen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a oder b IFG Bln, wonach schutzwürdige Belange der Betroffe- nen in der Regel nicht entgegenstehen, soweit sich aus einer Akte ergibt, dass die Betroffenen an einem Verwaltungsverfahren oder einem sonstigen Verfahren bete i- ligt sind (Nr. 1 a) oder eine gesetzliche oder behördlich vorgeschriebene Erklärung abgegeben oder eine Anzeige, Anmeldung, Auskunft oder vergleichbare Mitte ilung durch die Betroffenen gegenüber einer Behörde erfolgt ist (Nr. 1 b) und durch diese Angaben mit Ausnahme von Namen, Titel, akademischer Grad, Geburtsdatum, Be- ruf, Branchen- oder Geschäftsbezeichnung, innerbetrieblicher Funktionsbezeich- nung, Anschrift und Rufnummer nicht zugleich weitere personenbezogene Daten offenbart werden. Zwar spricht vieles dafür, dass der Beigeladene als Antragsteller im Verfahren zur Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Beteiligter an einem Verfahren im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a IFG Bln ist und dass der Beigeladene seine Angaben aufgrund einer gesetzlichen oder behördlichen Pflicht gegenüber einer Behörde im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b IFG Bln abgegeben hat. Dies kann aber dahinstehen, da eine Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a oder b IFG Bln jedenfalls daran schei- tert, dass mit der Information zugleich weitere personenbezogene Daten offenbart werden. Denn die vom Kläger begehrten Angaben beschränken sich nicht auf die Angabe des Namens, des Geburtsdatums, des Berufes, der innerbetrieblichen Funk- tionsbezeichnung, der Anschrift oder der Rufnummer des Beigeladenen, sondern umfassen alle vom Beigeladenen gemachten Angaben zu seiner möglichen Zusam- menarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR sowie zu einer minde s- tens zweijährigen juristischen Praxis in der Rechtspflege oder einem rechtsberate n- den Beruf, womit zweifellos weitere personenbezogene Daten offenbart würden. Das Informationsinteresse des Klägers überwiegt auch sonst nicht das Interesse des Beigeladenen an der Geheimhaltung im Sinne des § 6 Abs. 1, 2. Alt. IFG Bln. Im Rahmen der danach gebotenen Einzelfallabwägung ist zu berücksichtigen, dass per- sonenbezogene Daten vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) erfasst sind; die Abwägung mit dem entgegenstehenden Informationsinteresse muss diesem grundrechtlichen Schutz angemessen Rechnung tragen. Bei der Frage, welches Gewicht der Offenb a- rung personenbezogener Daten zukommt, ist auf die konkreten Umstände des Ein- zelfalles abzustellen. Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht - 11 -
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