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Aktenzeichen
2 K 114.11
Datum
1. Dezember 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Quellcode
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Anspruch der Presse auf Information; Fraktion

2 K 114.11

Auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes besteht kein Anspruch auf Informationszugang gegenüber einer Bundestagsfraktion. Diese ist keine Behörde oder sonstige Stelle, die Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, und unterfällt damit nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit

VG 2K 114.11 Verkündet am 1. Dezember 2011

Wolter Justizbeschäftige

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache

Klägers, Verfahrensbevollmächtigter:

gegen Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2011 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Becker, den Richter am Verwaltungsgericht Hömig, den ehrenamtlichen Richter Lippka und den ehrenamtlichen Richter Ahrendt

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger erstrebt den Zugang zu Informationen der beklagten Bundestagsfrakti-

on.

Zr

Der Kläger ist Journalist. Mit E-Mail vom 3. Mai 2011 bat er die Beklagte "auf Basis des Landespressegesetzes sowie des Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)" um die Übermittlung von Informationen zu der jeweiligen Höhe der monatlichen Funktionszulagen, die die Beklagte an ihre Funktionsträger ("Fraktionsvorsitzende, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Erste Parlamentarische Geschäftsführer, weitere Parlamentarische Geschäftsführer, Arbeitsgruppenvorsitzende, Arbeitskreisvorsitzende beziehungsweise fachpolitische Sprecher, Justiziare sowie gegebenenfalls weitere Funktionsträger, falls auch diese Funktionszulagen beziehen") zahle und in der Vergangenheit gezahlt habe. Mit E-Mail vom 25. Mai 2011 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, weil weder das Landespressegesetz noch das Informationsfreiheitsgesetz anwendbar seien. Die Beklagte sei als Bundestagsfraktion keine Behörde im Sinne dieser Bestimmungen.

Hiergegen richtet sich die am 7. Juli 2011 erhobene Klage mit welcher der Kläger sein Informationsbegehren weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei als "Behörde" informationspflichtig. Soweit $ 46 Abs. 3 des Abgeordnetengesetzes (AbgG) dieser Annahme entgegenstehe, sei er wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig und bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Zugang zu folgenden Informationen zu gewähren: Die jeweilige Höhe der monatlichen Funktionszulagen, die die Beklagte dem jeweiligen Funktionsträgern innerhalb ihrer Fraktion zahlt, also die jeweils geltenden Summen für Fraktionsvorsitzende, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Erste Parlamentarische Geschäftsführer, weitere Parlamentarische Geschäftsführer, Arbeitsgruppenvorsitzende, Arbeitskreisvorsitzende beziehungsweise fachpolitische Sprecher, Justiziare sowie gegebenenfalls weitere Funktionsträger, falls auch diese Funktionszulagen beziehen, seit Januar 1995 bis Mai 2011.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, sie sei keine informationspflichtige Stelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

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Entscheidungsgründe

Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen (vgl. $ 113 Abs. 5 VwGO).

  1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem IFG. Nach $ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß 8 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gilt das Gesetz außerdem für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn die Beklagte ist keine Behörde oder sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (8 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 IFG). Fraktionen sind rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten (8 46 Abs. 1 AbgG), die an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mitwirken (8 47 Abs. 1 AbgG). Hierbei nehmen sie keine Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Verwaltung wahr. Dies hat der Gesetzgeber mit $ 46 Abs. 3 AbgG klargestellt. Danach sind die Fraktionen nicht Teil der öffentlichen Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus (vgl. Braun/Jantsch/Klante, AbgG, 2002, Rn. 18 zu8$ 46). Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber dem "Mißverständnis" entgegentreten, die Fraktionen seien Teile der Verwaltungsorganisation oder entsprechend wie Behörden der Exekutive zu behandeln (BT-Drs. 12/6067, S. 10). Die Annahme des Klägers, die Fraktionen nähmen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr, ist hiermit nicht zu vereinbaren.

Dieser Befund steht entgegen der Auffassung des Klägers mit der Verfassung im Einklang. Insbesondere zwingt Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu einer verfassungskonformen Auslegung des $ 46 Abs. 3 AbgG dahingehend, dass Fraktionen jedenfalls bei der Entscheidung über an sie herangetragene Informationsbegehren als Bundesorgane bzw. -einrichtungen angesehen werden müssten, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Denn soweit $ 46 Abs. 3 AbgG die Fraktionen aus dem Anwendungsbereich des IFG herausnimmt, greift er nicht in den Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 GG ein.

Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG steht jemandem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Diese Verfassungsbestimmung wird beeinträchtigt, wenn der Rechtsweg nicht eröffnet wird, wenn also der Zugang zu den Gerichten ausgeschlossen oder in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht

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gerechtfertigter Weise erschwert wird (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Rn. 50 zu Art. 19). So verhält es sich hier nicht. Denn dem Kläger wird nicht der Zugang zum Gericht versagt oder unzumutbar erschwert. Sein auf das IFG gestütztes Begehren hat wegen 8 46 Abs. 3 AbgG lediglich in der Sache keinen Erfolg.

Davon abgesehen nehmen die Fraktionen entgegen der Annahme des Klägers bei der Verteilung von - ihnen zuvor vom Staat zugewandten - Geldmitteln an Funktionsträger auch in materieller Hinsicht keine Aufgaben der Öffentlich-rechtlichen Verwaltung wahr. Die Verteilung der den Fraktionen zugewandten staatlichen Mittel an Funktionsträger ist - nicht anders als die Verwendung von Subventionen durch andere Subventionsempfänger oder die Verwendung von Mitteln der staatlichen Parteienfinanzierung durch politische Parteien - insbesondere kein Gesetzesvollzug. Vielmehr handelt es sich um eine gesetzlich nicht geregelte interne Maßnahme der Fraktion. Dass die Fraktion verpflichtet ist, sich - wie jeder andere auch - an die geltenden Gesetze zu halten, macht ihr Handeln entgegen der Ansicht des Klägers noch nicht zum Gesetzesvollzug.

Schließlich wäre der Kläger durch eine rechtswidrige Zahlungspraxis der Beklagten nicht im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG in seinen Rechten verletzt und könnte sich gegen einen insoweit ausgeschlossenen Rechtsweg auch deshalb nicht auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen. Er selbst ist kein Funktionsträger der beklagten Fraktion oder sonstiger Abgeordneter und kann durch rechtswidrige Zahlungen mithin nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch hat der Kläger nicht.

  1. Der Kläger kann Zugang zu den begehrten Informationen von der Beklagten auch nicht auf der Grundlage des Berliner Pressegesetzes (PresseG Bin) verlangen. Denn nach $ 4 Abs. 1 PresseG Bin sind nur die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen. Die Beklagte ist keine Behörde im Sinne dieser Bestimmung. Zwar ist der Behördenbegriff des Presserechts nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu verstehen. Maßgeblich ist insoweit das Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung, das überall dort vorliegt, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, weshalb der Behördenbegriff auf Einrichtungen der Leistungsverwaltung zu erstrecken ist (BGH, Urteil vom 10. Februar

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2005 - III ZR 294/04 -, Juris). Die Beklagte ist jedoch nicht in diesem Sinne eine Einrichtung der Leistungsverwaltung, sondern lediglich Empfängerin staatlicher Zuwendungen. Dies reicht zur Begründung der Behördeneigenschaft nicht aus.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf $ 167 VwGO i.V.m. den 88 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBi. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe schriftlich oder in elektronischer Form darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in 8 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Xalter Becker Hömig

hö./Neu.